Russische Revolution 1905

Russische Revolution 1905
Berittenes Militär vor dem Winterpalast, Januar 1905

Die Russische Revolution von 1905 (russisch Революция 1905—1907 годов в России/ wiss. Transliteration Revoljucija 1905-1907 godov v Rossii) umfasst eine Reihe von 1905 bis ins Jahr 1907 andauernden revolutionären Unruhen im russischen Kaiserreich – ausgelöst vor allem durch den russisch-japanischen Krieg und den Petersburger Blutsonntag von 1905.

Inhaltsverzeichnis

Ursachen

Die jahrhundertelang bestehende konservative und repressive Regierungsform der zaristischen Autokratie hatte in der Geschichte Russlands schon im 19. Jahrhundert wiederholt zu Bewegungen und Aufständen geführt, die auf die Einführung einer konstitutionellen Monarchie abzielten, darunter insbesondere der 1825 gescheiterte Aufstand der Dekabristen gegen Zar Nikolaus I. Die gravierenden politischen und sozialen Missstände im agrarisch geprägten Russland betrafen vor allem das durch Großgrundbesitz und Leibeigenschaft gekennzeichnete Leben in den ländlichen Gebieten. Hinzu kam eine stark ausgeprägte Korruption in der staatlichen Verwaltung und Gerichtsbarkeit.

Russland hatte infolge der Niederlage im Krimkrieg und mit dem Ende des Systems der Heiligen Allianz seine dominierende Stellung in Europa verloren. Nun trat die sozialstrukturelle, wirtschaftliche und technologische Rückständigkeit Russlands allerorten zutage. Unter Zar Alexander II. kam es daraufhin zu Liberalisierungsbemühungen und Reformen, insbesondere zur Abschaffung der Leibeigenschaft, allerdings gegen große Widerstände der russischen Aristokratie. Im Zuge der Industrialisierung verschärften sich die Probleme des Landes aufgrund einer miserablen Sozialgesetzgebung zum Schutz der Arbeiter (11,5-Stunden-Tag, Gewerkschaftsverbot). Dadurch wuchs die Unzufriedenheit in allen Schichten der Bevölkerung, nun auch in den Städten, und vor allem auch der gebildeten Kreise. In Russland entstand dafür der Begriff der Intelligenzia, damit sind fortschrittlich gesinnte und reformfreudige Professoren, Studenten und Akademiker gemeint, die meist dem Adel und Wirtschaftsbürgertum entstammten. In Moskau und Sankt Petersburg, aber auch in anderen russischen Städten entstanden verschiedene kritische und teils revolutionär gesinnte Kreise von Intellektuellen, Kommunisten, Sozialrevolutionären (ehemalige Narodniki) und Anarchisten. Zar Alexander III., der Sohn des ermordeten Zaren Alexander II., ließ sie brutal verfolgen.

Unter dem seit 1894 regierenden Zaren Nikolaus II., der fest an den autokratischen Prinzipien seines Vaters festhielt, nahmen Unterdrückung und Polizeiüberwachung zu. Auch eine Reihe von Reformen, die der Zar noch 1904 bewilligte, bewirkten keine entscheidenden Veränderungen. Weder gab es einen sozialen Ausgleich in der russischen Bevölkerung noch wurde Russland zu einem Verfassungsstaat.

Vor allem um von den gravierenden innenpolitischen Problemen abzulenken, forcierte die russische Regierung den schwelenden Konflikt mit Japan. Der Russisch-Japanische Krieg erwies sich jedoch als Debakel für Russland: Mit dem Verlust von Port Arthur um die Jahreswende 1904/1905, der schweren Niederlage in der Schlacht von Mukden im März und dem fast vollständigen Verlust der russischen Flotte in der Seeschlacht bei Tsushima Anfang Mai 1905 wurde die russische Niederlage besiegelt und Japan erlangte die vorherrschende Stellung im Fernen Osten. Die Niederlage bewirkte einen Autoritätsverlust nach innen und einen Prestigeverlust nach außen für das russische Zarenreich. Die wirtschaftliche Situation im Land verschlechterte sich wegen der Rezession zusehends. Die Arbeitslosigkeit in den Industriezentren stieg rasch, da Staatsaufträge ausblieben, und es gab Schwierigkeiten in der Landwirtschaft, da die Exportmärkte zusammenbrachen. Die als Folge des Krieges und der wirtschaftlichen Krise schärfer zutage tretenden sozialen Missstände führten zu wachsendem Unmut in weiten Kreisen.

Die blutige Niederschlagung einer friedlichen Demonstration am so genannten Blutsonntag des 9. Januarjul./ 22. Januar 1905greg. wurde in dieser Situation zum Auslöser landesweiter Unruhen. Die Gegnerschaft zu dem unumschränkt herrschenden Zarenregime vereinte in den folgenden Monaten recht unterschiedliche oppositionelle Gruppen: Bürgerliche und adlige Liberale, Bauern und landbesitzlose Knechte, Sozialrevolutionäre und die bereits gut organisierte sozialistische Arbeiterbewegung waren an der Revolution beteiligt.

Verlauf

Demonstranten am Petersburger Blutsonntag

Da die Regierung für die Führung des Krieges mit Japan die öffentliche Zustimmung brauchte, gestattete sie einen Kongress in Sankt Petersburg im November 1904. Die Forderungen nach Reformen, die bei diesem Kongress laut wurden, fanden bei der Regierung jedoch keine Beachtung. Arbeiter mussten in den Firmen, in denen sie beschäftigt wurden, für ein kleines Stück Brot mehrere Nächte anstehen und waren unzufrieden. Zu Anfang streikten nur Frauen aus den Firmen Petersburgs. Doch als man erfuhr, dass das Brot absichtlich gehortet wurde und ihnen nur in kleinen Stücken zugesprochen wurde, schlossen sich die Männer an und streikten mit. Arbeiterführer Priester Gabon rief zu Demonstrationen auf. Am 9. Januarjul./ 22. Januar 1905greg., der als so genannter Petersburger Blutsonntag in die Geschichte eingehen sollte, marschierten etwa 150.000 Arbeiter friedlich und unbewaffnet zum Winterpalast, um ihre Forderungen nach Menschenrechten, einem Wahlrecht und einem gesetzgebenden Parlament, wirtschaftlicher Erleichterung und dem Achtstundentag zu verkünden. Die Menge wurde vor dem Palast von der russischen Armee unprovoziert und überraschend zusammengeschossen. Die zweihundert Todesopfer und zahlreichen Verletzten, sowie die Empörung über die gewaltvolle Niederschlagung der friedlichen Arbeiterdemonstrationen führten zu einer Solidarisierung zahlreicher Arbeiter und zu einer Radikalisierung und Mobilisierung der Bevölkerung.

Es folgten spontane Enteignungen von Ackerland durch aufgebrachte Bauern und Arbeiterstreiks in den Städten. Meutereien in der Flotte schlossen sich an, so die Meuterei auf dem Linienschiff Potemkin am 14. Junijul./ 27. Junigreg., dazu finden sich weitere Ausführungen unter Russische Revolution. Nach Einlaufen des Schiffes in Odessa, wo ein Generalstreik stattfand, richteten zaristische Truppen in den folgenden Tagen bei der Niederschlagung der Unruhen ein Blutbad an. Im Weiteren kam es noch zu antijüdischen Pogromen. Diese Ereignisse wurden im Stummfilm Panzerkreuzer Potemkin des Regisseurs Sergej Eisenstein aus dem Jahr 1925 thematisiert. Der Höhepunkt der landesweiten Streikbewegung war der Eisenbahnerstreik im Oktober 1905.

Während der revolutionären Streik- und Protestbewegung befürwortete der nach Russland zurückgekehrte Lenin einen bedingungslosen Kampf gegen den Zaren. Nach der Niederschlagung des Aufstands ging er erneut ins Exil. Im Verlauf der Revolution verloren Regierung und Bürokratie die Kontrolle über Versammlungsverbot und Pressezensur, so dass zum ersten Mal eine Art öffentlichen politischen Lebens in Russland entstand. Die Arbeiterstreikbewegung war die stärkste Kraft unter den revolutionären Strömungen, sie legte kurzzeitig den Eisenbahnverkehr, Post und Telegraphie lahm, auf die die Autokratie angewiesen war. Nach einer weitgehenden Einwilligung des Zaren in die Forderungen endeten die Proteste der Arbeiter, Bürger und des Reformadels. Bauernaufstände wurden aber noch in den folgenden Monaten niedergeschlagen, da deren Wunsch nach einer Landreform nicht bewilligt wurde. Als Ende der Revolution gilt das Oktobermanifest des Zaren vom 17. Oktoberjul./ 30. Oktober 1905greg..

Ergebnisse

Die erfolglose Revolution zeigte dem Zaren die Unzufriedenheit im Land. Der Zar versuchte einen taktischen Rückzug durch das Oktobermanifest, das dem Volk bürgerliche Freiheitsrechte und eine Gesetzgebende Versammlung von gewählten Volksvertretern (Duma) versprach. Mit der Auflösung der 2. Staatsduma und der Einführung eines neuen Wahlrechts durch Nikolaus II. im Juni 1907, wodurch die Vorherrschaft konservativer Kräfte im Parlament sichergestellt wurde, wurden die Reformen weitgehend wieder entkräftet.

Die durch dieses Oktobermanifest erreichten konstitutionellen Zugeständnisse konnten wieder zurückgenommen werden, sobald sich der Staat seiner militärischen Machtmittel sicher wusste. Das Oktobermanifest spaltete die Oppositionsgruppen, und die Revolution verebbte in Erwartung einer Erfüllung der Reformwünsche durch die Reichsduma. Das Militär stellte im Ergebnis die alte Ordnung wieder her. Die Duma (Volksversammlung) sollte den Anschein einer konstitutionellen Regierung erwecken. In Wirklichkeit jedoch regierte der Zar immer noch autokratisch, da über wichtige Entscheidungen wie Militär- und Hofetat die Duma keine Entscheidung treffen konnte. Zudem besaß der Zar, wie ein von Adeligen besetztes Oberhaus, das Vetorecht über alle in der Duma getroffenen Entscheidungen und Abstimmungen.

Siehe auch

Weblinks

 Commons: Russische Revolution 1905 – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Literatur


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