Schöffen

Schöffen

Ein Schöffe (von althochdeutsch: sceffino, der Anordnende) ist heute ein in der Hauptverhandlung eines Strafverfahrens tätiger juristischer Laie, der als ehrenamtlicher Richter berufen wurde. Mit dem Berufsrichter beurteilt er die Tat des Angeklagten und setzt das Strafmaß fest.

In der Vergangenheit war der Schöffe/waren die Schöffen allgemein solche Personen, die juristische Festlegungen trafen, vgl. etwa den „Schöffenstuhl“ bzw. „Schöppenstuhl“ (= Rechtsinstanz) im alten Stadtrecht, z. B. beim Magdeburger Recht.

Inhaltsverzeichnis

Deutschland

Als Schöffen werden in der Bundesrepublik Deutschland die ehrenamtlichen Richter der ordentlichen Gerichtsbarkeit im Bereich der Strafgerichtsbarkeit der Amts- und Landgerichte bezeichnet. Im Bereich der Zivilgerichtsbarkeit der ordentlichen Gerichtsbarkeit werden keine Schöffen eingesetzt, es gibt jedoch auch in diesem Bereich ehrenamtliche Richter. Schließlich führen noch die ehrenamtlichen Beisitzer in hessischen Ortsgerichten die Bezeichnung Ortsgerichtsschöffen.

Schöffen bei den Amts- und Landgerichten:

Bei den Oberlandesgerichten (§ 122 GVG) und dem Bundesgerichtshof (§ 132 GVG + § 139 GVG) werden sowohl in der Zivil- wie in der Strafgerichtsbarkeit keine Schöffen eingesetzt.

Das Schöffengericht des Amtsgerichts ist gemäß § 29 GVG – wie die kleine Strafkammer des Landgerichts – regelmäßig mit einem Berufsrichter und zwei Schöffen besetzt. In der großen Strafkammer des Landgerichts wirken zwei Schöffen neben drei Berufsrichtern mit. Die Berufung zum Schöffen kann nur in wenigen begründeten Fällen abgelehnt werden. Der Schöffe muss mindestens 25 Jahre alt sein und darf einigen bestimmten Berufsgruppen (wie z. B. Polizeivollzugsbeamte) nicht angehören. Das Amt kann nur von einem Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland versehen werden und wird für fünf Jahre gewählt. In der Regel sind Schöffen nur zwei Wahlperioden, also maximal zehn Jahre, tätig. Die letzte Schöffenwahl fand im Jahr 2008 statt, die Amtsperiode begann bundeseinheitlich am 1. Januar 2009. Bewerbungen für das Schöffenamt sind in vielen Gemeinden möglich.

Man unterscheidet zwischen Haupt-, Hilfs- und Ergänzungsschöffen. Den Hauptschöffen werden vor Beginn eines jeden Geschäftsjahres die Verhandlungstermine (meist 12) für das ganze Jahr mitgeteilt. Falls ein Hauptschöffe an einer Verhandlung nicht teilnehmen kann, wird statt seiner ein Hilfsschöffe eingesetzt. Dieser hat die gleichen Rechte wie der Hauptschöffe. Ergänzungsschöffen werden bei umfangreichen Prozessen eingesetzt, um bei Ausfall eines Hauptschöffen einspringen zu können. Um diese Funktion wahrnehmen zu können, muss der Ergänzungsschöffe während des ganzen Prozesses quasi als „Zuschauer“ jeder Verhandlung beiwohnen. Ergänzungsschöffen nehmen an den Beratungen des Gerichts (hauptamtliche Richter und Schöffen) nicht teil.

Zwischen Schöffen an Amts- und Landgerichten besteht kein hierarchischer Unterschied. Beide haben die gleichen Rechte und Pflichten. Grundlage für die Rechte von Schöffen ist der § 30 GVG (Gerichtsverfassungsgesetz). Dieser Paragraph besagt im Wesentlichen folgendes [1]:

  • Schöffen sind - in der Hauptverhandlung - mit dem Berufsrichter gleichberechtigt, sowohl bei der Urteilsfindung als auch bei der Festsetzung des Strafmaßes
  • sie nehmen an allen Entscheidungen im Laufe der Hauptverhandlung teil, auch an solchen, die nicht das Urteil, sondern das übrige Verfahren betreffen
  • wenn ausnahmsweise die Schöffen an einer Entscheidung nicht teilnehmen, muss dies ausdrücklich in einem Gesetz geregelt sein

Schöffen sind in der Disziplinargerichtsbarkeit nicht vorgesehen. In gerichtlichen Disziplinarverfahren sind jedoch regelmäßig Beamtenbeisitzer beigeordnet, die eine ähnliche Stellung und vergleichbare Aufgaben wie ein Schöffe haben. Bei allen anderen Gerichtsbarkeiten außer beim Strafgericht spricht man von ehrenamtlichen Richtern statt von Schöffen. Die Kammer des Arbeitsgerichts z. B. ist mit einem hauptberuflichen Richter und zwei ehrenamtlichen Richtern besetzt. Die letzteren je aus den Reihen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer. Bei der Güteverhandlung sind die ehrenamtlichen Richter regelmäßig nicht anwesend.

Gerichtsschöppen

Vor der Einführung einer zentralen Gerichtsbarkeit im Sinne des Gerichtsverfassungsgesetzes gab es in den Dörfern neben dem Schulzen die Gerichtsschöppen. Diese waren zumeist Bauern des Dorfes, die im allgemeinen vom Lehnsherren auf Zeit ernannt und durch einen feierlichen Eid verpflichtet wurden, weswegen sie oftmals auch als geschworene Schöppen erwähnt wurden. Ihre Aufgabe bestand darin, den Schulzen - später dem Richter - beim Jahrgericht im Orte bei der Rechtsfindung behilflich zu sein. Bei den Landgerichten gab es die Landschöppen (auch Amtslandschöppen genannt). Das Schöppenamt konnte auch an den Besitz bestimmter Güter gebunden sein, so genannten Amtslandschöppengüter oder Saupengüter, so zum Beispiel im sächsischen Amt Rochlitz.[2] Diese Saupen konnten sich über mehrere Dörfer verteilen, welche eine Art Gemeinde mit einem eigenen Saupenrichter bildeten.

Analog dazu gab es schon in den mittelalterlichen Stadträten eine Schöffenbank, so nachgewiesen für verschiedene Städte wie Köln, Frankfurt am Main und Nürnberg. Obwohl auch diese Schöffen in Rechtsfragen zu entscheiden hatten, in der Regel sogar ohne dass die Appellation an ein anderes städtisches Gericht möglich war, blieben sie doch bis weit in das 17. Jahrhundert hinein ohne Kenntnis der gelehrten Rechte.[3]

Österreich

In Österreich werden Schöffensenate nur an den Landesgerichten eingesetzt, und zwar bei einer Reihe von im Gesetz aufgezählten Delikten (§ 31 StPO), darunter:

  • der Tötung auf Verlangen (§ 77 StGB), der Mitwirkung am Selbstmord (§ 78 StGB) und der Tötung eines Kindes bei der Geburt (§ 79 StGB),
  • des Räuberischen Diebstahls (§ 131 StGB), der Gewaltanwendung eines Wilderers (§ 140 StGB) und des minder schweren Raubes nach § 142 Abs. 2 StGB,
  • der geschlechtlichen Nötigung (§ 202 StGB), des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person (§ 205 StGB) und des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (§ 207 StGB),
  • des Landfriedensbruches und des Landzwanges (§§ 274 und 275 StGB),
  • des Mißbrauches der Amtsgewalt (§ 302 StGB)

sowie generell bei Verbrechen, die mit mehr als fünf, aber weniger als zehn Jahren (dann nämlich Zuständigkeit der Geschworenengerichte) Haftstrafe bedroht sind.

Diese Senate bestehen aus zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen. Grundsätzlich sind zunächst alle österreichischen Staatsbürger, die zu Beginn des ersten Jahres, in dem sie tätig sein sollen, das 25., nicht aber das 65. Lebensjahr vollendet haben, zum Schöffenamt berufen. Daneben gibt es eine Reihe weiterer Ausschlussgründe (mangelnde Kenntnis der Gerichtssprache, fehlende körperliche bzw. geistige Eignung, Vorstrafe oder anhängiges Strafverfahren). Weiters sind die wichtigsten Berufspolitiker, Geistliche und Ordensleute, Richter, Staatsanwälte, Notare, Rechtsanwälte, Anwärter dieser Berufe, hauptamtliche Bewährungshelfer, Bedienstete des Innen- und des Justizministeriums sowie deren nachgeordneter Bundesdienststellen, schließlich auch Personen ohne Hauptwohnsitz im Inland vom Schöffendienst ausgeschlossen.

Auf Antrag sind weitere Befreiungsgründe zu beachten, vor allem nämlich wenn der Dienst „mit einer unverhältnismäßigen persönlichen oder wirtschaftlichen Belastung für sie selbst oder Dritte“ verbunden wäre.

Bei den schwersten Straftaten werden Geschworenengerichte tätig, welche aus acht Laien und drei Berufsrichtern bestehen. Der wesentliche Unterschied liegt darin, dass Schöffen über alle Rechtsfragen stets gemeinsam mit den Berufsrichtern entscheiden, während den Geschworenen die alleinige Entscheidung über die Schuldfrage zukommt und sie danach mit den Berufsrichtern gemeinsam über das Strafmaß entscheiden. Im Gegensatz zu anderen Rechtssystem ist dabei keine Einstimmigkeit erforderlich, einfache Mehrheit genügt.

Belgien

In Belgien sind Schöffen (niederländisch: schepen, französisch: échevin) gewählte Beigeordnete des Bürgermeisters.

Die Gemeinderatsmitglieder wählen aus ihren Reihen die Schöffen, deren Anzahl je nach Größe der Gemeinde zwischen 2 und 10 liegt. Jeder dieser Schöffen ist verantwortlich für die Ausführung einer Vielzahl von Zuständigkeitsbereichen und gleicht ein bisschen einem Minister: es gibt zum Beispiel einen Finanzschöffen, einen Schulschöffen, usw. Seit 2006 dürfen auch EU-Bürger, die nicht im Besitz der belgischen Staatsbürgerschaft sind, Schöffen werden.

Der Bürgermeister bildet gemeinsam mit seinen Schöffen das sogenannte Bürgermeister- und Schöffenkollegium (BSK).

Literatur

  1. Hasso Lieber, Fit fürs Schöffenamt - Ein Kursbuch des Deutschen Volkshochschulverbandes und des Bundesverbandes ehrenamtlicher Richterinnen und Richter
  2. Besitz-, Berufs- und Amtsbezeichnungen sächsischer Bauern
  3. vgl. Eberhard Isenmann: Gelehrte Juristen und das Prozessgeschehen in Deutschland im 15. Jahrhundert, in Franz-Josef Arlinghaus et al.: Praxis der Gerichtsbarkeit in europäischen Städten des Spätmittelalters, Klostermann, Frankfurt 2006, S. 307, Fußnote 11

Weblinks

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