- Prinzessin von Clèves
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Die Prinzessin von Clèves ist ein Roman von Marie-Madeleine de La Fayette. Er wurde 1678 in Paris anonym veröffentlicht. Als Verfasser wurden sowohl La Rochefoucauld, der eine Autorschaft immer abgestritten hat, als auch Jean de Segrais, ein französischer Dichter und zeitweise Sekretär der Autorin, vermutet.
Autorin ist die aus dem niederen Adel stammende Marie-Madeleine Pioche de la Vergne, durch Heirat Gräfin de La Fayette. Madame de La Fayette gehörte als enge Vertraute von Henrietta Stuart, der Frau des Herzogs von Orleáns, zum inneren Kreis des Hofes von Ludwig XIV.. Befreundet mit dem Herzog von La Rochefoucauld, verkehrte sie sowohl in den jansenistisch geprägten als auch den preziösen literarischen Salons ihrer Zeit.
In Frankreich gehört der Roman, der von Nicolas Sarkozy als „Paradebeispiel für ein verstaubtes und überholtes Werk, also pädagogisch völlig ungeeignet“[1] abqualifiziert worden ist, zum Lektürekanon der Gymnasien.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt
Der Roman spielt am französischen Hof gegen Ende der Regierung Heinrichs II. Nach einer detaillierten, die Geduld des zeitgenössischen Lesers ermüdenden Vorstellung des Personals, kommt die Autorin zu den Hauptpersonen. Die junge und bildschöne Mademoiselle de Chartres wird von ihrer Mutter, der sittenstrengen Madame de Chartres, in die Gesellschaft eingeführt. Der wesentlich ältere Prinz von Clèves verliebt sich in das junge Mädchen und bittet die Mutter um die Hand der Tochter. Die Mutter sieht in dem Bewerber, der sich nicht nur durch seinen gesellschaftlichen Rang und seinen Reichtum sondern auch durch Ehrenhaftigkeit und Charakterfestigkeit auszeichnet, eine vorteilhafte Partie. Sie rät der Tochter den Antrag anzunehmen, die Ehe wird geschlossen. Allerdings liebt die Prinzessin ihren Mann nicht, und dieser nimmt ihre Kühle als gegebene Charaktereigenschaft hin.
Auf einem Ball trifft die Prinzessin den Herzog von Nemours, eine der glanzvollsten Erscheinungen am Hof, dem der Ruf eines „Frauenhelden“ vorauseilt. Beide entbrennen in heftiger Liebe zueinander. Der Herzog bricht alle seine geheimen amourösen Beziehungen ab, seine plötzliche Tugendhaftigkeit, verbunden mit der Melancholie unerfüllter Liebe, fällt am Hofe auf. Selbst eine vom Hof forcierte Bewerbung um die Hand der englischen Königin lässt er im Sand verlaufen. Die Prinzessin, zum ersten Mal in ihrem Leben verliebt, wird in einen Strudel widerstreitender Gefühle gerissen. Auf der einen Seite schätzt sie ihren Mann und kann nach ihren strengen, von der Mutter vermittelten Moralvorstellungen die ihm versprochene Treue nicht brechen. Auf der anderen Seite kreisen ihre Gedanken nur noch um den Geliebten, und sie fühlt sich mit allen Sinnen zu ihm hingezogen. Obwohl sich die beiden in der Gesellschaft häufig treffen, verbergen sie unter dem Zwang der höfischen Konventionen ihre Liebe zueinander, die beide nur an winzigen, für Unbeteiligte kaum deutbaren Signalen ablesen können.
Hin und her gerissen zwischen Vernunft und Leidenschaft und um allen Versuchungen zu entgehen, reist die Prinzessin auf einen Landsitz der Familie und fleht den Prinzen an, sie dort zu belassen, was dieser aber wegen seiner gesellschaftlichen Verpflichtungen nicht zulassen will. In einem Ausbruch von Verzweiflung gesteht sie ihrem Ehemann die Liebe zu einem anderen, dessen Namen sie aber nicht nennt. Der Verdacht des Prinzen fällt sofort auf den Herzog von Nemours, zumal ihm zugetragen wird, dass sich der Herzog zwei Tage zur gleichen Zeit wie seine Frau auf einem Nachbargut aufgehalten hat. Der Herzog, der der Prinzessin wie ein Schatten folgt, hat fatalerweise das Gespräch belauscht, er fühlt sich wiedergeliebt, und im Überschwang seiner Gefühle erzählt er einem Freund von diesem ungewöhnlichen Geständnis. Dieser erzählt es seiner Geliebten weiter, die Geschichte verbreitet sich blitzschnell am Hof.
Der Prinz von Clèves, der seine Frau übermäßig liebt, konnte zwar mit ihrer „Kälte“ leben, ihre Liebe zu einem anderen bricht ihm aber das Herz. Er verfällt in Schwermut, erkrankt und stirbt wenig später.
Obwohl der Tod des Prinzen seine Frau für eine Ehe mit den Herzog frei macht, zieht sie sich vom Hof zurück und bricht jeglichen Kontakt mit dem Herzog ab. In einem letzten Gespräch der beiden Liebenden begründet sie ihren Entschluss damit, dass es keinen Mann gäbe, dessen Liebe nicht in der Ehe erkalte, und der sich dann nicht anderen Frauen zuwende. Auch für sich selbst könne sie solch ein Verhalten nicht ausschließen. Einem Geliebten könne man in einem solchen Fall Vorwürfe machen, aber was könne man schon einem Ehemann vorwerfen, dessen einzige Schuld darin bestünde, keine Liebe mehr zu empfinden? „Monsieur de Clèves war vielleicht der einzige Mann, auf Erden, der seine Liebe auch in der Ehe bewahrt hat“.[2]
Rezeption
Der Roman war in Frankreich von Beginn an ein großer Publikumserfolg, die erste Auflage war kurz nach Erscheinen vollständig vergriffen. Er wurde in allen literarischen Salons der Zeit lebhaft diskutiert, wobei neben der Frage nach dem anonymen Autor vor allem das als schockierend empfundene Geständnis der Protagonistin an ihren Ehemann im Mittelpunkt des Interesses stand. Der Mercure Galant, das vielgelesene Gesellschafts- und Kulturmagazin der damaligen Zeit, in dem Fragen von Kunst, Literatur und Mode diskutiert und auch die neusten Gesellschaftsnachrichten kolportiert wurden, widmete dem Roman, der zwar in schon fernen Zeiten spielte, jedoch die Gesellschaft des zeitgenössischen Lesers widerspiegelte, eine Leserumfrage. Probleme und Charaktere waren für Aristokratie und die literarischen Salons der Zeit typisch. Anstoß nahmen die Leser an dem ungewöhnlichen Geständnis und dem folgenden Verzicht der Prinzessin.
Nachhaltig war seine Wirkung auf den französischen Roman des 18. und 19. Jahrhunderts. Das Buch gilt als frühes Beispiel eines psychologischen Romans, der gleichzeitig ein Panorama einer konkreten Gesellschaft entfaltet und nicht mehr – wie die Vorgänger des Genres – in einem märchenhaften, fantastischen Milieu mit ebenso märchenhaften Helden und heroischen und übersteigerten Affekten angesiedelt ist, sondern das Augenmerk auf die subtilen Regungen des Herzens richtet.
Das Vorbild der Prinzessin von Clèves hatte, wie es Niklas Luhmann ausdrückt, einen "Schweif von Entsagungsromanen" [3] zur Folge, zum Beispiel die wenig später entstandenen Romane einer Marquise de Tencin, es war wirksam bis zur Manon Lescaut des Abbé Prévost oder den Gefährlichen Liebschaften des Choderlos de Laclos. Stendhal, selbst ein Meister in der Analyse von Verwirrungen und Winkelzügen der Liebe und scharfer Beobachter der Gesellschaft seiner Zeit, hat die „göttliche Prinzessin von Clèves“[4] hochgeschätzt.
Die Prinzessin von Clèves war einer der Lieblingsromane des früh verstorbenen Raymond Radiguet. In seinem Roman Der Ball des Conte d’Orgel nimmt er das Hauptmotiv des Romans auf, das Geständnis einer Frau, die ihrem Ehemann ihre Leidenschaft für einen anderen Mann gesteht, mit den verhängnisvollen Konsequenzen, die daraus für alle Beteiligten entstehen.
Trotz der Abqualifizierung durch Sarkozy[5] steht der Roman immer noch auf der Lektüreliste französischer Abiturienten.
Verfilmungen
- 1961 La Princesse de Clèves, Drehbuch, in Zusammenarbeit mit Jean Cocteau, und Regie Jean Delannoy, mit Jean Marais und Marina Vlady in den Hauptrollen und der Musik von Georges Auric.
- 1999 La Lettre, Regie Manoel de Oliveira
- 2000 La Fidèlité, Regie Andrzej Żuławski mit Chiara Mastroianni in der weiblichen Hauptrolle
- 2008 La Belle Personne, Regie Christophe Honorè
Oper
- 1961 La Princesse de Clèves, Oper von Jean Françaix
Einzelnachweise
- ↑ Zitiert nach arte.tv
- ↑ Madame de La Fayette: Die Prinzessin von Cleves. Zürich 1957. S. 281–282.
- ↑ Niklas Luhmann: Liebe als Passion. Frankfurt a.M. 1982. S. 12.
- ↑ Brief von Stendhal an Balzac, 1840, zitiert nach Arthur Schurig: Nachwort zu Stendhals „Karthause von Parma“. 1920
- ↑ Interview von Olivier Bombarda mit Christophe Honoré. [1]
Literatur
- E. Merian-Genast: Madame de La Fayette. Leben und Werk. In: Madame de La Fayette: Die Prinzessin von Clèves und die Prinzessin von Montpensier. Zürich 1957.
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