- Kinderschreckfigur
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Eine Kinderschreckfigur ist eine fiktive Figur, mit der Kindern Angst eingejagt wird.
Personen wie Eltern, Großeltern, Ammen oder ältere Geschwister erzählten Kindern vor allem in früheren Generationen von solchen Gestalten. Dies diente dazu, die Kinder zum einen mit gruseligen Geschichten zu unterhalten, zum anderen aber auch dazu, sie einzuschüchtern und gehorsam zu machen (z. B. zu bewirken, dass sie nachts still im Bett bleiben, oder sich von gefährlichen Orten wie z. B. Gewässern fern halten). Kinderschreckfiguren kommen in Sagen, Märchen und Gruselgeschichten vor (siehe auch Ammenmärchen), sowie auch in weniger prosaischer Art, beispielsweise als ausgesprochene Drohung.
Klassisch ist das Motiv des „Kinder-Mitnehmens“, bei dem den Kindern damit gedroht wurde, dass die Schreckfigur kommen und sie „holen“ würde, wenn sie nicht brav wären. Ebenfalls wurde oft mit Figuren gedroht, die Kinder „auffressen“.
Von den typischen Kinderschreckfiguren sind Schreckgestalten abzugrenzen, die weniger speziell zum Ängstigen von Kindern erfunden wurden und an die die Menschen zum Teil auch als Erwachsene noch glaubten. Dazu zählen beispielsweise Fabelwesen, die Wanderer anfallen, Kobolde, Trolle, Hexen, Teufel, Geister und Gespenster.
Inhaltsverzeichnis
Kinderfolklore
Die Schreckgestalten hatten auch ihren festen Platz in der Kinderfolklore (soziale Übertragung von Kindern an Kinder, also nicht hauptsächlich über Erwachsene). Bisweilen treiben Kinder untereinander Scherze mit solchen Schreckfiguren. Sie sind aus Kinderspielen (z. B. Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?), Gedichten, Geschichten, Märchen und Kinderliedern (z. B. dem Lied vom Bi-ba-butzemann) bis heute noch bekannt. Hier wird oftmals die Angst vor diesen Figuren spielerisch sublimiert.
Kinderbücher
Auch haben viele Kinderbuchautoren des 20. Jahrhunderts die Figuren aufgegriffen und literarisch in „liebe“ Sympathiefiguren umgewandelt, um Kindern die Angst vor ihnen zu nehmen. Ein beliebtes Mittel dazu ist, die Furchtgestalten selbst als Kinder mit Ängsten und Problemen darzustellen. Die bekanntesten Werke dieser Art stammen von Otfried Preußler, zum Beispiel Das kleine Gespenst oder Die kleine Hexe. Weitere Beispiele dieses Kinderbuchgenres sind Der kleine Vampir von Angela Sommer-Bodenburg und Alle meine Monster von Thomas Brezina.
Noch weiter wird die didaktische Umkehr im Bilderbuch Wo die wilden Kerle wohnen von Maurice Sendak vorangetrieben: Dort gelingt es dem unartigen Max in einem Traum die Schreckgestalten zu zähmen, indem er ihnen in die Augen starrt. Die Wilden Kerle krönen darauf hin Max zu ihrem König und er schickt sie ohne Essen ins Bett. Als Max die Wilden Kerle alleine zurücklässt, versuchen sie ihm wieder Furcht einzujagen, aber er zeigt sich nicht beeindruckt und kehrt nach Hause zurück, wo das Essen noch auf ihn wartet.
In vielen der Mut-Mach-Geschichten sind die Schreckfiguren selbst hilfsbedürftige Wesen. So kultiviert das Mädchen Zeralda in einem Bilderbuch von Tomi Ungerer den kinderfressenden Riesen, indem sie wunderbare Gerichte zubereitet, die so viel schmackhafter sind als Menschenfleisch, sodass der Riese seine Essgewohnheiten bald ändert, und beide am Schluss sogar heiraten. Sophiechens Riese von Roald Dahl stellt sich gar als Außenseiter heraus,der sich lieber von Kotzgurken und Blubberwasser ernährt, als Menschenfleisch zu fressen. Hier ist Sophiechen gefordert, dem armen Riesen zu helfen, sich gegen die anderen Riesen zu behaupten, bei denen es sich wiederum um klassische Schreckfiguren handelt.
Bekannte Kinderschreckfiguren
Für unartige Kinder
- Knecht Ruprecht
- Knecht Ruprecht, auch Rupperich oder Krampus, ist der finstere Begleiter des Nikolaus, der unartigen Kindern mit einer Rute droht, bzw. damit, dass er sie in seinen Sack oder seine Kiepe steckt und mitnimmt.
- Butzemann
- Der Butzemann ist eine gespensterhafte, kobold- oder zwergenartige Figur, die vorwiegend aus dem süddeutschen und schweizerischen Raum bekannt ist. Erst in neuerer Zeit taucht diese Figur hauptsächlich als Kinderschreckfigur auf.
- Buhmann
- Vom Buhmann (auch Bullemann) ist wenig überliefert. Er hat sich aber als übertragener Begriff fest in der deutschen Sprache eingebürgert. Den „Buhmann spielen“ bedeutet heute, eine spaßverderbende Pflichtaufgabe zu übernehmen, beispielsweise in einem Forum auf die Einhaltung der Netiquette und allgemeinen Regeln hinweisen zu müssen.
Weitere „allgemeine“ Schreckfiguren sind der Kindermitnehmer, der Kinderfresser, der Böse Onkel und Franz Karl Ginzkeys Hatschi Bratschi.
Für Daumenlutscher
- Schneider mit der Scher
- Kinderschreckfigur aus der Literatur, die dem ungehorsamen Kind die Daumen abschneidet (Struwwelpeter)
Für Kinder, die nicht ins Bett wollen
- Sandmann
- Der Sandmann ist eine Kinderschreckfigur, die den Kindern, die nicht schlafen wollten, Sand in die Augen streute. Der literarische Höhepunkt dieser Figur war in E.T.A. Hoffmanns Der Sandmann zu lesen. Seit der gleichnamigen Kindersendung Sandmännchen, welche kurz vor dem Zubettgehen der Kinder ausgestrahlt wird, verbinden Kinder den Sandmann nicht mehr mit etwas Schrecklichem.
- Nachtbock
- eine Kinderschreckfigur in ziegenbockähnlicher Tiergestalt, die in der Nacht zu Kindern kommt, die nicht ruhig sind und schlafen. Mit dem Nachtbock wurde auch Kindern gedroht, die nachts noch im Freien unterwegs sind. Es gibt auch einen Käfer, der außer seinem Namen nichts mit dieser fiktiven Schreckfigur zu tun hat, den Bleichen Alteichen-Nachtbock aus der Familie der Bockkäfer.
Weitere Schreckfiguren der Nacht sind der Nachtkrabb, der Nachtgiger, der Bummelux, in Zentralthüringen die Nachtraben, in Schwaben das "Boggaraule" und im Hunsrück die Naachseil (Nachteule).
Warnung vor gefährlichen Orten
- Böser Wolf
- Wölfe wurden in früheren Jahrhunderten als durchaus reale Gefahr angesehen, vor der man sich in Wald und Flur in Acht nehmen musste. Davon ausgehend entwickelte sich „der Wolf“ auch zu einer beliebten Kinderschreckfigur. Klassischerweise diente er dazu, Kinder davor zu ängstigen, alleine in den Wald zu gehen. Er findet sich in vielen Märchen (z. B. Rotkäppchen).
- Wassermann
- Der Wassermann, Nix, Nöck oder Neck bezeichnet ist ein im Binnenland meist als böse beschriebener Wassergeist. Kindern wurde gedroht, dass der Wassernöck sie durch Geschenke anlocke, dann ins Wasser (meist in Teiche oder Tümpel) zöge und dort ihre Seelen gefangenhalte.
- Hakemann
- Der Hakemann ist ein Mischwesen aus Mensch und Fisch. Er zieht nichtschwimmende Kinder mit einem Haken in Gewässer, damit sie ertrinken und von ihm gefressen werden. In Franken ist er als Hägglmoo bekannt.
Weitere ortsbezogene Schreckfiguren sind die Roggenmuhme, der Schlurger und der Rebhansel, die Kinder von Getreidefeldern und Weinbergen fernhalten sollten.
Warnung vor Fremden
- Schwarzer Mann
- (auch „Böser Mann“) ist als Kinderschreckfigur im ganzen deutschsprachigen Gebiet bekannt. Je nach Region und Zeit verstand man darunter verschiedene Wesen: eine dunkle schattenhafte Gestalt, einen Mann mit schwarzer Kleidung und geschwärztem Gesicht (Schornsteinfeger) oder auch einen dunkelhäutigen Mann. Der Schwarze Mann ist auch aus dem Kinderspiel (Fangen) „Wer hat Angst vorm Schwarzen Mann?“ bekannt.
- Fremder Mann
- Der fremde Mann tritt oft mit einer giftgrünen Hose und einem schwarzen Mantel in Erscheinung. Er ist eine bekannte Kinderschreckfigur im Westen Österreichs.
- Mummelratz
- In Zentralthüringen werden Kinder vor dem Mummelratz gewarnt, der sie bei unartigem Verhalten oder an gefährlichen Orten holt. Er wird zumeist als schwarzer, vermummter Mann beschrieben. In und um Gotha ist bis heute die redensartliche Drohung ... sonsd hold dech dar Mummlratz! bekannt.[1]
Andere Länder
Im englischsprachigen Kulturraum ist der Bogeyman (auch Boogeyman geschrieben) bekannt, vermutlich eine Entsprechung zum deutschen Butzemann. Auch der Oger ist als menschenfressende Schreckfigur vor allem im englischen Sprachraum bekannt. Die US-amerikanische Kinderfolklore kennt darüber hinaus auch eine weibliche Schreckfigur: die blutrünstige Bloody Mary, die erscheinen soll, wenn man ihren Namen dreimal vor einem Spiegel ausspricht. In Frankreich gibt es den monsieur du grenier, le croque-mitaine und le Bonhomme sept-heures, in Spanien kennt man el Coco. Der schwarze Mann heißt in Ungarn mumus.
Literatur
- Richard Barber, Anne Riches: A dictionary of fabulous beasts. Boydell Press, Woodbridge 2001, ISBN 0-85115-685-1 (Nachdr. d. Ausg. London 1971).
- Alexander Eliot: Mythen van de mensheid. Kosmos, Amsterdam 1977, ISBN 90-215-0652-1.
- Theo Schildkamp:Das große Buch der Wunderwesen („Wonderwezens“). Stalling Verlag, Oldenburg 1981, ISBN 3-7979-1704-X.
Einzelnachweise
- ↑ Goth'sche Redensarten und Spruchweisheiten auf www.echt-gothsch.de
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