Seppoku

Seppoku
Seppuku-Zeremonie am Ende der Edo-Zeit
Aus: Sketches of Japanese Manners and Customs. London, 1867

Seppuku (jap. 切腹) bezeichnet eine ritualisierte Art des männlichen Suizids, die etwa ab der Mitte des 12. Jahrhunderts in Japan innerhalb der Schicht der Samurai verbreitet war und 1868 offiziell verboten wurde.

Ein Mann, der wegen einer Pflichtverletzung sein Gesicht verloren hatte, konnte durch Seppuku die Ehre seiner Familie wiederherstellen. Weitere Gründe für Seppuku waren unter anderem Strafe für einen Gesetzesverstoß oder das so genannte oibara (追腹), bei dem Rōnin (herrenlose Samurai), die ihren Daimyō (lokale Herren im feudalen Japan) verloren hatten, diesem in den Tod folgten, falls er es ihnen schriftlich erlaubt hatte.

Der Begriff Harakiri (腹切り, von 腹 hara, Bauch, und 切 kiru, schneiden – umgekehrte Reihenfolge der Kanji-Schriftzeichen) ist ein umgangssprachlicher Ausdruck, der vor allem in Europa und Amerika benutzt wird. Er beschreibt nur einen Teil des Rituals, und eine Verwendung in Bezug auf eine Selbsttötung kann als Beleidigung empfunden werden.

Inhaltsverzeichnis

Ablauf

Ein für das Ritual vorbereitetes Tanto

Beim Seppuku schnitt sich der im Seiza sitzende Mann nach Entblößung des Oberkörpers mit der in Papier gewickelten und zumeist speziell für diesen Anlass aufbewahrten Klinge eines Wakizashi den Bauch ungefähr sechs Zentimeter unterhalb des Nabels (genannt Tanden; Zentrum der Balance des menschlichen Körpers und nach religiöser Auffassung der Sitz der Seele, im Zen auch die Hauptflussader des Ki) in der Regel von links nach rechts mit einer abschließenden Aufwärtsführung der Klinge auf. Da der Bauchanteil der Aorta (Hauptschlagader) unmittelbar vor der Wirbelsäule liegt, wurde sie dabei in der Regel angeschnitten oder ganz durchtrennt, und der sofortige Blutdruckabfall hatte einen Bewusstseinsverlust innerhalb kürzester Zeit zur Folge. Allerdings wurden im Laufe der Zeit auch alternative Schnitte und Ergänzungen eingesetzt. So existieren beispielsweise Beschreibungen eines sogenannten jūmonji-giri, einer zeitweise unter den Daimyō bevorzugten Technik, die eigentlich aus zwei Schnitten bestand und durch ihre Kreuzform das Hervortreten der Innereien beschleunigte.

Nach Ausführung der Schnitte wurde vor oder nach der Ablage der Klinge von einem bereitstehenden Assistenten (dem Kaishaku-Nin oder Sekundanten, ebenfalls ein Samurai, meistens der engste Vertraute) der Hals mit einem Katana oder seltener mit einem Tachi von der Halswirbelsäule her weitgehend, jedoch nicht vollständig durchtrennt, um einen schnellen Tod herbeizuführen. Der Sekundant hatte zuvor außerhalb des Sichtfeldes des Todeskandidaten gestanden und hatte auf den richtigen Zeitpunkt gewartet. Der erlösende Hieb musste mit absoluter Gewissenhaftigkeit erfolgen, um das Leiden nicht durch eine verspätete Ausführung unnötig zu verlängern. Wäre er verfrüht, also vor dem Vorbeugen des Kopfes angesetzt worden, wäre die Klinge in den Halswirbeln stecken geblieben und hätte neben weiteren Qualen zusätzliche Hiebe nötig gemacht. Der Sekundant musste ebenfalls darauf achten, dass der Kopf nicht völlig vom Rumpf getrennt wurde, dieser musste immer noch durch einen Hautlappen mit dem Körper verbunden sein. Alles andere wäre dem Kandidaten gegenüber nicht respektvoll gewesen und hätte eher an die Hinrichtung eines Kriminellen erinnert. Aufgrund all dieser Faktoren lag eine große Verantwortung auf den Schultern des Assistenten. Es kam vor, dass ein schlechter kaishaku-nin selbst zum Seppuku aufgefordert wurde.

Der Dienst des kaishaku-nin war für den Sterbenden von großer Bedeutung: Ein Samurai durfte beim Seppuku weder das Gesicht verziehen noch ein Seufzen oder Stöhnen von sich geben oder gar Furcht zeigen. Sobald die persönliche Schmerzgrenze erreicht worden war, beugte er den Kopf daher leicht vor und empfing den tödlichen Hieb. Über das Verhalten der Seppuku begehenden Person in den entscheidenden Momenten wurde von anwesenden Protokollanten eine schriftliche Bewertung angefertigt, die darüber entschied, ob das Ritual aufgrund korrekter Durchführung und würdevollen Verhaltens als offizielles Seppuku anerkannt wurde.

Es war für einen Samurai nicht verwerflich, den Kopf vor Beendigung der Technik oder bereits nach dem Einstich vorzubeugen. Entscheidend war, dass die Familie und Nahestehende bei der anschließenden Betrachtung des Hauptes keinen Schmerz im Gesichtsausdruck der getöteten Person erkennen konnten. Daher galt es oft schon als offizielles Seppuku, wenn der tödliche Hieb ausgeführt wurde, sobald die Hauptperson überhaupt erst nach der Klinge griff. So ersetzte man später, insbesondere bei Kindern und bei Samurai, denen man die Bauchschnitte nicht zutraute, die Waffe gelegentlich durch einen Fächer oder einen Zweig des heiligen Sperrstrauchs.

Die Schnitttechnik des Sekundanten ist in die siebte Kata der Seiza-Formen verschiedener Schwertkampfschulen eingegangen. In der Musō Jikiden Eishin Ryū heißt sie Seiza Nanahomme Kaishaku, in der Musō Shinden Ryū wird sie unter der Bezeichnung Junto (Kaishaku) gelehrt. Sie wird nur geübt, aber weder bei Prüfungen noch zu Demonstrationszwecken gezeigt.

Rund um das Ritual

Seppuku war den Samurai vorbehalten. Priester, Bauern, Handwerker oder Händler durften es nicht durchführen, da man glaubte, dass diese die großen Schmerzen nicht ertragen könnten.

Akashi Gidayu schreibt vor seinem Seppuku (1582) sein Todesgedicht. Holzschnitt von Yoshitoshi Tsukioka (um 1890)

Die Zeremonie um die eigentliche Selbsttötung wurde über mehrere Jahrhunderte immer wieder verändert, wobei auch geringe regionale Unterschiede entstanden. Zu einem offiziellen Seppuku mit einem kaishaku-nin gehörten jedoch mindestens das Tragen von weißer Kleidung als Symbol für die spirituelle Reinheit (die durch das Öffnen des Bauches zum Vorschein kommen sollte), die Anwesenheit eines Shintō-Priesters und eines Protokollanten, die Einnahme einer letzten Mahlzeit und das Verfassen eines Todesgedichtes (meist in Form eines Haiku). Das Ritual wurde zumeist im Garten des eigenen Anwesens, vor dem örtlichen Shintō-Schrein (jedoch außerhalb der Zugangstore und somit nicht auf geweihtem Boden) oder an einem speziell dafür eingerichteten Platz am Hofe des jeweiligen Fürsten durchgeführt. Seltener dokumentiert sind Seppuku innerhalb eines Gebäudes, für die spezielle Tatami (Reisstrohmatten) mit weißer Borte hergestellt wurden, die nach dem Abschluss der Zeremonie und der Verbrennung und Beisetzung des Samurai entsorgt wurden.

Für gewöhnlich gewährte man Samurai für ihr Seppuku eine Vorbereitungszeit zwischen zwei und sechs Monaten. Ob es Samurai gab, die in diesem Zeitraum Fluchtversuche unternahmen, ist nicht bekannt, da kein solcher Fall je dokumentiert wurde. Da ein Samurai vom eigenen Clan nicht gefangen gehalten werden konnte, wurden nur vereinzelt und in größeren Zeitabständen Beamte entsandt, um sich nach dem geistigen und körperlichen Zustand der sich besinnenden Person zu erkundigen. Bei einer Kriegsgefangenschaft gab es eine verkürzte Variante des Seppuku-Rituals.

Auch Frauen verübten zuweilen ritualisierten Selbstmord, dieser wurde jedoch als jigai (自害) bezeichnet. Dabei stachen sie sich mit einer Haarnadel oder einem Kwaiken in die Halsvene. Um eine Entehrung zu vermeiden, wurden vorher die Fußknöchel mit einem Band aus Leder oder Seide zusammen gebunden, um ein Spreizen der Beine im Todeskampf zu verhindern.

Anlässe für Seppuku

Die Samurai führten das Seppuku hauptsächlich aus drei Gründen aus: Zum einen vermied es Schande, wenn man während einer Schlacht dem Gegner in die Hände fiel und Kriegsgefangener wurde. Des Weiteren konnte es beim Tod des Herren (Daimyō) ausgeführt werden (vgl. junshi), oder man protestierte mithilfe des Seppuku gegen einen irrenden Vorgesetzten. Schließlich diente es auch als Todesstrafe.

Verbot der Zeremonie

Mit Beginn der Meiji-Restauration im Jahr 1868 wurde Seppuku in Japan allgemein verboten. Viele Japaner hielten trotzdem den Atem an, als Kaiser Hirohito am 15. August 1945 die Kapitulation Japans im Pazifikkrieg erklärte. Diese Niederlage bedeutete für das japanische Volk den Verlust seiner Ehre, und viele befürchteten, dass der Kaiser trotz des Verbotes die Angehörigen des Militärs zum Seppuku auffordern würde, was er jedoch letztlich nicht tat. Hohe Militärs wie der Heeresminister Anami Korechika taten es jedoch freiwillig.

Das bisher letzte offiziell bekannt gewordene, rituelle Seppuku wurde von dem japanischen Schriftsteller Yukio Mishima ausgeführt. Am 25. November 1970 beging er in Tokio im Beisein von Journalisten ein angekündigtes Seppuku und wurde von einem Freund enthauptet.

Berühmte Personen, die durch Seppuku starben (Auswahl)

Film

In der Verfilmung des Romans Shogun wird ein Seppuku ausführlich wiedergegeben. 1962 drehte der japanische Regisseur Masaki Kobayashi einen Film mit dem Titel Seppuku. Der Film entwirft eine kritisches Bild des feudalen Japans im 17. Jahrhundert und sein zentrales Thema ist der geplante und zum Schluss auch durchgeführte Selbstmord eines Samurais.

Literatur

  • Maurice Pinguet: Der Freitod in Japan. Geschichte der japanischen Kultur. Übersetzt aus dem Französischen von Makoto Ozaki, Beate von der Osten und Walther Fekl. Eichborn, Frankfurt am Main 1996, ISBN 3-8218-0637-0.
  • Yamamoto Tsunetomo: Hagakure – Das Buch des Samurai. Bechtermünz, 2001, ISBN 3-8289-4870-7.

Weblinks


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