Schulpsychologe

Schulpsychologe

Schulpsychologie ist die Unterstützung von Schule in ihrem Bildungs- und Erziehungsauftrag mit psychologischen Mitteln und Wissen. Sie ist keine eigenständige Teildisziplin der Psychologie, sondern ein Berufsfeld. Neben der Pädagogischen Psychologie stützt sie sich auf die Diagnostik, Klinische Psychologie und Organisationspsychologie.


Inhaltsverzeichnis

Aufgabenfelder

Organisation und Selbstverständnis der schulpsychologischen Dienste im deutschsprachigen Raum sind sehr verschieden. Deshalb decken sie oft nur Teilbereiche der Aufgabenbeschreibungen ab. Dies hat mit der Geschichte der Dienste, ihrer Konzeption und der Zahl der Mitarbeiter zu tun.

Einzelfallarbeit

Die Einzelfallarbeit ist die Beratung von Lehrern, Schülern und Eltern bei psychologischen Problemen in der Schule. Sie ist fast überall der Kern schulpsychologischer Arbeit. Auf der Basis der Fragestellung und einer Diagnostik werden die schulpsychologischen Interventionen angewandt.

Typische Fragestellungen und Untersuchungen betreffen:

Mögliche Intervention sind:

  • Schullaufbahnberatung
  • Förderplanung und Förderberatung
  • psychologische Beratung von Eltern und Lehrern
  • Mediation zwischen Schule und Elternhaus im Konfliktfall
  • seltener auch Betreuung und Behandlung von einzelnen Schülern oder Schülergruppen

Für all diese Unterstützungsformen kommt es nicht nur auf eine präzise Diagnostik des Schülerproblems, sondern genauso des Umfelds der Familie und der jeweiligen Bedingungen in der Klasse, bei diesem Lehrer und in dieser Schule an. So stellen sich Probleme oft als Passungsfragen zwischen Schüler und Schulsystem dar, die nicht unbedingt nur durch Anpassungsforderungen an den Schüler zu beantworten sind.

Oft stellen die schulpsychologischen Dienste ein wichtiges Scharnier zwischen Schule und Elternhaus auf der einen Seite und der Jugendhilfe oder dem Gesundheitswesen auf der anderen Seite dar.

Systemunterstützung

Fortbildung

Schulpsychologen tragen psychologische Themen und ihre Erfahrungen etwa aus der Einzelfallarbeit über Fortbildungen in die Schule. Adressaten können hier Lehrer und andere Berufe in Schule, Schulleiter und Eltern sein. Schulpsycholgen bilden auch Beratungslehrer aus.

Supervision

Je nach Ausbildung und Hintergrund der einzelnen Schulpsychologie werden Einzel- oder Gruppensupervision für Berufsgruppen in Schule angeboten: inhaltlich reicht dies von der Unterstützung kollegialer Fallberatung bis hin zur Supervision ganzer Kollegien.

Projekte

Viele Themen werden auch in gemeinsamen Projekten mit einzelnen Schulen oder schulübergreifend angeboten. Hier finden Neuentwicklungen von Programmen (z.B. Entspannung in Schule, gesunde Schule), Präventionsarbeit oder Begleitung von Schulveränderungen (Integration Behinderter, Sprachstandüberprüfung oder ähnliches) statt.

Organisationsentwicklung

Zunehmend wird auch die Unterstützung bei der Organisationsentwicklung von Schule nachgefragt, da Schulen zu selbständiger handelnden Organisationen werden sollen. In diesen Kontext gehört i.w.S. auch die Schulentwicklung.

Darüber hinaus könnten Schulpsychologen stärker Schule evaluieren, sowohl als Organisation, als auch z.B. durch Qualitätssicherung einzelner Teilbereiche, z.B. in Bezug auf Unterrichtsqualität i.w.S. und Erreichen von Lernerfolgen / -zielen. Dies findet aber in Deutschland nicht statt, wird sogar strikt abgelehnt. Ebenso wie eine regelmäßige, standardisierte, wissenschaftliche Diagnostik der Schüler insbesondere vor dem Hintergrund einer langfristigen wissenschaftlich abgeleiteten psychologischen Laufbahn- und Karriereberatung.

Die Bereiche Einzelfallhilfe und Systemunterstützung wurden seit den 1950-er Jahren oft gegeneinandergestellt. Der Tendenz nach überwiegen aber Stellungnahmen (Dortmunder Resolution 1964, Soester Thesen 2003), die ausdrücklich beide Bereiche als integrale Bestandteile der Schulpsychologie sehen: so befähigt die intime Kenntnis von Schule wie Gesellschaft durch die Einzelfallberatung erst eine produktive Systemberatung, umgekehrt macht die Systemberatung aus der Einzelfallarbeit mehr als eine stete 'Feuerwehrfunktion', die erst aktiv wird, wenn die Probleme über lange Zeit aufgelaufen sind.

Geschichte

Der Gedanke, psychologische Ideen in die Schule zu tragen, entstand bereits im 19. Jahrhundert, wurde aber vor allem durch Bücher für den Lehrer und erste schulnahe Untersuchungen verwirklicht. Auf dem ‚Ersten deutschen Kongress für Jugendbildung und Jugendkunst‘ 1911 forderte William Stern die Einsetzung von Schulpsychologen, was in der Lehrerschaft zuerst auf starke Ablehnung traf. Der erste Schulpsychologe weltweit war wohl Cyril Burt, der 1913 am London County Council bei der Schulaufsicht eingestellt wurde. Im Rahmen des Mannheimer Schulsystems einer gemeinschaftlichen Volksschule des Schulrats Joseph Anton Sickinger wurde 1922 mit Hans Lämmermann der erste Schulpsychologe in Deutschland eingesetzt - zur Unterstützung des Reformprojekts. Die Nationalsozialisten stellten das Projekt 1935 ein. Nach dem zweiten Weltkrieg entstand in Hamburg aus der Schülerkontrolle die Schülerhilfe mit einem einzelfallorientierten Beratungsansatz. Dagegen sollte die 1953 (oder 1954?) entstandene Schulpsychologie in Hessen die Schule als System beraten, also Lehrer und die Schulorganisation. Im Kultusministerkonferenz-Beschluss ‚Beratung in Schule und Hochschule‘ von 1973 wurde der Ausbau der Schulpsychologie beschlossen. Die angestrebten Zahlen (Schulpsychologen: Schüler Relation 1:5000) sind nie erreicht worden, obwohl sie weit schlechter sind als in vielen vergleichbaren Staaten. 1973 errichtete auch die DDR ein Schulpsychologenmodell. Hier unterstützten Lehrer mit psychologischer Zusatzausbildung in Fortbildung Lehrkräfte, Erzieherinnen und Kindergärtnerinnen.

Organisation und rechtliche Verankerung

Schulpsychologen sind nur sehr selten an einer einzelnen Schule angesiedelt, meist sind es eigene Beratungsstellen, manchmal auch nur Einzelpersonen für eine ganze Region. Die Schulpsychologie ist nicht in allen Bundesländern Pflichtaufgabe. Die flächendeckende Versorgung wurde zwar immer wieder gefordert (Kultusministerkonferenz 1973, nach dem Amoklauf von Erfurt 2002), tatsächlich gibt es aber völlig unversorgte Bereiche. In Nordrhein-Westfalen,Baden-Württemberg und Bayern gibt es auch kommunale Schulpsychologische Dienste.

Schulpsychologen unterliegen - wie alle Berufspsychologen - der Schweigepflicht nach § 203 des StGB - auch der Schule gegenüber. Handeln sie klinisch-psychologisch (in Diagnostik oder Therapie) - was manchmal schwer abzugrenzen ist - so unterliegen sie auch der erweiterten Schweigepflicht der Psychotherapeuten.

Grundlagen

Wie es keine einheitliche Organisation der Schulpsychologie gibt, so gibt es auch keine einheitliche Ausbildung. Je nach Herkunft, Fortbildung und Schwerpunktsetzung greifen Schulpsychologen deshalb recht unterschiedlich auf die verschiedenen Grundlagenfächer der Psychologie zurück wie etwa:

International ist Schulpsychologie zumeist ein eigenes Ph.D. Studium. D.h., Schulpsychologie kann nach dem (in der Regel mindestens vier Jahre umfassenden) Bachelor in Psychologie in einem speziellen Graduiertenstudium (von 6-7 Jahren Dauer) studiert werden, dem noch ein einjähriges supervidiertes spezielles Praktikum anzuschließen ist; Schulpsychologie folgt also (insbesondere auch von Seiten des veranschlagten zeitlich notwendigen Aufwandes) den sehr hohen internationalen Standards der Klinischen Psychologie. Die Ausbildungsziele folgen den internationalen Standards psychologischen Arbeitens, bildet also Psychologen aus, die bereichsspezifisch als angewandte Wissenschaftler im Bereich Schule arbeiten, sich also bei dieser Arbeit auf wissenschaftliche Standards, Methoden usw. stützen. Insofern fußt die Arbeit auch auf allen Teilgebieten der Psychologie.

Weitere Informationen

Verbände

Die Schulpsychologen sind in der Sektion Schulpsychologie des Berufsverbandes Deutscher Psychologen (BDP) organisiert. Zudem gibt es in einzelnen Bundesländern einen Landesverband Schulpsychologie. International sind sie in der International School Psychology Association (ISPA) zusammengeschlossen.

Literatur

  • Detlef Berg: Schulpsychologie, In: Lexikon der Psychologie, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, Berlin, 2000, ISBN 3-621-27491-X.
  • Hans-Georg Häring, Walter Kowalczyk (Hrsg.): Schulpsychologie konkret - Einführung in Handlungsfelder und Methoden, 2001, ISBN 3-472-04541-8.
  • Helmut Heyse: Schulpsychologie, In: Detlef Rost (Hrsg.): Handwörterbuch Pädagogische Psychologie, PVU Beltz, Weinheim, 20012, ISBN 3-8274-0464-9.
  • Gustav Keller: Schulpsychologie von A bis Z. Ein schulpsychologisches Praxislexikon, Asanger Verlag, Kröning und Heidelberg, 2003, ISBN 3-89334-400-4.
  • Klaus Kuhlmann, Elfriede Mittag (Hrsg.): Schulpsychologie in Nordrhein-Westfalen - Eine kommunale Erfolgsgeschichte, Eul Verlag, Lohmar, Köln, 2001, ISBN 3-89012-912-9.

Siehe auch

Weblinks


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