- Autobahnkirche
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Autobahnkirchen und -kapellen sind christliche Gotteshäuser in unmittelbarer Nähe zu einer Autobahn, die ausdrücklich zur Autobahnkirche beziehungsweise -kapelle erklärt wurden. Autobahn-Gotteshäuser dienen zur ganz überwiegend individuellen, anonymen und zeitlich beliebigen Einkehr und Besinnung für die Autoreisenden; Gottesdienste und direkte Ansprechpartner sind hier Ausnahmen.
Autobahnkirchen sind nahezu ausschließlich entlang deutscher Autobahnen anzutreffen. In neuerer Zeit gibt es in anderen Ländern Bestrebungen ebenfalls Autobahnkirchen einzurichten. So wurde beispielsweise im Jahr 2007 im tschechischen Pilsen[1] eine Autobahnkirche eröffnet. In Österreich gibt es die Autobahnkirche „Dolina” an der A 2 bei Klagenfurt.[2]
Inhaltsverzeichnis
Zweckbestimmung
Das erste feststellbare Grundkonzept dieser Einrichtungen war das des mittelalterlichen Wegstocks beziehungsweise der Wegkapelle als Erinnerung oder Mahnung Gottes. Autobahnkirchen erinnern den Menschen an den „Rausch des Verkehrs“. Eine neuere, in den Medien gern zitierte Motivation zur Einrichtung eines solchen Angebotes ist die einer „Tankstelle für die Seele“. Diese recht blumige Benennung kommt den empirisch abfragbaren Gründen der Besucher der Autobahn-Gotteshäuser deutlich näher: Denn die Fahrsituation auf den Autobahnen generiert psychisch einen ganz spezifischen Stress, der sich zwischen dem typischen Überholen und Überholtwerden („Jagen und Gejagtwerden“) im Fluss des Autobahnfahrens bewegt. Selbst von Beifahrern kann die Autobahnfahrt - zumal bei hohen Geschwindigkeiten - nicht als entspannt wahrgenommen werden. Entsprechend suchen die Reisenden in den Gotteshäusern visuelle Fix- und Konzentrationspunkte, finden eine geschützte Situation vor und regenerieren sich mental in ihrer Kontingenzerfahrung durch die Vergewisserung der Nähe und der Zuwendung Gottes beziehungsweise auch der Gottesmutter Maria (Mutter Jesu). Vielfach gelten die von den Reisenden in den ausliegenden Fürbitt- oder Anliegenbüchern eingetragenen kurzen Gebete dem Schutz vor den Gefahren der Fahrt beziehungsweise dem Dank für die bisherige Unversehrtheit. Auffällig ist der recht große Anteil der Gäste in Autobahn-Gotteshäusern, der nicht zu den sonntäglichen Kirchgängern gehört: An diesen Orten entfallen die sonst kirchlich bestehenden Vorgaben von Gottesdienstzeiten, Predigern, Inhalten und Stilen zugunsten einer individuell frei bestimmbaren Religiosität (niederschwelliges Angebot). Umstritten ist, dass im aktuellen Zuwachs der Einrichtung von Autobahn-Gotteshäusern vor allem die räumliche Nähe einer Kirche zur Autobahn das entscheidende Kriterium bildet, nicht aber die Ausgestaltung oder architektonische Eignung.
Durchgängige Besucherzählungen gibt es nicht und die vorliegenden Schätzungen gehen erheblich auseinander. In die Autobahnkirche in Adelsried kommen schätzungsweise ca. 300.000 Besucher pro Jahr. In der Autobahnkirche Himmelkron werden jährlich zwischen 100.000 und 120.000 Besucher durch Lichtschranke gezählt.
Entstehung
Die erste Autobahnkirche entstand 1958 im Landkreis Augsburg an der A8 bei Adelsried. Sämtliche Autobahnkirchen und -kapellen entstammen regionalen, überwiegend privat finanzierten Initiativen. Es gibt keine übergeordnete kirchliche Institution, denen die Autobahn-Gotteshäuser unterstellt sind. Je nach Spenderherkunft sind die Autobahnkirchen und -kapellen katholisch oder evangelisch geprägt, sind allerdings meist ökumenisch intendiert. Die Unterscheidung von Autobahnkirchen und Autobahnkapellen ist in der Art des Gebäudes begründet. Manche der Autobahn-Gotteshäuser sind lediglich zimmergroß und werden deswegen als Kapelle bezeichnet, andere sind ausgewachsene Kirchengebäude.
Erheblich ist der Unterschied zwischen den Gebäuden, die auf dem Gelände von Autobahn-Raststätten eigens zu diesem Zweck errichtet wurden, und denen, die als bestehende Dorfkirchen in der Nachbarschaft zu einer Autobahnauffahrt lediglich eine zusätzliche Funktion zuerkannt bekamen und meistens kaum für die Autoreisenden verändert wurden. Standards für die Gestaltung oder das inhaltliche Angebot gibt es für die Autobahn-Gotteshäuser bisher nicht. Von daher ist die Zuordnung in einigen Fällen durchaus anzuzweifeln, wenn es sich lediglich um teil-umgewidmete Kirchen an Autobahnen handelt.
Auswahlkriterien
Eine Autobahnkirche muss eine direkte Anbindung an eine Autobahnraststätte bzw. Autobahnabfahrt haben, wobei im letzteren Fall die Entfernung nicht mehr als 1000 Meter betragen darf. Parkplätze und sanitäre Anlagen müssen vorhanden sein. Der Träger muss tägliche Mindestöffnungszeiten von 8.00 bis 20.00 Uhr gewährleisten und die damit verbundenen Kosten für Energie und Sauberhaltung aufbringen. Der Innenraum einer Autobahnkirche oder -kapelle sollte so groß sein, dass auch einer Bus-Reisegruppe der gemeinsame Besuch möglich ist. Außerdem ist die Zustimmung des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung sowie der jeweiligen Landeskirche bzw. des Bistums notwendig.[3]
Literatur
- Rein, Harald: Grenzen der Seelsorge: Die Spannung zwischen territorialer Pfarrgemeinde und funktionaler Seelsorge am Beispiel der Autobahnkirchen in der Bundesrepublik Deutschland. P. Lang, Bern/Frankfurt am Main/New York/Paris 1987, ISBN 3-261-03779-2
- Vogler, Gereon: Besinnung in Autobahnkapellen, in: Menschen unterwegs. Das Angebot der Kirche in Freizeit und Tourismus, hg. von Roman Bleistein, Frankfurt 1988, 214-220.
Siehe auch
Weblinks
Commons: Autobahnkapelle – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- autobahnkirche.info (Offizielle Homepage der Konferenz der Autobahnkirchenpfarrerinnen und -pfarrer)
- Autobahnkirchen in Deutschland
- 360 Grad Panorama der Autobahnkirche Medenbach
- Runter vom Gas, rein in die Kirche
Einzelnachweise
- ↑ Rastplätze für die Seele - Autobahnkirchen als Orte der Besinnung und Ruhe
- ↑ Autobahnkirche Dolina: Gedenken an Verkehrstote mit Bischof Schwarz
- ↑ Rast für Leib und Seele Andachten und Segen für Reisende in Mitteldeutschland. In: Wartburgkreisonline.de Onlinemagazin. Abgerufen am 10. Juli 2010.
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