Skewes-Zahl

Skewes-Zahl

Die Skewes-Zahl (nach Stanley Skewes) ist eine obere Grenze für das Problem der überschätzten Primzahldichte. Ihr genauer Wert beträgt \mathrm e^{ \mathrm e^{  \mathrm e^{79} } }. Auch die Approximation 10^{10^{10^{34}} } ist gebräuchlich.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Das Problem der überschätzten Primzahldichte basiert auf einer Formel über die Verteilung der Primzahlen, die Carl Friedrich Gauß bereits im Alter von 14 Jahren aufgestellt haben soll (er veröffentlichte sie aber wesentlich später). Demnach kann π(x), die Anzahl der Primzahlen bis x, durch die Formel

 \mathrm{Li}(x) = \int_2^x \frac{\mathrm{d}t}{\ln t}

angenähert werden. Vergleicht man Li(x) mit konkreten Werten von π(x), die man anhand von Primzahltabellen ermittelt, so ist stets Li(x) > π(x), und man glaubte lange, dies gelte für alle Zahlen bis ins Unendliche.

Im Jahr 1914 bewies J. E. Littlewood,[1] dass die Differenz Li(x) − π(x) bei größer werdendem x das Vorzeichen unendlich oft ändert. Die Gaußsche Formel unterschätzt also die Anzahl der Primzahlen in einem hinreichend großen Zahlenbereich.

1933 gab Stanley Skewes[2], der bei Littlewood in Cambridge studierte und mit dieser Arbeit bei ihm promovierte, mit der Zahl

10^{10^{10.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000.000}} = 10^{10^ { 10^{34}} }

eine erste konkrete Abschätzung für die Obergrenze, unterhalb deren diese Unterschätzung erstmals auftreten würde. Zunächst bewies er das 1933 unter Voraussetzung der Riemann-Hypothese, in der ausführlicheren Arbeit 1955[3] konnte er die Grenze auf \mathrm e^{ \mathrm e^{  \mathrm e^{7,703} } } herabsetzen (unter der Annahme der Riemann-Hypothese) und auch unter Annahme der Nichtgültigkeit der Riemann-Hypothese eine (höhere) obere Grenze angeben,  10^{10^ { 10^{1000}} } , manchmal auch „zweite Skewes Zahl“ genannt.[4]

Die Skewes-Zahl liegt jenseits aller Vorstellungskraft. G. H. Hardy nannte die Skewes-Zahl „die größte Zahl, die je einem bestimmten Zweck in der Mathematik gedient hat“.[5] Spielte man Schach mit allen Teilchen des bekannten Universums (≈1078), so rechnete Hardy vor, entspräche die Zahl der möglichen Züge in etwa Skewes' Zahl.

Im Jahr 1971 wurde sie durch Grahams Zahl von Platz 1 verdrängt. Dies war jedoch lange nach Hardys Tod.

Inzwischen konnte von Herman te Riele gezeigt werden, dass die Obergrenze für die erste auftretende Unterschätzung unterhalb von  6{,}69 \cdot 10^{370} liegen muss[6], nachdem schon 1966 Sherman Lehman eine obere Grenze von  1{,}65 \cdot 10^{1165} beweisen konnte.[7] Außerdem bewies te Riele, dass mindestens 10180 aufeinanderfolgende natürliche Zahlen zwischen  6{,}62 \cdot 10^{370} und  6{,}69 \cdot 10^{370} die Ungleichung Li(x) > π(x) verletzen. Die obere Grenze wurde nochmals durch Carter Bays und Richard Hudson 2000 auf 1{,}39822 \cdot 10^{316} verbessert (außerdem zeigten sie, dass mindestens 10153 aufeinanderfolgende ganze Zahlen nahe dieser Zahl die Ungleichung verletzen)[8]

Untere Grenzen für Skewes' Zahl stammen von J. B. Rosser und Lowell Schoenfeld[9] (108), Richard P. Brent[10] (8 \cdot 10^{10}) und Kotnik 2008 (1014).[11]

Aurel Wintner zeigte 1941[12], dass der Anteil der natürlichen Zahlen, für die die Ungleichung verletzt ist, positives Maß hat, und M. Rubinstein und Peter Sarnak zeigten 1994, dass der Anteil bei etwa 0,00000026 liegt.[13]

Literatur

  • Ralph Boas: The Skewes Number, in Ross Honsberger: Mathematical Plums, Mathematical Association of America 1979, Kapitel 10
  • Littlewood: A mathematician´s miscellany, Methuen 1953, S. 113f
  • Isaac Asimov: Skewered! Fantasy and Science Fiction, 1974, S. 131ff (populärwissenschaftlich)

Siehe auch

Weblinks

Einzelnachweise

  1. Littlewood: Sur la distribution des nombres premiers, Comptes Rendus Acad. Sci., Bd. 158, 1914, S. 1869–1872. Ausführlich bewiesen in Hardy, Littlewood: Contributions to the theory of the Riemann Zeta Function and the Theory of the Distribution of Primes, Acta Mathematica, Bd. 41, 1918, S. 119–196. Beweisdarstellungen finden sich in Prachar: Primzahlverteilung, Springer, 1957, Narkiewicz: Development of Prime Number Theory, Springer, 2000, S. 322ff, Albert Ingham: The distribution of prime numbers, 1932
  2. Skewes: On the Difference Li(x) − π(x) I. J. London Math. Society, Bd. 8, 1933, S. 277–283, Teil 2, Proc. London Math. Soc. Bd. 5, 1955, S. 48–70
  3. Die Veröffentlichung von Skewes 1933 war eher eine Beweisskizze.
  4. Auch Littlewood gab 1937 (Journal of the London Mathematical Society, Bd. 12, S. 217) an, eine obere Grenze ohne Voraussetzung der Gültigkeit der Riemannhypothese bewiesen zu haben, veröffentlichte aber keinen Beweis. In A mathematicians miscellany, Methuen 1953, S. 113, gibt er an, dass Skewes einen solchen Beweis 1937 fand, diesen aber noch nicht veröffentlicht habe.
  5. Hardy: Ramanujan, 1940, S. 17
  6. Herman te Riele: On the sign of the difference Li(x) − π(x), Mathematics of Computation, Bd. 48, 1987, S. 323–328
  7. R. S. Lehman: On the difference .., Acta Arithmetica, Bd. 11, 1966, S. 397. Wie auch te Riele, der die Methode von Lehman verwendete, bewies er das ohne Voraussetzungen.
  8. C. Bays, R. H. Hudson: A new bound for the smallest x with π(x) > Li(x), Mathematics of Computation, Bd. 69, 2000, S. 1285–1296
  9. Rosser, Schoenfeld: Approximate formulas for some functions of prime numbers, Illinois J. Math., Bd. 6, 1962, S. 64–94
  10. Mathematics of Computation, Bd. 29, 1975, S. 43
  11. Kotnik, Advances in Computational Mathematics, Bd. 29, 2008, S. 55
  12. Wintner: On the distribution function of the remainder term of the prime number theorem, American Journal of Mathematics, Bd. 63, 1941, S. 233
  13. Rubinstein, Sarnak: Chebyshevs bias, Experimental Mathematics, Bd. 3, 1994, S. 173–197[1]

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