Slowakischer Nationalaufstand

Slowakischer Nationalaufstand
Denkmal des Slowakischen Nationalaufstands in Banská Bystrica

Der Slowakische Nationalaufstand (Slovenské národné povstanie, SNP) gegen das dem nationalsozialistischen Deutschland ergebene slowakische Volkspartei-Regime[1] dauerte vom 29. August bis zum 28. Oktober 1944.

Inhaltsverzeichnis

Auslösung

Anders als der Warschauer Aufstand, der am 1. August 1944 begann, war der slowakische Nationalaufstand zwar ursprünglich unter rein nationalen Gesichtspunkten geplant, konnte aber die im Untergrund bestehende kommunistische Partei nicht übergehen. Die damit über alle Vorhaben bestens informierte Sowjetunion nutzte dies zu einer eigenen Planung. Bereits seit Wochen aktive kommunistische Partisanenverbände in der Ost- und Mittelslowakei sollten demnach, zusammen mit von der slowakischen Regierung abgefallenen starken militärischen Verbänden, das bis dahin nicht von deutschen Truppen besetzte Land vom nationalsozialistischen Einfluss befreien, damit aber zugleich den Weg über die Karpatenpässe bis nach Wien frei machen. Der Abfall Rumäniens und der Sturz der Regierung in Bukarest gab ein Beispiel für aus einem Regierungswechsel sich ergebende militärische Möglichkeiten, die indessen mit den Überlegungen des Slowakischen Nationalrates nicht ganz übereinstimmten.

Der Slowakische Nationalrat bildete das politische Zentrum des Aufstandes. Er berief ein Militärzentrum, an dessen Spitze Jan Golian stand, Stabschef der Landstreitkräfte in Banská Bystrica. Das Militärzentrum plante, dass das 1. Slowakische Armeekorps die Gebirgspässe für die Rote Armee öffnen sollte.

Vorzeitig ausgelöst wurde der Aufstand durch einen unvorhergesehenen Zwischenfall. Die aus Rumänien ausgewiesene deutsche Militärmission wurde auf der Bahnfahrt nach Deutschland am 27. August 1944 aufgehalten und am Morgen des 28. in Sv. Martin unter ungeklärt gebliebenen Umständen auf einem Kasernenhof erschossen. Der Vorgang wurde rasch bekannt und verlangte nach einer sofortigen Strafexpedition von deutscher Seite, die von Nordwesten her SS-Einheiten einrücken ließ. Dem konnte seitens des Nationalrates nur mit Ausrufung des Nationalaufstands begegnet werden – früher als in der Planung vorgesehen. Man hoffte, in jedem Falle die Ost- und Mittelslowakei zu halten, bis russische Unterstützung kam. Doch deutscherseits sah man den drohenden Verlust dort gelegener Gebiete mit starkem deutschem Bevölkerungsanteil, die zudem als Rückhalt für die zu verteidigenden Karpatenpässe dienten. Das deutsche Oberkommando reagierte daher sofort.

Militäraktionen

Karte der Geschehnisse während der ersten zwei Tage des Aufstandes

Obwohl die deutsche 1. Panzerarmee in schwere Abwehrkämpfe im Raum Tarnów-Debica verwickelt war, löste sie ihre einzige Armeereserve, ein starkes Regiment, aus der Front und brachte es südlich Neu-Sandez mit Lastkraftwagen über die slowakische Grenze bis Kezmarok/Käsmark, das die Aufständischen gerade einzunehmen im Begriff waren.

In leichten bis mittelschweren Gefechten wurden die aufständischen Truppenteile in wenigen Tagen aus der Zips und bis ins Gran-Tal verdrängt. Erst im Vorfeld von Brezno/Bries gelang ihnen der Aufbau einer Widerstandslinie. Bei Telgárt kam es sogar zu vorübergehend erfolgreichen Gegenangriffen. Man versuchte damit möglichst nahe dem Duklapass zu bleiben, der nach dem ursprünglichen Konzept des Nationalrates durch das 1. slowakische Armeekorps vor dem Eintreffen deutscher Truppen besetzt und für den Durchmarsch der Roten Armee freigehalten werden sollte.

Das Misslingen dieses Planes war darauf zurückzuführen, dass seitens der deutschen Wehrmacht in kürzester Zeit die Reserve der 1. Panzerarmee sowie fünf rasch zusammengestellte Kampfgruppen mit starken Anteilen gut ausgerüsteter SS-Verbände zur Niederwerfung des Aufstandes eingesetzt werden konnten. Mitte September waren alle wichtigen Orte rund um das Aufstandszentrum in Banská Bystrica/Neusohl „befreit“ – so die offizielle Lesart – das 1. Slowakische Korps erlitt schwere Niederlagen, die Karpatenpässe wurden schon in ihrem Vorfeld von der deutschen 1. Panzerarmee gesichert. Das OKW hatte die dort zur Verteidigung eingesetzten Verbände sogar auf fünf Divisionen und zwei Kampfgruppen verstärkt, um einen sowjetischen Durchbruch zum Aufstandsgebiet zu verhindern Bis Ende Oktober 1944 gelang es der Roten Armee trotz Übermacht nur, die deutsche Verteidigung vom Vorfeld bis zu den Passhöhen zurückzudrängen. Zudem folgten keineswegs alle eingeplanten slowakischen Verbände den Befehlen aus Banská Bystrica. Viele ergaben sich und legten die Waffen nieder. Auch an anderen Abschnitten lösten sich slowakische Verbände auf, viele Soldaten gingen in Gefangenschaft, andere schlossen sich den Partisanen an. Die Westslowakei wurde auf diese Weise in kurzer Zeit besetzt, die starken Garnisonen Bratislava/Preßburg und Nitra/Neutra ergaben sich kampflos.

Zentrum des Aufstandes blieb bis zum Tag seiner Einnahme im Zuge einer von Ungarn ausgegangenen deutschen Offensive Banská Bystrica/Neusohl, doch wurde das unter seinem Einfluss stehende Gebiet zunehmend eingeengt. Sowjetische Flugzeuge brachten zwar allnächtlich Waffen, Munition und Medikamente, sie überführten auch bis zum 20. Oktober eine „2. Tschechoslowakische Luftlandebrigade“ in das Aufstandsgebiet, aber die Mengen waren unzulänglich. Die den Aufstand beendende deutsche Offensive begann am 17. Oktober. Sie wurde von Süden her aus Ungarn geführt. Am 27. Oktober 1944 ergab sich Banská Bystrica. Die dort bis zuletzt kämpfenden Aufständischen wurden gefangen genommen, viele desertierten in letzter Minute oder liefen zu Partisanengruppen über, die den Widerstand bis zum Eintreffen sowjetischer Verbände fortführten.

Auf dem wiedereroberten okkupierten slowakischen Gebiet herrschten ab Herbst 1944 blutiger Terror und scharfe Repression. Bei der Verfolgung der unterlegenen Aufständischen kamen neben Wehrmachtseinheiten auch die SS-Truppe Heimatschutz, die aus rekrutierten Volksdeutschen bestand, und die Bereitschaftseinheiten der Hlinka-Garde unter Führung von Otomar Kubala zum Einsatz. Dörfer wie Nemecká, Kalište und Telgárt wurden wegen Beteiligung und Unterstützung des Aufstandes niedergebrannt, die Männer in Konzentrationslager gebracht oder an Ort und Stelle erschossen.

Von Beginn des Aufstandes an bis zur Befreiung durch die Rote Armee wurden 5.304 Personen zu Tode gefoltert und ermordet, diese wurden später in 211 Massengräbern gefunden. Außerdem wurden mehr als 90 Gemeinden und Siedlungen niedergebrannt.[2] Die Gesamtzahl der im Zuge des Aufstandes gefallenen oder auf andere Weise getöteten slowakischen Soldaten und Zivilisten wurde auf 20.000 geschätzt.

Literatur

  • Jan Gebhart, Ján Simovcek: Partisanen in der Tschechoslowakei 1941–1945, Berlin 1989.
  • Gustáv Husák: Der slowakische Nationalaufstand, Karl Dietz, Berlin 1972.
  • Viliam Plevza: Der Slowakische Nationalaufstand – Beginn der nationalen und demokratischen Revolution in der Tschechoslowakei. In: Studia historica slovaca; 14, 1985, S. 15–70.
  • Jan Rychlík: Slovenské národné povstanie v správach chorvátskeho diplomata. In: Historicky časopis; 54, 20062, S. 315–352.
  • Klaus Schönherr: Die Niederschlagung des slowakischen Aufstandes im Kontext der deutschen militärischen Operationen, Herbst 1944. In: Bohemia; 42, 20011, S. 39–61, ISSN 0523-8587.
  • Wolfgang Venohr: Aufstand für die Tschechoslowakei. Der slowakische Freiheitskampf von 1944. Christian Wegner Verlag, Hamburg 1969 (DNB).
  • Wolfgang Venohr: Aufstand in der Tatra. Der Kampf um die Slowakei 1939–44. Athenäum, Königstein/Ts. 1979, ISBN 3-7610-8057-3.
  • František Fajtl: Als erste in der Heimat, Berlin 1979.

Weblinks

Belege

  1. Jörg Konrad Hoensch: Studia Slovaca: Studien zur Geschichte der Slowaken und der Slowakei, Oldenbourg, 2000, S. 322, ISBN 3-486-56521-4
  2. Hitlers Sklaven - Von Stiftung "Erinnerung, Verantwortung und Zukunft, S. 58 (online)

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