- Antirassismus
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Antirassismus bezeichnet alle Ansätze, die zur Bekämpfung, Überwindung oder Dekonstruktion von Rassismus beitragen. Seine Ziele sind die Freiheit und Gleichberechtigung aller Menschen, und das Verhindern jeder Diskriminierung und Apartheid.
Formen
Es lassen sich viele verschiedene Argumentationslinien im Antirassismus unterscheiden:
- die humanistische besteht auf dem Gleichheitsgrundsatz und der Menschenwürde, wie beispielsweise in pluralistisch-demokratischen Gesellschaftssystemen und deren staatlichen Verfassungen postuliert, die durch Rassismus verletzt werden
- die christliche verweist auf den biblischen gemeinsamen Ursprung der Menschheit und die Gleichwertigkeit der Menschen als Adressaten der Botschaft Gottes
- die liberale argumentiert unter anderem wirtschaftlich, nach der Rassismus die persönliche Entfaltungsfreiheit sowie den Produktions- oder Konsumptionsprozess stört, bzw. auch den Wirtschaftsstandort gefährdet
- die interkulturelle betont den Zugewinn durch das gemeinsame Leben von Menschen unterschiedlicher Herkunft
- die antifaschistische wendet sich gegen den faschistischen Rassismus
- die anti-imperialistische, die sich mit den Auswirkungen von Imperialismus und Kolonialismus befasst,
- die autonome, die aus der Kritik an Staat und Herrschaft, gesellschaftlich institutionalisierte Formen des Rassismus angreift.
Dabei sind diese Formen keineswegs getrennt zu verstehen, häufig ergänzen sie sich auch gegenseitig, wobei sie sich auch teilweise entschieden widersprechen.
Geschichte
Widerspruch und Widerstand gegen Rassismus gab es schon immer, zum Beispiel in der Anti-Sklaverei-Bewegung, dem Schutz vor Vertreibung von Minderheiten oder der anti-antisemitischen Bewegung im späten 19. Jahrhundert.
Als Begriff tauchte Antirassismus erstmals nach der Befreiung Europas vom Faschismus auf, genauer in Sartres Vorwort Schwarzer Orpheus zu einer Anthologie von Leopold Senghor 1948. 1969 verabschiedete der Ökumenische Rat der Kirchen ein Antirassismus-Programm gegen die Unterdrückung von Minderheiten und vor allem die Apartheid in Südafrika.
Ein Widerspruch zwischen Antirassismus und Anti-Antisemitismus ist spätestens seit 1975 offenkundig, als arabische Staaten in der UN-Resolution 3379 versuchten, den Zionismus als Rassismus verurteilen zu lassen. Ähnliche Bestrebungen haben die Durchführung der Anti-Rassismus-Konferenz in Durban gefährdet. Dort konnten sich auch die vor allem afrikanischen und afro-amerikanischen Gruppierungen nicht mit ihrer Forderung durchsetzen, den Kolonialismus und die Sklaverei als Verbrechen gegen die Menschheit zu verurteilen.
Bedingt durch die Empörung über einige rechtsextremistisch und ausländerfeindlich motivierte Pogrome wie etwa in Rostock (Ausschreitungen von Rostock-Lichtenhagen), oder Mordanschläge wie in Solingen (Brandanschlag von Solingen) und Mölln (Brandanschlag von Mölln) Anfang der 1990er Jahre erhielt die antirassistische Bewegung in Deutschland Zulauf. Die Initiative kein mensch ist illegal ist daraus erwachsen. Von 1998 bis 2003 fanden jährlich antirassistische Grenzcamps statt, die staatlichen Rassismus zum Thema zahlreicher Aktivitäten an der deutschen Ostgrenze, an Flughäfen und im Hamburger Hafen machten.
Literatur
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- L. Bratic' [Hrsg.]: Landschaften der Tat. Vermessung, Transformationen und Ambivalenzen des Antirassismus in Europa. SozAKTIV, St. Pölten 2002, ISBN 3-901847-06-5
- T. Geisen: Antirassistisches Geschichtsbuch. Quellen des Rassismus im kollektiven Gedächtnis der Deutschen. IKO, Frankfurt am Main 1996.
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- W.-F. Haug: Politisch richtig oder richtig politisch, Linke Politik im transnationalen High-Tech-Kapitalismus. Argument, Hamburg 1999.
- M. Heinemann, A. Schobert, C. Wahjudi: Handbuch Antirassismus. Projekte und Initiativen gegen Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Kokerei Zollverein, Essen 2002
- S. Hess, A. Linder: Antirassistische Identitäten in Bewegung. edition diskord, Tübingen 1997.
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- jour fixe initiative berlin (Hg.) : Wie wird man fremd? Unrast Verlag, ISBN 3-89771-405-1
- S. Jäger [Hrsg.]: Aus der Werkstatt: Antirassistische Praxen. Konzepte - Erfahrungen - Forschung, DISS, Duisburg 1994, ISBN 3-927388-45-9
- A. Kalpaka, N. Räthzel [Hrsg]: Die Schwierigkeit nicht rassistisch zu sein. 2. Auflage. Mundo, Leer 1990
- M. Lange, M. Weber-Becker: Rassismus, Antirassismus und interkulturelle Kompetenz. Institut für berufliche Bildung und Weiterbildung, Göttingen 1998.
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- B. Roß (Hrsg.): Migration, Geschlecht und Staatsbürgerschaft. Perspektiven für eine antirassistische und feministische Politik und Politikwissenschaft. Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden 2004
- N. Seibert: Vergessene Proteste: Internationalismus und Antirassismus 1964-1983. Münster 2008. ISBN 978-3-89771-032-0
- H. Steyerl, Encarnación Gutiérrez Rodríguez (Hg.): Spricht die Subalterne deutsch? Migration und postkoloniale Kritik. Unrast Verlag, 2003, ISBN 3-89771-425-6
- P.-A. Taguieff: Die Macht des Vorurteils. Der Rassismus und sein Double. Hamburger Edition, Hamburg 2000.
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