Quantenmechanik

Quantenmechanik
Die Quantenmechanik sichtbar gemacht: Rastertunnelmikroskopaufnahme von Kobaltatomen auf einer Kupferoberfläche. Das Messverfahren nutzt Effekte, die erst durch die Quantenmechanik erklärt werden können. Auch die Interpretation der beobachteten Strukturen beruht auf Konzepten der Quantenmechanik.

Die Quantenmechanik ist eine physikalische Theorie, welche Vorgänge im atomaren und subatomaren Bereich beschreibt. Ihre grundlegenden Konzepte wurden im Zeitraum von 1925 bis 1935 von Werner Heisenberg, Erwin Schrödinger, Max Born, Pascual Jordan, Wolfgang Pauli, Niels Bohr, Paul Dirac, John von Neumann, Friedrich Hund und weiteren Physikern erarbeitet.

Die Quantenmechanik ist eine der Hauptsäulen der modernen Physik und bildet die Grundlage für viele ihrer Teilgebiete, so zum Beispiel für die Atomphysik, die Festkörperphysik und die Kern- und Elementarteilchenphysik, aber auch für verwandte Wissenschaften wie die Quantenchemie. Während sich die klassische Physik als ungeeignet zur Beschreibung der Eigenschaften sehr kleiner Systeme erwiesen hat, erlaubt die Quantenmechanik die sehr präzise Berechnung der physikalischen Eigenschaften von Atomen, Molekülen, Festkörpern und einfachen biologischen Systemen.[1] Die bei diesen Anwendungen erzielbare Genauigkeit ist nicht durch prinzipielle Einschränkungen, sondern nur durch die zu den erforderlichen Berechnungen verfügbare Rechnerleistung begrenzt.

Die Quantenmechanik unterscheidet sich nicht nur in ihrer mathematischen Struktur grundlegend von der klassischen Physik. Sie scheint auch einigen Prinzipien zu widersprechen, die in der klassischen Physik als fundamental und selbstverständlich angesehen werden. Zur Deutung der Theorie wurde eine Reihe verschiedener Interpretationen entwickelt.

Dieser Artikel verzichtet weitgehend auf Formeln. Genauere Informationen zum mathematischen Formalismus finden sich im Artikel Mathematische Struktur der Quantenmechanik.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Werner Heisenberg, Nobelpreis 1932 „für die Begründung der Quantenmechanik“.
Erwin Schrödinger, Nobelpreis 1933 „für die Entdeckung neuer produktiver Formen der Atomtheorie“.
Hauptartikel: Quantenphysik

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts begann die Entwicklung der Quantenphysik zunächst mit den sogenannten alten Quantentheorien.[2] Diese erklärten allerdings immer nur einzelne Phänomene, konnten jedoch keinen Zusammenhang zwischen verschiedenen Experimenten herstellen. Sie beschrieben Phänomene in mikroskopischen Größenordnungen, bei denen bestimmte Größen wie Energie oder Drehimpuls nur bestimmte Werte annehmen konnten. Diese Beobachtung wurde als „Quantisierung“ der Größenwerte bezeichnet. Außerdem ließ sich das Verhalten einzelner Teilchen nicht eindeutig festlegen, sondern es konnten nur Wahrscheinlichkeiten für das Auftreten bestimmter Messwerte angegeben werden. Diese beiden Eigenschaften waren zentral bei der Entwicklung der Quantenmechanik.

Im Jahr 1924 veröffentlichte Louis de Broglie seine Theorie der Materiewellen, wonach jegliche Materie einen Wellencharakter aufweisen kann, und umgekehrt Wellen auch einen Teilchencharakter aufweisen können.[3] Diese Arbeit führte die Quantenphänomene auf eine gemeinsame Erklärung zurück, die jedoch wieder heuristischer Natur war und keine genauen Vorhersagen ermöglichte. Daher wird sie als letzte den alten Quantentheorien zugeordnet, war jedoch richtungsweisend für die Entwicklung der Quantenmechanik. De Broglies Theorie wurde drei Jahre später in zwei unabhängigen Experimenten bestätigt, welche die Beugung von Elektronen nachwiesen. Der britische Physiker George Paget Thomson leitete einen Elektronenstrahl durch einen dünnen Metallfilm und beobachtete die von de Broglie vorhergesagten Interferenzmuster.[4] In einem ähnlichen, bereits 1919 in den Bell Labs durchgeführten Experiment beobachteten Clinton Davisson und sein Assistent Lester Germer die Beugungsmuster eines an einem Nickel-Kristall reflektierten Elektronenstrahls. Die Erklärung gelang ihnen jedoch erst 1927 mit Hilfe der Wellentheorie De Broglies.[5]

Die moderne Quantenmechanik fand ihren Beginn im Jahr 1925 mit der Formulierung der Matrizenmechanik durch Werner Heisenberg, Max Born und Pascual Jordan.[6][7][8] Wenige Monate später stellte Erwin Schrödinger über einen völlig anderen Ansatz – ausgehend von De Broglies Theorie der Materiewellen – die Wellenmechanik bzw. die Schrödingergleichung auf.[9] Kurz darauf konnte Schrödinger nachweisen, dass sein Ansatz mit der Matrizenmechanik äquivalent ist.[10]

Heisenberg beschrieb seine Unschärferelation im Jahr 1927; im gleichen Jahr wurde auch die Kopenhagener Interpretation formuliert. In den Jahren ab etwa 1927 vereinigte Paul Dirac die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie. Er führte auch erstmals die Verwendung der Operator-Theorie inklusive der Bra-Ket-Notation ein und beschrieb diesen mathematischen Kalkül 1930 in seinem Buch Principles of Quantum Mechanics.[11] Zur gleichen Zeit formulierte John von Neumann die strenge mathematische Basis für die Quantenmechanik, wie zum Beispiel die Theorie linearer Operatoren auf Hilberträumen, die er 1932 in seinem Buch Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik beschrieb.[12] Die Verwendung des Ausdrucks „Quantenphysik“ ist erstmals 1929 in Max Plancks Vortrag Das Weltbild der neuen Physik dokumentiert.[13] Die in dieser Aufbauphase formulierten Ergebnisse haben bis heute Bestand und werden allgemein zur Beschreibung quantenmechanischer Aufgabenstellungen verwendet.

Grundlegende Eigenschaften

Observable und Zustände

Im Rahmen der klassischen Mechanik ist der Zustand eines Teilchens eindeutig durch seinen Ort und seine Geschwindigkeit bestimmt. Der Zustand lässt sich also durch Größen beschreiben, die mit eindeutigem Ergebnis gemessen werden können. Eine gesonderte Behandlung des Zustandes und der Messgrößen (oder „Observablen“) ist damit in der klassischen Mechanik nicht nötig, weil der Zustand die Messwerte festlegt und umgekehrt.

In der Quantenmechanik ist im Allgemeinen nicht mehr vorhersagbar, an welchem Ort und mit welcher Geschwindigkeit ein Teilchen nachgewiesen wird. Wenn beispielsweise ein Streuexperiment immer unter gleichen Bedingungen ausgeführt wird, können die auslaufenden Teilchen nach dem Streuvorgang an verschiedenen Orten gefunden werden. Es lassen sich also jedem Zustand für jede Observable nur noch Wahrscheinlichkeiten für die einzelnen Messwerte zuordnen. Daher werden in der Quantenmechanik Observablen und Zustände getrennt behandelt und es wird ein anderer Observablenbegriff verwendet als in der klassischen Mechanik.

Die Observablen beschreiben die messbaren Eigenschaften eines quantenmechanischen Systems. Beispiele für solche Observable sind der Ort eines Teilchens, sein Impuls oder sein Drehimpuls. Der Begriff der Observable steht nicht für ein bestimmtes Messergebnis, sondern dafür, dass die Messgröße prinzipiell beobachtbar ist. Die möglichen Messergebnisse einer solchen Observablen werden als „Eigenwerte“ (dieser Observablen) bezeichnet. Zu jedem dieser Eigenwerte gibt es bestimmte Zustände, die bei einer Messung immer diesen Eigenwert als Messwert liefern. Im Gegensatz zur klassischen Mechanik bezieht sich dies nur auf eine bestimmte Observable, während für andere Observable das Messergebnis unbestimmt sein kann. Solche Zustände mit definierten Messwerten bezüglich einer Observablen heißen „Eigenzustände“ zum entsprechenden Eigenwert.

Jeder beliebige quantenmechanische Zustand lässt sich aus Eigenzuständen zusammensetzen, wobei sich die verschiedenen Zustände durch die relativen Anteile der einzelnen Eigenzustände unterscheiden. Diese relativen Anteile bezeichnet man als Wahrscheinlichkeitsamplituden. Das Betragsquadrat einer Wahrscheinlichkeitsamplitude gibt die Wahrscheinlichkeit an, den entsprechenden Eigenwert als Messwert zu erhalten (Bornsche Regel oder Bornsche Wahrscheinlichkeitsinterpretation). Bei bestimmten Größen, wie dem Drehimpuls sind nur diskrete Eigenwerte erlaubt. Beim Teilchenort bilden die Eigenwerte ein Kontinuum. Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden, wird deshalb in Form einer ortsabhängigen Funktion, der so genannten Wellenfunktion angegeben. Das Betragsquadrat der Wellenfunktion gibt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit an, das Teilchen an einem bestimmten Ort zu finden.

Deterministische Zeitentwicklung

Hauptartikel: Schrödingergleichung
Doppelspaltexperiment mit Teilchen
Gemessenes Interferenzmuster von Elektronen hinter einem Doppelspalt

Die Beschreibung der zeitlichen Entwicklung eines unbeobachteten Systems erfolgt in der Quantenmechanik analog zur klassischen Mechanik durch eine Bewegungsgleichung, die Schrödingergleichung. Durch Lösung dieser Differentialgleichung lässt sich berechnen, wie sich die Wellenfunktion eines unbeobachteten quantenmechanischen Systems entwickelt:

\mathrm{i}\hbar\frac{\partial}{\partial t}\psi = \hat H \psi

mit dem Hamilton-Operator \hat H(t), der die Gesamtenergie des quantenmechanischen Systems beschreibt. Der Hamilton-Operator setzt sich zusammen aus einem Term für die kinetische Energie der Teilchen des Systems und einem zweiten Term für die potentielle Energie, die den Einfluss eines externen Feldes sowie die Wechselwirkungen zwischen den Teilchen beschreibt.

Die Zeitentwicklung des unbeobachteten quantenmechanischen Zustands ist also vollständig deterministisch. Eine weitere wesentliche Eigenschaft der Wellenfunktion ist ihre Beschreibung der quantenmechanischen Interferenz. Aus der Linearität der Schrödingergleichung folgt das Superpositionsprinzip. Demnach ist, wenn ψ1 und ψ2 Lösungen derselben Schrödingergleichung sind, auch ihre Summe ψ1 + ψ2 eine Lösung dieser Schrödingergleichung. Die entsprechende Wahrscheinlichkeit ist proportional zum Betragsquadrat | ψ1 + ψ2 | 2. Diese Eigenschaft weist auch Licht auf, das zum Beispiel hinter einem Doppelspalt (siehe nächster Abschnitt) ein Interferenzmuster entstehen lässt. Die Quantenmechanik sagt dementsprechend für Teilchen ähnliche Interferenzerscheinungen wie für Licht voraus.

Das Doppelspaltexperiment zeigt sowohl die statistische Natur der Wellenfunktion als auch den Interferenzeffekt. Dabei werden mikroskopische „Teilchen“, zum Beispiel Elektronen, auf ein Hindernis mit zwei eng beieinander liegenden Spalten gesendet. Unter Annahme des klassischen Teilchenmodells würde man hinter den Spalten zwei klar voneinander abgetrennte „Peaks“ (Häufungen) in der Verteilung der nachgewiesenen Elektronen erwarten. Das kann man sich so vorstellen, als ob man Kugeln durch zwei Schlitze fallen ließe; diese werden zwei Haufen unter den Schlitzen bilden. Die tatsächlich beobachteten Messergebnisse stimmen insofern mit dem Teilchenmodell überein, als jedes Elektron auf dem Schirm zu einem einzelnen Leuchtpunkt führt (siehe Abbildung rechts).[14] Die wiederholte Ausführung des Experimentes macht die Wahrscheinlichkeitsverteilung der Ortsmesswerte sichtbar. Sie weist ausgeprägte Interferenzmuster auf, die mit einem Teilchenmodell der Elektronen bei Beibehaltung der Grundlagen der klassischen Partikelmechanik unverträglich scheinen.

Messprozess

Hauptartikel: Quantenmechanische Messung

Die Messergebnisse scheinen im Widerspruch zu den von der Quantenmechanik postulierten Gesetzmäßigkeiten der Zeitentwicklung des Systemzustands zu stehen: Einerseits erfolgt die Zeitentwicklung des Systemzustands strikt deterministisch, andererseits sind die Messergebnisse nur statistisch vorhersagbar. Einerseits sollen den Systemzuständen im Allgemeinen überlagerte Linearkombinationen von Eigenzuständen entsprechen, andererseits wird kein verwaschenes Bild mehrerer Werte gemessen, sondern stets eindeutige Werte. Eine der hauptsächlichen Herausforderungen für Interpretationen der Quantenmechanik ist es, diesen scheinbaren Widerspruch, das so genannte Messproblem, zu erklären.

Eine Klasse von Interpretationen, die sogenannten Kollaps-Theorien, zu welcher auch die sogenannte Kopenhagener Interpretation zählt, erklärt diese Sachverhalte mit einem Kollaps der Wellenfunktion, also einem Übergang des überlagerten Systemzustands in einen Eigenzustand der gemessenen Observablen. In den klassischen Formulierungen der Quantenmechanik erfolgt dieser Kollaps beim Vorgang des Messens. Dies ist nur eine Beschreibung in der Alltagssprache. Viele Physiker und Interpreten halten es dagegen für notwendig, in physikalischen Begriffen anzugeben, was genau eine „Messung“ ausmacht. Wenn nämlich die Quantenmechanik die zutreffende grundlegende Theorie über die Welt ist, müsste sie alle physikalischen Systeme – inklusive der Messvorrichtung selbst – beschreiben. Dann wird aber auch deren Zeitentwicklung strikt deterministisch beschrieben – bis zum Zeitpunkt einer Messung, womit sich das Problem wiederholt. Das Problem, wo die Grenze zwischen beschreibenden Quantensystemen und der „Messapparatur“ liegt, wird als Demarkationsproblem bezeichnet.

Die Kopenhagener Interpretation selbst erklärt die Kollapsverursachung und Demarkationsfragen nicht weiter: Eine Messung wird schlicht beschrieben als Interaktion eines Quantensystems mit einem Messgerät, das als klassisches physikalisches System aufgefasst wird.

Das Unschärfeprinzip

Aus dem Kollaps der Wellenfunktion folgt, dass die Reihenfolge, in der Messungen durchgeführt werden, die Messergebnisse beeinflussen kann. Die Reihenfolge der Messungen zweier Observablen ist genau dann entscheidend, wenn sie verschiedene Eigenzustände haben. Der Endzustand einer exakten Messung ist immer ein Eigenzustand der Observablen, die zuletzt gemessen wurde. Für Observablen mit verschiedenen Eigenzuständen ergeben sich also je nach Reihenfolge der Messungen verschiedene Endzustände. Wenn die Eigenzustände zweier Observablen nicht einmal teilweise übereinstimmen, ist der Endzustand immer von der Reihenfolge der Messung abhängig. Solche Observablen werden komplementäre Observablen genannt. Ein Beispiel für komplementäre Observablen sind Ort und Impuls.

Die oben erklärte Komplementarität von Observablen ist eng verknüpft mit dem Unschärfeprinzip, das in Form der heisenbergschen Unschärferelation sehr bekannt ist. Nach der exakten Messung einer Observablen A ist das System in einem Eigenzustand von A, der kein Eigenzustand der komplementären Observablen B ist. Das Ergebnis einer folgenden Messung von B ist daher völlig unvorhersagbar und hängt nicht mehr vom Anfangszustand ab.

Eine reale Messung kann jedoch nicht völlig exakt sein. Der Endzustand der Messung ist daher kein reiner Eigenzustand der Observablen A. Das bedeutet, dass auch der Messwert von B nicht völlig unbestimmt ist und noch vom Anfangszustand abhängt. Wenn jedoch die Genauigkeit der ersten Messung immer weiter verbessert wird, ist die erreichbare Genauigkeit der Messung der komplementären Observablen immer kleiner. Für das Produkt der Unschärfen ΔA und ΔB gilt

\Delta A \cdot \Delta B \geq \frac{h}{4\pi}

wobei h das Plancksche Wirkungsquantum ist. Selbst wenn beide Messgeräte sehr genau messen können, wird die Genauigkeit der zweiten Messung durch die erste Messung beschränkt. Für das Beispiel von Ort und Impuls bedeutet das, dass in der Quantenmechanik die Beschreibung eines Teilchens durch eine Bahnkurve nur mit begrenzter Genauigkeit möglich ist. Einen Sonderstatus nimmt in der Quantenmechanik die Unschärfe zwischen Energie und Zeit ein, da die Zeit in der Quantenmechanik keine Observable ist.

Weiterführende Aspekte

Verschränkung, EPR-Experiment

Hauptartikel: Quantenverschränkung

Wenn zwei Quantensysteme miteinander in Wechselwirkung treten, müssen diese fortan als ein Gesamtsystem betrachtet werden. Die entsprechende Zusammensetzung des quantenmechanischen Zustandes des Gesamtsystems aus den Zuständen der beiden Teilsysteme wird als Verschränkung bezeichnet. Dies führt zu Korrelationen der physikalischen Eigenschaften der Teilsysteme. Die Verschränkung bleibt auch dann erhalten, wenn der Zeitpunkt der Wechselwirkung weit in der Vergangenheit liegt und die zwei Teilsysteme inzwischen weit voneinander entfernt sind. Es ist zum Beispiel möglich, ein Paar von Elektronen so zu präparieren, dass, wenn das eine Elektron mit dem Spin „up“ beobachtet wird, das andere Elektron am entfernten Standort den Spin „down“ aufweist, und umgekehrt. Diese Korrelationen sind auch beobachtbar, wenn erst nach der Wechselwirkung entschieden wird, welche Richtung als up/down-Achse definiert wird.

Das mit der Verschränkung verbundene Phänomen, dass die Durchführung von Messungen an einem Ort die Messergebnisse an einem (im Prinzip beliebig weit entfernten) anderen Ort beeinflusst, war einer der Gründe, weshalb Albert Einstein die Quantenmechanik ablehnte. Er betrachtete die Separierbarkeit physikalischer Systeme als ein fundamentales Prinzip und versuchte gemeinsam mit Boris Podolski und Nathan Rosen anhand des EPR-Gedankenexperimentes nachzuweisen, dass die Quantenmechanik entweder mit der Separierbarkeit als einem Grundprinzip der Relativitätstheorie kollidiert, oder dass sie unvollständig ist.[15] Dieses Gedankenexperiment erwies sich in seiner ursprünglichen Formulierung als nicht praktisch durchführbar, jedoch gelang es John Stewart Bell im Jahr 1964, die zentrale EPR-Prämisse der Existenz lokaler physikalischer Eigenschaften in der experimentell überprüfbaren Form der Bellschen Ungleichung zu formulieren. Alle bislang vorliegenden experimentellen Untersuchungen haben die Verletzung der Bellschen Ungleichung und damit die Voraussagen der Quantenmechanik bestätigt.[16]

Weiterhin zeigt die genaue theoretische Analyse des EPR-Effektes, dass dieser nicht im Widerspruch zur speziellen Relativitätstheorie steht, da auf diese Weise keine Information übertragen werden kann: Die einzelne Messung ergibt – unabhängig davon, ob das andere Teilchen bereits gemessen wurde – stets ein für sich genommen unvorhersagbares Ergebnis. Erst, wenn das Ergebnis der anderen Messung – durch klassische, unterlichtschnelle Kommunikation – bekannt ist, kann man die Korrelation feststellen oder ausnutzen.

Dekohärenz

Hauptartikel: Dekohärenz

Die Dekohärenz ist ein modernes Konzept der Quantenmechanik, das eine äußerst effiziente Unterdrückung der Kohärenzeigenschaften makroskopischer Quantenzustände erklärt. Damit kann das „klassische“ Verhalten makroskopischer Systeme, die keine Superpositionseffekte zeigen, im Rahmen der Quantenmechanik erklärt werden. Sie ist damit heute ein wichtiger Bestandteil des Korrespondenzprinzips der Quantenmechanik.

Zur Veranschaulichung dieses Effektes sei das Beispiel eines Zeiger-Messinstrumentes betrachtet, welches das Ergebnis einer Messung an einem Zweizustandssystem (zum Beispiel den Zerfallszustand eines radioaktiven Atoms) über seine Zeigerposition anzeigt. In eine vollständige Beschreibung des Zeigerzustandes gehen die mikroskopischen Freiheitsgrade (zum Beispiel die elektronischen Zustände oder die Positionen) der einzelnen Atome ein. Diese Freiheitsgrade werden als „Umgebung“ bezeichnet. Da die Umgebung so viele Teilchen umfasst, ist die Dimension des Phasenraums der Umgebung, und damit auch deren Zustandsdichte enorm, sodass der Energieunterschied zwischen zwei benachbarten Zuständen äußerst gering ist.[17]

Bei Änderungen der Zeigerposition passt sich die Umgebung an die aufgezwungene Änderung an, wobei aufgrund der hohen Zustandsdichte und dem daher verfügbaren extrem niederenergetischen Anregungsspektrum bereits minimale Änderungen der Zeigerposition zu drastischen Änderungen der mikroskopischen Zustände führen. Eine genauere mathematische Analyse zeigt, dass dadurch nach einer kurzen, als Dekohärenzzeit bezeichneten Einschwingphase τd die Interferenzterme der Zeigerzustände verschwinden und nur die „klassischen“ Zustände mit eindeutiger Zeigerstellung übrig bleiben. Die Dekohärenzzeit τd ist bei makroskopischen Körpern im Allgemeinen unter Normalbedingungen äußerst kurz, die Dekohärenz gilt daher als der effizienteste bekannte physikalische Effekt.[18]

Die Dekohärenz ist für einige Interpretationen der Quantenmechanik, wie zum Beispiel die Viele-Welten-Interpretation oder die Consistent Histories Interpretation (vertreten u. a. von Murray Gell-Mann, Robert Griffiths, Roland Omnès)[19], von grundlegender Bedeutung, um den Messprozess als dynamischen Effekt zu deuten, der durch die Schrödingergleichung beschreibbar ist. Sie liefert in diesen Interpretationen eine Erklärung für das klassische Verhalten von makroskopischen Systemen und insbesondere Messgeräten.

Identische Teilchen, Pauli-Prinzip

Durch die prinzipielle Unmöglichkeit, den Zustand eines quantenphysikalischen Systems vollständig zu bestimmen, verliert eine Unterscheidung zwischen mehreren Teilchen mit gänzlich identischen intrinsischen Eigenschaften (wie beispielsweise Masse oder Ladung, nicht aber Energie oder Impuls) in der Quantenmechanik ihren Sinn. Im Rahmen der klassischen Mechanik können an mehreren identischen Teilchen simultan genaue Orts- und Impulsmessungen durchgeführt werden, womit – zumindest prinzipiell – deren zukünftiger Verlauf vorhersagbar ist und man durch eine erneute Messung von Ort und Impuls zu einem späteren Zeitpunkt jedes Teilchen eindeutig wieder zuordnen kann. Eine quantenmechanische Betrachtung lässt eine solche „Durchnummerierung“ einzelner identischer Teilchen nicht zu. Es ist also beispielsweise nicht möglich festzustellen, ob bei einem System mehrerer Elektronen zwei Messungen an einzelnen Teilchen (wie beispielsweise ihres Impulses oder ihrer Ladung) zu unterschiedlichen Zeitpunkten jeweils an denselben oder an unterschiedlichen Teilchen erfolgten.

Es kann gezeigt werden, dass der Zustand eines Vielteilchensystems identischer Partikel beim Vertauschen zweier Teilchen entweder genau gleich bleiben oder sein Vorzeichen wechseln muss. Teilchen, bei deren Vertauschung der Zustand gleich bleibt, bezeichnet man als Bosonen, Teilchen, bei denen der Zustand das Vorzeichen wechselt, als Fermionen. Das Spin-Statistik-Theorem besagt, dass alle Teilchen mit ganzzahligem Spin Bosonen sind und Teilchen mit halbzahligem Spin Fermionen. Es lässt sich im Rahmen der Quantenfeldtheorie aus grundlegenden Eigenschaften der Theorie folgern.

Eine wichtige Konsequenz aus dem Vorzeichenwechsel beim Vertauschen von Fermionen ist die als „Pauliprinzip“ bekannte Regel, dass zwei identische Fermionen nicht die gleichen Einteilchenzustände einnehmen können. Dies ist von großer praktischer Bedeutung, da es bei der aus Atomen aufgebauten Materie die Mehrfachbesetzung elektronischer Zustände ausschließt und eine „Auffüllung“ der elektronischen Zustände bis zur Fermienergie erzwingt, wodurch komplexe chemische Verbindungen ermöglicht werden. Das Pauliprinzip bewirkt außerdem, dass sich die thermodynamischen Eigenschaften von Bosonen und Fermionen erheblich unterscheiden: Bosonen gehorchen der Bose-Einstein-Statistik, während die statistischen Eigenschaften von Fermionen durch die Fermi-Dirac-Statistik beschrieben werden.

Interpretation

Die klassischen physikalischen Theorien, zum Beispiel die klassische Mechanik oder die Elektrodynamik, haben eine klare Interpretation, das heißt den Symbolen der Theorie (Ort, Geschwindigkeit, Kraft beziehungsweise Spannungen und Felder) ist eine intuitive, klare Entsprechung in Experimenten (also eine messbare Größe) zugeordnet. Da die Quantenmechanik in ihrer mathematischen Formulierung mit sehr abstrakten Objekten, wie etwa Wellenfunktionen hantiert, ist eine Interpretation nicht mehr intuitiv möglich. Dennoch wurden seit dem Zeitpunkt der Entstehung der Theorie eine Reihe verschiedener Interpretationen vorgeschlagen, die sich in Ihren Aussagen über die Existenz von Quantenobjekten und ihren Eigenschaften unterscheiden.

Hierbei können die Standpunkte der meisten Interpretationen der Quantenmechanik grob in zwei Gruppen aufgeteilt werden, die instrumentalistische Position und die realistische Position.[20] Gemäß der instrumentalistischen Position stellen die Quantenmechanik beziehungsweise die auf Basis der Quantenmechanik ausgearbeiteten Modelle keine Abbildungen der „Realität“ dar. Vielmehr handele es sich bei dieser Theorie lediglich um einen nützlichen mathematischen Formalismus, der sich als Werkzeug zur Berechnung von Messergebnissen bewährt hat. Diese ursprünglich insbesondere von Bohr vertretene pragmatische Sicht dominierte bis in die 1960er Jahre die Diskussion um die Interpretation der Quantenmechanik und prägt bis heute viele gängige Lehrbuchdarstellungen.[21]

Neben dieser pragmatischen Variante der Kopenhagener Interpretation existiert heute eine Vielzahl alternativer Interpretationen, die bis auf wenige Ausnahmen das Ziel einer realistischen Deutung der Quantenmechanik verfolgen. In der Wissenschaftstheorie wird eine Interpretation als wissenschaftlich-realistisch bezeichnet, wenn sie davon ausgeht, dass die Objekte und Strukturen der Theorie treue Abbildungen der Realität darstellen, und dass sowohl ihre Aussagen über beobachtbare Phänomene, als auch ihre Aussagen über nicht beobachtbare Entitäten als (näherungsweise) wahr angenommen werden können.

In vielen Arbeiten zur Quantenphysik wird Realismus gleichgesetzt mit dem Prinzip der Wert-Definiertheit.[22][23] Dieses Prinzip basiert auf der Annahme, dass einem physikalischen Objekt physikalische Eigenschaften zugeordnet werden können, die es eindeutig entweder hat oder nicht hat. Beispielsweise spricht man bei der Beschreibung der Schwingung eines Pendels davon, dass das Pendel (zu einem bestimmten Zeitpunkt, und innerhalb einer gegebenen Genauigkeit) eine Auslenkung x hat.

In der Kopenhagener Interpretation wird die Annahme der Wert-Definiertheit aufgegeben. Ein Quantenobjekt hat demnach im Allgemeinen keine Eigenschaften, vielmehr entstehen Eigenschaften erst im Moment und im speziellen Kontext der Durchführung einer Messung. Die Schlussfolgerung, dass die Wert-Definiertheit aufgegeben werden muss, ist allerdings weder aus logischer noch aus empirischer Sicht zwingend. So geht beispielsweise die (empirisch von der orthodoxen Interpretation nicht unterscheidbare) de-Broglie-Bohm-Theorie davon aus, dass Quantenobjekte Teilchen sind, die sich entlang wohldefinierter Bahnkurven bewegen.

Zusammenhänge mit anderen physikalischen Theorien

Klassischer Grenzfall

Niels Bohr formulierte 1923 das sogenannte Korrespondenzprinzip, wonach die Eigenschaften von Quantensystemen im Grenzwert großer Quantenzahlen (insbesondere im Grenzwert großer Teilchenzahlen) mit hoher Genauigkeit den Gesetzen der klassischen Physik entsprechen. Dieser Grenzwert bei großen Systemen wird als „klassischer Grenzfall“ oder „Korrespondenz-Limit“ bezeichnet. Hintergrund dieses Prinzips ist die Erfahrungstatsache, dass viele makroskopische Systeme (Federn, Kondensatoren etc.) sehr genau durch klassische Theorien wie die klassische Mechanik oder die klassische Elektrodynamik beschrieben werden können. Daraus resultiert die Erwartung, dass die Quantenmechanik im Falle „großer“ Systeme diese klassischen Eigenschaften reproduziert beziehungsweise ihnen nicht widerspricht.

Ein wichtiges Beispiel für diesen Zusammenhang zwischen der klassischen Mechanik und der Quantenmechanik ist das Ehrenfestsche Theorem. Es besagt, dass sich die Mittelwerte der quantenmechanischen Orts- und Impulsobservablen eines Teilchen in guter Näherung durch die klassischen Bewegungsgleichungen beschreiben lassen, sofern es Kräften unterworfen ist, die nur wenig von der Position abhängen.

Das Korrespondenzprinzip ist daher ein wichtiges Hilfsmittel bei der Konstruktion und Verifikation quantenmechanischer Modellsysteme: Zum Einen liefern „klassische“ Modelle mikroskopischer Systeme wertvolle heuristische Anhaltspunkte zur quantenmechanischen Beschreibung des Systems. Zum Anderen kann die Berechnung des klassischen Grenzfalls zur Plausibilisierung der quantenmechanischen Modellrechnungen herangezogen werden. Sofern sich im klassischen Grenzfall physikalisch unsinnige Resultate ergeben, kann das entsprechende Modell verworfen werden.

Umgekehrt bedeutet diese Korrespondenz aber auch, dass die korrekte quantenmechanische Beschreibung eines Systems, inklusive einiger nicht-klassischer Effekte wie etwa des Tunneleffekts, oft näherungsweise mittels klassischer Begriffe möglich ist; solche Näherungen erlauben oft ein tieferes Verständnis der quantenmechanischen Systeme. Man spricht hier auch von semiklassischer Physik. Beispiele für semiklassische Beschreibungen sind die WKB-Näherung und die Gutzwillersche Spurformel.

Vereinheitlichung mit der speziellen Relativitätstheorie

Feynman-Diagramme sind eine Notation für Teilchenreaktionen in der Quantenfeldtheorie

In den Anfangszeiten der Entwicklung der Quantenmechanik wurde die Theorie noch nicht unter Berücksichtigung der speziellen Relativitätstheorie angewandt. So verwendet zum Beispiel das wohlbekannte Modell des quantenmechanischen harmonischen Oszillators einen explizit nichtrelativistischen Ausdruck für die kinetische Energie des Oszillators; dieses Modell ist daher das quantenmechanische Analogon zum klassischen harmonischen Oszillator.

Frühe Versuche, die Quantenmechanik mit der speziellen Relativitätstheorie zu verbinden, erfolgten durch Ersetzen der Schrödingergleichung durch kovariante Gleichungen wie die Klein-Gordon-Gleichung oder die Dirac-Gleichung. Diese Theorien waren zwar erfolgreich bei der Beschreibung vieler experimenteller Ergebnisse, jedoch waren sie noch insofern lückenhaft, als sie die relativistische Erzeugung und Vernichtung von Teilchen nicht beschreiben konnten. Eine vollständige relativistische Quantentheorie erforderte die Entwicklung einer Quantenfeldtheorie, die nicht nur eine Quantisierung von Observablen wie Energie oder Impuls beschreibt, sondern die die Wechselwirkung vermittelnden Felder selbst quantisiert. Die erste vollständige Quantenfeldtheorie, die Quantenelektrodynamik, erlaubt die durchgängige quantenmechanische Beschreibung der elektromagnetischen Wechselwirkung.

Der umfassende Formalismus der Quantenfeldtheorie ist häufig nicht zur Beschreibung elektrodynamischer Systeme erforderlich. Ein einfacherer Ansatz, der seit den Anfängen der Quantenmechanik verwendet wurde, ist die Behandlung geladener Teilchen als quantenmechanische Objekte, die der Wirkung eines klassischen elektromagnetischen Feldes unterliegen. So können zum Beispiel die elektronischen Zustände des Wasserstoffatoms in sehr guter Näherung durch Verwendung eines klassischen „1/r“-Potentials berechnet werden. Dieser „semiklassische“ Ansatz schlägt allerdings fehl, wenn die Quantenfluktuationen im elektromagnetischen Feld eine wichtige Rolle spielen, wie dies zum Beispiel bei der spontanen Emission von Photonen durch geladene Teilchen der Fall ist.

Verhältnis zur Allgemeinen Relativitätstheorie

Die Quantenmechanik als nichtrelativistische Theorie ist nur im Bereich kleiner Energien anwendbar. In diesen Bereichen sind die Effekte der Gravitation auf mikroskopischen Skalen um so viele Größenordnungen kleiner als die Effekte aller anderen Kräfte, dass sie weit unterhalb der erreichbaren Messgenauigkeit liegen. Zwischen der nichtrelativistischen Quantenmechanik und der allgemeinen Relativitätstheorie gibt es keine Berührungspunkte, da relativistische Gravitationseffekte erst bei sehr großen Energien auftreten.

Messbare Gravitationseffekte auf mikroskopischen Skalen fallen damit in den Bereich der Quantenfeldtheorien, die für derart hohe Energien eine angemessene Beschreibung liefern. Die allgemeine Relativitätstheorie konnte jedoch bisher nicht als Quantenfeldtheorie formuliert werden, so dass eine quantentheoretische Beschreibung der Gravitation noch nicht existiert. Eine solche Theorie der Quantengravitation wird für eine konsistente Beschreibung der Physik im Bereich der Planck-Skala, also für sehr kurze Abstände oder sehr hohe Energien, benötigt. Damit ist sie besonders interessant zur Beschreibung des Urknalls.

Anwendungen

Quantenphysikalische Effekte spielen bei zahlreichen Anwendungsfällen der modernen Technik eine wesentliche Rolle. Beispiele sind der Laser, das Elektronenmikroskop, die Atomuhr oder in der Medizin die bildgebenden Verfahren auf Basis von Röntgenstrahlung bzw. Kernspinresonanz. Die Untersuchung von Halbleitern führte zur Erfindung der Diode und des Transistors, ohne die die moderne Elektronik nicht möglich ist. Auch bei der Entwicklung von Kernwaffen spielen die Konzepte der Quantenmechanik eine wesentliche Rolle.

Bei der Erfindung beziehungsweise Entwicklung dieser und zahlreicher weiterer Anwendungen kommen die Konzepte und der mathematische Formalismus der Quantenmechanik jedoch nur selten direkt zum Einsatz (eine bemerkenswerte Ausnahme sind die aktuellen Arbeiten zur Entwicklung eines Quantencomputers). In der Regel sind hierfür die anwendungsnäheren Konzepte, Begriffe und Regeln der Festkörperphysik, der Chemie, der Materialwissenschaften oder der Kernphysik von größerer praktischer Bedeutung. Die Relevanz der Quantenmechanik ergibt sich hingegen aus der überragenden Bedeutung, die diese Theorie bei der Formulierung des theoretischen Fundamentes vieler wissenschaftlicher Disziplinen hat.

Im Folgenden sind einige Beispiele für Anwendungen der Quantenmechanik beschrieben:

Atomphysik und Chemie

5f-2-Orbital des Wasserstoffatoms.

Die chemischen Eigenschaften aller Stoffe sind ein Ergebnis der elektronischen Struktur der Atome und Moleküle, aus denen sie aufgebaut sind. Grundsätzlich lässt sich diese elektronische Struktur durch Lösung der Vielteilchen-Schrödingergleichung für alle involvierten Atomkerne und Elektronen quantitativ berechnen. Es zeigt sich jedoch in der Praxis, dass einerseits die Durchführung der entsprechenden Berechnungen enorm aufwändig ist, andererseits jedoch zur Vorhersage und Beschreibung vieler chemischer Eigenschaften die Verwendung vereinfachter Modelle und Regeln völlig ausreichend ist. Bei der Formulierung dieser vereinfachten Modelle kommt der Quantenmechanik eine wichtige Bedeutung zu.

Ein in der Chemie besonders häufig verwendetes Modell ist das Orbitalmodell. Bei diesem Modell wird der Vielteilchenzustand der Elektronen der betrachteten Atome durch eine Summe der Einteilchenzustände der Elektronen gebildet. Das Modell beinhaltet verschiedene Näherungen (unter anderem: Vernachlässigung der Coulomb-Abstoßung der Elektronen untereinander, Entkopplung der Bewegung der Elektronen von der Kernbewegung), erlaubt jedoch eine näherungsweise korrekte Beschreibung der Energieniveaus des Atoms. Der Vorteil dieses Modells liegt neben der vergleichsweise einfachen Berechenbarkeit insbesondere in der anschaulichen Aussagekraft sowohl der Quantenzahlen als auch der grafischen Darstellung der Orbitale.

Das Orbitalmodell erlaubt die Klassifizierung von Elektronenkonfigurationen nach einfachen Aufbauregeln (Hundsche Regeln). Auch die Regeln zur chemischen Stabilität (Oktettregel / Edelgasregel / Magische Zahlen) lassen sich durch dieses quantenmechanische Modell rechtfertigen.

Durch Linearkombination mehrerer Atom-Orbitale lässt sich die Methode auf sogenannte Molekülorbitale erweitern, wobei Rechnungen in diesem Fall wesentlich aufwändiger werden, da Moleküle keine Kugelsymmetrie aufweisen. Die Berechnung der Struktur und der chemischen Eigenschaften komplexer Moleküle auf Basis von Näherungslösungen der Schrödingergleichung ist der Gegenstand der Molekularphysik. Dieses Gebiet legte den Grundstein für die Etablierung der Quantenchemie beziehungsweise der Computerchemie als Teildisziplinen der theoretischen Chemie.

Kernphysik

Siehe auch: Schalenmodell und Tunneleffekt

Festkörperphysik

Warum ist Diamant hart, spröde und durchsichtig, das ebenfalls aus Kohlenstoff bestehende Graphit jedoch weich und undurchsichtig? Wie lassen sich die elektrische und thermische Leitfähigkeit von Metallen und deren Glanz erklären? Wie funktionieren Leuchtdioden, Dioden und Transistoren? Was ist die Ursache für die magnetischen Eigenschaften von Eisen? Welche Mechanismen ermöglichen die Supraleitung?

Die oben genannten Beispiele lassen die Vielfalt an physikalischen Phänomenen kondensierter Materie nur erahnen. Tatsächlich ist die „Physik kondensierter Materie“ der mit Abstand größte Teilbereich der Physik.

Praktisch allen Phänomenen kondensierter Materie (inklusive den oben genannten Beispielen) ist gemeinsam, dass eine Beschreibung dieser Phänomene im Rahmen der klassischen Physik bestenfalls auf phänomenologischer Ebene möglich ist, während sich ihre mikroskopische Beschreibung im Rahmen der Quantenmechanik als überaus erfolgreich erwiesen hat.

Im folgenden ist eine (unvollständige) Auswahl an Phänomenen zusammengestellt, bei welchen sich die Quanteneffekte besonders deutlich zeigen:

Quanteninformatik

Von aktuellem Interesse ist die Suche nach robusten Methoden zur direkten Manipulation von Quantenzuständen. Es werden zurzeit größere Anstrengungen unternommen, einen Quantencomputer zu entwickeln, welcher durch Ausnutzung der verschiedenen Eigenzustände und der Wahrscheinlichkeitsnatur eines quantenmechanischen Systems hochparallel arbeiten würde. Einsatzgebiet eines solchen Quantenrechners wäre beispielsweise das Knacken moderner Verschlüsselungsmethoden. Im Gegenzug hat man mit der Quantenkryptographie ein System zum theoretisch absolut sicheren Schlüsselaustausch gefunden, in der Praxis ist diese Methode häufig etwas abgewandelt und unsicherer, da es hier auch auf die Übertragungsgeschwindigkeit ankommt. Ein weiteres aktuelles Forschungsgebiet ist die Quantenteleportation, die sich mit Möglichkeiten zur Übertragung von Quantenzuständen über beliebige Entfernungen beschäftigt.

Literatur

Standard-Lehrbücher

Allgemeinverständliche Einführungen

Anwendung in der Theoretischen Chemie

  • A. Szabo, N. S. Ostlund: Modern Quantum Chemistry: Introduction to Advanced Electronic Structure Theory, Dover Publications, 1996, ISBN 0-486-69186-1.
  • P. W. Atkins, R. S. Friedman, Molecular Quantum Mechanics, 4. Aufl., Oxford University Press, Oxford, 2004, ISBN 0-19-927498-3.
  • W. Kutzelnigg, Einführung in die Theoretische Chemie, Wiley-VCH, Weinheim, 2002, ISBN 3-527-30609-9.
  • J. Reinhold, Quantentheorie der Moleküle, 3. Aufl., Teubner, 2006, ISBN 3-8351-0037-8.

Interpretationen der Quantenmechanik

  • David Albert: Quantum Mechanics and Experience, Cambridge, MA: Harvard University Press 1992 Zugleich eine sehr gut und leicht lesbare Einführung mit sehr einfachen Modellen.
  • Kurt Baumann, Roman U. Sexl: Die Deutungen der Quantentheorie – 3., überarbeitete Aufl. Vieweg, Braunschweig 1987. (Facetten der Physik ; Band 11) Kritische Überlegungen, ergänzt mit berühmten Originalabhandlungen (in deutscher Übersetzung) von Max Born, Werner Heisenberg, Albert Einstein, Niels Bohr, Erwin Schrödinger, Wladimir Fock, David Bohm, John Stewart Bell, Bryce DeWittISBN 3-528-28540-0
  • John Stewart Bell: Speakable and unspeakable in quantum mechanics. Cambridge University Press, Cambridge 1988 bündelt Bells Originalaufsätze; für Interpretationsfragen wichtig u.a. die Texte zur Bohmschen Interpretation, größtenteils physikalisch voraussetzungsreich
  • Jeffrey Bub: Interpreting the Quantum World, Cambridge University Press, Cambridge 1997.
  • Jeffrey Bub: The Interpretation of Quantum Mechanics, Reidel, Dordrecht 1974.
  • Nancy Cartwright: Another Philosopher Looks at Quantum Mechanics, or: What Quantum Theory is NotInstrumentalistische Reaktion auf Putnam 2005: Quantenmechanik kann als „lebende und arbeitende Theorie“ uninterpretiert bleiben.
  • Hong Dingguo: On the Neutral Status of QM in the Dispute of Realism vs. Anti-Realism, in: Cohen, Robert S / Hilpinen, Risto / Renzong, Qiu (Hgg.): Realism and Anti-Realism in the Philosophy of Science. Dordrecht: Kluwer Academic Publishers 1996, 307-316
  • Peter Forrest: Quantum metaphysics. Oxford: Blackwell 1988, ISBN 0-631-16371-9 Diskussion realistischer metaphysischer Interpretationsoptionen
  • Bas van Fraassen: Quantum Mechanics, An Empiricist View, Oxford University Press, Oxford 1991, ISBN 0-19-823980-7 Ausgearbeitete antirealistische Interpretation aus der Position des konstruktiven Empirismus
  • R. I. G. Hughes: The structure and interpretation of quantum mechanics. Cambridge, Mass. : Harvard Univ. Pr. 1989, ISBN 0-674-84391-6 Zugleich eine vollwertige, aber nur Schulmathematik voraussetzende Einführung in die Theorie
  • Friedrich Hund: Allgemeine Quantenmechanik des Atom- und Molekelbaues, in Handbuch der Physik, Band 24/1, 2. Auflage, S. 561-694 (1933)
  • Friedrich Hund: Materie als Feld, Berlin, Springer 1954
  • Friedrich Hund: Quantenmechanik der Atome, in Handbuch der Physik/Encyclopedia of Physics, Band XXXVI, Berlin, Springer 1956
  • Friedrich Hund: Theorie des Aufbaues der Materie, Stuttgart, Teubner 1961
  • E. Joos et al.: Decoherence and the Appearance of a Classical World in Quantum Theory. Berlin: Springer 2003, ISBN 3-540-00390-8 Ausführliche Diskussion des klassischen Grenzfalls und dessen Relevanz für die Interpretation der Quantentheorie
  • Tim Maudlin: Quantum Non-Locality and Relativity. Blackwell, Oxford U. K. and Cambridge MA 1994.
  • Hilary Putnam: A Philosopher Looks at Quantum Mechanics (Again), in: The British Journal for the Philosophy of Science 56/4 (2005), 615-634 Ablehnung „kopenhagener“ Interpretationen als bloßen Zurückweisungen eines wissenschaftlichen Realismus und der statistischen Interpretation (Born), Diskussion der wichtigsten verbleibenden realistischen Optionen: spontaner Kollaps (GRW) und Bohm
  • Michael Redhead: Incompleteness, nonlocality and realism: a prolegomenon to the philosophy of quantum mechanics. Oxford: Clarendon Pr. 1987, ISBN 0-19-824937-3 Eines der wichtigsten weiterführenden Werke, inklusive einer knappen Darstellung der Theorie
  • Hans Reichenbach: Philosophic Foundations Of Quantum Mechanics, University Of California Press 1944.
  • John Archibald Wheeler (Hg.): Quantum theory and measurement Princeton, NJ : Princeton Univ. Pr. 1983, ISBN 0-691-08315-0 Standard-Handbuch mit den wichtigsten Texten aus der Interpretationsgeschichte, umfangreicher und aktueller als Sexl / Baumann.

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Einzelnachweise

  1. Beispiele für die Anwendung der Quantenmechanik auf biologische Systeme finden sich u.a. in en:Quantum biology oder [1]
  2. Vgl. Max Planck: The origin and development of the quantum theory. Oxford, The Clarendon press 1922. Armin Hermann: Von Planck bis Bohr – Die ersten fünfzehn Jahre in der Entwicklung der Quantentheorie. In: Angewandte Chemie. Band 82, Nr. 1, 1970, S. 1–7, ISSN 0044-8249. Cathryn Carson: The Origins of the Quantum Theory. In: Beam Line (Stanford Linear Accelerator Center). Band 30, Nr. 2, 2000, S. 6–19.
  3. L. de Broglie: Recherches sur la théorie des Quanta. Doktorarbeit. Engl. Übersetzung (übers. A.F. Kracklauer): Ann. de Phys., 10. Serie, Band III, 1925
  4. G. P. Thomson: The Diffraction of Cathode Rays by Thin Films of Platinum. In: Nature. Band 120, 1927, S. 802
  5. C. Davisson und L. H. Germer: Diffraction of Electrons by a Crystal of Nickel In: Physical Review. Band 30, Nr. 6, 1927 doi:10.1103/PhysRev.30.705
  6. W. Heisenberg: Über quantentheoretische Umdeutung kinematischer und mechanischer Beziehungen. In: Zeitschrift für Physik. Band 33, 1925, S. 879–893.
  7. M. Born und P. Jordan: Zur Quantenmechanik. In: Zeitschrift für Physik. Band 34, 1925, S. 858
  8. M. Born, W. Heisenberg und P. Jordan: Zur Quantenmechanik II. In: Zeitschrift für Physik. Band 35, 1926, S. 557
  9. E. Schrödinger: Quantisierung als Eigenwertproblem I. In: Annalen der Physik. Band 79, 1926, S. 361–376. E. Schrödinger: Quantisierung als Eigenwertproblem II. In: Annalen der Physik. Band 79, 1926, S. 489–527. E. Schrödinger: Quantisierung als Eigenwertproblem III. In: Annalen der Physik. Band 80, 1926, S. 734–756. E. Schrödinger: Quantisierung als Eigenwertproblem IV. In: Annalen der Physik. Band 81, 1926, S. 109–139
  10. E. Schrödinger: Über das Verhältnis der Heisenberg-Born-Jordanschen Quantenmechanik zu der meinen. In: Annalen der Physik. Band 79, 1926, S. 734–756.
  11. P. A. M. Dirac: Principles of Quantum Mechanics. Oxford University Press, 1958, 4th. ed, ISBN 0-19-851208-2
  12. John von Neumann: Mathematische Grundlagen der Quantenmechanik. Springer Berlin, 1996, 2. Auflage. Engl. (autorisierte) Ausg. (übers. R. T. Beyer): Mathematical Foundations of Quantum Mechanics. Princeton Univ. Press, 1955 (dort p. 28 sqq.)
  13. M. Planck, Das Weltbild der neuen Physik, Monatshefte für Mathematik, Springer, Wien, Bd. 36 (1929), S. 43 und S. 49. Auszug google books
  14. A. Tonomura, J. Endo, T. Matsuda, T. Kawasaki und H. Ezawa: Demonstration of single-electron build-up of an interference pattern. In: American Journal of Physics. Band 57, 1989, S. 117–120. doi:10.1119/1.16104
  15. A. Einstein, B. Podolsky und N. Rosen: Can quantum-mechanical description of physical reality be considered complete?, In: Physical Review. Band 47, 1935, S. 777–780. [2]
  16. A. Aspect et al.: Experimental Tests of Realistic Local Theories via Bell's Theorem. In: Physical Review Letters. Band 47, 1981, S. 460. A. Aspect et al.: Experimental Realization of Einstein-Podolsky-Rosen-Bohm Gedankenexperiment: A New Violation of Bell's Inequalities. In: Physical Review Letters. Band 49, 1982, S. 91. A. Aspect et al.: Experimental Test of Bell's Inequalities Using Time-Varying Analyzers. In: Physical Review Letters. Band 49, 1982, S. 1804. M. A. Rowe, D. Kielpinski, V. Meyer, C. A. Sackett, W. M. Itano, C. Monroe und D. J. Wineland: Experimental violation of Bell's inequalities with efficient detection. In: Nature. Band 409, 2001, S. 791–794.
  17. Selbst wenn jedes Atom nur zwei mögliche Zustände einnehmen kann, hat das Gesamtsystem 2N unterschiedliche mögliche Zustande, wobei N bei makroskopischen Systemen die Größenordnung der Avogadrokonstante (~1024) annimmt.
  18. Omnes schätzt die Dekohärenzzeit für ein Pendel mit einer Masse von 10 g auf τd = 1.6 * 10 − 26s. Siehe R. Omnes: Understanding Quantum Mechanics. Princeton University Press, 1999, S. 202 und S. 75.
  19. Vgl. R. Omnès: Understanding Quantum Mechanics. Princeton University Press 1999; R. B. Griffiths: Consistent Quantum Theory. Cambridge University Press 2003; Robert B. Griffiths: Consistent histories and the interpretation of quantum mechanics, Journal of Statistical Physics 36/1-2 (1984), 219-272. Fay Dowker, Adrian Kent: On the Consistent Histories Approach to Quantum Mechanics, in: Journal of Statistical Physics 82 (1996), 1575-1646.
  20. Die Gruppierung in Instrumentalismus visa Realismus ist eine starke Vereinfachung der tatsächlich vorhandenen Vielfalt verschiedener Positionen der Wissenschaftstheorie. Ein ausführlicher Überblick über die wichtigsten erkenntnistheoretischen Positionen in der Physik findet sich zum Beispiel in B. d’Espagnat: Reality and the Physicist. Cambridge University Press, 1989.
  21. H. P. Stapp: The Copenhagen Interpretation. In: American Journal of Physics. Band 40, 1972, S. 1098.
  22. In der englischsprachigen Literatur findet sich eine Vielzahl verschiedener Bezeichnungen für die Wert-Definiertheit: „value-definiteness“, „intrinsic property“, „pre-assigned initial values“ (Home und Whitaker), „precise value principle“ (Hughes), „classical principle C“ (Feyerabend), sowie Bells „beables“. Auch das in der Messtechnik verwendete Konzept des „wahren Wertes“ setzt Wert-Definiertheit voraus.
  23. Zur erkenntnistheoretischen Einordnung der Wert-Definiertheit gibt es unterschiedliche Auffassungen. Feyerabend bezeichnete sie als ein „klassisches Prinzip“, und d’Espagnat ordnet sie dem physikalischen Realismus zu. Für den Physiker T. Norsen lässt sich das Prinzip der Wert-Definiertheit hingegen keiner der gängigen realistischen Positionen der Erkenntnistheorie zuordnen, weshalb er die Verwendung des Begriffes „Realismus“ in diesem Zusammenhang ablehnt: T. Norsen: Against ‘realism’. In: Foundations of Physics. Vol. 37, 2007, S. 311 (online).

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