- Schwarze Sonne
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Die Schwarze Sonne ist ein Symbol, das aus zwölf in Ringform gefassten gespiegelten Siegrunen oder einem zwölfarmigen Hakenkreuz besteht. Vorlage für das Symbol ist ein ähnliches Bodenornament in Gestalt eines Sonnenrades, das in der Zeit des Nationalsozialismus von der SS im Nordturm der Wewelsburg eingelassen wurde. Die Schwarze Sonne ist heutzutage ein wichtiges Ersatz- und Erkennungssymbol der rechtsesoterischen bis rechtsextremen Szene.[1][2]
Inhaltsverzeichnis
Das Ornament der Wewelsburg
Die von 1603 bis 1609 errichtete Wewelsburg wurde ab 1934 auf Befehl des Reichsführers der SS Heinrich Himmler und unter der Leitung des Architekten Hermann Bartels umgebaut. Sie sollte zu einem ideologischen Zentrum und Versammlungsort der SS werden; ab 1935 wurde das Projekt „SS-Schule Haus Wewelsburg“ genannt. Ursprünglich waren dort ideologische Schulungen für SS-Führer geplant, eine sogenannte „Reichsführerschule SS“; tatsächlich wurde dann jedoch die Burg als Stätte für sogenannte germanische Zweckforschung genutzt.[3][4] Schwerpunkte der Aktivitäten waren archäologische Ausgrabungen in der umgebenden Region und Studien über germanische Vor- und Frühgeschichte, mittelalterliche Geschichte sowie Volkskunde und Sippenforschung.[5]
Zum Umbau wurde zunächst der Freiwillige Arbeitsdienst (FAD), später der Reichsarbeitsdienst (RAD) eingesetzt. Nach Abzug des Reichsarbeitsdienstes zum Bau des Westwalls wurden zunächst Häftlinge des Konzentrationslagers Sachsenhausen zu den Umbaumaßnahmen herangezogen. Ab 1941 wurde ein selbstständiges Lager (KZ Niederhagen/Wewelsburg) geführt.[6]
Einen wichtigen Einfluss auf die Gestaltung der Innenausstattung der Burg mit ihren meist pseudogermanisch anmutenden Zeichen, Ornamenten und Verzierungen soll der Okkultist und „private Magus“ Himmlers Karl Maria Wiligut gehabt haben.[7]
Der Nordturm der Burg wurde von 1938 bis 1943 gesichert und ausgebaut. In dieser Zeit entstanden im Erdgeschoss der sogenannte „Obergruppenführersaal“ und darunter die sogenannte „Gruft“.[8] (Die Obergruppenführer waren vor der Einführung des Dienstgrades „Oberstgruppenführer“ ursprünglich die höchsten SS-Generäle.) Beim Obergruppenführersaal handelt es sich um einen kreisförmigen Raum, in dem zwölf Säulen angeordnet sind. In der Mitte des hellgrauen Marmorbodens befindet sich eine dunkelgrüne Marmorinkrustation in der Gestalt eines zwölfspeichigen Sonnenrades. Ursprünglich soll sich im Zentrum des Ornamentes eine goldene Platte befunden haben.[9] Ob das Ornament ursprünglich eine besondere Benennung hatte und ob ihm eine bestimmte Bedeutung beigemessen wurde, ist unbekannt. Das Sonnenrad hatte möglicherweise eine symbolhafte Bedeutung für die „germanische Licht- und Sonnenmystik“,[10] die von der SS propagiert wurde. Dieses Bodenornament im Obergruppenführersaal ist das Vorbild des heute als Schwarze Sonne bekannten Symbols (Abbildung oben rechts), auch wenn dieses in Form und Farbe vom Original abweicht.
Die unterhalb des Obergruppenführersaales liegende „Gruft“ ähnelt in der Gestalt einem mykenischen Kuppelgrab. Der Raum, in dessen Mitte die Vorbereitung für eine ewige Flamme noch erkennbar ist, wurde nicht fertiggestellt. Der Zweck der beiden Räume ist unbekannt. Die oberhalb der Obergruppenführersaales liegenden Stockwerke des Turmes wurden abgerissen. Hier sollte ein mehrstöckiger Kuppelsaal geschaffen werden.[11]
Ab 1941 wurde geplant, die Gesamtanlage der Wewelsburg innerhalb von 20 Jahren zu einer kreisförmigen Anlage mit einem Radius von 600 Metern auszubauen. Der Nordturm, mit einem Außendurchmesser von fast 21 m der stärkste der drei Burgtürme, sollte das Zentrum der geplanten Anlage werden. Die geplanten Ring- und Stichstraßen, Gebäude und Ringmauern waren auf ihn ausgerichtet.[12] So sollte die Wewelsburg nach dem „Endsieg“ zur zentralen SS-Kultstätte ausgebaut[13] und zum „Zentrum der neuen Welt“ und einer „artgemäßen Religion“ gestaltet werden.
Wahrscheinlich fanden in der Wewelsburg drei- bis viermal im Jahr feierliche Akte von SS-Führern statt. Entgegen anderen Behauptungen belegen die überlieferten Dokumente keinen okkulten Hintergrund.[14] Jährliche Gruppenführertreffen sowie Vereidigungsfeiern waren von Himmler geplant. Gegen Kriegsende wurde von ihm angeordnet, dass die Wewelsburg das „Reichshaus der SS-Gruppenführer“ werden solle.[15]
Interpretationen
Charakteristisch für die Neugestaltung des Nordturms ist die Zahl Zwölf, deren mögliche Symbolhaftigkeit im Einzelnen nicht geklärt ist. Im Obergruppenführersaal weisen die zwölf Speichen des Ornaments auf je eine der zwölf vorgelagerten Säulen, die mit Arkaden verbunden sind. Die Fenster und Türen des Raumes sind wiederum in zwölf Nischen der Außenwand angeordnet. Auch in der Gruft, deren zentraler architektonischer Schmuck ein stilisiertes Hakenkreuz im Scheitel der Kuppel ist, sind zwölf runde Steinsockel in gleichen Abständen an der Wand aufgestellt. Spekulationen zufolge sollten hier die Urnen verstorbener SS-Führer aufgestellt werden.
Als Erklärungsversuche für den Symbolgehalt der Zahl Zwölf werden Parallelen gezogen zu dem aus zwölf Rittermönchen bestehenden leitenden Konvent des Deutschritterordens in der Marienburg,[16] zu den zwölf göttlichen Asen der Edda, die als Richter über das Menschenschicksal wirken,[16] zu den zwölf Tafelrittern des König Artus[9] und zur Anzahl der SS-Hauptämter.[9] Der SS-Führer Walther Blachetta nannte 1941, unabhängig vom Wewelsburg-Ornament, ein einfaches zwölfspeichiges Rad ein „Himmelsrad“ und ein „Zeichen der Vollendung und des Zieles“;[17] die Sonne an sich war für ihn der „stärkste und sichtbarste Ausdruck Gottes“.[18]
Das Symbol ist ein originäres Element des Nationalsozialismus,[19][20] obwohl es selbst zu dieser Zeit keine bekannte Bedeutung hatte. Als historische Vorlagen dienten vermutlich ähnlich gestaltete, allerdings ohne Symbolhaftigkeit ausgestattete alamannische Zierscheiben,[12] die als Darstellungen der sichtbaren Sonne oder ihres Laufes durch die Jahreszeiten gedeutet werden können.[21] Auch bekannt ist eine mit zwölf Speichen umschlossene Swastika.[22] Wer das Ornament auf der Wewelsburg entwarf und ob es dafür eine Vorlage gab, ist unbekannt; auch gibt es keinen seriösen Hinweis auf eine damalige Benennung des Zeichens. Mit Inhalten aufgeladen wurde es erst später.
Die „Schwarze Sonne“ nach 1945
Die Bezeichnung „Schwarze Sonne“ für das Wewelsburger Sonnenrad kam erst nach dem Zweiten Weltkrieg auf.[23] Normalerweise kann der Raum, in dem sich das Sonnenrad befindet, nur von außen durch eine Gittertür betrachtet werden. Aufgrund der Lichtverhältnisse erscheint das Ornament eher schwarz als dunkelgrün – ein möglicher Grund für die spätere Bezeichnung „Schwarze Sonne“. Die „Schwarze Sonne“ wird oft mit der mystisch-esoterischen Seite des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht – als Ausgangspunkt hierfür gilt die neonazistische Esoterikszene in den frühen 1950er Jahren in Wien.[24] Die Schwarze Sonne wird von Teilen der Neonaziszene als Erkennungssymbol verwendet.[25] Auch in der neuheidnischen Szene findet das Symbol Verwendung.
Das Symbol wurde auch zum Namensgeber der Mystery-Hörspielserie „Die schwarze Sonne“ von Günter Merlau (Lausch – Phantastische Hörspiele). Die Serie verbindet historische Elemente mit einer fiktionalen Erzählung über das Detektivduo Adam Salton und Nathaniel De Salis. In einem komplexen Handlungsgefüge, das sich über mehrere Erzählstränge erstreckt, die auf unterschiedlichen Zeitebenen vom 17. Jahrhundert bis in die Zeit des deutschen Nationalsozialismus angesiedelt sind, verbindet die Serie esoterische und mythische Aspekte der Symbolbedeutung mit der verschwörungstheoretisch heute noch relevanten Theorie der hohlen Erde.
Auch im Thriller "Der Genesis-Plan (SIGMA-Force)" von James Rollins spielen die Schwarze Sonne und die Wewelsburg eine zentrale Rolle.
Siehe auch
Literatur
- Karl Hüser: Wewelsburg 1933 bis 1945 – Kult- und Terrorstätte der SS. Eine Dokumentation. 2. Auflage. Verlag Bonifations-Druckerei Paderborn, Paderborn 1987, ISBN 3-87088-534-3.
- Rüdiger Sünner: Schwarze Sonne. Entfesselung und Missbrauch der Mythen in Nationalsozialismus und rechter Esoterik. Herder/Spektrum, Freiburg im Breisgau 2001, ISBN 3-451-05205-9.
- Nicholas Goodrick-Clarke: Black Sun: Aryan Cults, Esoteric Nazism and the Politics of Identity. New York University Press, New York 2001, ISBN 0-8147-3124-4.
- Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Die Sprache des Hasses. Schmetterling Verlag, Stuttgart 2001, ISBN 3-89657-091-9.
- Bernd Sösemann: Audiovisuelle Assoziationen. Anmerkungen zur deutung der völkisch-nationalsozialistischen Vorstellungen im Film „Schwarze Sonne“. In: Uwe Puschner und G. Ulrich Großmann: Völkisch und national. Zur Aktualität alter Denkmuster im 21. Jahrhundert. Wiss. Buchgesellschaft, Darmstadt 2009, ISBN 978-3-534-20040-5 (Wissenschaftliche Beibände zum Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Band 29), S. 341–353
Dokumentation
- Rüdiger Sünner: DVD Schwarze Sonne – Kultorte und Esoterik des III. Reichs. absolut MEDIEN GmbH, ASIN B00005AMS8
Einzelnachweise
- ↑ Sünner: Schwarze Sonne, S. 144
- ↑ Friedrich Paul Heller, Anton Maegerle: Thule. Von den völkischen Mythologien zur Symbolsprache heutiger Rechtsextremisten. Schmetterling Verlag, 3. überarb. Aufl. 2007, S. 81
- ↑ Die SS-Schule „Haus Wewelsburg“
- ↑ SS-Zweckforschungen
- ↑ Informationen zur Geschichte der Burg während der NS-Zeit
- ↑ 22. September 1934 – Übernahme der Wewelsburg durch Heinrich Himmler
- ↑ Nicholas Goodrick-Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus. Marix Verlag, 2004, S. 160ff
- ↑ Documentation „Wewelsburg 1933–1945. Kult- und Terrorstätte der SS“, S. 225
- ↑ a b c Hüser: Wewelsburg 1933–1945., S. 61
- ↑ Drachen, Helden, Nachtmeerfahrten – Die Archetypenlehre von C. G. Jung
- ↑ Wewelsburg: SS-Kult und KZ-Terror; Webseite z.Zt. offline
- ↑ a b Kreismuseum Wewelsburg: SS-Architektur. Archiviert vom Original am 27. Juni 2008, abgerufen am 15. November 2010 (deutsch, Originaler Link tot).
- ↑ Dokumentation „Wewelsburg 1933–1945. Kult- und Terrorstätte der SS“, S. 214
- ↑ Nicholas Goodrick Clarke: Die okkulten Wurzeln des Nationalsozialismus, S. 197
- ↑ Wewelsburg – Historischer Hintergrund
- ↑ a b Sünner: Schwarze Sonne, S. 107
- ↑ Walther Blachetta: Das Buch der deutschen Sinnzeichen. Widukind-Verlag, Berlin-Lichterfelde 1941, S. 80
- ↑ Walther Blachetta: Das Buch der deutschen Sinnzeichen, S. 16
- ↑ Heller, Maegerle: Die Sprache des Hasses., S. 77
- ↑ Schwarze Sonne bei Netz gegen Nazis
- ↑ Sünner: Schwarze Sonne, S. 148
- ↑ Informationen über bajuwarische Bronze-Zierscheiben (letzter Absatz) auf der Website des Museum des Haager Landes
- ↑ DVD Schwarze Sonne – Kultorte und Esoterik des III. Reichs
- ↑ Wien als Brutstätte des okkulten Faschismus
- ↑ Die Schwarze Sonne als neues Symbol der rechten Szene www.ida-nrw.de
Weblinks
- Schwarze Sonne statt Hakenkreuz – Neonazis und ihre für Außenstehende unklaren Andeutungen, Ersatzsymbole und Codes Telepolis
- Schwarze Sonne in der deutschen und englischen Version der Internet Movie Database
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