- Schlupf
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Schlupf (von „schlüpfen”) bezeichnet im Allgemeinen das Abweichen der Geschwindigkeiten miteinander in Reibkontakt stehender mechanischer Elemente oder Fluide unter tangentialer Belastung. Ohne Formschluss ist Schlupf die Voraussetzung für Energieübertrag. Auch umgekehrt gilt: Ohne Energieübertrag kein Schlupf.
Inhaltsverzeichnis
Riemenantriebe
Zwei durch einen Treibriemen (Rundriemen oder Flachriemen) verbundene Riemenscheiben sollen sich mit gleicher Umfangsgeschwindigkeit, nämlich der Geschwindigkeit des Riemens, drehen. Falls jedoch Kraft übertragen wird, ist der Teil des Riemens, der hin zur antreibenden Scheibe läuft, gegenüber dem mit geringerer Zugkraft zurücklaufenden Teil (Leertrum) gedehnt und läuft deshalb mit größerer Geschwindigkeit. Diese beiden Geschwindigkeiten sind etwa die Umfangsgeschwindigkeiten der Scheiben. Dieser sogenannte Dehnschlupf ist proportional zur Dehnung und damit nahezu proportional zur übertragenen Kraft.
Die Änderung der Dehnung geschieht unter Gleitreibung auf den Riemenscheiben jeweils beim Ablauf des Riemens und in einem Bereich davor, dessen Ausmaß von der Riemenspannung abhängt.
Zusätzlich zum Dehnschlupf kann beim Riementrieb noch Gleitschlupf auftreten, vorwiegend kurzzeitig beim Anlaufen, aber bei Überlastung auch über die ganze Auflagefläche. Dann verschleißt der Riemen schnell. Das Durchrutschen kann beim An- oder Abtriebsrad eintreten – typischerweise beim Rad mit der geringeren Umschlingung. Im Extremfall bleibt der Abtrieb stehen.
Der Gleitschlupf lässt sich konstruktiv durch Vergrößern des Umschlingungswinkels, durch Verwendung von Keil(rippen)riemen und durch Verwendung eines Riemenwerkstoffs mit größerer Reibzahl verringern. Außerdem ist bei Riementrieben meist eine Spannvorrichtung vorhanden, die das Auftreten von Gleiten hinausschiebt. Meist muss ein Riementrieb schlicht nur gespannt werden, um von Gleitschlupf zu Dehnschlupf zurück zukehren. Das Nachspannen ist dann erforderlich, wenn sich das Gleitschlupfen durch Riemenquietschen zeigt.
Um Schlupf ganz zu vermeiden, werden Zahnriemen oder Ketten eingesetzt. Die grundsätzlich andere Alternative sind Zahnradgetriebe und (für die Funktion der räumlichen Leistungsübertragung) sich drehende Wellen.
Scheibenantriebe
Typischer Scheibenantrieb ist die klassische Kupplung beim Automobil. Dort wird durch Flächenpressung zweier Scheiben gegeneinander die Haftreibung erreicht. Beim Treten des Kupplungspedals wird die Pressung eines der Reibräder reduziert, bis zunächst Gleitreibung eintritt und dann die Reibscheiben getrennt werden. Ist der Reibbelag der Kupplung abgenutzt, reicht die Flächenpressung nicht mehr aus und es tritt bei hohen Drehmomenten Gleitreibung ein. Dann wird durch hohe Wärmeverluste der Rest des Reibbelages thermisch zerstört und es kann sogar zum Brand kommen.
Um die Kraft für die sichere Flächenpressung zu senken, werden die Reibflächen mit federnden Lamellen ausgerüstet, die geringe Unebenheiten ausgleichen.
Hydraulische Kupplung
Auch in hydraulischen Kupplungen tritt Schlupf auf. Durch die Viskosität der Kupplungsflüssigkeit wird die Kraftübertragung erreicht. Fällt durch Erhitzen infolge Überlastung die Viskosität stark ab, geht ebenfalls der viskose Schlupf in einen technisch nicht mehr nutzbaren Restschlupf über. Ein nichtlinearer sprunghafter Übergang von ordnungsgemäßer Funktion zu fehlerhafter Funktion tritt nicht durch Übergang von Haftreibung zu Gleitreibung ein, sondern durch Überschreiten einer Grenztemperatur oder nach Alterung der Kupplungsflüssigkeit.
Drehstrom-Asynchronmaschine
Der Schlupf ist die Drehzahl-Differenz zwischen Ständerdrehfeld (Stator) und Läufer (Rotor), meist angegeben als Prozentwert bezogen auf die Drehfelddrehzahl.
Würde sich der Läufer mit der gleichen Drehzahl wie das Ständerdrehfeld drehen, so wäre keine magnetische Flussänderung im Läufer mehr möglich, und der Läufer würde aufgrund des fehlenden Drehmoments stehen bleiben. Die Läuferdrehzahl ist deshalb im Motorischen Betrieb immer kleiner als die Drehfelddrehzahl. Beispiel: Bei einer Drehstrom-Asynchronmaschine mit einer Stator-Spule für jede der drei Phasen rotiert das magnetische Drehfeld bei einer Netzfrequenz von 50 Hz mit 3000 Umdrehungen pro Minute. Laut Typenschild beträgt die Drehzahl des Ankers aber nur 2700/min. Der Schlupf von 300/min ist lastabhängig und verläuft nahezu proportional zum Läuferwirkungsgrad, was auch anhand der empirischen Gleichung
- s = 1 − η
zu sehen ist. Er liegt bei Motornennleistung, je nach Motorgröße zwischen 1,2 % und 10 % der Drehfelddrehzahl. Kleinere Drehstrommotoren haben schlechtere Wirkungsgrade und demzufolge auch die größeren Schlupfwerte:
mit nD = Drehfelddrehzahl und n2 = Läuferdrehzahl
Propeller
Fachsprachlich „Slip” genannt, ist der Schlupf eines Schiffspropellers die Differenz zwischen theoretisch zurückgelegtem Weg und wirklich zurückgelegtem Weg, relativ zum theoretisch zurückgelegtem Weg.
Der technische Wert eines Propellers wird in Steigung festgelegt. Ein Propeller mit einer Steigung von z. B. 4,80 m und 120 Umdrehungen pro Minute, legt in einer Stunde theoretisch einen Weg von:
- In Seemeilen:
- In 24 Stunden: ca.
Etwa 447,9 sm legt der Propeller also theoretisch in 24 Stunden zurück. Dieser Wert ist meistens höher, als der wirklich zurückgelegte Weg, der von der nautischen Schiffsführung errechnet wurde. Daraus ergibt sich dann ein positiver Wert des „Slip”. Ist im Gegensatz dazu der wirklich zurückgelegte Weg höher, ergibt sich ein negativer Wert des „Slip”. Letzterer Fall im Beispiel: Ist der nautisch errechnete „wahre” zurückgelegte Weg z. B. 470 sm, ergibt sich daraus ein Slip von:
Dieser Wert sagt viel aus über die Wasserströmung und Windverhältnisse.
Da die Drehzahl eines Schiffsmotors auf See niemals gleichmäßig bleibt, wird täglich um 12:00 Uhr der Hubzähler (Umdrehungszähler) in das Maschinentagebuch eingetragen. Daraus kann man leicht die Gesamtdrehzahl der letzten 24 Stunden zu errechnen. Wenn man bei den beispielhaften Werten bleiben, ergäbe sich in 24 Stunden eine Gesamtzahl von 172.800 Umdrehungen.
Diese Gesamtdrehzahl, mit der Steigung multipliziert und durch 1852 m/sm geteilt, ergäbe eine Wegstrecke von wiederum ca. 447,9 Seemeilen.
Zu einem negativen Slip kann es bei starkem Wind von Achtern und starker Strömung kommen.
Rad
Der Schlupf ist das Verhältnis der Drehzahl eines angetriebenen Rades ω zu der eines (hypothetischen) nicht angetriebenen und daher formschlüssig mitlaufenden Rades ω0:
Sobald Antriebs- oder Bremskräfte auf das Rad übertragen werden, stellt sich ein geringer, von 0 verschiedener Schlupfwert ein. Dieser hängt von der Geschwindigkeit und den übertragenen Kräften ab. Wird das Rad so stark beschleunigt oder gebremst, dass die maximale Haftreibungskraft überschritten wird, wächst der Schlupf, bis es zu einem unkontrollierten Durchdrehen (Schleudern) bzw. Rutschen/Blockieren (Gleiten) der Rädern kommen kann (eisenbahnfachsprachliche Bezeichnungen in Klammern). Der Schlupfwert S ist dann 0 bzw. 0; ob Antriebs- oder Bremsschlupf vorliegt, ist nach dieser Definition am Vorzeichen des Schlupfes zu erkennen.
Überträgt ein Rad zusätzlich Seitenführungskräfte, so führt eine resultierende Gesamtkraft in Höhe der max. Haftreibungskraft zu einem entsprechend hohen Schlupf in Richtung der Gesamtkraft, was eine reduzierte Seitenführung bewirkt (siehe auch Kammscher Kreis): Ein frontgetriebener Kraftwagen neigt daher beim Beschleunigen in Kurven zum Untersteuern, ein heckgetriebener zum Übersteuern. Bei Eisenbahnfahrzeugen kommt es in einer solchen Situation zu einer seitwärtigen Verschiebung des Radsatz und ggf. zu einem Anlaufen der Spurkränze an den kurvenäußeren Schienenkopf.
Darüber hinaus existiert eine veraltete und aus physikalischer Sicht weniger konsequente Definition, die sich für die Zustände „Antreiben” und „Bremsen” unterscheidet:
Treib- bzw. Antriebsschlupf: und Bremsschlupf:
Verwendet man diese Definition, so ergeben sich für die Zustände Antreiben und Bremsen unterschiedliche Schlupfsteifigkeiten, welche aber Vorteile beim Rechnen mit dem Schlupf haben: Zum einen wird er dadurch immer positiv und zum anderen werden Singularitäten in der Lösung vermieden, die bei der Division durch Null entstehen. So würde die Treibschlupfdefinition, angewendet auf ein blockierendes Rad, beim Bremsvorgang keine sinnvolle Lösung bringen.
Der Mechanismus der Kraftentstehung kann mit dem Bürstenmodell [1] erklärt werden. Zwischen Karkasse und Straße befindet sich der elastische Laufstreifen, dessen Profilteilchen eine Verspannung erfahren. Die Profilteilchen laufen unverspannt in den Latsch ein und werden zunehmend durch den Geschwindigkeitsunterschied zwischen Karkasse und Straße verformt.
Schrauben
Bei Schraubenverbindungen handelt es sich beim sogenannten „Schlupf” oder auch „Lochspiel”, um den Abstand, den es zu überwinden gilt, um Kräfte zwischen Schraubenschaft und Bohrlochwandung überhaupt übertragen zu können; der Schaftdurchmesser der Schraube (bei St-Schrauben) und der Bohrlochdurchmesser sind nicht gleich groß.
Siehe auch
Literatur
- Günter Springer: Fachkunde Elektrotechnik. 18. Auflage, Verlag – Europa-Lehrmittel, 1989, ISBN 3-8085-3018-9.
- Karl-Heinz Dietsche, Thomas Jäger: Kraftfahrtechnisches Taschenbuch. 25. Auflage, Friedr. Vieweg & Sohn Verlag, Wiesbaden, 2003, ISBN 3-528-23876-3.
- H. Yamazaki, M. Nagai, T. Kamada: A study of adhesion force model for wheel slip prevention control. In: JSME International Journal Series C. 47, Nr. 2, 2004, S. 496–501, doi:10.1299/jsmec.47.496 (Modell und Experiment zum Rad–Schiene-Kontakt).
Weblinks
Wiktionary: Schlupf – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, ÜbersetzungenEinzelnachweise
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