Schuldenbremse

Schuldenbremse

Als Schuldenbremse werden konstitutionelle Selbstbindungen und zwischenstaatliche Vereinbarungen bezeichnet, durch die Staaten ihren Regierungen und Parlamenten einerseits die Möglichkeit nehmen, im Übermaß Verschuldungen einzugehen sowie auch die Verpflichtung auferlegen, eventuell bestehende übermäßige Verschuldungen zurückzufahren. Indirekt wird damit regelmäßigen oder übermäßigen staatlichen Haushaltsdefiziten, die die Hauptursache für übermäßige Staatsverschuldungen sind, entgegengewirkt.

Ausnahmen von der Schuldenbremse werden typischerweise nur für Sonderfälle wie wirtschaftliche Depressionen, Naturkatastrophen und Kriegszustände zugelassen. In manchen Schuldenbremsen ist auch eine Ausnahme auch durch eine qualifizierte mehrheitliche Zustimmung des Parlaments möglich.

Die konkrete Ausgestaltung von Schuldenbremsen, ihre Sanktionsbewehrung und ihre Wirksamkeit ist in verschiedenen Ländern unterschiedlich.

Inhaltsverzeichnis

Schuldenbremse in Deutschland

Im Stabilitäts- und Wachstumspakt der Europäischen Union verpflichten sich die Mitgliedsländer prinzipiell zu einer Neuverschuldung von maximal 3 % des Bruttoinlandsprodukts und einem Schuldenstand von maximal 60 % des Bruttoinlandsprodukts.Deutschland konnte diese Vorgaben in den letzten Jahren nicht einhalten. Zudem steigt die Staatsverschuldung im Jahr 2011 auf über 2 Billionen Euro an - das macht eine Pro-Kopf-Verschuldung von über 25.000 Euro aus[1]. Die Ausgaben der öffentlichen Haushalte beliefen sich im Jahr 2009 auf 1692,2 Milliarden Euro, die staatliche Verschuldung machte ein Jahr später rund 78,8 Prozent des BIP aus[2]. Angesichts dieser massiven Schuldenlage hat sich die Bundesregierung zur Einführung einer Schuldenbremse entschlossen. Der Grundsatz: Der öffentliche Haushalt muss ohne eine weitere Aufnahme von Krediten zu finanzieren sein. Zur Einführung dieser Schuldenbremse war eine Verfassungsänderung nötig: Die Freigabe dazu gab die Föderalismuskommission 2009, die Schuldenbremse wurde in Art. 109, Abs. 3 im Grundgesetz festgeschrieben[3].

Mit der staatlichen Schuldenbremse verpflichtet sich der Bund, die jährliche Netto-Kreditaufnahme auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandproduktes (BIP) zu begrenzen. Die Länder sollen ohne jegliche Netto-Kreditaufnahme auskommen. Werden in konjunkturschwachen Phasen mehr Kredite aufgenommen, muss dies in konjunkturell starken Phasen wieder ausgeglichen werden. Ein Stabilitätsrat soll die Haushalte von Bund und Ländern überwachen und gegebenenfalls Sanierungsverfahren einleiten. Mitglieder im Stabilitätsrat sind die Finanzminister der Länder, der Bundesfinanzminister und der Bundeswirtschaftsminister. Abweichungen von diesen Vorgaben sind für den Bund noch bis 2015 zulässig, für die Länder bis Ende 2019[4].

Ohne Schuldenbremse würde sich das Schuldendefizit des Bundes bis zum Jahr 2013 Hochrechnungen zufolge auf 82 Prozent des BIP belaufen[5]. Mit den beschriebenen Maßnahmen hofft die Bundesregierung, die Vorgaben von Maastricht erfüllen und gleichzeitig das Schuldendefizit abbauen zu können. Bis zum Jahr 2016 muss das strukturelle Defizit des Bundes in Jahresraten von 10 Milliarden Euro zurückgeführt werden.

Unter den verschuldeten Bundesländern belegen Berlin[6], Bremen, das Saarland, Sachsen-Anhalt und Hamburg Spitzenplätze, mit Neuverschuldungen von jeweils über 0,74 Milliarden Euro pro Jahr[7]. Eine aktuelle Studie der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft zeigt, dass die Bundesländer von der Schuldenbremse bereits profitieren: Sachsen, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Baden-Württemberg werden bei anhaltender Entwicklung ihre Defizite bereits bis 2013 abgebaut haben können - weit vor dem Stichtag, dem 31. Dezember 2019. Für NRW wird dagegen in 2013 sogar ein höheres Haushaltsdefizit erwartet als in den Vorjahren[8].

Schuldenbremse in der Schweiz

Nach einer Volksabstimmung im Jahr 2001 ist 2003 die Schuldenbremse in der Schweiz in Kraft getreten. Durch diese Verfassungsregelung wird der Bund verpflichtet, Einnahmen und Ausgaben über den Konjunkturzyklus hinweg im Gleichgewicht zu halten.

Schuldenbremse in EU-Staaten

Neben Deutschland und der Schweiz beschlossen im Verlauf von 2011 noch weitere europäische Staaten, eine Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern. Frankreich jedoch scheiterte bei den Bemühungen, eine Schuldenbremse einzuführen. Dabei hatte sich gerade Frankreichs Staatspräsident Nicolas Sarkozy zusammen mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel für die EU-weite Einführung von Defizitgrenzen stark gemacht. Im eigenen Land verhinderte allerdings der überraschende Erfolg der Sozialistischen Partei bei den Senatswahlen im September 2011 die Festlegung dieser Defizitgrenzen. Im Gegensatz zu Sarkozys konservativer Partei lehnen die Sozialisten die Schuldenbremse ab. Mit einer Mehrheit im Senat kann sie die Einführung der Schuldenbremse blockieren. Selbst, wenn Sarkozy im Jahr 2012 als Staatspräsident wiedergewählt werden sollte, stehen damit die Chancen auf Einführung einer Defizitgrenze auf Null[9].

Schuldenbremse Spanien

In Spanien trat die Verfassungsänderung zur Schuldenbremse im September 2011 in Kraft. Damit kam die spanische Regierung unter Zapatero den Forderungen von Bundeskanzlerin Merkel und dem französischen Präsidenten Sarkozy nach, verbindliche Defizite und Verschuldungsgrenzen verfassungsmäßig festzuschreiben. Im August hatte Zapatero die Schuldenbremse per "Blitzreform" auf den Weg gebracht. Das Abgeordnetenhaus stimmte mit einer deutlichen Mehrheit von 316 der 350 möglichen Stimmen für das Gesetz.[10]. Die spanische Regierung möchte mit der Verfassungsänderung die Staatsverschuldung in Höhe von 60,1 Prozent des BIP (2010) in den Griff bekommen.

Schuldenbremse Italien

Italiens Staatsverschuldung lag 2010 bei 119 Prozent des BIP - und damit 59 Prozentpunkte über den in der Eurozone zwischenstaatlich vereinbarten 60 Prozent, also fast doppelt so hoch wie vereinbart. 1,9 Billionen Euro Schulden hat das Land 2011. Im September 2011 brachte die Regierung unter Silvio Berlusconi daher eine Schuldenbremse auf den Weg. In einem zweiten Sparpaket sollen 54,2 Milliarden Defizite abgebaut werden; ein erstes Sparpaket in Höhe von 48 Milliarden Euro war bereits im Juli 2011 verabschiedet worden. Mit diesen Maßnahmen möchte die italienische Regierung bis 2013 von einem Haushaltsdefizit zunächst zu einem ausgeglichenen Haushalt gelangen[11]. Zur Reduzierung der italienischen Staatsschulden auf das vereinbarte Niveau ist jedoch ein positiver Haushaltsüberschuss notwendig.

Schuldenbremse Polen

Auch in Polen konnte eine Schuldenbremse erfolgreich in der Verfassung verankert werden - im Frühjahr 2011 wurden die Weichen dafür gestellt. Die Defizitgrenze beläuft sich in dem Staat mit einer Schuldenquote von 55 Prozent des BIP auf ein Prozent Netto-Neuverschuldung. Die einzelnen Kommunen haben vier Jahre Zeit, um die Haushaltskonsolidierung voranzutreiben.

Schuldenbremse Bulgarien

Bulgarien gehört ebenfalls zu den europäischen Staaten, die eine Schuldenbremse eingeführt haben. 2010 lagen die Staatsausgaben bei 38 Prozent des BIP, die Staatsverschuldung ist mit 16,2 Prozent des BIP vergleichsweise niedrig. Dennoch hat der Staat nun verfassungsrechtliche Defizitgrenzen ab 2013 verankert[12]. Die jährliche Neuverschuldung darf sich dann maximal auf drei Prozent des BIP belaufen, die jährlichen Staatsausgaben auf 37 Prozent des BIP.

Schuldenbremse Portugal

Portugal weist 2010 eine hohe Staatsverschuldung von 93 Prozent des BIP auf und liegt damit 13 Prozentpunkte über dem europäischen Mittel. Die jährliche Neuverschuldung beläuft sich auf 9,3 Prozent des BIP. In einem Zeitraum von vier Jahren möchte die portugiesische Regierung den Haushalt konsolidieren und die Staatsausgaben drücken. Zu den Sarnierungsmaßnahmen gehören unter anderem Einsparungen im Bereich der Rüstung (Einsparungen von 40 Prozent), die Kürzung von Sozialausgaben und das Streichen von Steuererleichterungen. Außerdem sollen mit Hilfe von Privatisierungsmaßnahmen Einnahmen in Höhe von 3,6 Prozent des BIP erzielt werden. Festgesetzt wurde die Schuldenbremse im Oktober 2011[13].

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Bund der Steuerzahler
  2. Bundesregierung - Schuldenbremse Flash-Demonstration
  3. ebd.
  4. Bundesfinanzministerium: Schuldenbremse Glossar
  5. Bundesregierung - Schuldenbremse Flash-Demonstration
  6. Schulden-Bremse.de: Schulden in Berlin
  7. Bundesregierung - Schuldenbremse Flash-Demonstration
  8. INSM: Konsolidierungscheck Bundesländer
  9. http://www.ftd.de/politik/europa/:pleite-bei-senatswahl-sarkozy-kann-schuldenbremse-abschreiben/60109109.html
  10. http://www.handelsblatt.com/politik/international/spanien-fuehrt-schuldenbremse-ein/4569426.html
  11. http://www.handelszeitung.ch/konjunktur/europa/schuldenbremse-italien-zieht-nach
  12. http://www.wirtschaftsblatt.at/home/international/osteuropa/auch-bulgarien-zieht-die-schuldenbremse-459506/index.do
  13. http://www.nzz.ch/nachrichten/kultur/literatur_und_kunst/portugal_tritt_auf_die_schuldenbremse_1.5168658.html

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