- Ragnar Lodbrok
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Ragnar Lodbrok (altnordisch: Ragnarr Loðbrók; † 845) war ein legendärer dänischer und schwedischer König aus dem Geschlecht der Ynglinger. Außerdem ist er der Held einer Isländersaga. Er war unter anderem Vater von Halfdan, Ivar und Ubba Ragnarsson.
Inhaltsverzeichnis
Der historische Hintergrund
Über den historischen Ragnar Lodbrok – den Wikingerführer Ragneri – sind nur wenige gesicherte Fakten bekannt. Wahrscheinlich handelte es sich um ein Mitglied des dänischen Königshauses, das aus Friesland stammte, er war jedoch – anders als es in der isländischen Ragnars saga lodbrokar und bei Saxo Grammaticus geschildert wird – kein Sohn des Sigurd Ring. 845 leitete Ragneri einen Wikingerüberfall auf Paris und starb im gleichen Jahr.
Die Versionen
Versionen der Geschichte von Ragnar Lodbrok sind die isländische Ragnars saga lodbrokar, die Krákumál, Saxo Grammaticus' Buch IX der Gesta Danorum, die Völsunga-Saga, die Ragnarssóna þáttr, die Geschichte von Regnfred und Kragelil, Karl und Kragelil und die Ragnars kvaedi.
Der Name Lodbrok
Ragnars Beiname Lodbrok wird auf verschiedene Weise gedeutet. In der Ragnars saga und bei Saxo bedeutet der Name „Lodenhose“ und bezieht sich auf die Kleidung, die Ragnar beim Kampf mit einem Lindwurm beziehungsweise zwei Schlangen angelegt hat, um sich vor den giftigen Bissen der Ungeheuer zu schützen. Bei Loden handelt es sich um einen grob gewirkten, regenabweisenden Stoff.
Es gibt jedoch noch andere Interpretationsmöglichkeiten. Der Forscher Rory McTurk verweist auf einen Fluss namens Ludbrook im heutigen Devonshire. Der Name des Flusses soll sich von „loathed brook“ ableiten, in dessen Ursprung angeblich ein verhasstes Piratengeschlecht seinen Ursprung hatte. Der Forscher Paul Herrmann erwähnt die Möglichkeit einer Verbindung zum altenglischen Wort „leódbroga“ mit der Bedeutung „Leuteschreck“.
Ragnars Frauen
Bei Saxo Grammaticus heiratet Ragnar, dessen latinisierter Name Regnerus lautet, dreimal: zunächst Lathgertha, dann Thora und schließlich Suanlogha. Außerdem hat er eine Geliebte, ein Bauernmädchen, dessen Name nicht genannt wird. Regnerus kann Lathgertha erst heiraten, nachdem er einen Kampf mit einem Bären und einem Hund bestanden hat. Lathgerthas auffälligste Merkmale sind ihre kriegerischen Fähigkeiten und ihr prächtiges langes Haar. Sie ist Mutter des Sohnes Fridlevus, der keine große Rolle spielt, und zweier Töchter, deren Namen nicht genannt werden. Regnerus verlässt Lathgertha zugunsten von Thora; der Scheidungsgrund, den Saxo angibt – er trägt ihr die Hunde- und Bären-Attacke nach –, wirkt nicht überzeugend. Offenbar musste Lathgertha aus der Geschichte verschwinden, um Thora Platz zu machen.
Auch Regnerus' Frau Suanlogha taucht nur in Saxos Version auf. Sie ist Regnerus' dritte Frau nach Lathgertha und Thora, spielt nur eine geringe Rolle und wird nur zweimal erwähnt. Sie ist bei Saxo die Mutter von Regnaldus, Vithsercus und Ericus, die alle drei auch in der Ragnars saga vorkommen. Vielleicht besteht eine Verbindung zwischen Suanlogha und Ragnars Frau Aslaug, die bei Saxo nicht vorkommt. „Suanlogha“ ist die latinisierte Form von „Svanlaug“, demnach könnte „Suanlogha“ eine Kombination aus einem „Svan“-Namen und „Aslaug“ sein.
Während der Ehe mit Suanlogha hat Regnerus noch eine Affäre mit einem Bauernmädchen, der Tochter des Bauern Hesbernus. Er gelangt als Frau verkleidet zu ihr. Das Bauernmädchen geht mit Sicherheit nicht auf einen isländischen Einfluss zurück. Ein isländischer Erzähler hätte erstens den Namen des Mädchens genannt, da Namen und Abstammung in Isländersagas eine große Rolle spielen, außerdem hätte sich ein isländischer Mann nicht als Frau verkleidet. Ähnlichkeit mit einer Frau bedeutete für einen Isländer die größte denkbare soziale Schande, der er sich auch im Scherz nicht ausgesetzt hätte.
Ragnars Frau Tora tritt sowohl bei Saxo als auch in der Saga auf. Ihre Darstellung stimmt in beiden Versionen weitestgehend überein, in beiden Fällen ist sie die Tochter des Schweden Herraudr beziehungsweise Herothus, die Ragnar nach einem siegreichen Monsterkampf heiraten darf und die an einer undefinierten Krankheit stirbt. In der Saga trägt Tora den Namen „borgarhiort“, also „Burghindin“, weil sie alle Frauen an Schönheit übertrifft wie die Hindin (Hirschkuh) alle anderen Tiere. Der größte Unterschied der Thora-Schilderung bei Saxo und in der Saga besteht laut Rory McTurk und Paul Herrmann in der Anzahl ihrer Kinder: So habe sie in der Ragnars saga nur zwei Söhne, Agnarr und Eirekr, während es bei Saxo sechs sind: Rathbartus, Dunvatus, Sivardus, Agnerus und Ivarus. Es ist jedoch anzumerken, dass Rathbartus, Dunvatus und Sivardus bei Saxo nicht ausdrücklich als Thoras Söhne bezeichnet werden, sondern nur als Fridlevus' „natürliche Brüder“. Da „natürliches Kind“ im Mittelalter eine gängige Bezeichnung für die unehelichen Kinder eines Königs war, hat Saxo möglicherweise uneheliche Söhne des Regnerus gemeint.
Àslaug ist in der Ragnarssaga Ragnars zweite Frau nach Tora. Sie ist eine Tochter von Sigurd und Brünhild aus der Völsunga-Saga und die eigentliche Hauptfigur der Ragnarssaga. Sie wächst nicht bei ihren Eltern auf, da sie als Kind ausgesetzt wurde.
Àslaugs Abstammung von den Wölsungen ist wahrscheinlich das Werk eines isländischen Hofgenealogen oder -skalden, um den Stammbaum des norwegischen Königsgeschlechts zu schmücken, denn Àslaugs Sohn Sigurd ist laut der Ragnarssaga der Großvater von Harald Hårfagre, Norwegens erstem Alleinherrscher. Die Verwandtschaft wird zunächst dadurch belegt, dass Àslaug wie ihr Vater Sigurd die Vogelsprache versteht, und später durch die Geburt des Sohnes Sigurd, der ebenfalls ein auffälliges Familienmerkmal aufweist. Ragnar erwägt vor Sigurds Geburt zeitweise, Àslaug zugunsten der schwedischen Prinzessin Ingibjörg zu verlassen,da er nicht von Aslaugs vornehmer Abstammung überzeugt ist. Diese Darstellung hat möglicherweise die Geschichte der Dänenprinzessin Ingeborg als historischen Hintergrund. Die Schwester des dänischen Königs Knut VI. heiratete 1193 den verwitweten französischen König Philipp August, der sie am Tag nach der Hochzeit ohne Angabe von Gründen verstieß. Ingeborg wandte sich an den Papst, der ihre Partei ergriff. Die Auseinandersetzung zog sich 20 Jahre hin, bis Philipp August – zwischenzeitlich nochmals verheiratet – nachgab und Ingeborg 1213 wieder als seine Frau anerkannte. Die Namensähnlichkeit zwischen der sagenhaften Ingibjorg und der historischen Ingeborg lässt auf eine Verbindung schließen; auch ähnelt Àslaug der historischen Ingeborg insofern, als sie ihre Verstoßung nicht einfach hinnimmt. Sie stellt Ragnar einen Beweis für ihre vornehme Herkunft in Aussicht und bringt den Sohn Sigurd zur Welt. Sigurd hat als Familienmerkmal „eine Schlange im Auge“. Die „Schlange im Auge“ wurde fälschlich interpretiert als eine schlangenförmige Narbe um ein Auge herum, gemeint ist jedoch, dass er den durchdringenden Blick einer Schlange hatte. Dieser Blick ist ein Kennzeichen der Völsungen, das Sigurd beispielsweise mit Àslaugs Halbschwester Svanhild teilt. Svanhild wird von ihrem Mann des Ehebruchs bezichtigt und soll zur Strafe von Pferden zertrampelt werden. Als das Urteil vollstreckt werden soll, scheuen jedoch die Pferde, da sie vor Svanhilds Blick Angst haben. Erst nachdem Svanhild ein Sack über den Kopf gezogen wurde, kann das Urteil vollstreckt werden. Sigurds Augen sind somit ein Identitätsnachweis für seine Mutter Àslaug.
Ragnars Söhne
Agnarr (bei Saxo: Agnerus) ist der einzige Ragnarssohn, bei dem Saxo Grammaticus und die Ragnarsaga in Bezug auf die Mutter übereinstimmen. In beiden Fällen ist er der Sohn Thoras. In beiden Versionen fällt er im Kampf gegen den König Eysteinn (lat.: Ostenus), als er seinen Bruder Eirekr (lat. Ericus) rächen will.
Eirekr ist in der Saga Thoras, bei Saxo Suanloghas Sohn. Bei Saxo trägt er den Beinamen „Ventosi Pillei“, „Windhut“. Der Beiname bezieht sich auf die Fähigkeit, das Wetter zu kontrollieren: der Wind bläst aus der Richtung, in die der Hut gehalten wird. Ragnars Sohn Björn ist in der Saga der Sohn Aslaugs, bei Saxo der Suanloghas. Er trägt den Beinamen „jarnsida“, „Eisenseite“, der sich wahrscheinlich auf sein Kettenhemd bezieht. Einer anderen Erklärung zufolge bezieht sich der Beiname auf Björns Unverwundbarkeit, die dieser durch einen Zaubertrank, verabreicht von seiner Mutter, erhält.
Sigurds besonderes Kennzeichen, der Schlangenblick, wurde bereits bei seiner Mutter Aslaug erwähnt.
Besonders interessant ist der Beiname von Ragnars und Aslaugs Sohn Ivar (lat. Ivarus). Er wird in der Ragnarsaga „beinlauss“ genannt, „knochenlos“ oder „beinlos“. Auch der Zusammenhang kann nicht klären, ob Knochen oder Beine fehlen, denn Ivars erwähnte Unfähigkeit zu laufen, kann von beidem herrühren. Ivars vermeintliche Knochen- oder Beinlosigkeit geht in der Ragnarsaga auf eine Prophezeiung zurück: Aslaug will in der Hochzeitsnacht noch nicht mit Ragnar schlafen, da ihr geweissagt wurde, ein schon in der Hochzeitsnacht gezeugtes Kind werde knochenlos sein. Ragnar akzeptiert ihren Widerstand jedoch nicht, und so wird in der Hochzeitsnacht Ivar gezeugt. Der Wissenschaftler McTurk weist darauf hin, dass Ivars vermeintliches Gebrechen wahrscheinlich auf einem Missverständnis des unbekannten Sagaschreibers beruht: Demnach wurde das lateinische Adjektiv „exosus“ mit der Bedeutung „abscheulich, widerwärtig“ durch falsches Lesen oder Abschreiben zu „exos“, also „schlangenähnlich“. Von Ivars angeblicher Schlangenähnlichkeit wurde auf Knochenlosigkeit geschlossen, während tatsächlich seine besondere Grausamkeit gemeint war. Ivar tut sich in der Saga hervor durch seinen Kampf gegen die gefährliche Kuh Sibilja. Interpretationen, nach denen „Sibilja“ nicht auf den Frauennamen Sibylle zurückgeht, sondern von Sanskrit śabala, „gescheckt“ und davon abgeleitet die bunte Wunschkuh Śabalī bedeutet, mag zwar etymologisch begründet sein, kaum aber historisch.
Ragnars Tod
Sowohl bei Saxo als auch in der Saga stirbt Ragnar/Regnerus in der Schlangengrube des northumbrischen Königs Ælle.
Sonstiges
Saxo unterlaufen gelegentlich Missverständnisse: So verschont Regnerus seinen Gegner Daxon, indem er ihn nicht tötet, sondern nur „nach Utgard schickt“. Mit Utgard ist jedoch das Totenreich der nordischen Mythologie gemeint, und jemand dorthin zu schicken, bedeutet zweifelsfrei, ihn zu töten. Außerdem zeichnen sich Saxos Gesta Danorum durch christlich-moralische Betrachtungen und eine besonders positive Darstellung der Dänen sowie häufige Diffamierung der Schweden aus.
Bibliographie
- Ulrike Strerath-Bolz, Rezension von Rory McTurk, Studies in "Ragnars saga loðbrókar" and Its Major Scandinavian Analogues, Alvíssmál 2 (1993): 118–19. (PDF-Datei; 83 kB)
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