Panzerkreuzer Potemkin

Panzerkreuzer Potemkin
Filmdaten
Deutscher Titel Panzerkreuzer Potemkin
Originaltitel Броненосец Потёмкин
Bronenossez Potjomkin
Produktionsland UdSSR
Originalsprache Russisch
Erscheinungsjahr 1925
Länge 63 / 70[1](restaurierte Fassung) Minuten
Altersfreigabe FSK 12
Stab
Regie Sergei Eisenstein
Drehbuch Nina Agadschanowa
Produktion Jakow Blioch
Kamera Wladimir Popow,
Eduard Tisse
Schnitt Sergei Eisenstein
Besetzung
  • Alexander Antonow: Grigori Wakulintschuk
  • Wladimir Barski: Kommandant Golikow
  • Grigori Alexandrow: Giljarowski
  • Iwan Bobrow: junger Matrose
  • Michail Gomorow: Matjuschenko
  • Alexander Lewschin: Unteroffizier
  • N. Poltawzewa: Frau
  • Andrei Fait: Rekrut

Panzerkreuzer Potemkin (russischer Originaltitel Броненосец Потёмкин/Bronenossez Potjomkin; [pʌtˈjɔmkin]) ist ein Stummfilm des Regisseurs Sergei Eisenstein aus dem Jahr 1925. Er wurde am 21. Dezember 1925 im Moskauer Bolschoi-Theater als offizieller Jubiläumsfilm zur Feier der Revolution des Jahres 1905 uraufgeführt.

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Sergei Eisenstein und sein Film Panzerkreuzer Potemkin (Russische Briefmarke, 2000).

Die Handlung lehnt sich sehr frei an die tatsächlichen Ereignisse des russischen Revolutionsjahres 1905 an, der Meuterei der Besatzung des russischen Kriegsschiffs Knjas Potjomkin Tawritscheski gegen deren zaristische Offiziere. Die Bezugnahme auf eine gescheiterte Revolution in einem Propagandafilm ist schlüssig, wenn man die leninistische Revolutionstheorie berücksichtigt: der aufbegehrenden Masse fehlten demnach die für das Gelingen notwendigen Berufsrevolutionäre und die Kaderpartei, als die sich später die Bolschewiki erweisen würden. Die Figur des Wakulintschuk wird zu früh getötet und gerät eher zufällig in die revolutionäre Situation, als dass er diese Rolle übernehmen könnte.

Sergei Eisenstein selbst beschreibt sein Werk als eine tragische Komposition in ihrer kanonischsten Form – eine Tragödie in fünf Akten. Entsprechend sind in diesem Werk auch fünf aufeinanderfolgende Akte klar erkennbar:

1. Der Beginn Die Matrosen der Potemkin sollen faules Fleisch zu essen bekommen. Es kommt zu Unmut; sie weigern sich, die Suppe anzurühren.

2. Der Aufstand Der Kapitän beschließt, ein Exempel zu statuieren und einige Matrosen erschießen zu lassen. Nachdem sich die Wache mit den Matrosen solidarisiert hat, kommt es zum Aufstand, und die Matrosen übernehmen das Schiff. Einer der Anführer, Wakulintschuk, wird dabei getötet.

3. Trauer Wakulintschuks Leiche wird in Odessa in einem Zelt auf der Hafenmole aufgebahrt; die Bewohner der Stadt trauern um ihn und solidarisieren sich mit den Matrosen. Sie schenken ihnen Lebensmittel.

4. Die Hafentreppe von Odessa Die zaristische Armee beginnt, auf die auf der Treppe versammelte Menschenmenge zu schießen. Es bricht Panik aus, und die Menschen beginnen zu fliehen.

5. Die Begegnung mit der Flotte Die Matrosen beraten, ob sie landen sollen, um der Bevölkerung von Odessa zu helfen. Doch da bereits ein Admiralsgeschwader gegen sie unterwegs ist, beschließen sie, diesem entgegenzufahren. Beim Aufeinandertreffen der Schiffe kommt es zur Verbrüderung zwischen den Matrosen der Potemkin und denen des Admiralsgeschwaders, und die Potemkin kann in offene Gewässer fahren.

Stil

Im Prinzip gibt es keine stringente, durchkomponierte Handlung, was aber im Wesentlichen den filmtheoretischen Ansätzen und Ansichten Eisensteins und allgemein denen des Kinos der 1920er-Jahre entspricht. Der Filmtheoretiker Siegfried Kracauer bemerkt, dass Eisensteins Bezeichnung des Werkes als Tragödie irreführend ist und eine frühere Bezeichnung, die den Film mit einer Chronik oder Wochenschau vergleicht, weitgehend genauer ist.

Die Handlung in Panzerkreuzer Potemkin tritt hinter dem Ansatz der Attraktionsmontage Eisensteins zurück. Eisenstein geht es darum, durch Montage den Zuschauer in Hinblick auf eine bestimmte ideologische Schlussfolgerung zu „bearbeiten“, emotionale Affektreaktionen hervorzurufen. Wie der Medienwissenschaftler Wolfgang Beilenhoff bemerkt, sei der Film im Kontext der sowjetischen Massenutopien entstanden und baut in seinem Film eine solche auf Gleichheit basierende Menschenmasse auf. In der berühmten Treppenszene wird diese Menschenmasse gewaltsam dekonstruiert. Hierbei soll Mitleid erzeugt und direkter Affekt dem Zuschauer vermittelt werden.

Dementsprechend schematisch sind die Akteure der Handlung gezeichnet. Es dominieren Typen (Matrose, Offizier, Bettler, Aristokrat, Bürger, Mutter) statt individualisierter Personen. Nur der erste Anführer und zugleich erste Märtyrer der Meuterei (Wakulintschuk) wird individuell gezeichnet.

Eisenstein testete in diesem Film, der absichtlich im Stil kommunistischer Propaganda gehalten ist, seine Theorien der Filmmontage, wobei die Praxis auch in die Theoriebildung zurückwirkte. In der extremen, bis ins kleinste Detail gehenden Durchdringung von Form und Inhalt geht der Film letztlich weit über simple Propaganda hinaus. Die frühen russischen Filmemacher der Kuleschow-Schule experimentierten mit der Wirkung von Filmen auf das Publikum, und Eisenstein schnitt den Film in einer Weise, die eine möglichst starke emotionale Reaktion hervorrufen sollte. Ziel war es, Sympathie für die rebellischen Matrosen und Antipathie gegenüber den tyrannischen Vorgesetzten zu vermitteln. Wie in Propaganda üblich, ist die Handlung sehr einfach gehalten, um dem Publikum klar vor Augen zu halten, mit welchen Handlungsträgern es sympathisieren solle.

Rezeption

Potemkinsche Treppe in Odessa, um 1900
Filmszene des Massakers auf der Potemkinschen Treppe, 1925

Eisensteins Film war ein großer Erfolg. Panzerkreuzer Potemkin fand beim russischen Publikum großen Anklang, und wurde an ausgewählten Orten weltweit vorgeführt, wo das Publikum ebenfalls positiv reagierte. Obwohl im Stil von Propaganda gehalten, wurde der Film begeistert aufgenommen und machte Eisenstein als Regisseur weltbekannt. Panzerkreuzer Potemkin wurde als einer der einflussreichsten Filme „aller Zeiten“ bezeichnet und wurde mehrfach, unter anderem in den 1950er-Jahren vom britischen Kinomagazin Sight & Sound, zum „besten Film aller Zeiten“ gekürt.

Die bekannteste Szene des Films ist das Massaker auf den Stufen der Treppe zum Hafen von Odessa: Zaristische Soldaten marschieren in rhythmischem, maschinenhaftem Schritt eine endlos lang erscheinende Treppe hinunter, während sie in eine Menschenmenge feuern, die vor den Soldaten die Treppe nach unten zu fliehen versucht. Diese Szene wurde später unzählige Male in Filmen imitiert. Eine der berühmtesten Hommagen findet sich in Brian De Palmas Version von The Untouchables – Die Unbestechlichen. Auch Woody Allen spielte auf diese Szene in seinem Film Bananas an; ebenso Terry Gilliam in Brazil. Originalszenen des Massakers auf der Treppe wurden für das Video zum Song Intervention (2007) der Indie-Band Arcade Fire benutzt. Obwohl die Szene in dieser Form fiktiv ist, machte sie die Potemkinsche Treppe von Odessa berühmt.

1958 wurde der Film auf der Weltausstellung in Brüssel zum „Besten Film aller Zeiten“ gewählt. Er wurde ebenfalls zum „Besten Stummfilm aller Zeiten“ und „Besten ausländischen Film aller Zeiten“ gewählt.

2003 erstellte die Bundeszentrale für politische Bildung in Zusammenarbeit mit zahlreichen Filmschaffenden einen Filmkanon für die Arbeit an Schulen und nahm diesen Film in ihre Liste mit auf.

Kritik

„Eine bis dahin unbekannte Rhythmik und Dynamik des Schnitts macht den Revolutionsfilm zu einem besonders eindringlichen Werk, das die Herrschenden und Beherrschten polemisch kontrastiert und den Zuschauer über den Weg der Emotionen zu politischen Erkenntnissen führen will. Nicht nur filmhistorisch, sondern auch als Lehrstück für filmische Agitation interessant.“

Lexikon des internationalen Films

Musik

Die erste eigene Filmmusik wurde von Edmund Meisel 1926 für die deutsche Fassung komponiert. Der Film war zuvor ohne Originalmusik, mit Zusammenstellungen aus Werken klassischer Komponisten wie Beethoven und Tschaikowski, aufgeführt worden. Eisenstein wünschte sich, dass jede Generation ihre eigene Musik zu seinem Film komponiert.

1950 komponierte Nikolai Krjukow die Musik für eine Neufassung des Films. 1976 wurden für eine in der Sowjetunion restaurierte Fassung, die sogenannte „Jubiläumsfassung“, Ausschnitte aus Sinfonien von Schostakowitsch verwendet.

1985 wurde Mark-Andreas Schlingensiepen beauftragt, für die Junge Deutsche Philharmonie eine Orchesterfassung der Originalmusik Edmund Meisels zu verfassen, da das Original im Wesentlichen nur noch in Form eines Klavierauszugs überliefert war. Gleichzeitig wurde auf der Grundlage dieses Klavierauszuges eine Rekonstruktion des filmischen Ablaufs durch Enno Patalas vom Münchner Filmmuseum vorgenommen. Diese Neufassung des Films und der Musik hatte Premiere in der Eröffnungswoche der Kölner Philharmonie und wurde anschließend auch im Gasteig in München und in der Alten Oper in Frankfurt gespielt. Das italienische Fernsehen der Schweiz (RTSI) produzierte eine Fernsehfassung unter der Leitung von Schlingensiepen. Auszüge der Tonaufnahme wurden beim Label edel veröffentlicht und später mit dem Preis der deutschen Schallplattenkritik (Vierteljahresliste) ausgezeichnet.

Im Jahr 2004 vertonten die Pet Shop Boys den Film mit den Dresdner Sinfonikern neu; produziert wurde dies von Sven Helbig. Torsten Rasch orchestrierte die Musik. Seit Anfang September 2005 ist diese Version in Frankfurt, Bonn, Berlin, Hamburg und Dresden live aufgeführt worden. Der Soundtrack erschien 2005 unter dem Titel Battleship Potemkin.

Zensur in Deutschland

Der Film sollte 1926 in die deutschen Kinos kommen. Die Verleihfirma Prometheus Film veränderte ihn schon vor der Zensurvorlage durch Kürzungen und Veränderungen der Zwischentitel, um eventuellen Auflagen zu begegnen. Auf Betreiben von Justiz- und Reichswehrministerium wurden danach alle Szenen, in denen Offiziere von aufständischen Matrosen über Bord geworfen werden, eliminiert. Auch zu den Szenen an und auf der Odessaer Treppe gab es detaillierte Anordnungen, die bezweckten, dass Tote oder Sterbende sowie über Verletzte eilende Beine nicht zu sehen waren. Selbst der gesamte Szenenkomplex mit dem Kinderwagen fehlt in dieser Fassung. Zeitweise war der Film komplett verboten. Seine Anhänger, darunter Lion Feuchtwanger, Klabund, Max Liebermann, Heinrich Zille, Leopold Jessner, Alfred Kerr, Hans J. Rehfisch und Johannes R. Becher erreichten durch publizistische Aktionen und Demonstrationen die Aufhebung des Verbotes, allerdings um den Preis weiterer Kürzungen und Änderungen des Wortlauts der Zwischentitel. Herbert Ihering kritisierte im Berliner Börsen-Courier die entstellende Wirkung dieser Kürzungen: „Sie marschieren noch die Treppe hinunter. Aber schießen sie noch? Man kann es kaum sehen. Fällt jemand? Schon ist es vorüber. (…) Es ist das beste Zeugnis für den Wert des Films und den Unwert der Bearbeitung, daß mit der Vernichtung der menschlichen Gesinnung auch die künstlerische Wirkung dahin ist.“[2]

Trivia

  • Der deutsche Titel Panzerkreuzer Potemkin ist genau genommen ein Übersetzungsfehler. Aus der Originalbezeichnung Bronenossez Potjomkin sowie aus den technischen Parametern geht hervor, dass die Knjas Potjomkin Tawritscheski ein Linienschiff (Schlachtschiff) war. Der russische Terminus Eskadrenny Bronenossez bedeutet sachgemäß übersetzt „Geschwaderpanzerschiff“. In Russland war dies bis 1907 die offizielle Bezeichnung eines Linienschiffes (Schlachtschiffes), das nach 1907 als Lineiny Korabl (Linienschiff) bezeichnet wurde. Demnach hätte Bronenossez Potjomkin als „Gepanzertes Schiff Potjomkin“ oder vielleicht „Panzerschiff Potjomkin“ übersetzt werden müssen. Für die Bezeichnung „Panzerkreuzer“ galt in Russland der Terminus Bronenosny Kreiser.[3]
  • Ein Filmplakat für das deutschsprachige Publikum wurde 1966 vom Grafiker Hans Hillmann entworfen. Es zeigt die piktogrammartig stilisierten Silhouetten zweier Geschützrohre eines Panzerkreuzers. Aufgrund seiner formalen Reduziertheit und grafischen Prägnanz zählt der Schwarzweiß-Entwurf Hillmanns zu den bekanntesten Filmplakaten.[4]
  • Eine detaillierte Beschreibung des gesamten Films – der dort allerdings den Titel „Panzerkreuzer Orlow“ trägt – findet sich in Lion Feuchtwangers Roman Erfolg. Hier wird auch die starke Wirkung auf das Publikum treffend dargestellt.

Restaurierte Fassung

Auf der 55. Berlinale 2005 wurde eine restaurierte, ungekürzte Version aufgeführt (sog. Berliner Fassung) mit einer Länge von 70 Minuten. Sie enthält unter anderem eine längere Fassung des Massakers auf den Treppen von Odessa, überarbeitete Zwischentitel und eine Einführung von Leo Trotzki, die der Zensur zum Opfer gefallen war. Für diese Fassung des Films wurde Edmund Meisels Musik von Helmut Imig mit dramaturgischer Beratung von Lothar Prox neu bearbeitet. Es spielte das Deutsche Filmorchester Babelsberg unter der Leitung von Helmut Imig. Diese Fassung wurde am 27. Januar 2008 auch in der Lichtburg Essen gezeigt. [5]

Im Januar 2009 war sie im Rahmen „60 Jahre Klubhauskonzerte“ unter Mitwirkung des Tschaikowsky Sinfonieorchester Moskau [6] in sechs Schweizer Städten (Bern, Basel, Luzern, Genf, St. Gallen und Zürich) zu sehen. Eingeleitet wurde der Film mit der 11. Sinfonie Schostakowitschs, die sich kritisch mit der revolutionären Geschichte Russlands auseinandersetzt, [7] dirigiert von Wladimir Fedossejew. Der Film wurde jedoch nicht mit Meisels Original-Begleitmusik untermalt, sondern mit Auszügen aus der 4. und 11. Sinfonie von Schostakowitsch, arrangiert von Armin Brunner und dirigiert von Frank Strobel.

Bei Transit Classics ist 2007 die „weltweit beste Fassung“ [8] mit der Musik von Edmund Meisel erschienen unter Beigabe von Bonusmaterial.

Quellen und Anmerkungen

  1. Zur Entstehng der restaurierten Fassung
  2. F. B. Habel: Zerschnittene Filme. Zensur im Kino Gustav Kiepenheuer Verlag, Leipzig 2003, S. 77
  3. Bernd Loose, Bernd Oesterle: Das große Buch der Kriegsschiffe. 2. Auflage. Motorbuch Verlag, Stuttgart 1997, ISBN 3-613-01854-3.
  4. Abbildung des Filmplakats von Hans Hillmann auf „Spiegel Online“
  5. http://www.berlinale.de/de/archiv/jahresarchive/2005/02_programm_2005/02_Filmdatenblatt_2005_20053720.php
  6. http://www.klubhauskonzerte.ch/biografien/orchester/Ural_Philharmonic.htm
  7. http://www.klubhauskonzerte.ch/tourneen/index.htm
  8. epd film 10/2007, S. 59

Literatur

  • Sergei M. Eisenstein: Schriften 2. Panzerkreuzer Potemkin. Hrsg., übersetzt und kommentiert von Hans-Joachim Schlegel. Hanser, München 1973, ISBN 3-446-11793-8.
  • Der Panzerkreuzer Potemkin beginnt seine Fahrt. Unbekannte Texte zur Moskauer Potemkin-Premiere vor sechzig Jahren Zusammengestellt, übersetzt und kommentiert von Hans-Joachim Schlegel. Kinemathek, Heft 67, Berlin 1985
  • Rainer Fabich: Panzerkreuzer Potemkin. In: Musik für den Stummfilm – Analysierende Beschreibung originaler Filmkompositionen. Europäische Hochschulschriften, Reihe 36: Musikwissenschaft, Bd. 94. Lang, Frankfurt et al. 1993, ISBN 3-631-45391-4, S. 237-276.

Weblinks

 Commons: The Battleship Potemkin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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