Satellitennavigationssystem

Satellitennavigationssystem

Ein Globales Navigationssatellitensystem (engl. Global Navigation Satellite System, GNSS) ist ein System zur Positionsbestimmung und Navigation auf der Erde und in der Luft durch den Empfang von Satellitensignalen und Signalen von Pseudoliten. Das US-amerikanische System hieß zunächst Navstar – Global Positioning System (GPS). Heute ist mit der eigentlich generischen Bezeichnung GPS weiterhin speziell dieses System gemeint. Die Sowjetunion baute 1982 ein ähnliches System auf, GLONASS (russ. ГЛОНАСС – Глобальная Навигационная Спутниковая Система, übersetzt Globales Navigations-Satelliten-System), das 2008 mit 18 Satelliten wieder voll in Betrieb sein wird und ab 2009 kommerziell genutzt werden soll. GNSS-Satelliten teilen über Funk ihre genaue Position und Uhrzeit mit. Zur Positionsbestimmung muss der Beobachter die Signale von mindestens vier unabhängigen Satelliten gleichzeitig empfangen. Werden im Empfangsgerät die vier Laufzeiten der Satellitensignale gemessen, so kann die aktuelle Position und Uhrzeit des Beobachters rechnerisch abgeleitet werden.

Bei einer Flughöhe von ca. 25.000 km genügt eine sogenannte Konstellation von 24 bis 30 Satelliten, damit der Beobachter fast immer Signale von mindestens vier Satelliten gleichzeitig empfangen kann.

Stationäre Empfangsstationen verbessern die Positionsgenauigkeit, indem sie Korrektursignale (DGPS) an die Nutzer übermitteln. Satellitengestützte Zusatzsysteme, engl. Satellite-Based Augmentation Systems (SBAS), sind das europäische EGNOS, das US-amerikanische WAAS, das japanische MSAS und das indische GAGAN, die die Korrektursignale über geostationäre Satelliten abstrahlen. Das chinesische System Compass befindet sich noch im Aufbau, das indische System IRNSS noch in Planung.

Inhaltsverzeichnis

Arbeitsweise

Bei der Standortbestimmung über Satelliten misst man de facto die Laufzeiten der Signale von mindestens vier Satelliten. Jede dieser (Pseudo-)Entfernungen definiert eine Kugeloberfläche um den zugehörigen Satelliten, auf der sich der Empfänger befindet. Zwei Kugeln schneiden sich in einem Kreis und drei Kugeln ergeben maximal zwei Punkte als Schnittmenge (wenn man vom geometrischen Fall eines gleichen Radius und Mittelpunkts absieht, was in diesem technischen Kontext nicht möglich ist). Einer davon befindet sich einige tausend Kilometer von der Erdoberfläche entfernt und kann somit verworfen werden; der andere stellt die gesuchte Position des Empfängers dar. Ein vierter Satellit wird benötigt, um die Abweichung zwischen den Uhren der GNSS-Satelliten und der des Empfängers zu ermitteln und aus den gemessenen Laufzeiten herauszurechnen, d. h. die Pseudoentfernungen in tatsächliche Entfernungen umzurechnen.

Einzelheiten der beim GPS verwendeten Technologie finden sich auch in GPS-Technologie; die anderen oben genannten Systeme unterscheiden sich in unterschiedlichem Ausmaß davon.

Messpraxis

Der Satellitenstandort ändert sich ständig und mit ihm die Entfernung des Satelliten zu einem bestimmten Punkt der Erde. Jedoch kann der Nutzer aus den in den Satellitensignalen enthaltenen Bahndaten (Ephemeriden) die Satellitenstandorte für jeden Zeitpunkt berechnen. Diese Bahndaten (bei GPS und Galileo Kepler-Elemente, bei GLONASS Koordinaten-Geschwindigkeits- und Beschleunigungsvektoren) werden von den Bodenstationen regelmäßig abgeglichen (bei GPS ca. alle 2 Stunden).

Die Entfernung vom Satelliten zum Beobachter erschließt sich aus der Signallaufzeit. Jeder Satellit strahlt fortwährend seinen individuellen Code und seine individuellen Bahndaten aus. Der Code wiederholt sich bei GPS und GLONASS jede Millisekunde. Der Empfänger erzeugt dieselben Satellitencodes und gleicht diese über eine entsprechende Zeitverschiebung an die empfangenen Satellitensignale an (PLL).

Die so gemessene Zeitverschiebung entspräche bei genau synchronisierten Uhren im Satelliten und Empfänger der Laufzeit der Satellitensignale. Die Multiplikation dieser Laufzeit mit der Signalgeschwindigkeit (annähernd Lichtgeschwindigkeit) ergibt die Strecke vom Satelliten zum Empfänger.

Für eine Streckengenauigkeit von 3 Metern müssen die Laufzeiten mit einer Genauigkeit von 10 Nanosekunden bestimmt werden. Anstatt den Empfänger aber mit einer entsprechend hochgenauen Atomuhr auszustatten, wird der Fehler der Empfängeruhr ermittelt und bei der Positionsberechnung berücksichtigt. Zur Bestimmung der vier Unbekannten (drei Raumkoordinaten und Empfängeruhrenfehler) benötigt man vier Satelliten. Dies führt zu vier Gleichungen mit vier Unbekannten.

Die ermittelten Koordinaten beziehen sich auf das Koordinatensystem des jeweiligen Navigationssystem; bei GPS beispielsweise auf WGS84. Auch die ermittelte Zeit ist durch das Navigationssystem definiert; so weicht z.B. die GPS-Zeit um einige Sekunden von der Universalzeit UTC ab, da Schaltsekunden bei der GPS-Systemzeit nicht berücksichtigt werden. Im Oktober 2008 betrug diese Abweichung 14 Sekunden.

Aus den Raumkoordinaten können die geographische Länge, geographische Breite und die Höhe über dem definierten Referenzellipsoid berechnet werden. Zu beachten ist jedoch, dass die verwendeten Koordinatensysteme von anderen gängigen Koordinatensystemen abweichen können, so dass die ermittelte Position von der Position in vielen, insbesondere älteren Landkarten bis zu einigen hundert Metern abweichen kann. Auch die per GNSS ermittelte Höhe und die Höhe „über dem Meeresspiegel“ können vom tatsächlichen Wert (Geoid) um etliche Meter abweichen.

Messfehler

Wie bei der Triangulation sollte das Volumen der Pyramide, die die Satelliten mit dem Beobachter an der Spitze aufspannen, möglichst groß sein; ansonsten verringert sich die erreichbare Positionsgenauigkeit (Dilution of Precision (DOP)). Befinden sich die Satelliten mit dem Empfänger in einer Ebene, das heißt vom Beobachter gesehen scheinbar auf einer Linie, ist keine Ortsbestimmung möglich. Eine solche Konstellation tritt jedoch praktisch nie auf.

Die Atmosphäre verändert die Signallaufzeit. Anders als bei der Troposphäre ist der Einfluss der Ionosphäre frequenzabhängig. Er lässt sich teilweise korrigieren, wenn der Empfänger Signale auswertet, die der Satellit auf unterschiedlichen Frequenzen sendet. Für die zur Zeit (2008) üblichen kommerziellen GPS-Empfänger steht nur ein Signal zur Verfügung.

Die Schwankungsbreite der Anzahl der freien Elektronen in der Ionosphäre verursacht einen Ortsfehler von bis zu 30m. Um ihn auf unter 10m zu reduzieren, übermitteln GPS-Satelliten 6 Parameter, die den aktuellen Ionosphärenzustand beschreiben. Kurzfristige Szintillationen lassen sich damit nicht korrigieren.

Folgende Messfehler beeinflussen somit die Positionsgenauigkeit:

Quelle Zeitfehler Ortsfehler
Satellitenposition 6–60 ns 1–10 m
Ionosphäre 0–180 ns 0–90 m
Troposphäre 0–60 ns 0–10 m
Mehrwege-Effekt 0–6 ns 0–1 m
Zeitdrift 0–9 ns 0–1,5 m

Die Genauigkeit nimmt zu, wenn mehr als 4 Satelliten empfangen werden können. Diese Messung wird dann überbestimmte Ortung genannt. Wenn die Messung nicht zeitkritisch ist, lassen sich die Fehler nachträglich durch Vergleich mit Referenzmessungen weiter verringern; durch die Verwendung von Differential-GPS (DGPS) kann dies auch in Echtzeit geschehen.

Wertet man außerdem noch die Phasen der Satellitensignale aus, lassen sich auch dynamisch relative Genauigkeiten von wenigen Zentimetern erreichen.

Bezeichnungen

Die militärischen Systeme NAVSTAR-GPS (kurz GPS) der USA und das russische GLONASS nennt man Systeme der ersten Generation. Nach der Aufrüstung mit neuen Satelliten steht das GPS der zweiten Generation voraussichtlich bis 2012 zur Verfügung. Es wird mit Galileo vergleichbar sein, das ebenfalls zur zweiten Generation zählen wird. Im ESA-Sprachgebrauch steht GNSS-1 für die ursprünglichen Systeme GPS und GLONASS, GNSS-2 für Galileo und Systeme der zweiten Generation.

Mit dem Begriff GPS III wird die komplette Überarbeitung aller Systembestandteile bezeichnet. Diese Neukonzeptionierung wird bis zum endgültigen Aufbau der zweiten Generation dauern und Qualitätsverbesserungen in vielen Bereichen zur Folge haben.

Weitere Anwendungen

GNSS-Satelliten senden nicht nur ein Radiosignal, sondern auch die exakte Position des Senders. Aus der Lokalisierung der Signalquelle und einem Vergleich mit der bekannten Position ergeben sich Hinweise auf die Beschaffenheit des Ausbreitungsmediums.

Mittels Radio-Okkultation lassen sich mit GPS-Signalen Beobachtungen der Atmosphäre durchführen und mit GNSS-R Beobachtungen zur Beschaffenheit von Wasseroberflächen.

Siehe auch

Weblinks


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