Retrozession (Finanzbranche)

Retrozession (Finanzbranche)

In der Finanzbranche der Schweiz versteht man unter Retrozessionen (ausserhalb der Schweiz lt. MiFID auch als Anreize bezeichnet), Entgelte (Provisionen) zu Gunsten der Vertriebsstellen. Retrozessionen werden von Produktanbietern bezahlt, in der Vermögensverwaltung auch von der Depotbank des Vermögensverwalters.

Inhaltsverzeichnis

Kategorien

Die Retrozessionen lassen sich grob in folgende Kategorien unterteilen:

  • Rückvergütungen bei der Courtage: Für jede Wertschriftentransaktion, die ein Vermögensverwalter tätigt, erhält dieser einen Teil der dem Kunden verrechneten Gebühren als Umsatzbeteiligung.
  • Rückvergütungen bei der Depotführungsgebühr: Ein Vermögensverwalter vereinbart mit der Depotbank für seinen gesamten Kundenbestand eine einheitliche Depotführungsgebühr. Der Kunde zahlt im Normalfall die banküblichen Konditionen oder erhält nur einen geringen Rabatt. Die Differenz zwischen dem, was der Kunde bezahlt und dem, was der Vermögensverwalter mit der Depotbank kundenübergreifend vereinbart hat, geht vollständig an den Vermögensverwalter.
  • Rückvergütungen eines Teils der Management-Gebühr bei Finanzprodukten: Die sogenannten Bestandesretrozessionen, auch Bestandespflegekommissionen genannt, werden von Produktanbietern an Vermögensverwalter bezahlt. Als Dank, dass die Produkte eingesetzt werden, geht durchschnittlich rund die Hälfte der Verwaltungsgebühr an den Vertrieb. Diese Zahlungen werden regelmässig, im Normalfall quartalsweise, ausbezahlt.
  • Rückvergütungen des Ausgabeaufschlages bei Investmentfonds: Wer Anlagefonds kauft, muss oftmals einen sogenannten Ausgabeaufschlag bezahlen. Wird der Fonds über einen Vermittler oder von einem Vermögensverwalter an den Kunden vermittelt, erhält dieser normalerweise den gesamten Ausgabeaufschlag.
  • Rückvergütungen bei Devisengeschäften: Wird von einem Vermögensverwalter für mehrere seiner Kunden ein Devisengeschäft getätigt, sind die Konditionen deutlich besser als für einen Privatkunden. Werden diese besseren Konditionen nicht vollständig an die Kunden weiter gegeben, erhält der Vermögensverwalter die Differenz.

Grund für Retrozessionen

Anbieter von Finanzprodukten sind auf das Vertriebsnetz (bzw. den Kundenstamm) der Finanzberater und Vermögensverwalter angewiesen. Deshalb werden Provisionen an Berater bezahlt, wenn diese sich für ein Produkt des Anbieters entscheiden. Bei Tätigung von Transaktionen kann eine Bank Gebühren und Einnahmen erzielen. Mit Rückvergütungen beteiligt die Bank den Vermögensverwalter an diesem Umsatz. Diese Provisionen stellen somit in der Finanzwelt ein auch in anderen Bereichen der Wirtschaft übliches Anreizsystem dar.

Interessenkonflikt durch Retrozessionen

Banken, Produktvermittler und Vermögensverwalter haben in vielen Bereichen gleiche Interessen. Durch Retrozessionen wird gefördert, dass der Vermögensverwalter auch im Interesse der Bank und nicht nur im Interesse seiner Kunden handelt. Weil er einen Prozentsatz der Gebühren rückvergütet erhält, ist er nicht immer daran interessiert, die Gebühren für seine Kunden niedrig zu halten. Weil der Vermögensverwalter bei seinen Anlageentscheidungen viel Spielraum hat, ist es ihm möglich, seine Einnahmen durch höhere Bank- und Produktgebühren deutlich zu steigern. Eine höhere Transparenz in der Finanzbranche könnte diesen Interessenkonflikt mindern.

Interessenkonflikte bestehen insbesondere auch bei Kundenbeziehungen, die auf Mandatsbasis (Vermögensverwaltungsvertrag) bearbeitet werden. Hier dürfte das Auftragsrecht solche Zahlungen pönalisieren, wie bereits in mindestens einem vor Bundesgericht behandelten Fall geschehen. Die Bedeutung der Retrozessionen, umgangssprachlich auch „Retro“ genannt, ist für die Banken und Vermögensverwalter bedeutend.Zwischenzeitlich gibt es jedoch erste Vermögensverwaltungen, die freiwillig sämtliche Retrozessionen an Ihren Kunden zurück vergüten, z. B. die DCD AG aus Gossau (SG). Dies findet statt um Interessenskonflikte auszuhebeln. Retrozessionen stellen bei den meisten Banken jedoch einen entsprechenden Anteil der Netto-Einnahmen dar, welches auch aus einigen Bank-Bilanzen nachvollziehbar hervorgeht. Da Finanzberater bei Banken meist auch auf Ihre erzielten Erträge vergütet werden, ist anzunehmen dass auch Anlagen angeboten werden, die einer nüchternen Betrachtung nicht standhalten würden. Anleger sollten daher Vermögensverwaltungsmandate von bankeigenen und nicht unabhängigen Vermögensverwaltern genau prüfen.

Es sind auch Fälle bekannt, bei denen die Geschäftsleitung einer Bank Anweisung gab, die Produkte eines bestimmten Fondsanbieters zu präferieren und dies mit speziellen zusätzlichen Vergütungen durchdrückte.

Rückforderung von Retrozessionen in der Schweiz

Einem Bericht des Schweizer Konsumentenschutzmagazins "Kassensturz" zufolge können Retrozessionen zurückgefordert werden, da sie laut einem Urteil des Bundesgerichts vom März 2006 Eigentum des Kunden sind. Ein entsprechender Musterbrief kann vom Internetauftritt des Magazins heruntergeladen werden (weiteres siehe Weblinks). Retrozessionen können jedoch nur zurückgefordert werden, sofern der Kunde nicht stillschweigend oder ausdrücklich (bspw. in einer Vertragsklausel) auf diese Zahlungen verzichtet hat.

Siehe auch

Weblinks


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