Sonnenrotation

Sonnenrotation

Unter Sonnenrotation versteht man die Drehung der Sonne um ihre Achse.

Inhaltsverzeichnis

Grundlagen

Die Sonne rotiert in etwa 25,4 Tagen einmal um ihre eigene Achse, und zwar in die gleiche Richtung, in der sie auch von den Planeten umlaufen wird (von Osten nach Westen), also rechtläufig. Von der Erde aus gesehen dauert die Rotation etwa 27,3 Tage. Diese "synodische" (scheinbare) Periode ist länger, weil die Erde während der 14 Sonnenrotationen eines Jahres selbst 1× die Sonne umrundet.

Der Grund, dass die Sonne und fast alle Objekte im Universum rotieren, liegt häufig in ihrer Kompaktion (Verdichtung) während ihrer Entstehung: Im Allgemeinen bewegen sich die Bestandteile der kontrahierenden Staub- und Gaswolken nicht genau auf den Schwerpunkt zu, sondern besitzen demgegenüber einen Drehimpuls. Bei der Kompaktion verringert sich der Abstand zum Schwerpunkt, so dass wegen der Drehimpulserhaltung die Rotationsgeschwindigkeit zunimmt (siehe Pirouetteneffekt).

Unser Zentralgestirn hat allerdings eine wesentlich langsamere Rotation als die meisten anderen Sonnen, was mit der besonderen Ausprägung unseres Sonnensystems zusammenhängen könnte. Wie jeder rotierende Gasball rotiert sie aber nicht wie ein Festkörper mit starrer Rotation, sondern hat eine differentielle Rotation – wie um 1800 anhand der Sonnenflecken festgestellt wurde – und rotiert in der Nähe ihrer Pole langsamer als am Äquator. Die Rotationsgeschwindigkeit hängt über eine seit etwa 150 Jahren bekannte Formel von der heliografischen Breite ab, die analog zur geografischen auf der Erde definiert ist: Der Sonnenäquator hat eine Breite von 0°, der Nord- bzw. Südpol eine von +90° bzw. -90°.

Zusätzlich zu den breitenabhängigen Effekten der Rotation (zwischen 25,38 und über 30 Tagen) gibt es gewaltige Massenumlagerungen im Sonneninnern, die teilweise langfristig 11-, 22- und etwa 80-jährig ablaufen (siehe Sonnenfleckenaktivität), aber auch unregelmäßige Anteile haben. Letztere sind statistisch beständige Gasströmungen in den Konvektionszonen, durch welche die im Sonnenzentrums freigesetzte Energie (Temperatur ca. 20 Mill. K) an die Sonnenoberfläche (Temperatur ~6000 K) gelangt. Das Aufsteigen und Absinken des Sonnenplasmas bewirkt auch starke Magnetfelder, deren Feldlinien sich durch die Sonnenrotation "aufwickeln" können – z. B. in der inneren Sonnenkorona. Stark überschießende Materie"spritzer" bilden Protuberanzen oder Filamente, an denen die Sonnenrotation ebenfalls festzustellen ist.

Jede von der Rotation abweichende Massenverschiebung bringt nichtlineare, schwierig zu modellierende Effekte auf den Drehimpuls mit sich. Diese turbulenten Bewegungsanteile der Sonnenmaterie beeinflussen ihre Rotation theoretisch, aber noch kaum messbar. Im Durchschnitt über den gesamten Gasball ist das im folgenden beschriebene Rotationsgesetz daher praktisch stabil.

Nummerierung der Sonnenrotationen

Von R. C. Carrington wurde auf Basis der Sonnenfleckenbeobachtung eine Rotationszählung eingeführt, die eine mittlere synodische Periode von etwa 27,2753 Tagen zu Grunde legt und am 9. November 1853 um 21:38 UTC mit der Sonnenrotation Nr. 1 begann. Auf Basis von Julius Bartels' Untersuchungen zur geomagnetischen Aktivität wurde eine weitere Rotationszählung mit exakt 27 Tagen Periodendauer eingeführt, die ab dem 8. Februar 1832 zählte[1][2][3].

Differentielle Rotation

Die Abhängigkeit der Rotationsgeschwindigkeit von der heliografischen Breite wird differentielle Rotation genannt. Sie wurde im Jahre 1863 von R. C. Carrington entdeckt. Die Umlaufperiode von Sonnenflecken in der Äquatorregion betrug etwa 24 Tage, in der Polregion etwa 31 Tage. Die genaue Abhängigkeit der Rotationsgeschwindigkeit Ω von der Breite ϕ kann durch ein empirisches Gesetz mit den Konstanten a, b und c beschrieben werden:

\Omega=a-b\, \sin^2 \phi - c\, \sin^4 \phi

Aus der Beobachtung der Doppler-Verschiebung der Spektrallinien ergibt sich als Zusammenhang:

\Omega_D=13,9/\mathrm{a} - 1,76/\mathrm{a} \,\, \sin^2 \phi - 2,21/\mathrm{a} \,\, \sin^4 \phi

Aus der Beobachtung von Sonnenflecken erhält man:

\Omega_F=14,4/\mathrm{a} - 2,8/\mathrm{a} \,\,\sin^2\phi

Der Unterschied in den Konstanten weist darauf hin, dass die Sonne im Inneren schneller rotiert als außen in der Photosphäre und deswegen auch die Sonnenflecken (die an die Magnetfelder, die im Inneren entstehen, gebunden sind) schneller rotieren als das Photosphärengas, das nicht magnetisch ist. Wird ein bestimmter Punkt an der Sonnenoberfläche betrachtet, so ist dessen Rotationsgeschwindigkeit auch nicht konstant, sondern variiert mit einer Periode von 11 Jahren („Torsionsschwingung“). Dies ist vermutlich eine Auswirkung des (ebenfalls mit einer Periode von 11 Jahren) stärker und schwächer werdenden Magnetfeldes der Sonne.

Eine vollständige Theorie der Sonnenrotation existiert bis jetzt noch nicht.

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. WSO: Carrington and Bartels Calendars (englisch)
  2. Carrington’sche Sonnenrotation
  3. Bartels, J. (1934), "Twenty-Seven Day Recurrences in Terrestrial-Magnetic and Solar Activity, 1923-1933", Terrestrial Magnetism and Atmospheric Electricity 39: 201-202a

Literatur

  • Joachim Gürtler und Johannes Dorschner: Das Sonnensystem. Barth, Leipzig - Berlin - Heidelberg 1993. ISBN 3-335-00281-4

Weblinks


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