Schroedingers Katze

Schroedingers Katze
Erwin Schrödinger

Bei Schrödingers Katze handelt es sich um ein Gedankenexperiment, das der österreichische Physiker Erwin Schrödinger (18871961) 1935 vorgeschlagen hat.[1] Es sollte die Unvollständigkeit der Quantenmechanik demonstrieren, indem quantenmechanische Gesetzmäßigkeiten von atomaren Objekten auf makroskopischer Ebene veranschaulicht werden. Ein reales Experiment, das auf demselben Phänomen beruht, ist die quantenhafte Schwebung. Wigners Freund stellt eine Erweiterung des Gedankenexperiments dar, der so genannte Quantenselbstmord zieht andere Schlüsse aus einem vergleichbaren Experiment.

Inhaltsverzeichnis

Hintergrund

Die Quantenmechanik beschreibt ein physikalisches System mittels der Wellenfunktion. Diese Wellenfunktion beschreibt den Zustand des Systems. Bei einer quantenmechanischen Messung nimmt das System einen der Eigenzustände des Messoperators an, im Allgemeinen kann sich der Zustand bei der Messung also ändern. Erst im Augenblick der Messung entscheidet sich, welchen der Eigenzustände das System annimmt. Den Zustand vor der Messung kann man als Überlagerung (Superposition) aller Eigenzustände auffassen.

Angeregt durch die kurz zuvor erschienene Arbeit von Albert Einstein, Boris Podolsky und Nathan Rosen (EPR) zu den Grundlagen der Quantenmechanik (Einstein-Podolsky-Rosen-Paradoxon), prägte Schrödinger in seiner Abhandlung in den „Naturwissenschaften“ (1935) den Begriff der Verschränkung. Das Beispiel der Katze sollte zeigen, wie eine mikroskopische quantenmechanische Superposition auf ein makroskopisches Objekt prinzipiell übertragen werden kann, indem die Zustände der beiden Objekte miteinander verschränkt werden. Obgleich Schrödinger an diesem absurd wirkenden Beispiel eigentlich die Unvollständigkeit der Quantenmechanik demonstrieren wollte, führte die durch EPR und Schrödinger angestoßene Arbeit schließlich zu den Bellschen Ungleichungen. Diese weisen nach, dass potenzielle alternative Interpretationen der Quantenmechanik, die eher im Sinne von Einstein, Podolsky, Rosen und Schrödinger gewesen wären, nicht mit den experimentellen Konsequenzen der Quantenmechanik vereinbar sind.

Das Gedankenexperiment

Versuchsanordnung. Die Übertragung der Quantenmechanischen Wellenfunktion führt bis zum Öffnen des Kastens zu einer gleichermaßen toten wie lebendigen Katze.

Das Gedankenexperiment besagt: In einem geschlossenen Raum befindet sich ein instabiler Atomkern, der innerhalb einer bestimmten Zeitspanne mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit zerfällt. Der Zerfall des Atomkerns werde von einem Geigerzähler detektiert. Im Falle einer Detektierung werde Giftgas freigesetzt, was eine im Raum befindliche Katze tötet.

Gemäß der Quantenmechanik befindet sich der Atomkern nach Ablauf der Zeitspanne im Zustand der Überlagerung (noch nicht zerfallen und zerfallen). Demnach sollte sich, wenn die Quantenphysik auch auf makroskopische Systeme anwendbar wäre, auch die Katze im Zustand der Überlagerung, also lebendig und tot, befinden. Diese Schlussfolgerung erscheint zunächst paradox und wird in der „Kopenhagener Deutung“ wie folgt interpretiert: Beim Öffnen des Raumes und Beobachtung (Messung) springt der Atomkern, der sich zuvor im Zustand der Überlagerung befand, in einen der möglichen Zustände. Grund dafür ist, dass die Wellenfunktion, die den Überlagerungszustand des Teilchens bestimmt hat, im Moment der Beobachtung kollabiert. Erst bei der Messung durch einen bewussten Beobachter entscheidet sich also, ob die Katze tot oder lebendig ist. Vor der Messung kann keine Aussage über den Zustand der Katze getroffen werden. Vertreter der Ensembletheorie würden sich auf eine Gesamtheit von Systemen beziehen (also mehrere Kästen mit Katzen): Nach einem bestimmten Zeitintervall sind dann die Hälfte aller Katzen tot und die andere Hälfte lebendig. Hier greift das empirische Gesetz der großen Zahlen, d. h. je öfter man dieses Experiment durchführt, desto sicherer ist es, dass die relative Häufigkeit sich der theoretischen Wahrscheinlichkeit annähert.

Als Alternative zur Kopenhagener Interpretation wurde die Theorie der Dekohärenz entwickelt. Danach verschwinden die Überlagerungen des Zustandes von makroskopischen Objekten (wie Katzen) in dem Augenblick, in dem Wechselwirkungen mit der Umgebung im Bereich eines Wirkungsquantums auftreten. Die Wellenfunktion kollabiert demnach nicht erst durch die Beobachtung (wie in der Kopenhagener Deutung), sondern bereits durch die Wechselwirkungen des Systems mit der Umwelt. Das Einsperren in eine Kiste zur Vermeidung dieser Wechselwirkung (Messung) ist völlig unzureichend. Allein das Verlagern des Schwerpunkts der Katze stellt eine Wechselwirkung mit der Umgebung dar, die um einen Faktor > 1025 zu groß ist, um die Wellenfunktion nicht kollabieren zu lassen. Mit der Dekohärenztheorie lässt sich Schrödingers Experiment physikalisch korrekt und im Rahmen der gewohnten Beobachtungsweisen (Katzen befinden sich normalerweise nie in einer kohärenten Überlagerung von Tot- und Lebendigsein) beschreiben. Eine reale Katze lebt in der Regel in einer Umwelt, die beispielsweise das Gasgemisch der Atemluft umfasst. Diese Teile der physikalischen Welt bilden eine komplexe Umgebung, deren Eigenschaften nicht mehr detailliert (mikroskopisch) beschrieben werden können, sondern allenfalls über makroskopische Eigenschaften wie etwa die Temperatur. In solchen Umgebungen sind kohärente Überlagerungen von „großen“ Objekten wie Katzen praktisch nicht mehr beobachtbar: Nur in extrem isolierten Systemen, vor allem solchen mit sehr wenigen Teilchen, können derartige Quanteneffekte mit größeren Objekten (zum Beispiel ganzen Molekülen) direkt beobachtet werden.

Zitate

„Man kann auch ganz burleske Fälle konstruieren. Eine Katze wird in eine Stahlkammer gesperrt, zusammen mit folgender Höllenmaschine (die man gegen den direkten Zugriff der Katze sichern muß): in einem Geigerschen Zählrohr befindet sich eine winzige Menge radioaktiver Substanz, so wenig, daß im Laufe einer Stunde vielleicht eines von den Atomen zerfällt, ebenso wahrscheinlich aber auch keines; geschieht es, so spricht das Zählrohr an und betätigt über ein Relais ein Hämmerchen, das ein Kölbchen mit Blausäure zertrümmert. Hat man dieses ganze System eine Stunde lang sich selbst überlassen, so wird man sich sagen, daß die Katze noch lebt, wenn inzwischen kein Atom zerfallen ist. Der erste Atomzerfall würde sie vergiftet haben. Die Psi-Funktion des ganzen Systems würde das so zum Ausdruck bringen, daß in ihr die lebende und die tote Katze (s. v. v.) zu gleichen Teilen gemischt oder verschmiert sind. Das Typische an solchen Fällen ist, daß eine ursprünglich auf den Atombereich beschränkte Unbestimmtheit sich in grobsinnliche Unbestimmtheit umsetzt, die sich dann durch direkte Beobachtung entscheiden läßt. Das hindert uns, in so naiver Weise ein „verwaschenes Modell“ als Abbild der Wirklichkeit gelten zu lassen…“

Erwin Schrödinger: „Naturwissenschaften“, 48, 807; 49, 823; 50, 844, November 1935. (s. v. v. steht für lateinisch sit venia verbo, etwa: „entschuldigen Sie den Ausdruck“

„Wenn eine Quantenberechnung zeigt, dass eine Katze, die in einem geschlossenen Kasten sitzt, eine 50-prozentige Chance hat, tot zu sein, und eine 50-prozentige Chance, am Leben zu sein – weil es eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit gibt, dass ein Elektron einen Mechanismus auslöst, der die Katze dem Einfluss von Giftgas aussetzt, und eine 50-prozentige Wahrscheinlichkeit, dass das Elektron den Auslösemechanismus verfehlt –, lässt die Dekohärenz darauf schließen, dass sich die Katze nicht in irgendeinem absurden Mischzustand zwischen Tod und Leben befinden wird.“

Brian Greene: „Der Stoff, aus dem der Kosmos ist“, ISBN 3-88680-738-X, S. 247

„Wenn ich jemanden von Schrödingers Katze sprechen höre, greife ich nach meinem Gewehr“

Stephen Hawking[2]

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Erstmals dargestellt in: "Die gegenwärtige Situation in der Quantenmechanik“, Naturwissenschaften (Organ der Gesellschaft Deutscher Naturforscher und Ärzte - Berlin, Springer) - Bd.23, 1935 doi:10.1007/BF01491891 (Teil 1),doi:10.1007/BF01491914 (Teil 2), doi:10.1007/BF01491987 (Teil 3)
  2. Zitiert bei Murray Gell-Mann: Das Quark und der Jaguar. Aus dem Englischen übersetzt von Inge Leipold und Thorsten Schmidt, München 1994, Seite 229 (in Anspielung auf ein Zitat von Hanns Johst)
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