Schiffsgrab

Schiffsgrab
Grabhügel über dem Ladbyschiff
Das freigelegte Ladbyschiff

Als Schiffsgrab (gelegentlich auch mit Bootsgrab gleichgestellt) bezeichnet man eine wikingerzeitliche Bestattung in einem größeren Wasserfahrzeug innerhalb eines Hügelgrabs, wie sie aus Ostengland oder Teilen Skandinaviens bekannt sind.

In schriftlicher Überlieferung finden sich zahlreiche Hinweise auf Bestattungen in Booten und Schiffen mit unterschiedlichem Quellenwert, so in einem Reisebericht des Arabers Ahmad Ibn Fadlān aus den Jahren 971/972.[1]. Eine der bekanntesten Begebenheiten, die Ibn Fadlan darin beschreibt, ist das Begräbnis eines Schiffsführers der Rus, der mit seinem Schiff, einem großen Teil seiner Waren und einer rituell getöteten Sklavin verbrannt wird.

In Lied und Epos werden in den Isländersagas Bootsgräber beschrieben. So schildert das Begräbnis von Unnr, wie nach dem Totenmahl ihr Leichnam zu einem bereiteten Hügel gebracht und in ein Boot gelegt wurde.[2] Eine besondere Form der Schiffsbestattung in Form einer Schiffsaussetzung findet sich im Beowulfepos (Beowulf 26-52) bei Scyld, welcher, mit Schätzen ausgestattet, der See übergeben wird.[3]

Inhaltsverzeichnis

Abgrenzung

Bei den Schiffssetzungen handelt es sich im um bootförmige Steinsetzungen, die Brand- oder Urnengräber markieren. Ein kultureller Unterschied besteht auch zu den Bootsgräbern der Vendelzeit sowie dem von Sutton Hoo und späteren Bootsgräbern.

Sutton Hoo

Einer der bekanntesten Fundorte für ein Schiffsgrab ist Sutton Hoo in Suffolk, England, wo sich ein Gräberfeld mit insgesamt 19 Grabhügeln befindet. Hier wurde 1939 in dem größten Hügel ein 27 m langes Schiff mit 38 Rudern ausgegraben, ein Langschiff bzw. Vorläufer eines Wikingerschiffs[4]. In der Mitte befand sich eine Grabkammer, in der eine Bestattung nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, die aber mit zahlreichen Grabbeigaben bestückt war. So fanden sich dort unter anderem eine goldene Gürtelschnalle, ein mit Gold und Granaten verziertes Schwert, eine ebenso verzierte Tasche sowie Schwertgehänge, 10 Silberschalen, ein vergoldeter Bronzehelm, eine Silberplatte byzantinistischen Ursprungs sowie ein Paar Silberlöffel. Sutton Hoo ist der reichste Grabfund, der in England gemacht wurde. Die Bestattung datiert nach den im Grab gefundenen Goldmünzen auf etwa 625 n. Chr.; möglicherweise stellt es das Grab des Königs Raedwald von East Anglia dar. Es ist also vorwikingerzeitlich und daher wie das Bootsgrab von Snape gesondert zu betrachten.

Eine zweite Bootsbestattung befand sich in Grabhügel 2, dieser war jedoch frühzeitig von Raubgrabungen betroffen, die wenigen Überreste deuten an, dass sie ungefähr zeitgleich mit Grab 1 zu datieren ist.[5]

Schiffsgräber der Skandinavier

Die häufigsten archäologische Funde von Schiffsgräbern in Nordeuropa stammen aus der Wikingerzeit. Diente das Nydam-Schiff um 300 v. Chr., ohne den Hintergrund einer Bestattung, noch als Siegesopfer für die erfolgreiche Abwehr einer Invasion, sind aus der Zeit zwischen 800 und 1050 eine Reihe von Schiffsbegräbnisse von Skandinaviern überliefert. Die Schiffe wurden nicht eigens für die Bestattung gebaut, sondern waren zuvor als Handels- und Kriegsschiffe im Alltagsgebrauch. Als Grabbeigaben wurden unter anderem Pferde und Reitgeschirr, Hunde, Waffen, Schmuck und Tafelgeschirr gefunden, die neben dem schon für die Grabstätte betriebenen Aufwand Rückschlüsse auf einen hohen sozialen Status des Bestatteten zulassen.

In dem Schiffsgrab, in dem das Oseberg-Schiff gefunden wurde, waren die Skelette der Nebenfrauen in der Grabkammer erhalten, das der Königin aber verstreut. Außerdem war ein zertrümmertes Bett zu finden. Das gleiche fand man im Hügelgrab, in dem das Gokstad-Schiff gefunden wurde. Man deutet diesen Befund so, dass der Tote dort keine Wohnstatt haben sollte. Es ging um die totale Vernichtung des Toten.[6] Der Tote war ein haugbonde, ein „Hügelgrabbewohner“. Der Glaube, dass die Toten im Grabhügel wohnten, hielt sich bis in die Neuzeit.

Viele der zwischenzeitlich ergrabenen Schiffsbestattungen weisen Zerstörungen auf, die nicht nur auf antiken Grabraub, sondern auch auf Umbettungen in christliche Gräber (translatio) zurückgeführt werden.

Funde und Fundstätten sind unter anderem

Der Schiffsfriedhof von Skuldelev aus dem frühen 11. Jahrhundert diente hingegen nicht als Grabstätte, sondern zur Barriere vor dem Hafen von Roskilde.

Einzelnachweise

  1. Beck, S 281
  2. Beck, S. 283
  3. Beck, S. 284
  4. Kuhl: Entwicklungsgeschichte des Wikingerschiffs, (Abgerufen am 12. August 2007)
  5. Müller-Wille, S. 272
  6. Brøgger S. 94.

Literatur

  • H. Beck. Bootgrab. II Schriftliche Überlieferung. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 3, 1978, S. 281-286
  • A.W. Brøgger und Haakon Shetelig: Vikingeskipene. Deres forgjengere og etterfølgere. (Wikingerschiffe. Deren Vorläufer und Nachfolger). Oslo 1950.
  • T. Cappele. Schiffsbestattungen und Schiffsgräber. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 27, 2004, S. 50-52
  • M. Müller-Wille. Bootgrab. I Archäologie. Reallexikon der Germanischen Altertumskunde, Bd 3, 1978, S. 249-281

Weblinks


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