- Ruth Benedict
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Ruth Fulton Benedict (* 5. Juni 1887 in New York; † 17. September 1948 in New York) war in den USA die Begründerin einer kulturvergleichenden Anthropologie
Inhaltsverzeichnis
Leben
Ruth Benedict, geb. Fulton, studierte zunächst am Vassar College. Im Jahr 1914 heiratete sie Stanley Bendict, der 1936 starb. Sie belegte einen Kurs an der neugegründeten New School for Social Research (damals noch Free School of Political Science) und wurde von ihrer Dozentin Elsie Clews Parsons auf A. A. Goldenweisers Anthropologie Seminar verwiesen. 1921 nahm sie Franz Boas zum anthropologischen Studium an der Columbia-Universität an, wo sie 1923 ihre Dissertation einreichte. Sie blieb an der Universität, erhielt aber erst spät in ihrem Leben eine volle Professur.
Forschung
Bekannt sind ihre Studien bei den Zuñi-, Serrano-, Cochiti-, Pima- und Hopi-Indianern im Südwesten der USA. Zusammen mit Margaret Mead hat Ruth Fulton Benedict viele Forschungsreisen in pazifische Regionen durchgeführt. Beide entwickelten eine enge wissenschaftliche und freundschaftliche Beziehung. In der Studentenbewegung der späten 60er Jahre war gerade die Rezeption der – methodisch umstrittenen – kulturanthropologischen Studien Margaret Meads oder Ruth Benedicts ein wichtiges Moment, um die Naturgegebenheit der tradierten patriarchalen Strukturen zu hinterfragen. Eine zentrale Voraussetzung für Veränderungen war die Erkenntnis „unserer eigenen Kultur … (als) nur eine von unzähligen andersartigen Gestaltungsmöglichkeiten menschlicher Kultur“ (Benedict 1955, 182). Als Pionierin hatte sie einige Schwierigkeiten durchzustehen – so wurde etwa ihre Schrift über die englische Frauenrechtlerin Mary Wollstonecraft nie veröffentlicht.
Kulturrelativismus
Ruth Benedict vertritt wie Franz Boas und später Margaret Mead den Kulturrelativismus. So versteht sie Kulturen als einzelne Ganzheiten, die nur aus sich heraus begriffen werden können und verweist auf die enorme Variabilität von Werten.[1]
Urformen der Kultur
Ihr 1934 erschienene Werk Patterns of culture zählt zu ihren wichtigen Arbeiten. Hier setzte sie als wichtigste Grundannahme voraus, dass menschliches Verhalten hauptsächlich erlernt und nicht angeboren sei, und dass Kulturen deshalb dauerhafte soziale Muster ausbildeten. Grundlage ihrer Arbeit bildet das Studium dreier Stammeskulturen, der Kwakiutl-Indianer von Vancouver Island, der Zuni-Indianer in New Mexico und der melanesischen Dobu.[2]
Chrysantheme und Schwert
Im Juni 1944 erhielt Benedict vom US-amerikanischen Office of War Information (OWI) den Auftrag, eine Studie über die Kultur Japans zu erstellen, die der Orientierung der US-amerikanischen Besatzungspolitik nach einer absehbaren Niederlage Japans im Pazifikkrieg dienen sollte. Da Feldforschung aufgrund der Kriegssituation nicht möglich war, bezog Benedict ihre Informationen über Japan vor allem von japanischen Kriegsgefangenen, Emigranten und Remigranten. Das Resultat dieser Arbeit erschien 1946 unter dem Titel The Chrysanthemum and the Sword: Patterns of Japanese Culture. Politisch bedeutsam ist das darin vorgebrachte Plädoyer für eine Beibehaltung der japanischen Monarchie (Tennō) nach dem Krieg. Wirksam aber umstritten bleibt Benedicts Gegenüberstellung der westlichen Welt und Japans als Schuld- und Schamkultur. Chrysantheme und Schwert, das bereits 1948 in japanischer Übersetzung erschien, prägte das Japanbild mehrerer Generationen im Westen sowie das Selbstbild vieler Japaner.[3]
Sonstige Texte
Sie schrieb unter dem Pseudonym Anne Singleton auch Gedichte .
Nachwirkung
Am 20. Oktober 1995 wurde in den USA eine Briefmarke mit ihrem Porträt veröffentlicht.
Anmerkungen
- ↑ Kulturrelativistische Standpunkte gelten in der heutigen wissenschaftlichen Debatte hauptsächlich wegen des "relativistischen Selbstwiderspruches" zumeist als nicht mehr vertretbar - vgl. Rippl/Seipl,Methoden kulturvergleichender Sozialforschung. Eine Einführung, VS Verlag, 2007, S.54 f.
- ↑ Vgl. Lück, Helmut E., Geschichte der Psychologie, Kohlhammer, Urban-Taschenbücher ³2002, S.42.
- ↑ Siehe auch: Nihonjinron.
Publikationen
- The Concept of the Guardian Spirit in North America, 1923
- Configurations of Culture in North America, im American Anthropologist, Band 34, 1932, S. 1-27.
- Patterns of Culture, Houghton Mifflin, New York, 1934
- (dt EA) Kulturen primitiver Völker, Stuttgart, August Schröder Verlag, 1949.
- (dt.) Urformen der Kultur, rowohlts deutsche enzyklopädie, Reinbek, 1955
- Zuñi Mythology, 1935
- Edward Sapir. In: American Anthropologist, Band 41, 1939, S. 465-477.
- Race - Science and Politics, Modern Age Books, New York, 1940, ²1943
- (dt) Die Rassenfrage in Wissenschaft und Politik, Bergen (II), Oberbayern, Verlag Müller u. Kiepenheuer, 1950.
- Race and Racism, London, UK, Routeledge, 1942.
- (dt) Rassenforschung und Rassentheorie, Göttingen, Verlag Öffentliches Leben, 1947.
- mit Gene Weltfish: The Races of Mankind, The Public Affairs Committee, Inc., New York, 1943.
- Grundlage des Comic There Are No Master Races, True Comics, Nr. 39, Oktober 1944, 7 Seiten.
- The Chrysanthemum and the Sword. Patterns of Japanese Culture, New York, 1946
- (dt.) Chrysantheme und Schwert. Formen der japanischen Kultur, Suhrkamp, Frankfurt am Main, 2006, ISBN 978-3-518-12014-9)
- The Story of My Life, in Margaret Mead, 1959, S. 97-117.
Literatur
- Banner Lois, W., Intertwined Lives. Margaret Mead, Ruth Benedict, and Their Circle, Vintage Books, 2004 ISBN 978-0-679-77612-3
- Caffrey, Margaret M., Ruth Benedict. Stranger in This Land, University of Texas, Austin 1989, ISBN 978-0-292-74655-8
- Geertz, Clifford, Works and Lives, Stanford, 1988.
- Heyer Young, Virginia, Ruth Benedict. Beyond Relativity, Beyond Pattern. Critical Studies in the History of Anthropology, University of Nebraska, 2005 ISBN 978-0-8032-4919-6
- Kroeber, Alfred Louis, Configurations of Culture Growth, Berkeley, 1944.
- Mead, Margaret, An Anthropologist at Work. Writings of Ruth Benedict, Boston, 1959.
- Mead, Margaret, Ruth Benedict. A Humanist in Anthropology, New York, 1974. Neuausgabe, Columbia University Press, New York, 2005.
- Modell, Judith S., Ruth Benedict. Patterns of a Life, University of Pennsylvania, 1983, ISBN 978-0-8122-7874-3
Weblinks
- Literatur von und über Ruth Benedict im Katalog der Deutschen Nationalbibliothek
- Columbia University
- Vassar College
- Vassar College, Guide to the Ruth Benedict Papers
- Rezension zu Chrysantheme und Schwert in der Neuen Zürcher Zeitung vom 26. August 2006
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