Siegmund Kaznelson

Siegmund Kaznelson

Siegmund Kaznelson (* 17. Mai 1893 in Warschau; † 20. März 1959 in Jerusalem; auch Siegmund Katznelson) war ein Redakteur und Verleger, der als nationaljüdisch-zionistischer Aktivist hervortrat und insbesondere das deutsche Judentum seit der Emanzipationszeit in seinem Hauptwerk Juden im deutschen Kulturbereich dokumentierte.

Inhaltsverzeichnis

Leben

Siegmund Kaznelson war seit seiner Gymnasialzeit überzeugter Zionist und absolvierte ein Jurastudium.

1913 bis 1917 war er Redakteur der tschechoslowakisch-zionistischen Wochenzeitschrift Die Selbstwehr. Er promovierte 1919 in Prag. 1920 folgte die Übersiedlung nach Berlin. Dort war er Redakteur der von Martin Buber herausgegebenen Monatsschrift Der Jude[1] sowie Direktor des Jüdischen Verlags, den er mit ambitionierten Buchprojekten zum Erfolg führte[2] und wovon er 1931 in Palästina eine Tochtergesellschaft (The Jewish Publishing House Ltd.) gründete.

1937 siedelte er nach Jerusalem über. Von 1939 bis 1940 war er der Administrator der von Robert Weltsch herausgegebenen, wöchentlich in Paris erscheinenden Jüdische Welt-Rundschau.[3]

„Juden im deutschen Kulturbereich“

Heute noch von großem Wert ist Kaznelsons bereits Ende 1934[4] in 1. Auflage fertig gestelltes, durchaus in apologetischer Absicht und zur Verteidigung der jüdischen Ehre konzipiertes beeindruckendes Sammelwerk Juden im deutschen Kulturbereich, dessen Erscheinen vom Staatspolizeiamt für den Landespolizeibezirk Berlin im Interesse der öffentlichen Sicherheit und Ordnung untersagt und die vorhandenen Exemplare polizeilich beschlagnahmt und eingezogen wurden.[5]

Das Buch erschien dann erstmals in Berlin 1959 in der 2., maßgeblichen Auflage als enzyklopädisches Handbuch des deutschen Judentums seit der Emanzipation bis ca. 1933.[6] Es ging zurück auf eine aus dem Jahre 1933 herrührende Idee des Dr. Leopold Ullstein, jüngeres Mitglied der bekannten Zeitungs- und Buchverlegerfamilie und damals Partner des Rowohlt-Verlages, der ein Schema für das Buch ausgearbeitet, die Bearbeitung der einzelnen Fachgebiete an zuständige Mitarbeiter übergeben hatte und an Siegmund Kaznelson in dessen Eigenschaft als Direktor des Jüdischen Verlages herangetreten war. Siegmund Kaznelson war vom Konzept überzeugt und stellte sofort seine Mitarbeit zur Verfügung.

Die dritte und letzte Auflage erschien 1962 unter der Ägide von Robert Weltsch, weil Kaznelson selbst durch seinen Tod mitten aus der Arbeit herausgerissen wurde.

Siegmund Kaznelson hatte mehr als zwanzig Jahre seines Lebens intensivster Arbeit für dieses imposante Werk hergegeben – für diese von ihm selbst nach dem Krieg so genannte „Schlussbilanz des deutschen Judentums“.

Das Buch ist sorgfältig bearbeitet und, von sehr selten vorkommenden Fehlern, die bei einem Werk dieser Konzeption und dieses Umfangs einfach unvermeidlich sind, abgesehen, sehr zuverlässig.

Weitere Werke

  • Siegmund Kaznelson: Beethovens Ferne und Unsterbliche Geliebte. Zürich 1954[7]
  • Siegmund Kaznelson (Hrsg.): Jüdisches Schicksal in deutschen Gedichten. 1959 (Anthologie)

Anmerkungen

  1. Die Bubersche Zeitschrift war die zweite Wiedererweckung dieses Titels, nach der 1768–1772 von Gottfried Selig sowie 1832 ff. von Gabriel Riesser herausgegebenen Zeitschrift desselben Namens, die zwar alle drei denselben Titel trugen, aber vollkommen unterschiedlich konzipiert waren. Die erste Zeitschrift dieses Namens war ein beinahe antisemitisches Blatt.
  2. zu nennen wären hier vor allem das fünfbändige Jüdische Lexikon, die zwölfbändige Talmud-Ausgabe Goldschmidts oder auch Dubnows zehnbändige Weltgeschichte des jüdischen Volkes
  3. Der Produktionssitz war Jerusalem, von wo aus sie bis zur Einstellung des Blattes im Mai 1940 in über 60 Länder geliefert wurde; die Jüdische Welt-Rundschau (JWR), Nachfolgerin der verbotenen Berliner Jüdischen Rundschau, die 1902 bis 1938 erschien, war zeitweilig das wichtigste Sprachrohr des deutschen Zionismus und in dieser schwierigen Zeit ein Forum zur Sammlung und Unterstützung der verstreuten jüdischen Emigranten, gestaltet von ehemaligen Vertretern der Zionistischen Vereinigung für Deutschland und Redakteuren der Jüdischen Rundschau
  4. Wie wenig sich Kaznelson zu diesem Zeitpunkt noch von der durch die nationalsozialistischen Begrifflichkeiten vorgegebenen Rassenlehre und ihren unsinnigen Schlussfolgerungen gelöst hatte, zeigen seine im Vorwort zur Sprache kommenden Vorgaben: Das Kriterium, das für die Aufnahme und Auswahl der in diesem Werke genannten Persönlichkeiten als maßgebend galt, war nicht die bloße konfessionelle Zugehörigkeit, sondern die jetzt in Deutschland geltende und gesetzlich festgelegte Rassenangehörigkeit. Das Buch schließt also ebenso Juden wie Judenstämmlinge in den Kreis seiner Betrachtungen ein […]
  5. Die Begründung, die dieselbe Polizeistelle nach Prüfung des Buches per Brief vom 5. Februar 1934 (Geschäftszeichen Stapo.6.3600/223.34) gab, lautete: Der unbefangene Leser muss bei der Lektüre des Werkes den Eindruck gewinnen, dass die gesamte Deutsche Kultur bis zur nationalsozialistischen Revolution nur von den Juden getragen worden sei. Der Leser erhält ein ganz falsches Bild über die wahre Betätigung, insbesondere die zersetzende Tätigkeit der Juden in der Deutschen Kultur. Hinzu kommt, dass sattsam bekannte jüdische Schieber und Spekulanten dem Leser als Opfer ihrer Zeit dargestellt werden und ihre schmutzige Tätigkeit auch noch beschönigt wird. Ich weise in dieser Hinsicht auf Seite 170 und insbesondere auf Seite 175 (Gebrüder Rotter) hin. Ferner werden Juden, die als Staatsfeinde hinreichend bekannt sind (Lassalle, Hilferding, Georg Bernhardt, Leopold Schwarzschild u. a. m.), als hervorragende Träger der "Deutschen Kultur" hingestellt […]
  6. Das vorliegende Werk sucht ein wahrhaftes geschichtliches Bild von dem Anteil zu zeichnen, den die deutschen Juden an den kulturellen Leistungen ihres Vaterlands in der Zeitspanne von „Nathan der Weise“ bis zum Verlust der Gleichberechtigung hatten (aus dem vom Chemie-Nobelpreisträger Richard Willstätter 1934 beigesteuerten Vorwort)
  7. Forschungen zu Beethovens Ferner Geliebten und zu Rahel Levin-Varnhagen, ursprünglich gedacht als erster Band eines umfassenden Werkes, das den Titel tragen sollte Das wandelnde Geheimnis mit dem Untertitel Tatsachen und Prophezeiungen aus dem Zeitalter der jüdischen Emanzipation

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