Primordiale Nukleosynthese

Primordiale Nukleosynthese

Als primordiale Nukleosynthese bezeichnet man eine physikalische Theorie, die die Bildung der ersten Atomkerne kurz nach dem Urknall beschreibt.

Inhaltsverzeichnis

Kernaussagen

Die wichtigsten Aussagen der primordialen Nukleosynthese sind:

  • Nur die Elemente Wasserstoff und Helium (neben Spuren des Wasserstoff-Isotops Deuterium sowie Lithium) wurden während der primordialen Nukleosynthese gebildet. Die heute zu beobachtenden schwereren Elemente stammen aus Fusionsreaktionen in Sternen und damit aus viel späterer Zeit.
  • Die Theorie sagt ein Massenverhältnis von 25 % Helium zu 75 % Wasserstoff voraus.
  • Sie dauerte nur etwa 3 Minuten; danach fielen Temperatur und Dichte des Universums unter die kritischen Werte, die für die Kernfusion nötig sind. Die kurze Zeitdauer erklärt zum einen, warum sich schwerere Elemente nicht schon beim Urknall gebildet haben und zum anderen, warum reaktive leichte Elemente wie Deuterium übrig bleiben konnten.
  • Sie fand lokal, aber gleichzeitig überall im gesamten Universum statt.

Entstehung der Theorie

Die Idee für die Theorie der primordialen Nukleosynthese geht auf Arbeiten des amerikanischen Physikers George Gamow im Jahre 1946 zurück. 1950 beschrieb der Japaner Chushiro Hayashi die Neutron-Proton-Gleichgewichtsprozesse zur Erzeugung der leichten Elemente und 1966 erstellte Ralph Alpher ein Modell zur 4He-Synthese. In Folge kam es zu weiteren Verfeinerungen des Modells aufgrund immer besserer Kenntnis der Kernreaktionsraten der beteiligten Nukleonen.

Zeitlicher Ablauf

Nach der heute akzeptierten Theorie konnten die Prozesse zur Bildung der ersten Atomkerne etwa eine Hundertstelsekunde nach dem Urknall beginnen. Das Universum hatte sich nun so weit abgekühlt, dass die bisher als Plasma vorliegenden Quarks zu Protonen und Neutronen im Verhältnis 1:1 kondensierten. Die Temperatur betrug zu diesem Zeitpunkt noch ca. 10 Milliarden Kelvin (entsprechend 1 MeV). Ein wichtiger Parameter der Theorie ist das Verhältnis von baryonischer Materie zu Photonen, welches in der Größenordnung von 10–10 angenommen wird. Von diesem Parameter wird der Zeitpunkt des Beginns der Deuteriumsynthese bestimmt.

Die mit zunehmendem Weltallalter abfallende Temperatur verschob im weiteren Verlauf das Neutron-Proton-Gleichgewicht immer mehr zugunsten der Protonen. Etwa 1 Sekunde nach dem Urknall entkoppeln die Neutrinos von der Materie. Elektronen und Positronen zerstrahlen. Das Verhältnis von Neutronen und Protonen ist auf etwa 1:6 abgesunken. Die Temperatur zu diesem Zeitpunkt betrug ca. 0,8MeV.

Nun können sich erstmals Protonen und Neutronen zu Deuteronen (= Deuteriumkernen) verbinden. Allerdings wird dieses durch hochenergetische Photonen sofort wieder aufgespalten. Erst eine Minute nach dem Urknall hat sich das Universum so weit abgekühlt (80 keV), dass effektiv Deuterium gebildet wird. Da in diesem Zeitraum weitere Neutronen zerfallen, (das freie Neutron hat eine Halbwertszeit von 15 Minuten), beträgt das Verhältnis von Neutronen zu Protonen jetzt nur noch 1:7.

Die verbleibenden Neutronen werden nun zu 99,99 % in 4He gebunden. Aufgrund der hohen Bindungsenergie des 4He-Kerns und weil kein stabiler Kern mit Massenzahl 5 bzw. 8 existiert, wird 4He kaum abgebaut. Nur das Element Lithium in Form des Isotops 7Li wird noch in geringem Ausmaß bei Kernreaktionen gebildet. Die spätere Produktion von Lithium, Beryllium und Bor in Spallationsreaktionen der interstellaren Materie ist allerdings um einige Größenordnungen stärker als die Entstehung beim Urknall.

Die Theorie sagt ein Massenverhältnis 75 % Wasserstoff (Protonen) zu 25 % Helium voraus. Dieser Wert stimmt äußerst gut mit den Beobachtungen der ältesten Sterne überein, was ein Grund für die breite Akzeptanz dieser Theorie ist. Gerade für 4He wurden Messungen auch außerhalb unserer Milchstraße gemacht, die das Ergebnis bestätigen. Auch die relativen Häufigkeiten von Deuterium, 3He und Lithium werden von der Theorie sehr gut erklärt.

5 Minuten nach dem Urknall ist die Teilchendichte des Universums so weit gesunken, dass die primordiale Nukleosynthese im Wesentlichen beendet ist. Spuren von Deuterium und Tritium sowie 3He sind noch übrig. Außerdem alle diejenigen Protonen, die keine Neutronen als Reaktionspartner gefunden haben. Die noch übriggebliebenen freien Neutronen zerfallen im Verlauf der nächsten Minuten.

Verbindung zu anderen kosmologischen Modellen

Die primordiale Nukleosynthese ist heute eines der wichtigsten Standbeine des Standardmodells der Kosmologie. Im Rahmen dieser Theorie wurde erstmals auch die kosmische Hintergrundstrahlung vorhergesagt. Sie wird ferner als wichtiges Indiz für die Existenz nicht-baryonischer dunkler Materie gewertet. Zum einen limitiert die primordiale Nukleosynthese die Menge der Baryonen im Universum durch ihr Verhältnis zu den Photonen. Zum anderen macht es die gleichmäßige Verteilung der Baryonen während der primordialen Nukleosynthese wahrscheinlich, dass Dichteschwankungen eines nur schwach wechselwirkenden schweren Elementarteilchens die heute beobachtete körnige Struktur des Universums ausprägen konnten.

Siehe auch

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