Hanns Johst

Hanns Johst
Hanns Johst im Jahre 1933.

Hanns Johst (* 8. Juli 1890 in Seerhausen bei Riesa, Sachsen; † 23. November 1978 in Ruhpolding) war ein deutscher Schriftsteller, Dramatiker und Nationalsozialist (Kultur-Funktionär), seit 1935 Präsident der Reichsschrifttumskammer (RSK) .

Inhaltsverzeichnis

Leben

Jugend, Studium und berufliche Anfänge

Johst wuchs als Sohn eines Volksschullehrers in Oschatz und Leipzig auf, wo er 1910 sein Abitur ablegte. Ein früher Berufswunsch war Missionar zu werden. Mit 17 Jahren war er kurzfristig als Pfleger in der Bodelschwingh'schen Anstalt in Bethel tätig. Danach studierte er Medizin, Germanistik, Philosophie und Kunstgeschichte. Sein Studium an den Universitäten Leipzig, München und Wien brach er 1915 ab. 1914 veröffentlichte er sein erstes Drama, den Einakter Die Stunde der Sterbenden. Als Kriegsfreiwilliger wurde Johst nach nur zwei Monaten wegen einer nicht näher bezeichneten Krankheit aus dem Heer entlassen und lebte anschließend als freier Schriftsteller und Regieassistent. Er heiratete die wohlhabende Johanna Feder, mit der er 1918 ein Anwesen in Allmannshausen am Starnberger See bezog.

Entwicklung als Bühnenautor und Dramatiker

Johsts Frühwerk entstand im Bann des Expressionismus. Beispiele dafür sind Der Anfang (1917) und Der König (1920). Mit dem Stück Der Einsame über den Dramatiker Christian Dietrich Grabbe erzielte Johst 1917 seinen Durchbruch als Bühnenautor. Das Stück weist bereits völkische und antisemitische Elemente auf, die sich in seinem Roman Kreuzweg und dem Schauspiel Propheten von 1922 verfestigen sollten. Bert Brecht konzipierte sein Drama Baal als künstlerische Auseinandersetzung und Pendant zum Einsamen von Johst, den Brecht als „furchtbaren Expressionismus“ bezeichnete.

Später wandte Johst einen mehr realistischen Stil an. In dieser Zeit entstanden die Komödien Wechsler und Händler (1923), Die fröhliche Stadt (1925) und Marmelade (1926), die gesellschaftliche Missstände als Versagen der demokratischen Verfassung Deutschlands darstellen, sowie das historische Drama Thomas Paine (1927).

In den 1920er Jahren wurde Johst einer der bekanntesten deutschen Nachwuchs-Dramatiker, den die politisch Rechten für sich reklamierten. In dieser Zeit war er auch gut bekannt mit Thomas Mann, den er bewunderte. 1922 kündigte Johst diese Verbindung wegen Manns Bekenntnis zum demokratischen Staat aber auf.[1] Im Oktober 1933 schrieb er in Bezug auf Klaus Manns Aktivitäten im Exil in einem Brief an seinen Duzfreund Heinrich Himmler:

„Da dieser Halbjude schwerlich zu uns herüberwechselt,[2] wir ihn also leider nicht auf's Stühlchen setzen können, würde ich in dieser Angelegenheit doch das Geiselverfahren vorschlagen. Könnte man nicht vielleicht Herrn Thomas Mann, München, für seinen Sohn ein wenig inhaftieren? Seine Produktion würde ja durch eine Herbstfrische in Dachau nicht leiden.“

Zitiert in: Düsterberg Hanns Johst 2004, S. 288

Karriere im Nationalsozialismus und Nachkriegszeit

1928 trat Johst dem von Alfred Rosenberg gegründeten Kampfbund für deutsche Kultur bei. 1932 wurde er Mitglied der NSDAP (Mitglieds-Nr. 1352376). In seinem Essay Standpunkt und Fortschritt von 1933 bekannte Johst sich ausdrücklich zu Hitlers Weltanschauung.

Nach der Machtübernahme war Johst maßgeblich an der Gleichschaltung der Sektion für Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste, bei der Auflösung des Deutschen PEN-Zentrums und der Gründung der Union Nationaler Schriftsteller beteiligt. Er gehörte zu den 88 Schriftstellern, die im Oktober 1933 das Gelöbnis treuester Gefolgschaft für Adolf Hitler unterzeichneten.[3] Nach dem Tod Paul von Hindenburgs gehörte er zu den Unterzeichnern des Aufrufs der Kulturschaffenden zur Volksbefragung am 19. August 1934 über die Zusammenlegung des Reichskanzler- und Reichspräsidentenamtes in der Person Adolf Hitlers.[3] Als Präsident der Reichsschrifttumskammer, einer Unterabteilung der Reichskulturkammer, stand er ab 1935 einer Institution vor, von der sich die Nationalsozialisten die „Freihaltung des Schrifttums von ungeeigneten und unzuverlässigen Elementen“ erwarteten.

Während des Nationalsozialismus bekleidete Johst weitere Ämter, u.a. Chefdramaturg des Schauspielhauses am Gendarmenmarkt in Berlin, Präsident der Sektion für Dichtkunst an der Preußischen Akademie der Künste, Präsident der Union Nationaler Schriftsteller. Im Januar 1934 wurde er zum Preußischen Staatsrat ernannt. Er war Mitglied (Nr. 274576) der Allgemeinen SS, wurde am 30. Januar 1942 zum SS-Gruppenführer ernannt und am 9. November 1944 in den Stab des Reichsführers SS aufgenommen. Er war Freund und Chronist Heinrich Himmlers. 1944, in der Endphase des Zweiten Weltkriegs, als sich bereits die Niederlage abzeichnete, wurde Johst durch seine Aufnahme in die Gottbegnadetenliste und in die von Hitler erstellte Sonderliste der sechs wichtigsten Schriftsteller von sämtlichen Kriegsverpflichtungen freigestellt.[3]

Nach Kriegsende wurde Johst interniert und am 7. Juli 1949 von einer Münchner Spruchkammer im Entnazifizierungsverfahren zunächst als „Mitläufer“ eingestuft. Ein Berufungsverfahren endete 1949 mit der Einstufung als „Hauptschuldiger“ und einer dreieinhalbjährigen Arbeitslagerstrafe (bereits verbüßt). Nach seiner Haftentlassung und einem weiteren Entnazifizierungsverfahren 1951 wurde er als „belastet“ eingestuft.[4] 1955 erreichte Johst die Aufhebung dieser Entscheidung und die Einstellung des Verfahrens auf Kosten der Staatskasse. Er war damit faktisch rehabilitiert.[5]

In der Bundesrepublik konnte Johst schriftstellerisch nicht mehr Fuß fassen, schrieb aber seit 1952 unter dem Pseudonym „Odemar Oderich“ Gedichte für die Edeka-Kundenzeitschrift Die kluge Hausfrau.[6][7] In der Sowjetischen Besatzungszone wurden 1946 seine sämtlichen Werke – mit der Ausnahme von Der Anfang. Roman (1917), Der Ausländer (1916), Ave Eva (1932), Lieder der Sehnsucht. Gedichte (1924), Der junge Mensch. Szenarium (1916), Mutter. Gedichte (1921), Mutter ohne Tod. Begegnung (1933), Stroh (1916), Die Stunde der Sterbenden (1944), Torheit einer Liebe. Roman (1931) und Wegwärts. Gedichte (1916) – auf die Liste der auszusondernden Literatur gesetzt.[8]

Sein Versuch, ein Ende 1943 abgeschlossenes und überarbeitetes Buch im Jahr 1953 zu publizieren, scheiterte.[6] Er starb am 23. November 1978 in einem Altersheim in Ruhpolding.

Das Drama „Schlageter“

Mit seinem Adolf Hitler gewidmeten Stück Schlageter erzielte Johst den größten Erfolg in seiner Karriere als Bühnenautor. Das Drama, an dem er von 1929 bis 1932 gearbeitet hatte, wurde am 20. April 1933 zu Hitlers Geburtstag uraufgeführt. Schlageter wurde von zahlreichen deutschen Theatern in über 1.000 Städten gespielt. Johst erhielt dafür knapp 50.000 Reichsmark Tantiemen. Das Stück beschäftigt sich mit dem Freikorpskämpfer Albert Leo Schlageter, der während der Ruhrbesetzung (1923) von einem französischen Militärgericht zum Tode verurteilt wurde, da er Anschläge auf militärische Verkehrsverbindungen verübt hatte. Johst proklamierte ihn zum „ersten Soldaten des Drittes Reiches“.

Aus dem Schlageter stammt auch die fälschlich Hermann Göring zugeschriebene Aussage: „Wenn ich Kultur höre ... entsichere ich meinen Browning“ (1. Akt, 1. Szene). Johsts Widmung – ein Zeugnis der Anbiederung – „Für Adolf Hitler in liebender Verehrung und unwandelbarer Treue“ beeindruckte Hitler ebenso wie der Inhalt des Stückes.

Preise und Ehrungen

Alfred Rosenberg überreicht den NSDAP-Preis für Kunst an Hanns Johst (rechts)

Werke

Romane, Erzählungen, Novellen

Maske und Gesicht (1935)
  • Der Anfang, 1917
  • Der Kreuzweg, 1921
  • Consuela, 1924
  • Consulea. Aus dem Tagebuch einer Spitzbergenfahrt, 1925
  • So gehen sie hin, 1930
  • Die Begegnung, 1930
  • Die Torheit einer Liebe, 1931
  • Ave Maria, 1932
  • Mutter ohne Tod. Die Begegnung, 1933
  • Maske und Gesicht, 1935
  • Gesegnete Vergänglichkeit, 1955

Dramen

  • Stunde der Sterbenden, 1914
  • Strof, 1915
  • Der junge Mensch, 1916
  • Der Ausländer, 1916
  • Stroh, 1916
  • Der Einsame, 1917
  • Der König, 1920
  • Propheten, 1922
  • Wechsler und Händler, 1923
  • Die fröhliche Stadt, 1925
  • Der Herr Monsieur, 1926
  • Thomas Paine, 1927
  • Schlageter, 1933
  • Fritz Todt. Requiem, 1943

Lyrik

  • Wegwärts, 1916
  • Rolandruf, 1918
  • Mutter, 1921
  • Lieder der Sehnsucht, 1924
  • Briefe und Gedichte von einer Reise durch Italien und durch die Wüste, 1926

Essays, Reden, Propagandaschriften u.a.

  • Dramatisches Schaffen, 1922
  • Wissen und Gewissen, 1924
  • Ich glaube! Bekenntnisse, 1928
  • Meine Erde heißt Deutschland, 1938
  • Ruf des Reiches, Echo des Volkes, 1940
  • Hanns Johst spricht zu dir (Sammelausgabe), 1942
  • Fritz Todt, Requiem, 1943
  • Erzählungen, 1944

Literatur

  • Christian Adam: Lesen unter Hitler. Autoren, Bestseller, Leser im Dritten Reich. Galiani, Berlin 2010, ISBN 978-3-86971-027-3, S. 283ff.
  • Siegfried Casper: Hanns Johst. Langen/Müller, München 1940.
  • Rolf Düsterberg: Hanns Johst: Der Barde der SS. Karrieren eines deutschen Dichters. Schöningh-Verlag, Paderborn 2004, ISBN 3-506-71729-4.
  • Rolf Düsterberg: Hanns Johst – der Literaturfunktionär und Saga-Dichter. In: Rolf Düsterberg (Hrsg.): Dichter für das »Dritte Reich«. Biografische Studien zum Verhältnis von Literatur und Ideologie. Aisthesis Verlag, Bielefeld 2009, ISBN 978-3-89528-719-0.
  • Curt Hotzel: Hanns Johst. Der Weg des Dichters zum Volk. Frundsberg, Berlin 1933.
  • Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945, S. Fischer, Frankfurt am Main 2007, ISBN 978-3-10-039326-5, S. 285–286.
  • Elisabeth Kleemann: Zwischen symbolischer Rebellion und politischer Revolution. Studien zur deutschen Boheme zwischen Kaiserreich und Weimarer Republik – Else Lasker-Schüler, Franziska Gräfin Reventlow, Frank Wedekind, Ludwig Derleth, Arthur Moeller van den Bruck, Hanns Johst, Erich Mühsam. Peter Lang, Frankfurt a.M. u.a. 1985 (= Würzburger Hochschulschriften zur neueren deutschen Literaturgeschichte; 6), ISBN 3-8204-8049-8.
  • Helmut F. Pfanner: Hanns Johst. Vom Expressionismus zum Nationalsozialismus. Mouton, The Hague 1970 (= Studies in German literature; 17).
  • Esther Roßmeißl: Märtyrerstilisierung in der Literatur des Dritten Reiches. Driesen, Taunusstein 2000, ISBN 3-9807344-1-2.
  • Klaus Mann karikierte Johst 1936 in seinem Roman Mephisto in der Rolle des Cäsar von Muck.[9]

Weblinks

 Commons: Hanns Johst – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Christian Adam: Lesen unter Hitler. 2010, S. 284
  2. Im Sinn des „Revierwechsels“ eines zu erlegenden Wilds.
  3. a b c Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 285.
  4. Ernst Klee: Das Personenlexikon zum Dritten Reich. Wer war was vor und nach 1945. Fischer Taschenbuch Verlag, Lizenzausgabe 2005, S. 289.
  5. Ernst Piper: Kurze Geschichte des NS von 1919 bis heute. Hoffmann und Campe, Hamburg 2007, S. 279f.
  6. a b Ernst Klee: Das Kulturlexikon zum Dritten Reich. Fischer, Frankfurt am Main 2007, S. 286.
  7. Jürgen P. Wallmann: Rezension zu Rolf Düsterberg: Hans Johst
  8. http://www.polunbi.de/bibliothek/1946-nslit-i.html
  9. Rezension des Romans im Spiegel 1/1957

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