Shashi Tharoor

Shashi Tharoor
Shashi Tharoor (April 2009)

Shashi Tharoor (Malayalam: ശശി തരൂര്‍; * 9. März 1956 in London) war indischer UNO-Mitarbeiter und ist Schriftsteller. Er war von 2002 bis 2007 als Untergeneralseketär einer der Stellvertreter des Generalsekretärs Kofi Annan und für Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Tharoors Familie stammt aus dem indischen Bundesstaat Kerala, er ist Autor, Journalist und Mitglied des USC Center on Public Diplomacy.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Ausbildung

Tharoor, geboren in England, wuchs in Indien auf. Er besuchte 1962 die Montfort School in Yercaud, 1963–1968 das Campion Collage in Mumbai und schloss die Mittelschule 1969–1971 in der jesuitischen St. Xavier’s High School in Kolkata ab. Von 1972 bis 1975 studierte er im St.Stephen’s College in Delhi, wo er mit einem Bachelor of Arts in Geschichte graduierte. Danach ging er in die USA, wo er von 1975–1978 in Massachusetts an der Fletcher School of Law and Diplomacy der Tufts University studierte. Er dissertierte im Alter von 22 Jahren mit dem akademischen Grad eines Ph. D., nachdem er zwei weitere „Master“ abgelegt hatte.

Karriere und Familie

1978, im Jahr seines Studienabschlusses, wurde er in den Dienst der UNO aufgenommen. Nach einem Zwischenaufenthalt beim Flüchtlingshilfwerk UNHCR in Genf koordinierte er in Singapur die Hilfe für die vietnamesischen Bootsflüchtlinge. Seit Oktober 1989 bis Ende 1996 koordinierte er von New York aus die „friedenserhaltenden Maßnahmen“ im zerfallenden Jugoslawien, die er mitunter kritisch: „An manchen Plätzen haben wir versagt, an manchen hatten wir ein unzureichendes Mandat“, und dann fast trotzig, „insgesamt aber war unsere Rolle positiv“, beurteilt. Seit Januar 1997 Chefassistent von Annan, ernannte dieser ihn im Juli 1998 zum UNO-Kommunikationsdirektor. Bei allem Reformbedarf, bei all der sich abzeichnenden Marginalisierung der Vereinten Nationen im Irak-Krieg, gebraucht Tharoor die Abkürzung UN mit Stolz: „Sie steht für UN-ersetzlich.“

Im Januar 2001 wurde er interimistischer Chef der UNO Abteilung für Öffentlichkeitsarbeit, worin er als Untergeneralsekretär im Juni 2002 bestätigt wurde. 2003 ernannte ihn Kofi Annan zum Koordinator für Mehrsprachigkeit.

Im Juni 2006 wurde Tharoor von seinem Land als Nachfolger Annans nominiert, dessen Amt als UNO-Generalsekretär zu Jahresbeginn 2007 neu besetzt werden musste. Er galt als Favorit, da er auf Grund seiner weitreichenden Einblicke und Erfahrungen mit UN-Abläufen alle notwendigen Voraussetzungen erfüllte. Zudem musste der UN-Arithmetik folgend der nächste Generalsekretär aus Asien stammen. Dem wurde entgegengehalten, dass seine Herkunft aus der aufstrebenden, bevölkerungsreichen Wirtschafts- und Militärmacht Indien ein Hindernis sein könnte. Anfang Oktober 2006 zog Tharoor seine Kandidatur als UNO-Generalsekretär zurück, da der südkoreanische Außenminister Ban Ki-moon in einer Testwahl die meisten Stimmen erhielt.

Tharoor ist gewähltes Mitglied des New York Institute of the Humanities und Mitglied des Advisory Board of the Indo-American Arts Council.

Tharoor ist geschieden und Vater von Zwillingsbrüdern, die beide 2006 ihr Studium an der Yale-Universität abgeschlossen haben und zur Zeit als Journalist beziehungsweise freier Autor von Kurzgeschichten arbeiten.

Literat und Politiker

Tharoor zählt zu den herausragendsten indischen Schriftstellern der Gegenwart. Zu seinen Werken zählen „Der große Roman Indiens“, wofür er den angesehensten Literaturpreis Indiens sowie den Commonwealth Writers' Prize erhielt. Sein Sachbuch „Indien-Zwischen Mythos und Moderne“ gehört zur Pflichtlektüre aller Geschichts- und Politikinteressierten. Auch eine Liebesgeschichte vor dem Hintergrund religiöser Spannungen zwischen Hindus und Muslimen „Aufruhr“, eine vielbeachtete Biografie des ersten indischen Ministerpräsidenten Jawaharlal Nehru und ein satirischer Roman „Bollywood“ gehören zu seinem breiten literarischen Repertoire. Tharoor schreibt regelmäßig an einer Kolumne in der indischen Tageszeitung Indian Express.

Für Tharoor sind Literatur und Politik „natürliche geistige Zwillinge“, beide versuchen einander widersprechende Positionen zu versöhnen. Und bei beiden „ist nicht nur entscheidend, was gesagt wird, sondern auch, wie etwas gesagt wird.“ Tharoor meint, dass sich beide Welten nicht stören, sondern ergänzen. Unfasslich bleibt für ihn, wie Politiker ohne Literatur und Literaten ohne Politik auskommen können.

Indien und Globalisierung

„Indien ist das wichtigste Land für die Zukunft der Welt,“ sagt Tharoor. Kulturelle Identität in Zeiten der Globalisierung ist für den indisch geprägten Weltbürger Tharoor ein sich stetig wiederholendes Thema. Für ihn liegt Indien im Schnittpunkt der entscheidenden Debatten darüber, ob ein demokratisches System es schafft, die gesellschaftlichen Verwerfungen in Folge der Globalisierung zu überwinden und die Bevölkerung aus der Armut zu führen; oder ob es eines autoritären, zentralistischen Systems bedarf. Ob die meinungspluralistische Gesellschaft den religiösen Fanatismus ihren eigenen Werten und ihrem eigenen Ethos konform begegnen und diesen zurückdrängen kann. Und ob innerhalb des Stroms der Globalisierung selbstständige Entwicklung möglich ist oder eine „Coca-Colonisierung“ die zwangsläufige Folge ist.

Als Politiker beschwört er die Notwendigkeit der Kooperation, eines Zusammenwachsens der Welt und der Reformbedürftigkeit der Vereinten Nationen. Der Schriftsteller Tharoor stellt sich die Aufgabe, neue Wege zu finden und alte neu zu beleben, um die eigene indische Identität, die kulturelle Selbstbehauptung zu stärken. Ohne die Bekräftigung beider Strömungen sieht er keinen Fortschritt.

Selbstkritisch in Bezug auf Indien thematisiert Tharoor auch die Gewalt, indem er den britischen Historiker E. P. Thompson zitiert: „Wie soll man eine Kultur einschätzen, die Gewaltlosigkeit zu einem wirklichen Moralprinzip erhoben hat, deren Freiheit jedoch aus Blut geboren wurde und deren Unabhängigkeit nach wie vor von Blut durchtränkt wird?“

Weblinks

 Commons: Shashi Tharoor – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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