Schule ohne Rassismus

Schule ohne Rassismus
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Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage (SOR-SMC) ist eine europäische Jugendbewegung. Nationale Koordinierungsstellen gibt es in Belgien (seit 1988), wo das Projekt entstand, den Niederlanden (seit 1992), Deutschland (seit 1995), Österreich (seit 1999) und Spanien (seit 2002).

Gemeinsam ist Schule ohne Rassismus in allen beteiligten Ländern folgende Grundidee: Schulen, die sich dem Netzwerk anschließen, einigen sich in einer Selbstverpflichtung mehrheitlich darauf, aktiv gegen Rassismus vorzugehen. Über diese Grundidee hinaus wird das Projekt in den einzelnen Ländern unterschiedlich umgesetzt, da die nationalen Besonderheiten der Schullandschaft zu berücksichtigen sind.

Inhaltsverzeichnis

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage in Deutschland

Die Halepaghen-Schule in Buxtehude ist eine Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage

Schule ohne Rassismus wurde in Deutschland 1995 von AktionCourage e. V. initiiert. Angesichts der zunehmenden fremdenfeindlichen und rechtsextremistisch motivierten Gewalt in Deutschland reifte die Überlegung: Es sollte in Deutschland eine Organisation geben, in der Kinder und Jugendliche die Möglichkeit haben, ihren Beitrag zum Aufbau einer Zivilgesellschaft zu leisten.

Am 21. Juni 1995 wurde in Deutschland die erste „Schule ohne Rassismus“ ausgezeichnet. Pate ist der Fernsehjournalist Friedrich Küppersbusch. In den Jahren 1995 bis 2000 firmierte das Projekt in Deutschland, analog zu den europäischen Partnerländern, unter dem Namen „Schule ohne Rassismus“ und war zunächst ein im Wesentlichen auf Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen begrenztes regionales Projekt.

2000 übernahm die Pädagogin und Deutsch-Türkin Sanem Kleff die Projektleitung und konzipierte das Projekt inhaltlich und organisatorisch neu. Sie verlegt das Büro von Bonn nach Berlin. Seitdem sind nicht nur der Rassismus im klassischen Sinne, sondern alle Formen von Diskriminierung (aufgrund der Religion, der sozialen Herkunft, des Geschlechts, körperlicher Merkmale, der politischen Weltanschauung und der sexuellen Orientierung) in den Projektansatz mit einbezogen. Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage orientiert sich dabei an Artikel 21 der 2000 verabschiedeten und am 1. Dezember 2009 in Deutschland in Kraft getretenen Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Dort heißt es: „Diskriminierungen, insbesondere wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der ethnischen oder sozialen Herkunft, der genetischen Merkmale, der Sprache, der Religion oder der Weltanschauung, der politischen oder sonstigen Anschauung, der Zugehörigkeit zu einer nationalen Minderheit, des Vermögens, der Geburt, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung, sind verboten.“

Schule ohne Rassismus - Schule mit Courage bietet Kindern und Jugendlichen einen Rahmen, in dem sie erste Schritte hin zur gesellschaftspolitischen Partizipation einüben und aktiv an der inhaltlichen Ausgestaltung der Menschenrechtserziehung teilnehmen können. In seiner Begründung zur Verleihung der Buber-Rosenzweig-Medaille schreibt der Deutscher Koordinierungsrat der Gesellschaften für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit im Jahr 2001: „Das Projekt setzt sich nachhaltig dafür ein, Unterricht und Zusammenleben so zu gestalten, das Gewalt und Angst keine Chancen haben, die Mauer von Vorurteilen durchbrochen wird, ethnische und religiöse Minderheiten in ihren Eigenarten respektiert und integriert werden.“ Und das Bündnis für Demokratie und Toleranz der Bundesregierung begründet die Auszeichnung der Initiative als Botschafter der Toleranz im Jahr 2004: „Die Schüler beziehen Position zu täglicher Diskriminierung in ihrem Lebensumfeld und engagieren sich zusammen mit Partnern, etwa aus der Jugendarbeit oder dem kirchlichen Bereich.“

Organisation und Zielsetzung

Im Oktober 2011 gehören deutschlandweit ca. 970 Schulen, die von rund 750.000 Schülern besucht werden, dem Netzwerk von Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage an. SOR-SMC ist damit das größte Schulnetzwerk in Deutschland. Neben der Bundeskoordination in Berlin, die die nationale Koordinierung des Netzwerkes, die Titelverleihungen und inhaltliche Weiterentwicklung verantwortet, gibt es in 15 Bundesländern 16 Landeskoordinationen. Die Landeskoordinationen werden von der Bundeskoordination ernannt.

Die Bundeskoordination und die Landeskoordinationen unterstützen die Kinder und Jugendlichen bei ihren selbst bestimmten Aktivitäten im Bereich der Menschenrechtserziehung. SOR-SMC ist eine Initiative von unten. Das heißt, nicht die Erwachsenen, sondern die Kinder und Jugendlichen bestimmen, was die Inhalte ihrer Aktivitäten im Rahmen von SOR-SMC sein sollen.

Kooperationspartner

SOR-SMC hat bundesweit vielfältige Kooperationspartner, Förderer und über 1000 Paten. Unter den Kooperationspartner sind so unterschiedliche Organisationen wie die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, das Jüdisches Museum Berlin, das Anne Frank Zentrum, die Medienanstalt Berlin-Brandenburg und staatliche Einrichtungen wie die Bundeszentrale für politische Bildung, aber auch viele kleinere Projekte und Initiativen. 2011 stiegen auch die Schulen von Campus Berufsbildung e.V[1] in die Initiative Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage ein. Zum Start des Projekts gab es im September 2011 einen Veranstaltungstag zum Thema Diskriminierung und Toleranz.

Einen wichtigen Rolle bei SOR-SMC spielen die Paten. Mehr als 1000 Persönlichkeiten unterstützen eine oder mehrere Schulen, darunter Fußballspieler, Künstler, Musiker, Schauspieler und Politiker. Mitglieder aller im Bundestag vertretenen Parteien unterstützen das Anliegen von SOR-SMC, ebenso Vertreter von Gewerkschaften und Glaubensgemeinschaften.

Aufnahmebedingungen

Um den Titel Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage zu bekommen, müssen Schulen drei Voraussetzungen erfüllen: Mindestens 70 Prozent aller Menschen, die in einer Schule lernen und arbeiten, müssen eine Selbstverpflichtungserklärung unterschreiben, dass sie sich künftig gegen jede Form von Diskriminierung wenden. Sollte es zu Diskriminierungen kommen, verpflichten sich die Unterzeichner zu aktivem Einschreiten. Schließlich muss eine SOR-SMC-Schule mindestens einmal im Jahr einen Projekttag zum Thema durchführen. Außerdem muss die Schule, bevor sie den Titel verliehen bekommt, einen Paten finden, der ihre Schule unterstützt.

Kontroversen

Die Organisation SOR-SMC bringt jährlich die Zeitung „Q-Rage“ für Schüler mit einer Auflage von einer Million Exemplaren heraus. In der Ausgabe vom 28. November 2008 wurde ein Artikel zweier jugendlicher Journalisten mit dem Titel Die evangelikalen Missionare veröffentlicht.[2] Dieser kritisierte unter anderem Teile des Christival 2008.[3][4] In evangelikalen Gemeinden würden „erzkonservative, zum Teil verfassungsfeindliche Ideologien fast nebenbei vermittelt“. Der Chef der Bundeszentrale für politische Bildung, Thomas Krüger, bemerkte in einem mit dem Heft an allen Schulen in Deutschland verbreiteten Anschreiben: „In der Zeitung finden sich interessante Informationen, wie islamistische und evangelikale Gruppen, die wichtige Freiheitsrechte in Frage stellen, Jugendliche umwerben“.[5] Der Artikel in Verbindung mit dem Begleitschreiben wurde von der Deutschen Evangelischen Allianz scharf kritisiert, da er „eine Verletzung der Menschenrechte“ darstelle.[6] Evangelikale Christen würden in dem Artikel „massiv diskriminiert“. Da der Vertrieb der Zeitung von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziell gefördert wird,[7] stellte die Evangelische Allianz in einem Brief an den Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble die Forderung, dass sich die Bundesregierung von dem Artikel distanzieren und eine weitere Zusammenarbeit überdacht werden solle. Der Geschäftsführer des Christlichen Medienverbundes KEP, Wolfgang Baake, forderte den Rücktritt von Thomas Krüger, da er in seinem Begleitschreiben Islamisten und Evangelikale undifferenziert in einem Atemzug genannt habe. „Selbst wenn es unter den Evangelikalen den Islamisten vergleichbare Strömungen gäbe, müssten die immer noch vom Rest der Evangelikalen unterschieden werden. Diese Unterscheidung nimmt Krüger nicht vor. Stattdessen diffamiert er alle Evangelikalen“[5]. Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Ernst-Reinhard Beck bezeichnete Krügers Schreiben als „absolut inakzeptabel“ und forderte mit Unterstützung des Kuratoriumsvizepräsidenten Dieter Grasedieck (SPD) eine „Distanzierung ohne Wenn und Aber“, zumal sich in seinem Büro die Protestbriefe stapelten.[3] Daraufhin distanzierte sich Thomas Krüger sowohl vom Artikel als auch von seinem Begleitschreiben, welches der eigentliche Anstoß der Diskussion gewesen war[4]. Er konstatierte, die Bundeszentrale für politische Bildung halte „diesen Beitrag in seiner Einseitigkeit und Undifferenziertheit für gänzlich unakzeptabel“. Man habe „auf die ausgewogene Berichterstattung früherer Ausgaben vertraut“.[3]

Spiegel.de verteidigte die jugendlichen Autoren der Zeitung, die unter anderem von Spiegel-online-Autoren unterstützt worden seien, gegen die Kritik. Wie auch andere Medien hätten sie kritisch über das Christival berichtet und seien dabei ungewollt in einen „Kulturkampf“ geraten. Sie hätten zwar keinen ausgewogenen Text verfasst, sondern Stellung bezogen; eine Hetzschrift sei der Text jedoch nicht. Die „Aufregung um eine Schülerzeitung und einen Brief“ bei „christlichen Lobbygruppen“ sei überzogen; der Vorwurf, mit Steuergeldern werde Hetze gegen Christen betrieben, sei von evangelikalen Funktionären konstruiert, der Furor „vollkommen übertrieben“. [3] Klaus Jetz, Geschäftsführer des LSVD, bewertete den Rückzug Krügers mit den Worten: „Nicht Zivilcourage scheint gefragt, sondern Duckmäusertum.“[8]

Der Evangelische Arbeitskreis (EAK) von CDU und CSU warf nach einer durch diese Ereignisse angestoßenen kritischen Durchsicht dem Projekt vor, der eigentliche Rassismus spiele „eine untergeordnete Rolle“ und werde „überwiegend den Religionen, allen voran dem Christentum zugeschrieben sowie einseitig als Problem rechter Positionen von der CDU bis zu rechtsradikalen Gruppen angesehen“. So heißt es in einem SOR-Text, der unter Schüler gebracht wurde: „Mit dem Terminus ‚Rechtspopulismus’ werden diejenigen Parteien in Europa bezeichnet, die sich auf wertkonservative, vor allem christliche Traditionen berufen.“
Der EAK beruft sich in seiner Kritik auf eine Studie des Religionswissenschaftlers Thomas Schirrmacher. Viel öfter gehe es um Themen wie die sexuelle Orientierung, so Schirrmacher, statt in erster Linie das Zusammenleben von Menschen unterschiedlicher Herkunft zu thematisieren. Zudem werde das Christentum einseitig negativ beschrieben. So heißt es in einer Veröffentlichung der SOR unter anderem: „Religion und Gewalt sind schwer voneinander zu trennen.“ Der Islam werde zugleich fast ausschließlich unkritisch bewertet. So heißt es zum Beispiel, der islamische Terrorismus habe „oft nur nominell religiöse Motive“. Von seinem Selbstverständnis her sei der Islam jedoch „keine aggressive und kriegerische Religion“. Auch die Mitwirkung der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) an dem Projekt schlage sich in politisch einseitiger Weise nieder. So unterstellt das Projekt in Publikationen dem dreigliedrigen Schulsystem, es fördere Rassismus, da es „Teil des Systems der Ausgrenzung“ sei. Resümierend stellt Schirrmacher fest, das Projekt sei politisch zu einseitig positioniert. „Eine parteiübergreifende Initiative gegen Rassismus oder gar eine Initiative, die alle dieses Anliegen teilenden gesellschaftlichen Gruppen eint, kann SOR schlechterdings nicht genannt werden“. Vielmehr werde die Rassismusproblematik genutzt, „um politische und ethische Gegner in ein schlechtes Licht zu stellen, die des Rassismus völlig unverdächtig sind“. Politisch linksgerichtete Organisation würden dagegen nicht kritisiert.[9]

Der EAK-Vorsitzende Thomas Rachel monierte gegenüber der Zeitung Die Welt, die Darstellung des Christentums habe mit dem christlichen Leben in Deutschland nichts zu tun und sei verunglimpfend. „Wer beansprucht, gegen Vorurteile und Rassismus aufzuklären, faktisch aber neue Vorurteile aufbaut, muß sich die Frage gefallen lassen, ob er weiterhin mit öffentlichen Geldern finanziert werden kann“, so Rachel. Die Pauschalverurteilungen seien augenscheinlich darauf zurückzuführen, dass sowohl der SOR-Geschäftsführer als auch viele Autoren aus dem Milieu der linksalternativen taz stammen.[10]

Ende März 2009 erschien „Christen in der Demokratie“[11] die erste von zwei geplanten Publikationen seitens der Bundeszentrale für politische Bildung mit Beiträgen von Robert Zollitsch, Wolfgang Huber, Bernhard Sutor, Friedrich Wilhelm Graf, Thomas Schirrmacher und weiteren Autoren. Diese erste Publikation erntete aufgrund des Beitrags von Thomas Schirrmacher, dem einzigen evangelikalen Theologen unter den Autoren, wiederum Kritik von der linksalternativen Tageszeitung „taz“, da sie evangelikalen Christen einseitig eine Plattform gäbe, ohne die Kritik an evangelikalen Standpunkten zu erwähnen.[12]

Veröffentlichungen

  • Die Bundeskoordination gibt seit 2005 die Zeitung „Q-rage“ heraus, die von Jungjournalisten mit redaktioneller Unterstützung professioneller Journalisten erstellt wird. Sie erscheint in einer Auflage von 1.000.000 Exemplaren und ist online verfügbar.
  • Seit 2007 betreibt sie das Internet-Radio „Radio Q-rage“.
  • Die Bundeskoordination veröffentlicht Materialien zu Themen wie „Medien und Rassismus“, „Religion“, „Rechte Symbole“.
  • 2008 wird die Broschüre „Jugendkulturen zwischen Islam und Islamismus“ herausgebracht. Diese wurde von der Bundeszentrale für politische Bildung gefördert.[13]
  • 2010 erscheint das Themenheft „Rechtsextremismus in der Einwanderungsgesellschaft“, das menschenverachtende Ideologien unter den vier größten Einwanderergruppen beleuchtet: Rechtsextreme und ultranationalistische Gruppierungen türkischer, russischer, exjugoslawischer und polnischer Herkunft.

Auszeichnungen

Das Projekt wurde bereits mehrfach ausgezeichnet:

Siehe auch

  • Liste der Initiativen gegen Rechtsextremismus in Deutschland

Literatur

  • Thomas Guthmann: Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage: theoretische Reflexionen über einen zivilgesellschaftlichen Ansatz zur Stärkung demokratischer Kultur an Schulen (Gutachten). Frankfurt/Main 2011, GEW, PID: http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:0168-ssoar-238466.

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Campus Berlin und die Campus Berufsbildung e.V. als Kooperationspartner
  2. Q-rage (PDF; 4,85 MB) S. 11 (28. November 2008). Abgerufen am 3. Juli 2011.
  3. a b c d spiegel.de: Evangelikale führen Kreuzzug gegen Schüler-Autoren. 20. Dezember 2008.
  4. a b Bundeszentrale knickt ein auf taz.de vom 19. Dezember 2008
  5. a b Christen pfui - Moslems hui: Mit öffentlichen Geldern gegen Evangelikale. Christlicher Medienverbund KEP (12. Dezember 2008). Abgerufen am 4. April 2011.
  6. Nach umstrittener Veröffentlichung in Schülerzeitung „Q-rage“. Deutsche Evangelische Allianz (15. Dezember 2008). Abgerufen am 28. Juli 2011.
  7. "Q-Rage"-Debatte geht weiter: Vom "Kreuzzug der Evangelikalen". Christlicher Medienverbund KEP (22. Dezember 2008). Abgerufen am 4. April 2011.
  8. Klaus Jetz: Stellungnahme des LSVD zum Streit um Q-rage. Abgerufen am 13. Februar 2010.
  9. Thomas Schirrmacher: Mit "Q-rage" gegen den Rassismus? - Ein Gang durch die Veröffentlichungen von 'Schule ohne Rassismus' - 'Schule mit Courage' (PDF; 1,36 MB). Evangelische Verantwortung S. 6-13. Evangelischer Arbeitskreis der CDU/CSU. Abgerufen am 28. Juli 2011.
  10. Streit um staatlich gefördertes Antirassismus-Projekt. Axel Springer AG (5. Mai 2009). Abgerufen am 28. Juli 2011.
  11. Bundeszentrale für politische Bildung: Christen in der Demokratie
  12. taz: Wiedergutmachung für Hardliner, 2. April 2009
  13. Dschihad statt Punk auf Spiegel Online vom 28. Oktober 2008.

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