Pulverturm (Mainz)

Pulverturm (Mainz)
Detailausschnitt aus Matthäus Merian dem Jüngeren, 1655. Pulverturm links oben (18)

Der Pulverturm in Mainz war der in den letzten ca. 50 Jahren seiner Existenz als Pulverturm genutzte Martinsturm der Festung Mainz. Besondere Bekanntheit erhielt er durch die Pulverturmexplosion am Nachmittag des 18. November 1857.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Mainz gegen Orient, 1646. Pulverturm hinter der Gaupforte rechts

Der Martinsturm stammte aus dem Mittelalter und war der äußere Gautorturm; ursprünglich hieß er äußere Gaupforte. Als um 1660–1670 unter Johann Philipp von Schönborn die Martinsbastion Teil der zusammenhängenden Festung der Stadt Mainz wurde und die beiden anderen Gaupforten niedergelegt wurden, blieb die äußere Gaupforte als Martinsturm erhalten. Das Gebäude wurde als Stockhaus, also als Militärarresthaus genutzt. Das nach 1670 errichtete und 1896 niedergelegte Gautor ersetzte die alten Gaupforten.

Pulverturmexplosion

Seit dem 19. Jahrhundert wurde der Martinsturm als Pulvermagazin genutzt, bis er am Mittwoch, dem 18. November 1857, um 14:45 Uhr explodierte. Zu diesem Zeitpunkt lagerten 208 Zentner Zündhütchen und über 600 Leuchtkugeln in dem Magazin. Innerhalb weniger Sekunden wurden 57 Häuser am Kästrich zerstört; an weiteren 64 Gebäuden und an den Festungswerken entstand großer Sachschaden. Die ebenfalls in der Nähe befindliche St. Stephan-Kirche wurde ebenfalls schwer beschädigt. Sie diente aber gleichzeitig als eine Art Schutzschild für den restlichen Teil der Stadt. Durch die entstehende Druckwelle wurden Fenster im Mainzer Dom sowie in der St. Quintin-Kirche zerstört. Steine flogen bis in den Rhein und zur Bauhofstraße. Ein Giebelstein von 1366 Pfund flog bis zum Ballplatz. Die gesamte Wachmannschaft der Torwache (34er) vor dem Gautor wurde getötet; Teile der preußischen Garde-Feldartillerie und 3er, die im Festungsgraben exerzierten, wurden ebenfalls getötet oder verwundet. Die Anzahl der getöteten Österreicher blieb Militärgeheimnis.

Trotz dieser weitreichenden Schäden hatten Festung und Stadt Glück im Unglück, denn noch wenige Tage vorher befanden sich noch rund 700 Zentner Munition in dem Depot. Die Ursache der Explosion, die man einem Racheakt eines österreichischen Korporals zuschrieb, konnte nie aufgeklärt werden.

Für diesen Tag war ein Turnfest des österreichischen Offizierskorps geplant, wozu außer der gesamten Garnison auch der Großherzog Ludwig III., der Herzog von Nassau Adolf I. und der Landgraf Ferdinand von Hessen-Homburg eingeladen waren. Nur wegen einer kurzfristigen Absage dieses Festes entgingen die Fürsten dem Unglück.

Die Festungsbesatzung verhinderte erfolgreich eine Kettenreaktion der verbundenen Pulverlager, indem die Minengänge nahe dem Martinsturm, in denen ebenfalls Munition lagerte, unter Wasser gesetzt wurden. Insgesamt befanden sich zu diesem Zeitpunkt 12.000 Zentner Munition in der Stadt. Das Katastrophengebiet wurde am nächsten Tag durch die Garnisonstruppen abgesperrt, da sich ein reger Katastrophentourismus entwickelte. Die Belegung der Garnison bestand damals aus dem 36. Infanterieregiment unter Alfred Ludwig Freiherr von Degenfeld, dem 34. und 37. Infanterie-Regiment sowie den Deutzer Kürassieren den Windischgrätz-Dragonern.

Spätere Nutzung

Kreisbaumeister Ignaz Opfermann nahm die erforderlichen Wiederaufbaumaßnahmen zum Anlass einer umfassenden Bauplanung des Kästrichbereiches und der Kupferbergterasse.

Im Oktober 1933 wurde das Gebäude am Pulverturm 13 für die „Staatsschule für Kunst und Handwerk“ errichtet. Nach dem Krieg diente dieses Gebäude als behelfsmäßiges Theater, Konzertsaal, und bis zur Eröffnung des Rathauses 1974 als Sitz der Stadtverwaltung. In dieser Zeit meinte man in Mainz mit „dem Pulverturm“ dieses Gebäude. Es beherbergt seitdem verschiedene Verwaltungseinrichtungen, das Tumorzentrum Rheinland-Pfalz und einige Institute der Universität. Einige Parkplätze befinden sich in den alten Wallanlagen der Festung.

Denkmäler

Giebelstein vom Pulverturm (Mainz)
Beschreibung des Ecksteins
  • Denkmal zum Gedächtnis an die Explosion des Pulverturms, Mainzer Hauptfriedhof
  • Giebelstein vom Pulverturm, Ballplatz (683 kg, war bei der Pulverturmexplosion 1857 470 Meter bis dorthin geschleudert worden)
  • Die Straße, in der der Turm stand, heißt bis heute „Am Pulverturm“

Verweise

Literatur

  • Ellen Hennesen, Mit den uns zu Gebote stehenden Mitteln – Nöte und Hilfsmaßnahmen nach der Pulverturmexplosion von 1857, Mainz: Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte, Nr. 22/2002, 4, S. 57–60.
  • Ellen Hennesen, Jedes Haus hat seine Geschichte – vom Wiederaufbau des alten Kästrich nach der Pulver-Explosion 1857, Mainz: Vierteljahreshefte für Kultur, Politik, Wirtschaft, Geschichte, Nr. 24/2004, 4, S. 72–75.

Quellen

Weitere Schwarzpulverexplosionsunglücke


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Pulverturm — in Meschede Ein Pulverturm ist ein militärisch oder für Bergbauzwecke genutzter Turm zur Aufbewahrung von Schießpulver, was bis in das 20. Jahrhundert üblich war. Gefürchtet war die Explosion eines Pulverturms, wie sie sich etwa beim Delfter …   Deutsch Wikipedia

  • Mainz — This article is about the city in Germany. For the light cruiser, see SMS Mainz. For the Mainz sword, see Gladius. Mainz Mainz Old Town View from the citadel (2003) …   Wikipedia

  • Mainz-Oberstadt — Oberstadt Ortsbezirk von Mainz …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte von Mainz — Stadtansicht um 1900 Karte der Stadt Mainz um 1844. Lithografie von J. Lehnhardt …   Deutsch Wikipedia

  • Sankt Stephan (Mainz) — Dieser Artikel behandelt die Kirche Sankt Stephan in Mainz mit Chagall Fenstern. Für die gleichnamige Kirche in Gonsenheim siehe hier. St. Stephan zu Mainz. Blick auf den großen Glockenturm, der jahrhundertelang der höchste Punkt der Stadt war,… …   Deutsch Wikipedia

  • St. Stephan (Mainz) — Blick aus der Maria Ward Straße St. Stephan zu Mainz. Blick auf d …   Deutsch Wikipedia

  • Geschichte der Stadt Mainz — Stadtansicht um 1900 …   Deutsch Wikipedia

  • Rathaus (Mainz) — Rathaus mit Jockel Fuchs Platz und der Skulptur Lebenskraft in der linken Bildhälfte Das Rathaus der Stadt Mainz wird von den Mainzern auch nach dem damaligen Oberbürgermeister Jockel Fuchs als Fuchsbau bezeichnet. Das Rathaus am Rheinufer unweit …   Deutsch Wikipedia

  • Gautor (Mainz) — Das Giebelbild an der Fassade des ehemaligen äußeren Gautors. Das Gautor in Mainz war Teil des in den 1650er Jahren angelegten Festungsrings um die Stadt. Das Tor war einer der wichtigsten Zugänge nach Mainz und wurde erst 1896 abgebrochen. 1998… …   Deutsch Wikipedia

  • Liste der Kulturdenkmäler in Mainz-Oberstadt — In der Liste der Kulturdenkmäler in Mainz Oberstadt sind alle Kulturdenkmäler im Ortsbezirk Oberstadt der rheinland pfälzischen Stadt Mainz aufgeführt. Grundlage ist die Denkmalliste des Landes Rheinland Pfalz (Stand: 1. Februar 2010).… …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”