Schneider Wibbel

Schneider Wibbel

Schneider Wibbel ist der Titel eines Theaterstückes von Hans Müller-Schlösser, das am 14. Juli 1913 am Düsseldorfer Schauspielhaus uraufgeführt wurde.

Schneider-Wibbel-Spieluhr in Düsseldorf (Schneider-Wibbel-Gasse)
Schneider-Wibbel-Statue

Inhaltsverzeichnis

Handlung

Die Geschichte geht nach Angaben des Autors zurück auf eine wahre Begebenheit in Berlin zur Zeit des Königs Friedrich Wilhelm IV. Ein Bäckermeister war nach einer Messerstecherei im Rausch zu einer mehrwöchigen Gefängnisstrafe verurteilt worden. Er überredete seinen Gesellen, statt seiner die Strafe abzusitzen. Dieser starb jedoch im Gefängnis, so dass nun der Meister als tot galt. Als dies schließlich bekannt wurde, erfuhr auch der König davon und begnadigte den Bäcker.

Müller-Schlösser verlegte den Ort der Handlung in seine Heimatstadt Düsseldorf zur Zeit der französischen Besatzung Anfang des neunzehnten Jahrhunderts und machte aus dem Bäcker einen Schneider. Inspiriert war er dabei vermutlich von der Figur des Schneiders Kilian aus dem Buch Der Grand von Heinrich Heine. Das Vergehen, für das sich der Schneider Wibbel zu verantworten hat, ist nun die Beleidigung des Kaisers Napoleon. Auch hier stirbt der Geselle, während er für seinen Meister die Haftstrafe absitzt. Als der Schneidermeister Wibbel vom Fenster aus seiner eigenen Beerdigung zuschaut, fällt der oft zitierte Satz: „Nä, watt bin ich für 'ne schöne Leich“. Der amtlich als tot geltende Schneider kehrt als sein Zwillingsbruder zurück.

Rezeptionsgeschichte

1926 erschien eine Fortsetzung der Geschichte unter dem Titel Wibbels Auferstehung.

An der Bühne des Düsseldorfer Schauspielhauses wurde der Schneider Wibbel über tausendmal von Paul Henckels gespielt. Außerdem wurde das Stück an vielen anderen deutschen Bühnen aufgeführt. Günter Grass setzte dem Düsseldorfer Schauspieler Karl Brückel für seine Meisterrolle als Schneider Wibbel, in seinem Roman Hundejahre ein literarisches Denkmal.

Der Komponist Mark Lothar schrieb – basierend auf dem Drama – eine Oper, die 1938 an der Staatsoper Unter den Linden in Berlin uraufgeführt wurde.

Verfilmungen

Siebenmal wurde die Geschichte verfilmt, darunter

  • 1931 unter der Regie Paul Henckels', der auch die Titelrolle spielte,
  • 1939 unter der Regie von Viktor de Kowa mit Erich Ponto in der Titelrolle,
  • 1956 mit Heinz Rühmann, wobei die Geschichte in das Nachkriegsdeutschland verlegt wurde und das Verbrechen im unbefugten Tragen einer Besatzungsuniform bestand,
  • 1961 für das Fernsehen mit Willy Millowitsch.

In der Verfilmung mit Heinz Rühmann, die auch unter dem Namen „Das Sonntagskind“ in die Geschichte einging, wurde die Handlung der Geschichte des „Schneider Wibbel“ in das Nachkriegsdeutschland in der englischen Besatzungszone verschoben. In der Zeit um die Währungsreform geschieht hier der Gefängnisaufenthalt in Folge des Tragens einer englischen Armeeuniform bei der Altweiberfastnacht. Ein englisches Militärgericht verurteilt hier den Schneider Wibbel zur Haft. In der Haft stirbt sein Geselle Mattes. Er tritt als sein eigener Zwillingsbruder Jimmie Wibbel auf. Interessant ist der Titel „Das Sonntagskind“, da dieser hier die Bedeutungswandlung des Begriffs in der Geschichte auch wiedergibt.

Hörspiele

Nach 1945 wurden auch fünf Hörspiele produziert:

  • 1947 vom RIAS Berlin, mit Paul Henckels und Thea Grodtczinsky – Regie: Hanns Korngiebel
  • 1948 vom NWDR Köln, mit Erich Ponto und Lucy Millowitsch – Regie: Wilhelm Semmelroth
  • 1950 vom SWF, mit Paul Henckels und Thea Grodtczinsky – Regie: Karlheinz Schilling,
  • 1962 vom WDR, mit Erich Ponto und Lucy Millowitsch – Regie: Wilhelm Semmelroth
  • 1967 vom WDR; mit Josef Meinertzhagen und Elsa Faurel

Popularität

Die Popularität des Schneider Wibbel reicht über Düsseldorf hinaus. Die Stadt hat dem Autor und seiner Figur im Herzen der Altstadt eine kleine Gasse gewidmet. In der Schneider-Wibbel-Gasse befindet sich außer einer Spieluhr auch eine kleine, etwas abgegriffene Statue des Schneiders. Ihr wird nachgesagt, sie zu berühren bringe Glück.

Im August 2010 sorgte Schneider Wibbel erneut kurzfristig für Aufregung, als in der nach ihm benannten Gasse der unter der Spieluhr befindliche Schriftzug Schneider Wibbel entfernt und durch den Firmennamen eines dort neu eingezogenen Lokals ersetzt wurde.[1] Obwohl es sich bei dem Schriftzug nicht um ein Kulturdenkmal handelte, sondern um das Werbeschild einer Gaststätte dieses Namens, die sich über Jahrzehnte an dieser Stelle befand, sorgte der plötzliche Wechsel für viel Unmut.[2]

Mitarbeiter der Rheinischen Bühne Düsseldorf fanden den Schriftzug am Schrottcontainer eines Werbemittelherstellers in Solingen. Nachdem das Schild bei der Theater-Neuaufführung des Schneider-Wibbel-Stückes als Dekoration verwendet worden war, hat es der von der Aufregung überraschte Besitzer des Lokals wieder unter der Spieluhr anbringen lassen.[3][2][4][5]

Belege

  1. Schriftzug Schneider Wibbel aus Gasse verschwunden | RP Online
  2. a b Vermeintliches Kulturgut ist eine Reklametafel: Rätsel um Schneider Wibbel Schriftzug gelöst | RP ONLINE
  3. Über Hans Müller-Schlösser
  4. Nach Theaterstück: Schneider-Wibbel-Schild wird wieder aufgehängt | RP ONLINE
  5. Happy End in der Altstadt: Schneider-Wibbel-Schild hängt wieder | RP ONLINE

Weblinks


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