- Sandmann
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Der Sandmann ist eine in der westeuropäischen Mythologie angesiedelte Sagengestalt. Nach der Überlieferung besucht er des Abends die Kinder, streut Schlaf bewirkenden Sand in ihre Augen und lässt den Traum entstehen. Den Schlafsand reibt man sich am Morgen aus den Augen. Die auf dieser Grundlage in Deutschland geschaffene Serienfigur des Sandmännchens als Geschichtenbringer erlangte internationale mediale Popularität.
Inhaltsverzeichnis
Wurzeln
In der griechischen Mythologie bringen die Oneiroidie Träume. Sie sind eine Gruppe von Dämonen, Söhne des Hypnos, die Fledermäusen ähneln. Dabei gilt Morpheus, ein Sohn des Hypnos[1], des Gottes des Schlafes und der Nyx, der Göttin der Nacht und der Finsternis als der verantwortliche Gott der Träume und Visionen. Er steht seinen Brüdern Phobetor (von griech phobia, φόβος „Furcht“, für Alptraum) und Phantasos vor. Menschen empfangen so im Traum Botschaften. Zum Beispiel erscheint Morpheus auf Geheiß des Hypnos der schlafenden Alkyone, die ihren Gatten Keyx erwartet, in dessen Gestalt, da dieser Opfer eines Schiffbruchs geworden ist.[2] Der Eingang der Höhle des Morpheus ist umwachsen von betäubenden Kräutern wie dem Schlafmohn.
Motivgeschichte
Die europäische Literatur kennt Morpheus durchaus als den „Schlummerkörner“ verstreuenden Traumgott,[3] wobei die Identifizierung nicht immer eindeutig erfolgt; auch dem Schlafgott Hypnos wird mitunter diese Rolle zuteil.[4]
In der Tradition lassen sich deutlich zwei Varianten der Sandmannfigur unterscheiden: auf der einen Seite der augenausreißende Dämon, auf der anderen Seite der die Träume fabrizierende „Augenschließer“.
Weiter floss in die Vorstellung des Sandmanns die Figur des Sandverkäufers ein, eines Wanderhändlers, der weißen Sand als Reinigungsmittel feilbot.
Der Kinderschreck
Die westeuropäische Folklore wartet mit einer Vielzahl von Schreckfiguren auf, deren Bestimmung es war, des Abends die Kinder zum Nachhauseweg bzw. daheim zum Einschlafen zu bringen, wie den ziegenartigen Nachtbock, den Nachtkrabb, den Nachtgiger, den Bummelux, den Nachtraben oder im Hunsrück die Naachseil (Nachteule). Ihre Wesenszüge sind in unterschiedlichem Maße in die literarische Ausformung der bekannten Sandmannfigur mit eingeflossen.
E.T.A. Hoffmanns (1776–1822) Schauernovelle Der Sandmann entwirft mit der Sandmanngestalt eine typische traditionelle Kinderschreckfigur, deren Auftreten Furcht und Schrecken verbreitet. Sie setzt den Sand als eine für die Augen gefährliche und verletzende Waffe ein. Eine alte Amme schildert dem fragenden Kind im Gegensatz zu den aufgeklärten Eltern den Sandmann drastisch als
- „böser Mann, der kommt zu den Kindern, wenn sie nicht zu Bett gehen wollen und wirft ihnen Händevoll Sand in die Augen, daß sie blutig zum Kopf herausspringen, die wirft er dann in den Sack und trägt sie in den Halbmond zur Atzung für seine Kinderchen; die sitzen dort im Nest und haben krumme Schnäbel, wie die Eulen, damit picken sie der unartigen Menschenkindlein Augen auf“.[5]
Der Träumebringer
Die Gestalt des heute bekannten Sandmanns wird im Wesentlichen zurückgeführt auf die durch den dänischen Märchendichter Hans Christian Andersen (1805–1875) erfahrenen biedermeierlichen Abmilderungen der ihm bekannten deutschen Tradition.[6] Andersen wählt für die Titelfigur den Namen der im Dänischen bekannte Gestalt des Ole Lukøje („Ole Augenschließer“). Regelmäßig vor dem Schlafengehen besucht er die Kinder und verschließt ihnen die Augen mit „süßer Milch“[7] und erzählt eine Geschichte.
- Es gibt Niemand in der ganzen Welt, der so viele Geschichten weiß als Ole Luk-Oie! Er kann ordentlich erzählen.[8]
Von seinen zwei mitgebrachten Regenschirmen spannt er den bebilderten auf über die „guten“ Kinder, woraufhin diese in lebendige Träume versinken, den anderen – ohne Bilder – über die unartigen, die daraufhin gar nichts träumen.
Varianten
Neben der dänischen Figur des Ole Lukøje ist im skandinavischen Raum die Gestalt des Jon Blund als Bringer des Schlafes bekannt.
Niederlande
In den Niederlanden wird der tradierte Sandmann-Name Klaas Vaak auf den altniederländischen Ausdruck vaak hebben für Schlafen zurückgeführt.
Österreich - Tirol
Rund um Innsbruck bringt das Pechmandl den Schlaf. Dieses kleine Männchen hat einen Strick bzw. eine Schnur in der einen Tasche und eine Büchse voll Pech bzw. Baumharz in der anderen Tasche. Das Pechmandl schleicht heimlich hinter die Kinder und streicht ihnen ein wenig Zirbenpech über die Augen. Dadurch fallen sogleich deren Augen zu und sie schlafen ein. Wozu das Pechmandl seine Schnur verwendet ist ungeklärt. Eventuell wird dadurch das völlige Gefesseltsein der Glieder im Schlaf angedeutet.
Es gab auch ein altes Pechmandllied in Tirol. Dieses ist jedoch verlorengegangen und es blieb nur mehr der Schlussreim erhalten:
- „Kommt's Pechmandl mit da Schnua (Schnur), Druckt dem Kindl d' Aug'n zua“.[9]
Siehe auch
Einzelnachweise
- ↑ in anderen Mythologien Sohn des Hades
- ↑ Ovid, Met.XI, 630
- ↑ „Bald kam Morpheus mit leisen Tritten zu dem Lager des Jünglings und streute seine Schlummerkörner über ihn.“ Wilhelm Hauff, Lichtenstein. Kap 20 Lichtenstein. Online-Text, Projekt Gutenberg-DE.
- ↑ ; Herder: Der Schlaf, in: J.G. v. Herder's sämmtliche Werke: Zur Philosophie und Geschichte, Band 22-23, 1821, S. 162
- ↑ Nachtstücke, 1815, http://de.wikisource.org/wiki/Der_Sandmann
- ↑ http://www.andersen.sdu.dk/forskning/motiver/vismotiv_e.html?id=77
- ↑ Anspielung an das Produkt des Schlafmohns als einst traditionelles Schlafmittel für Kinder, sowie auf den Morphiumkonsum des Autors
- ↑ Hans Christian Andersen, Sämmtliche Märchen. Mit 125 Illustrationen nach Originalzeichnungen von V. Pedersen, in Holz geschnitten von E. Kretzschmar. 8. Aufl. Leipzig, 1863, S. 20
- ↑ Deutsche Alpensagen. Gesammelt und herausgegeben von Johann Nepomuk Ritter von Alpenburg, Wien 1861, Seite 118, 119. http://www.sagen.at/texte/sagen/oesterreich/tirol/alpenburg/pechmandl.html
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