- Wellenfunktion
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Die Wellenfunktion beschreibt in der Quantenmechanik den quantenmechanischen Zustand eines Elementarteilchens oder eines Systems von Elementarteilchen im Ortsraum, ihr Betragsquadrat bestimmt die Aufenthaltswahrscheinlichkeit des Teilchens. Nach der Kopenhagener Deutung der Quantenmechanik enthält die Wellenfunktion eine Beschreibung aller Informationen einer Entität oder eines ganzen Systems.
Die quantenmechanische Wellenfunktion ist die – meist komplexe – Lösung einer Wellengleichung, vor allem der besonders wichtigen Schrödingergleichung. Lösungen dieser Wellengleichungen können sowohl gebundene Teilchen wie Elektronen im Orbitalmodell oder freie Teilchen (z. B. als Wellenpaket) beschreiben. Bei Teilchensystemen bezeichnet man eine solche Lösung auch als Vielteilchen-Wellenfunktion.
In der klassischen Physik hat der Begriff Wellenfunktion eine deutlich andere Bedeutung.
Inhaltsverzeichnis
Quantenteilchen als Welle
Während unter Welle die allgemeine Beschreibung der Wellengleichung zu finden ist, wird hier hauptsächlich auf die Eigenschaften der Wellenfunktion eines Quantenteilchens eingegangen. Dass die (hier besprochene) Wellenfunktion nicht reell, sondern komplex ist, spiegelt u. a. wider, dass nicht die reale physikalische Bedeutung zukommt wie etwa der elektrischen Feldstärke einer Lichtwelle in klassischer Optik bzw. Elektrodynamik (in der Quantenelektrodynamik kommt auch der Größe keine reale physikalische Bedeutung zu). In der Quantenmechanik dienen Wellenfunktionen zur mathematischen Beschreibung des quantenmechanischen Zustands eines physikalischen Systems. Die Wellenfunktion eines Quantenteilchens kann etwa die Form einer ebenen Welle besitzen (freies Teilchen):
- ,
wobei
- der Ortsvektor,
- A0 die (komplexwertige) Amplitude,
- der Wellenvektor und
- ω die Kreisfrequenz ist.
In der schrödingerschen Quantenmechanik ergeben sich Wellenfunktionen als Lösung der Schrödingergleichung bzw. muss die Wellenfunktion stets eine Lösung der Schrödingergleichung sein. Teilchen mit inneren Eigenschaften werden durch Wellenfunktionen mit mehreren Komponenten beschrieben. Nach dem Transformationsverhalten der Wellenfunktionen bei Lorentztransformationen unterscheidet man in der relativistischen Quantenfeldtheorie skalare, tensorielle und spinorielle Wellenfunktionen bzw. Felder.
Normierungsbedingung und Aufenthaltswahrscheinlichkeit
Im Unterschied zur Klassischen Physik ist eine exakte Aussage über den Aufenthaltsort eines Teilchens im Allgemeinen nicht möglich (Heisenbergsche Unschärferelation). Ausgehend von der Existenz des Quantenteilchens muss es sich (zu jeder Zeit) irgendwo aufhalten, weshalb dessen Wellenfunktion die Normierungsbedingung erfüllen muss (ψ * ist die komplex konjugierte Funktion zu ψ). Dies führt zur differentiellen Wahrscheinlichkeit dP, das Teilchen am Ort im Volumenelement anzutreffen: .
Für eine normierte Wellenfunktion gibt das Betragsquadrat | ψ | 2 = ψψ * also die Wahrscheinlichkeitsdichte für den Aufenthalt am Ort zur Zeit t an. Für Teilchen-Wellenfunktionen im Ortsraum ergibt die Integration der Wahrscheinlichkeitsdichte über einen Ortsbereich (ein Intervall im Raum) die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen (z. B. Elektron) in diesem Raumbereich zu finden.
Definition
Eine Wellenfunktion bezieht sich auf jeden Vektor oder jede Funktion, die den Zustand eines physikalischen Systems beschreibt, indem sie es als Entwicklung nach anderen Zuständen desselben Systems darstellt.
Typische Wellenfunktionen sind entweder:
- Ein Vektor aus komplexen Zahlen mit endlich vielen Komponenten:
- ,
- Ein Vektor aus komplexen Zahlen mit abzählbar unendlich vielen Komponenten (diskreter Index):
- ,
- oder eine komplexwertige Funktion einer oder mehrerer stetig veränderlicher reeller Variablen:
- .
In allen Fällen liefert die Wellenfunktion eine vollständige Beschreibung des betreffenden physikalischen Systems. Es ist allerdings wichtig anzumerken, dass eine einem bestimmten System zugeordnete Wellenfunktion das System nicht eindeutig bestimmt, vielmehr können viele verschiedene Wellenfunktionen das gleiche physikalische Szenario beschreiben.
Teilcheninterpretation
Die physikalische Interpretation einer Wellenfunktion ist kontextabhängig. Mehrere Beispiele werden unten angeführt, gefolgt von einer Interpretation der oben beschriebenen drei Fälle.
Ein Teilchen in einer Raumdimension
Die Wellenfunktion eines Teilchens im eindimensionalen Raum ist eine komplexe Funktion über der Menge der reellen Zahlen. Das Betragsquadrat der Wellenfunktion, , wird als Wahrscheinlichkeitsdichte der Teilchenposition interpretiert.
Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung das Teilchen im Intervall [a,b] zu finden, ist folglich
- .
Dies führt zu der Normierungsbedingung
da eine Messung der Teilchenposition eine reelle Zahl ergeben muss. Das heißt: Die Wahrscheinlichkeit, ein Teilchen an irgendeinem Ort zu finden, ist gleich 1.
Ein Teilchen in drei Raumdimensionen
Der dreidimensionale Fall ist analog zum Eindimensionalen; Die Wellenfunktion ist eine komplexe Funktion definiert über dem dreidimensionalen Raum, und ihr Betragsquadrat wird als dreidimensionale Wahrscheinlichkeitsdichte interpretiert. Die Wahrscheinlichkeit, bei einer Messung das Teilchen im Volumen R zu finden, ist deshalb
- .
Die Normierungsbedingung ist analog zum eindimensionalen Fall
wobei das Integral sich über den gesamten Raum erstreckt.
Zwei unterscheidbare Teilchen in drei Raumdimensionen
In diesem Fall ist die Wellenfunktion eine komplexe Funktion von sechs Raumvariablen,
- ,
und ist die gemeinsame Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion der Positionen beider Teilchen. Die Wahrscheinlichkeit einer Positionsmessung beider Teilchen in den beiden jeweiligen Regionen R und S ist dann
wobei dV1 = dx1dy1dz1 und ebenso für dV2. Die Normierungsbedingung ist deshalb
- ,
wobei das vorgestellte Integral über den gesamten Bereich aller sechs Variablen reicht.
Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass im Fall von Zwei-Teilchen-Systemen nur das System, das aus beiden Teilchen besteht, eine wohldefinierte Wellenfunktion haben muss. Daraus ergibt sich, dass es unmöglich sein kann, eine Wahrscheinlichkeitsdichte für Teilchen EINS zu definieren, welche nicht ausdrücklich von der Position von Teilchen ZWEI abhängt. Die Moderne Physik nennt dieses Phänomen Quantenverschränkung bzw. Quanten-Nichtlokalität.
Ein Teilchen im eindimensionalen Impulsraum
Die Wellenfunktion eines eindimensionalen Teilchens im Impulsraum ist eine komplexe Funktion definiert auf der Menge der reellen Zahlen. Die Größe wird als Wahrscheinlichkeitsdichtefunktion im Impulsraum interpretiert. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine Impulsmessung einen Wert im Intervall [a,b] ergibt, ist folglich
- .
Dies führt zur Normierungsbedingung
- ,
weil eine Messung des Teilchenimpulses immer eine reelle Zahl ergibt.
Spin 1/2- Teilchen (z. B. Elektron)
Die Wellenfunktion eines Teilchens mit Spin 1/2 (ohne Berücksichtigung seiner räumlichen Freiheitsgrade) ist ein Spalten-Vektor
- .
Die Bedeutung der Komponenten des Vektors hängt von der verwendeten Basis ab, typischerweise entsprechen c1 und c2 den Koeffizienten für eine Ausrichtung des Spins in z-Richtung (spin up) und entgegen der z-Richtung (spin down). In der Dirac-Notation ist dies:
Die Werte und werden dann als die Wahrscheinlichkeiten interpretiert, dass der Spin bei einer Messung in z-Richtung oder entgegen der z-Richtung orientiert ist.
Dies führt zur Normierungsbedingung
- .
Grundsätzliche Interpretation der Vektor-Darstellung
Wellenfunktionen lassen sich als Elemente eines Vektorraums auffassen (Hilbertraum). Eine Wellenfunktion, die den Zustand eines physikalischen Systems beschreibt, kann durch Linearkombination von anderen Zuständen desselben Systems beschrieben werden. Wir bezeichnen den Zustand des betrachteten Systems als und die Zustände, in die es entwickelt wird, als . Die letzteren Zustände sollen eine Basis des Vektorraums darstellen. Im Folgenden werden alle Wellenfunktionen als normiert angenommen.
Endliche Vektoren
Eine vektorielle Wellenfunktion mit n Komponenten beschreibt, wie man den Zustand des physikalischen Systems als lineare Kombination endlich vieler Grundelemente , welche i von 1 zu n laufen, ausdrückt. Insbesondere ist die Gleichung
- ,
welche eine Relation zwischen Spaltenvektoren ist, gleichwertig mit der Basiszerlegung
- ,
welche eine Relation zwischen den Zuständen eines physikalischen Systems ist. Zu beachten ist dass man beim Wechsel zwischen diesen Ausdrücken die verwendete Basis kennen muss, und folglich zwei Spaltenvektoren mit den gleichen Komponenten zwei verschiedene Systemzustände repräsentieren, wenn die zugrundegelegten Basiszustände verschieden sind. Ein Beispiel einer endlichen, vektoriellen Wellenfunktion ist gegeben durch den Spinzustand eines Teilchens mit Spin 1/2, wie oben beschrieben.
Die physikalische Bedeutung der Komponenten von ist durch das Postulat des Zusammenbruchs der Wellenfunktion gegeben:
- Wenn den Zuständen eindeutige, endliche Werte λi diskret-wertiger dynamischer Variablen entsprechen (z. B. Komponenten von Bahndrehimpuls , Spindrehimpuls und Gesamtdrehimpuls ), und diese Variablen in einem System im Zustand gemessen werden,
- dann ist die Wahrscheinlichkeit, den Wert λk zu messen, gegeben durch | ck | 2, und wenn die Messung den Wert λk ergibt, dann nimmt das System unmittelbar danach den Zustand an.
(Impuls- und Ortsvariable haben dagegen ein kontinuierliches Spektrum. Bei ihnen ist die Basiszerlegung durch ein Integral gegeben, das heißt, die obige Summendarstellung für ist durch ein Integral zu ersetzen, und die Wahrscheinlichkeiten | ck | 2 durch Ausdrücke der Form dκ | c(κ) | 2 .)
Unendliche Vektoren
Der Fall unendlicher Vektoren mit diskretem Index wird genauso behandelt wie ein endlicher Vektor, mit der Ausnahme dass die Summe über alle (unendlich viele) Basiselemente ausgedehnt wird. Folglich ist
äquivalent zu
- ,
wobei in der obenstehenden Summe alle Komponenten von berücksichtigt sind. Die Interpretation der Komponenten ist die gleiche wie im endlichen Fall (ebenso wie das Kollapspostulat).
Stetig indizierte Vektoren (Funktionen)
Falls der Index nicht diskret, sondern stetig ist, wird die Summe durch ein Integral ersetzt; ein Beispiel dafür ist die örtliche Darstellung der Wellenfunktion eines Teilchens in einer Dimension, welche den (abstrakten) Zustand des Teilchens in einer speziellen Ortsbasis darstellt:
- .
Dabei ist der Zustandsvektor nicht zu verwechseln mit seiner „Komponenten-Darstellung“ im Ortsraum. Der erstere Ausdruck bezeichnet den Zustand des Teilchens abstrakt, und ohne Bezug auf eine spezielle Basisdarstellung, während der letztere die Wellenfunktion im Ortsraum bezeichnet, welche als Superposition der Basiszustände mit definierten Positionen interpretiert wird. Die Basiszustände können auch als Integral
formuliert werden. Damit kann eine zu gehörende Wellenfunktion im Ortsraum auch als Delta-Distribution δ(x − x0) geschrieben werden. Man beachte, dass letztere jedoch nicht als gewöhnliche Wellenfunktion im Hilbertraum der quadratintegrablen Funktionen enthalten ist.
Formalismus
Bei einem gegebenen isolierten physikalischen System sind die erlaubten Zustände (also die Zustände, die das System einnehmen kann, ohne die Gesetze der Physik zu verletzen) eine Teilmenge eines Vektorraums H, des Hilbert-Raums. Konkret ist diese Teilmenge die Menge aller Vektoren mit der Länge 1, also die Einheitskugel um den Ursprung. Dies folgt aus der Tatsache, dass alle physikalisch erlaubten Zustände normiert sind. Daraus folgt:
- Wenn und zwei erlaubte Zustände sind, dann ist ebenfalls ein erlaubter Zustand genau dann wenn | α | 2 + | β | 2 = 1 gilt (Normierung).
- Wegen der Normierung kann für den Vektorraum H stets eine Orthonormalbasis aus physikalisch erlaubten Zuständen gefunden werden.
In diesem Zusammenhang kann die Wellenfunktion eines bestimmten Zustands als Entwicklung des Zustandes auf einer Basis des Vektorraums H betrachtet werden. Zum Beispiel ist
eine Basis des Raums, der ein Teilchen mit Spin 1/2 beschreibt, und daraus folgt, dass der Spinzustand eines solchen Teilchens durch
- eindeutig beschrieben wird.
Es ist üblich, H mit einem inneren Produkt (Skalarprodukt) zu versehen, wobei die Art des inneren Produkts von der verwendeten Basis abhängt. Wenn es abzählbar viele Basiselemente , welche alle zu H gehören, gibt, dann ist H mit dem eindeutigen inneren Produkt, welches diese Basis orthonormal macht, versehen, z. B.:
Wenn das geschehen ist, ist das innere Produkt von mit der Entwicklung eines beliebigen Vektors
- .
Der Koeffizient ci der Entwicklung des Zustandes | ψ > in die Basis ergibt sich also durch Projektion auf den Basisvektor .
Wenn die Eigenwerte ein Kontinuum bilden, was zum Beispiel bei der Orts- oder Koordinaten-Basis der Fall ist, lässt sich aus den entsprechenden Eigenzuständen kein Hilbertraum aufbauen, da diese Eigenzustände nicht quadratintegrabel sind. Durch Verwendung der Dirac'schen Delta-Distribution lässt sich jedoch für diese Basiszustände eine verallgemeinerte Orthonormalisierungsbedingung formulieren. Derartige Basen werden auch als uneigentliche Basen bezeichnet. Ein Beispiel dafür ist die oben erwähnte Entwicklung der räumlichen Wellenfunktion eines Teilchens in Zustände mit bestimmter Position x, mit der Dirac-Normalisierung
so dass die analoge Identität
erfüllt ist.
Siehe auch
- Boson – Teilchen mit symmetrischer Wellenfunktion unter Permutation.
- Fermion – Teilchen mit antisymmetrischer Wellenfunktion unter Permutation.
- Dimension (Physik)
- Dimension (Mathematik)
- Austauschwechselwirkung
Weblinks
Quelle
Der Text ab dem Abschnitt Definition basiert auf einer Übersetzung des Artikels aus der englischsprachigen Wikipedia, en:Wave function, Version vom 12. März 2006.
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