Siegfried Gumbel

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Siegfried Gumbel

Siegfried Gumbel (* 22. September 1874 in Heilbronn; † 27. Januar 1942 im KZ Dachau) war Rechtsanwalt und Gemeinderatsmitglied (DDP). Nach 1933 war er Leiter des Israelitischen Oberrats für Württemberg in Stuttgart.

Inhaltsverzeichnis

Familie

Siegfried Gumbel wird als das jüngste Kind von Max Gumbel und Lina Kiefe erwähnt. Max Gumbel war am 12. Juli 1860 nach Heilbronn gekommen und wurde dort seit 1862 zusammen mit seinem Bruder Isaac als Bankier genannt. Während der Cousin Siegfrieds, Abraham Gumbel wie sein Vater Bankier wurde – die heutige Volksbank Heilbronn geht auf den Heilbronner Bankverein Gumbels zurück – wählte der Sohn von Max den Beruf des Rechtsanwalts.

Leben und Werke

Gumbel war Vorsitzender des Heilbronner Anwaltsvereins, stand dem Central-Verein deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens vor und spielte auch in der Deutschen Demokratischen Partei eine wichtige Rolle. In Württemberg engagierte sich Gumbel ab 1920 als Abgeordneter des Wahlkreises Heilbronn in der Verfassunggebenden Landeskirchenversammlung und ab 1924 als stellvertretender Vorsitzender des Finanzausschusses.

Festrede zum 50jährigen Jubiläum der Synagoge 1927

In der Festrede zum Jubiläum der Synagoge ist die Ernüchterung Gumbels zu spüren: „So hat man 1877 auch empfunden […] man war in unseren Kreisen überzeugt, daß die Zeiten endgültig vorbei seien, wo der Jude als rechtlos oder minderen Rechts behandelt und mißhandelt worden war. In der Verfassung stand, daß es für die Ausübung staatsbürgerlicher Rechte auf das Glaubensbekenntnis nicht ankommen, und wir hatten damals das Vertrauen, daß die im Recht begründete Gleichstellung, soweit sie uns von der Verwaltung noch nicht gewährt wurde, sich allmählich durchsetzen werde. Man lebte der Hoffnung, daß die gegen uns noch bestehende Vorurteile nach und nach schwinden und daß auch die gesellschaftliche Zurücksetzung schließlich aufhören werden. Aber es sind nicht alle Blütenträume in Erfüllung gegangen, mancher Frost und Wetterrückschlag hat die Atmosphäre vergiftet, und wir haben uns um unser Recht und unsere Geltung in zäher Arbeit wehren müssen.“ Gumbel kommt dann zum Schluss, dass „es ein hartes Schicksal ist, wenn man den Sündenbock abgeben soll für die Schuld anderer, es ist ein schlimmes Verhängnis, wenn man das Opfer werden soll von Rassendünkel und Rassenwahn.“

Präsident der Herder-Loge

Gumbel war der Vorsitzende bei der Gründung der Herder-Loge ehemals: „Israelitische Loge“. Die „Israelitische Loge“ gehörte dem Orden „B’nai B’rith“ (בני ברית, Söhne des Bundes) an, einer 1843 in New York gegründeten unabhängigen und unpolitischen Loge.

Gründer des Central-Vereins in Heilbronn

Gumbel war Vorsitzender bei der Gründung der Ortsgruppe Heilbronn des Central-Vereins deutscher Staatsbürger jüdischen Glaubens. Dieser Verein hatte die Abwehr des Antisemitismus und die Emanzipation des Judentums auf Grundlage der deutschen Staatsbürgerschaft zum Ziel.

Gemeinderatsmitglied als Mitglied der DDP

Siegfried Gumbel schaffte es als 6. Kandidat der DDP ganz knapp nicht mehr, in das Stadtparlament zu gelangen. Am 5. August 1932 kam Gumbel nach dem Tod von Ludwig Heuss, dem Fraktionsvorsitzenden der DDP, im Wege des Nachrückverfahrens in den Heilbronner Gemeinderat.[1] Bevor Gumbel am 13. Oktober 1932 als Stadtrat der DDP verpflichtet wird, reagieren drei Stadträte der NSDAP, Gültig, Kölle und Faber mit Protest: „Als Angehöriger der jüdischen Rasse dürfe Gumbel kein öffentlich-rechtliches Amt an einer deutschen Behörde bekleiden[2].

Der Oberbürgermeister Beutinger maßregelt die drei Stadträte daraufhin mit einem Ordnungsruf: „Eine derartige Äußerung ist nach der deutschen Gesetzgebung eine schwere Beleidigung. Ich rufe Sie zur Ordnung![3]

Gumbel gab hierzu abschließend selbst eine Erklärung ab und verwies zum einen darauf, dass seine Vorfahren seit Jahrhunderten in Deutschland lebten, zum anderen darauf, dass er selbst die deutsche Staatsbürgerschaft innehabe und als Rechtsanwalt auch das deutsche Recht verteidige und einhalte. Nicht er, sondern die Verfassung, die ihm dieses Staatsbürgerrecht gebe, werde hier beanstandet und solle daher anderenorts geklärt werden.

„Wenn mir aber in diesem Saal entgegengehalten wird, daß ich nicht würdig und fähig sei hier im Gemeinderat zu sitzen, so geht dies gegen meine Ehre auch gegen die seiner Wähler, die mir die Ehre erwiesen haben mich zu wählen.“

Die Heilbronner Presse bezeichnete das Vorgehen der drei Stadträte der NSDAP „als Komödie“ (Neckar-Echo) oder als „Kulturschande“ (Abendzeitung).

Die NSDAP stellte am 16. März 1933 den Antrag, der abgelehnt wird „den jüdischen Stadtrat und Rechtsanwalt Dr. Gumbel aus dem Gemeinderat auszuschließen[4]. Trotzdem gab Gumbel an diesem Tag sein Mandat auf.[5]

Oberrat der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg

1936 wurde Siegfried Gumbel zum Präsidenten und rechtskundigen Mitglied des Oberrates der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg gewählt. In seiner Stellung als „Oberrat“ versuchte Siegfried Gumbel, die Lage der Gemeindemitglieder zu erleichtern, indem er sich für Schulwesen, Seelsorge, Erwachsenenbildung und Auswanderung einsetzte. Hier ist es interessant zu vermerken, dass „er riet im Gegensatz zu vielen anderen Meinungen [...] zur Auswanderung...“ Gumbel soll selbst gesagt haben: „...die Phantasie im allgemeinen reicht nicht aus, um vorauszusehen, was nun [der Ermordung Raths] folgen wird!

Deportation und Ermordung

Nach den Novemberpogromen von 1938 kam er in das Schutzhaftlager Welzheim, 1941 in das KZ Dachau, wo er am 27. Januar 1942 ermordet wurde.

Privatleben

Gumbels Frau Ida, geborene Rosenthal, war gelähmt. Er ließ in seinem Haus einen Aufzug einbauen, um ihr den Aufenthalt im Garten zu erleichtern, und las ihr – wenn er von der Amtsarbeit oft spät in der Nacht nach Hause kam – noch stundenlang auch schwierige philosophische und Werke der Dichter vor. Sein Mitarbeiter Julius Wissmann[6] meinte, dass gerade über Gumbels Leben mit Recht der Ausspruch Goethes stehen müsse, da ihn Gumbel sein Leben lang befolgt habe: „Edel sei der Mensch, hilfreich und gut.

Stolperstein

Auf Initiative von Schülern wurden im Mai 2009 in Heilbronn drei Stolpersteine verlegt, von denen einer vor dem Haus Gartenstraße 50 an Siegfried Gumbel erinnert.[7]

Literatur

  • Hans Franke: Geschichte und Schicksal der Juden in Heilbronn. Stadtarchiv Heilbronn, Heilbronn 1963 (Veröffentlichungen des Archivs der Stadt Heilbronn, 11) (hier als PDF mit 1,2 MB) S. 201ff.
  • Wolfram Angerbauer (Bearb.): Museum zur Geschichte der Juden in Kreis und Stadt Heilbronn. Katalog. Landkreis Heilbronn, Heilbronn 1989, ISBN 3-9801562-2-2.
  • Horst Göppinger: Juristen jüdischer Abstammung im „Dritten Reich“. 2., völlig neubearbeitete Auflage. Beck, München 1990, ISBN 3-406-33902-6, S. 245.

Einzelnachweise

  1. Warum die Synagogen brannten Seite 11
  2. Jacobi, U., Die vermissten Ratsprotokolle Seite 18
  3. Warum die Synagogen brannten, Seite 11
  4. Jacobi, Die vermißten Ratsprotokolle Seite 16
  5. Warum die Synagogen brannten Seite 14, 44
  6. Briefe des Wissmann von 17. Juni und 27. September 1962
  7. Gertrud Schubert: Stolpersteine im Alltagstrott. In: Heilbronner Stimme. 28. Mai 2009 (bei stimme.de, abgerufen am 20. August 2009).

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