Salvatore Giuliano

Salvatore Giuliano

Salvatore Giuliano alias Turiddu Giuliano (* 16. November 1922 in Montelepre; † 5. Juli 1950 in Castelvetrano) war ein sizilianischer Bandit und Separatist, der zu Lebzeiten als Robin Hood Siziliens bekannt und als Volksheld verehrt wurde. Als nach seinem Tod das Ausmaß seiner Vergehen und seine Kontakte zur Mafia aufgedeckt wurden, verblasste der politische Mythos vom Volkshelden.

Inhaltsverzeichnis

Biografie

Kindheit

Giuliano wurde am 16. November 1922 in Montelepre, einem Ort 15 km westlich von Palermo, als viertes Kind von Salvatore Giuliano sen. und Maria Lombardo Giuliano geboren. Er hatte einen älteren Bruder und zwei ältere Schwestern. Die Familie war kurz vor seiner Geburt von Brooklyn nach Montelepre, dem Heimatdorf der Eltern, zurückgekehrt. Der Vater arbeitete in der Landwirtschaft und betrieb eine kleine Mühle. Salvatore Giuliano jun. besuchte die Grundschule und begann im Alter von 13 Jahren als Laufbursche für seinen Vater und verschiedene Unternehmen in Montelepre zu arbeiten. Schon von Kindheit an begeisterte er sich für alles Amerikanische.

Bandit und Separatist

Nach der Invasion der Alliierten auf Sizilien 1943 blühte auf dem Schwarzmarkt der Handel mit Getreide und Mehl. Am 2. September 1943 war Giuliano unterwegs, um zwei Mehlsäcke nach Montelepre zu transportieren und sie auf dem Schwarzmarkt zu verkaufen. Bei einer Polizeikontrolle kam es zum Schusswechsel. Giuliano tötete einen Polizisten, konnte flüchten und in den Bergen von Montelepre untertauchen.

Unter dem Verdacht, ihm Unterschlupf zu gewähren, nahm man seinen Vater und weitere Mitglieder der Familie fest. Anfang 1944 gelang es Giuliano, seine Verwandten und andere Häftlinge aus dem Gefängnis von Monreale zu befreien. Ein Teil dieser Männer schloss sich ihm an und er bildete eine straff geführte Bande, die in den folgenden Jahren Schwarzmarktgeschäfte betrieb, Raubüberfälle beging oder Personen entführte, um Geld für Lebensmittel und Waffen zu erpressen.

Im Unterschied zu anderen Banditen befasste sich Giuliano auch mit verschiedenen politischen Ideen. Im Frühjahr 1945 traf er führende Mitglieder der Separatistenbewegung, die sich für die Unabhängigkeit Siziliens einsetzten. Vor allem auf Betreiben von Concetto Gallo, einem Rechtsanwalt aus Palermo, trat er mit seinen Männern der EVIS (Esercito Volontario per l'Indipendenza della Sicilia, deutsch: Freiwilligenarmee für die Unabhängigkeit Siziliens) bei und erhielt als Gegenleistung den Rang eines Oberst, eine Million Lire und Waffen. Außerdem sagte man ihm Amnestie zu, falls Sizilien unabhängig werde. Im Auftrag der Separatisten griff er fünf Kasernen der Carabinieri an. Gleichzeitig setzte er mit seiner Bande die eigenen Raubzüge fort.

Giuliano strebte nicht nur die Unabhängigkeit von Italien an, sondern eine Angliederung an die Vereinigten Staaten. 1946 schickte er über den amerikanischen Journalisten Michael Stern, einen Mitarbeiter der CIA, einen Brief an US-Präsident Harry S. Truman, in dem er Sizilien als weiteren Bundesstaat Amerikas vorschlug. Da sowohl die Mafia als auch die Großgrundbesitzer Interesse an einem unabhängigen Sizilien hatten, war dieser Vorschlag Giulianos unter Umständen mit ausschlaggebend für seine Ermordung.

Kontakte zur Mafia

Ohne die Zusammenarbeit mit der Mafia und deren Schutz wäre es Giuliano nicht möglich gewesen, seine Bande zur stärksten in Sizilien zu machen. Wenn er jemanden entführte, wussten die Angehörigen, dass sie sich an den lokalen Mafiaboss wenden mussten. Dieser sorgte für die sichere Rückkehr und teilte mit Giuliano das Lösegeld.

Er unterzog sich 1947 den Aufnahmeriten der Mafia und Tommaso Buscetta berichtete in seinen umfassenden Aussagen, Giuliano sei ihm „als seinesgleichen“ vorgestellt worden. Diese Aussage ist inzwischen umstritten. Nachgewiesen ist, dass Giuliano u.a. in Villalba über Calogero Vizzini Kontakte zur Mafia unterhielt. Vizzini war damals der Capo dei Capi, der oberste Mafiaboss Westsiziliens.

Im gleichen Jahr kam es zu einem Ereignis, das als Blutbad von Portella della Ginestra in die jüngere Geschichte Siziliens einging. Portella della Ginestra ist ein offenes Geländestück in der Nähe von Piana degli Albanesi. Hier versammelten sich am 1. Mai 1947 Mitglieder der neu gegründeten linken Volkspartei und der Kommunisten, um ihren Wahlerfolg und den Tag der Arbeit zu feiern. Unterbrochen wurden die Feierlichkeiten durch einen zehnminütigen Maschinengewehrbeschuss von Giulianos Bande. Elf Menschen wurden getötet, darunter auch vier Kinder, über 30 Personen wurden schwer verletzt.

Die Ermittlungen zur Aufklärung des Anschlags gingen nur schleppend voran und führten zu verschiedenen Spekulationen. Die einen behaupteten, die Mafia habe den Anschlag verübt und versuche nun, Giuliano die Schuld zuzuschieben. Andere gingen davon aus, Giuliano sei im Auftrag der Mafia, möglicherweise sogar des damaligen Innenministers Mario Scelba, gegen Linke und Kommunisten vorgegangen. In einem offenen Brief übernahm Giuliano jedoch die alleinige Verantwortung und erklärte, dass es keine Hintermänner gebe. Er selbst habe den Befehl erteilt, über die Menge hinwegzuschießen, die Toten seien ein bedauerliches Versehen.

Verfolgung und Tod

Nach dem Anschlag von Portella della Ginestra hatte Giuliano offiziell Hundertschaften der Polizei gegen sich und auch die Mafia ließ ihn fallen. Es gelang ihm zwar, weitere drei Jahre unterzutauchen und seine kriminellen Aktivitäten fortzusetzen, aber immer mehr Mitglieder seiner Bande wurden festgenommen, wobei die Mafia häufig mit Informationen nachhalf. Die Carabinieri sollten sich auf Befehl des Obersten Ugo Luca inoffiziell bei seiner Verfolgung zurückhalten.

Im Sommer 1950 stellte man Giulianos Komplizen in Viterbo vor Gericht und hoffte auf die rasche Aufklärung noch ungeklärter Fragen. Kurz nach Beginn der Verhandlungen fand man am 5. Juli 1950 Giulianos Leiche in einem Hinterhof in Castelvetrano, außerhalb seines Reviers. Man gab bekannt, Carabinieri hätten ihn bei einem Schusswechsel aus Notwehr getötet.

Ein Reporter fand jedoch heraus, dass diese offizielle Version nicht der Wahrheit entsprach. Giuliano wurde in seinem Unterschlupf erschossen und die Leiche anschließend von den Carabinieri nach Castelvetrano gebracht. Täter war vermutlich Gaspare Pisciotta (bekannt als Aspanu), ein Cousin und Vertrauter Giulianos und Leutnant in dessen Bande, später aber auch Spion der Carabinieri.

Mythos

Jahrelang unauffindbar für die Polizei, empfing Giuliano von 1945 an häufig Journalisten aus dem In- und Ausland, ließ sich in heldenhaften Posen fotografieren und gab Interviews. Dabei legte er großen Wert darauf, von sich das Bild des Robin Hoods von Sizilien aufzubauen. Die Presse unterstützte ihn, denn regelmäßig erschienen in den Tageszeitungen Berichte über seine Heldentaten zugunsten der ausgebeuteten und unterdrückten Bevölkerung.

Tatsachen

Erwiesen ist, dass Giuliano mit der Mafia und auch Politikern zusammenarbeitete und über 400 Menschen ermordete. Bis heute nicht eindeutig geklärt ist, wer das Blutbad von Portella della Ginestra veranlasste und wer ihn ermordete. Als man den Prozess von Viterbo nach seinem Tod fortsetzte, behaupteten die Angeklagten erneut, der Anschlag sei von höchster Stelle angeordnet worden. Trotzdem gelangte der Richter zu dem Schluss, dass allein Giuliano und seine Leute für das Blutbad verantwortlich seien.

Einige Indizien sprechen gegen das Urteil des Richters. Zum einen erhielt Giuliano unmittelbar vor dem 1. Mai 1947 einen Brief, den er las und sofort vernichtete. Anschließend informierte er seine Leute erstmals über den geplanten Anschlag auf das Fest. Die Herkunft des Briefes konnte nicht ermittelt werden. Außerdem überbrachten kurz nach dem Anschlag führende Mafiosi dem Polizeichef von Sizilien und dem Oberstaatsanwalt in Palermo ein Schreiben von Giuliano, das während der Ermittlungen spurlos verschwand. Derselbe Polizeichef namens Varvaro korrespondierte über die Mafia regelmäßig mit Giuliano und traf ihn mindestens einmal persönlich. Er war in der Todesnacht vom 4. zum 5. Juli 1950 Gast im Haus des Oberstaatsanwalts von Palermo. Auch Gaspare Pisciotta erschien bei diesem Treffen.

Gaspare Pisciotta wurde wegen seiner Beteiligung am Blutbad von Portella della Ginestra zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt und des Mordes an Giuliano angeklagt.

Biografien über Giuliano

Über Salvatore Giuliano wurden an die 40 Biografien geschrieben, mehr als über jede andere Person der italienischen Nachkriegsgeschichte. Mario Puzo schilderte Teile seiner Lebensgeschichte in dem Roman Der Sizilianer.

Francesco Rosi drehte 1961 den dokumentarischen Spielfilm Wer erschoss Salvatore G.?. Der Film entstand an Originalschauplätzen und mit Laiendarstellern, die Giuliano kannten und das Blutbad von Portella della Ginestra miterlebt hatten. Miteinbezogen wurden Zeitungsberichte, Interviews und Zeugenaussagen. Rosis Filmbiografie trug wesentlich dazu bei, das Bild des Volkshelden, das die Presse aufgebaut hatte, zu relativieren.

Unter dem Titel Der Sizilianer drehte Michael Cimino 1987 einen Film nach der Romanvorlage von Mario Puzo. Im Gegensatz zu Rosi ließ er viele Tatsachen im Unklaren und zeigte Giuliano erneut als den Robin Hood Siziliens

1986 fand die Uraufführung der Oper Salvatore Giuliano von Lorenzo Ferrero statt. 2001 wurden die Sommerfestspiele in Taormina mit dem Musical Salvatore Giuliano von Dino Scuderi eröffnet.

Literatur

  • John Dickie: Cosa Nostra. Die Geschichte der Mafia, Frankfurt a. M., S. Fischer 2006, 557 S. ISBN 3-10-013906-2
  • Daniela Saccà Reuter: Salvatore Giuliano und die Sicilianità - zwei sizilianische Mythen, Münster, Waxmann 2005, ISBN 3-8309-1525-X
  • Salvatore Lupo: Die Geschichte der Mafia, Düsseldorf, Patmos 2002, ISBN 3-491-96152-1
  • Werner Helwig: Der Brigant Giuliano, Frankfurter Verlagsanstalt, Frankfurt 1953
  • Polkehn, Szeponik: Wer nicht schweigt, muß sterben, Militärverlag der Deutschen Demokratischen Republik (VEB), Berlin 1968 (5. ergänzte und bearbeitete Auflage, 1981)

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужно сделать НИР?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Salvatore Giuliano — Salvatore Giulano (16 novembre 1922 – 4 juillet 1950), était un célèbre bandit indépendantiste sicilien. Sommaire 1 Biographie 2 Notes et références 3 …   Wikipédia en Français

  • Salvatore Giuliano —    Film politique de Francesco Rosi, avec Frank Wolff (Gaspare Pisciotta), Salvo Randone (le président de la cour d assises), Federico Zardi (l avocat de Pisciotta), Pietro Cammarata (Salvatore Giuliano).   Scénario: Francesco Rosi, Suso Cecchi d …   Dictionnaire mondial des Films

  • Salvatore Giuliano — Saltar a navegación, búsqueda Salvatore Giuliano (Montelepre, 16 de noviembre de 1922 Castelvetrano, 5 de julio de 1950) bandolero e independentista siciliano. Durante años, las fuerzas de la policía italiana emprendieron una incesante búsqueda… …   Wikipedia Español

  • Salvatore Giuliano — Infobox revolution biography name = Salvatore Giuliano flagicon|Sicily lived = November 16, 1922 ndash; July 5, 1950 dateofbirth = November 16, 1922 placeofbirth = Montelepre, Castelvetrano dateofdeath = death date and age|1950|7|5|1922|11|16… …   Wikipedia

  • Salvatore Giuliano (film) — Salvatore Giuliano Données clés Réalisation Francesco Rosi Scénario Suso Cecchi d Amico, Enzo Provenzale, Francesco Rosi, Franco Solinas Acteurs principaux Frank Wolff Salvo Randone Pietro Cammarata Sociétés de production …   Wikipédia en Français

  • Salvatore Giuliano (film) — Infobox Film name = Salvatore Giuliano image size = 220px caption = director = Francesco Rosi producer = Franco Cristaldi writer = Franceso Rosi Suso Cecchi d Amico Enzo Provenzale Franco Solinas narrator = starring = Salvo Randone Frank Wolff… …   Wikipedia

  • Salvatore — (von lateinisch Salvatore ‚Heiland, Retter, Erlöser‘) ist der Familienname folgender Personen: Gaston Salvatore (* 1941), deutscher Schriftsteller Giovanni Salvatore († 1688), italienischer Komponist Marco Salvatore (* 1986),… …   Deutsch Wikipedia

  • Giuliano — ist ein männlicher Vorname und die italienische Form von Julian und bedeutet übersetzt Der Jugendliche . Träger des Vornamens: Giuliano Amato (* 1938), italienischer Politiker Giuliano Bignasca (* 1945), Schweizer Politiker, Bauunternehmer und… …   Deutsch Wikipedia

  • Salvatore — is an Italian name that means savior . People* Robert Anthony Salvatore, fantasy writer * Salvatore Accardo (born 1941) * Salvatore Adamo (born 1943), singer, composer * Salvatore Allegra, Italian composer * Salvatore Antibo (born 1962), Italian… …   Wikipedia

  • Salvatore — Cette page d’homonymie répertorie les différents sujets et articles partageant un même nom. Sommaire 1 Lieu géographique 2 Nom de famille …   Wikipédia en Français

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”