Sozialistische Partei Italiens

Sozialistische Partei Italiens

Die Sozialistische Partei Italiens (Partito Socialista Italiano) wurde 1892 als sozialdemokratische Partei gegründet. Bis 1893 hieß sie Partito dei Lavoratori Italiani (Partei der italienischen Arbeiter).

Inhaltsverzeichnis

Gründungsphase und Anfangsjahre der Partei bis 1914

Um 1889 setzten in Italien Repressionen gegen die Vorgängerorganisation Partito Operaio (frei übersetzt: Arbeitspartei) ein. Dies war Auslöser für Filippo Turati, den Zusammenschluss aller sozialistischen Organisationen des Landes in einer Partei anzustreben. Dafür warb er in seiner Zeitschrift Critica sociale. Turati distanzierte sich dabei deutlich vom zu der Zeit einflussreichen Anarchismus in Italien, stattdessen orientierte er sich an der deutschen Sozialdemokratie. Neben ihm gilt Antonio Labriola, der seit 1873 als Hegelianer Philosophie in Rom lehrte und ein eigenständiger Interpret des Marxismus war, als Gründungsvater der Partei. Als Folge der zahlreichen Arbeitskämpfe der 1880er Jahre fanden beide zusammen. Allerdings konnten inhaltliche Differenzen nie ganz ausgeräumt werden. Dies war einer der Gründe für spätere Spaltungen der Partei. Der zentrale Konflikt war dabei das Verhältnis zu den bürgerlichen Demokraten. Während Turati eine partielle Zusammenarbeit nicht ausschloss, hielt Labriola die Gegensätze zwischen Bürgertum und Proletariat für unüberbrückbar.

Auf dem Gründungskongress der Partei 1892 in Genua wurde ein marxistisches Programm angenommen, dem auch Turati zustimmte. Ein Jahr später nahm die Partei den Namen Partito Socialista Italiano an. Damit war eine offensiv und effektiv auftretende Partei entstanden. Dies war eine neue Entwicklung im italienischen Parteienspektrum. Ohne eine vergleichbare Organisation versuchten die bürgerlichen Regierungen, die Partei im folgenden Jahrzehnt mit Repressionen zu bekämpfen. Vom damaligen Ministerpräsidenten Italiens, Francesco Crispi, wurden ab 1894 Ausnahmegesetze durchgesetzt, die auch von Regierungschefs anderer Staaten angewandt wurden. Ähnlich wie das Sozialistengesetz in Deutschland blieben diese Versuche, die Partei auf dem Weg der Gesetzgebung zu bekämpfen, weitgehend wirkungslos.

Im Jahr 1896 wurde als Organ der Partei die Zeitschrift L'Avanti (frei übersetzt: Der Vorwärts) unter Leonida Bissolati gegründet. Im Jahr 1900 kam die PSI auf 32 Mandate im italienischen Parlament. In den Jahren 1901 und 1906 wurden die beiden der Partei nahe stehenden Gewerkschaften Federterre und Confederazione generale del lavoro gegründet. Giovanni Giolitti versuchte vor dem ersten Weltkrieg, die PSI mehrfach in eine Regierungsverantwortung einzubinden. Dies scheiterte 1901, weil die Mehrheit der Partei gegen einen solchen Schritt war. Im Jahr 1908 setzte sich eine dem deutschen Revisionismus verwandte Linie durch. Zunächst kam es zu einer Zusammenarbeit mit der bürgerlichen Linken. Diese endete bereits 1912, als sich eine am revolutionären Syndikalismus orientierte Richtung durchsetze. Eine wichtige Rolle spielte dabei Benito Mussolini, der auch die Redaktion der Zeitung L'Avanti übernahm. Sein Vorgänger Bissolati wurde aus der Partei ausgeschlossen und gründete die Partito Socialista Riformista Italiano. Im Vorfeld des ersten Weltkrieges blieb die PSI pazifistisch eingestellt. Neben einigen Reformsozialisten trat auch Mussolini zu den Kriegsbefürwortern über. Dieser Positionswechsel war der Anlass, ihn aus der Redaktion des Parteiorgans auszuschließen und ihn seiner Funktionärsposten zu entheben. Mussolini gründete 1914 das Blatt Popolo d'Italia. Daraufhin wurde er im November 1914 aus der PSI ausgeschlossen. In der Folgezeit entwickelte sich der spätere faschistische Diktator Mussolini zu einem erbitterten Gegner des Sozialismus und bekämpfte die PSI.

Vom ersten Weltkrieg bis zum Ende des Faschismus

Unter dem Parteivorsitz von Filippo Turati wurde die Partei während des ersten Weltkriegs und danach von schweren ideologischen Flügelkämpfen zerrüttet. Im Jahr 1917 ging der größte Teil der sozialistischen Abgeordneten in das Lager der Kriegsbefürworter über, während die Parteiführung den Krieg weiter ablehnte. In der unmittelbaren Nachkriegszeit nahmen die sozialen Spannungen zu und es kam zu einer Welle von Streiks, später auch von Land- und Fabrikbesetzungen. In der PSI verschärften sich die Konflikte zwischen dem reformistischen und dem revolutionären Flügel. Im letzteren gewannen kommunistische Einflüsse stark an Boden. Bei den Wahlen von 1919 errangen die PSI und die katholische Partei den Wahlsieg. Allerdings zeigte sich die PSI gegenüber Koalitionen mit den Katholiken und Liberalen abgeneigt. Die Besetzung der Zeitung L'Avanti durch Anhänger Mussolinis am 15. April 1919 war der Beginn des Kampfes der Faschisten gegen die PSI. Innerhalb der Partei wurden die Spannungen so groß, dass sich 1921 die KPI um Amadeo Bordiga, Antonio Gramsci und Palmiro Togliatti von der PSI abspaltete.

In den ersten Jahren der faschistischen Herrschaft waren die Oppositionsparteien noch nicht verboten und die PSI konnte sich so an den Wahlen vom Mai 1924 beteiligen, auch wenn durch ein neues Wahlgesetz die Liste Mussolinis von vorneherein zwei Drittel der Sitze erhielt. Am 10. Juni 1924 wurde der sozialistische Abgeordnete Giacomo Matteotti, der faschistische Übergriffe angeprangert und die Opposition zu einem gemeinsamen Vorgehen aufgerufen hatte, von Faschisten entführt und nach einiger Zeit ermordet. Dieses Vorgehen löste auch im bürgerlichen Lager Empörung aus. Die Opposition verließ aus Protest geschlossen das Parlament. Dies bedeutete freilich auch ihre parlamentarische Selbstausschaltung. Die Krise um Matteotti wurde der Beginn der eigentlichen Verwandlung Italiens in einen faschistischen Staat seit 1925. Jetzt begann eine Phase der Repressionen. Die PSI und die KPI wurden aufgelöst und einige ihrer führenden Politiker verhaftet.

Einige Zeit später wurden den Abgeordneten ihre Mandate aberkannt und führende Politiker der Opposition gingen ins Exil. Die PSI schloss sich dem 1927 in Paris gegründeten Bündnis der Oppositionsparteien Concentrazione Antifascista an. Ziel war es, die internationale Öffentlichkeit über die Politik Mussolinis aufzuklären. Generalsekretär wurde der Sozialist Pietro Nenni. Nachdem mit der Beilegung der Sozialfaschismusthese die große Blockade zwischen den beiden Parteien verschwand, vereinbarten PCI und PSI im Jahr 1934 eine Aktionseinheit. Innerhalb Italiens spielte dis PSI jedoch (wie auch die restliche Opposition) zunächst keine Rolle.

Die Missstände des Krieges und eine allgemeine Unzufriedenheit führten 1942 dann aber dazu, dass die antifaschistische Opposition auch im Land selbst wieder tätig werden konnte. Sozialistische und kommunistische Betriebszellen organisierten im März 1943 in den norditalienischen Industriezentren Mailand und Turin Streiks. Die Anhänger der PSI beteiligten sich an der nun stärker werdenden Resistenza. Nach dem Sturz Mussolinis und der Verkündung des Waffenstillstands am 8. September 1943 begann in den nicht von den Deutschen besetzten Gebieten die Reorganisation der Partei. Zusammen mit der KPI forderte die PSI unter Nenni im Gegensatz etwa zur neuen Democrazia Cristiana (DC) einen radikalen Umbau des Staates. Auf Geheiß Stalins vertagte die KPI anders als die PSI diese Frage in die Zeit nach dem Krieg. In der Allparteienregierung des Reformsozialisten Ivanoe Bonomi war auch die PSI 1944/45 vertreten.

Von der Aktionsfront mit der PCI zur Koalition mit der DC

In den Nachkriegsjahren firmierte die sozialistische Partei zunächst unter dem Kürzel PSIUP. Diese war zunächst noch die stärkste der Linksparteien. Der Gewerkschaftsbund UIL stand ihr nahe. Eine ihr nahestehende Zeitung war die Turiner La Stampa. Die Aktionseinheit mit der PCI wurde bekräftigt und die Partei erkannte sogar die Führungsrolle der UdSSR an. Für etwa zehn Jahre stand sie in enger Abhängigkeit von der PCI. Sie diente vor allem dazu solche Wähler und Intellektuelle zu binden, die nicht direkt für die Kommunisten stimmen wollten. Die Linkorientierung führte dazu, dass sich der eher sozialdemokratische Flügel abgestoßen fühlte. Dies führte 1947 zur Gründung der PSLI (seit 1952 PSDI) von Giuseppe Saragat, die sich auf die Tradition des Risorgimento berief. Diffamiert als Arbeiterverräter blieb die Partei eine Minderheitengruppierung.

Der Versuch bei den Wahlen 1948 eine Mehrheit der Christdemokraten zu verhindern führte zur Gründung einer Volksfront von PCI und PSIUP und Bildung einer Einheitsliste gegen die „kapitalistische Restaurierung“. Das Bündnis kam auf 31% der Stimmen und unterlag damit der DC, die eine absolute Mehrheit erzielen konnte, deutlich. In der zweiten Hälfte der 1950er Jahre distanzierte sich Nenni als Führungsfigur der nun wieder PSI genannten Sozialisten von der PCI. Dabei spielte die Niederschlagung der Aufstände in Ungarn und Polen im Jahr 1956 eine Rolle. Bis die Partei allerdings zu einer Regierungsbeteiligung mit der inzwischen geschwächten DC bereit war, bedurfte es noch langer parteiinterner Auseinandersetzungen. Erst 1962 wurde die Regierung im Parlament von der PSI unterstützt. Im Jahr 1963 begann dann eine von der DC und der PSI getragene Phase der Mitte-Links-Koalitionen.

Centro-Sinistra-Koalitionen

Die Zeit der Centro-Sinistra-Koalitionen unter Führung der DC dauerten etwa ein Jahrzehnt. Zwischen 1963 und 1974 gab es insgesamt zwölf Regierungen. Davon waren neun Koalitionsregierungen, an acht waren auch die Sozialisten beteiligt. Eine Folge der Regierungsbeteiligung war 1964 die Abspaltung des radikalen Flügels als PSIUP, die 1974 in der PCI aufging. Auf der anderen Seite kam es 1966 zur Wiedervereinigung der PSI und der PSDI, die Partei nannte sich danach zeitweilig PSU. Der Zusammenschluss wurde von den Wählern nicht honoriert und die PSU schnitt bei den Wahlen von 1968 schlechter ab als zuvor. Die Schwächung bedeutete eine Verschärfung der Spannungen in der Koalition. Bereits 1969 kam es auch vor dem Hintergrund sozialer Proteste und der Studentenbewegung zu einer weiteren Spaltungen der Sozialisten. In der Zeit der Regierungsbeteiligung wurde auch die PSI in das System des Klientelwesens bis hin zu Mafiakontakten einbezogen. Damit verspielte sie wie auch die DC das Vertrauen bei vielen Wählern. Davon profitierten insbesondere die Kommunisten. Seit 1972 unter Führung des neuen Vorsitzenden Francesco De Martino hat die PSI versucht einen Kurs zwischen Regierungsbeteiligung und Opposition zu fahren. Zum Teil versuchte die Partei die PCI links zu überholen. Zunehmend kam es auf lokaler Ebene auch zu einer Zusammenarbeit mit den Kommunisten. Bei den Wahlen von 1972 kam die PSI nur noch auf 9,6%. Die PCI verbesserte sich dagegen von 26,9% (1968) auf 34,4% (1976). Die PCI war nunmehr die eindeutig führende Kraft der Linken und immer stärker waren die Regierungen auf deren Unterstützung angewiesen.

„Goldene Jahre“ und Zerfall

Seit 1976 war Bettino Craxi Generalsekretär der Partei. Unter seiner Führung schlug die Partei einen gemäßigten sozialdemokratischen Kurs ein. Nach einer Zwischenphase in der DC-Regierungen gestützt von der PCI regierten, kam es 1979 unter Francesco Cossiga zu einer Neuauflage der Mitte-Links-Bündnisse unter Einschluss der PSI und der Liberalen. Vor diesem Hintergrund wurde Sandro Pertini erster sozialistischer Präsident der Republik. Im Jahr 1981 gab es zum ersten Mal mit Giovanni Spadolini einen nicht christdemokratischen Regierungschef. Ihm folgte 1983 mit Bettino Craxi eine Sozialist. Dieser stand wie sein Vorgänger einer Koalition aus fünf Parteien (Pentapartio) vor. Er schaffte es immerhin vier Jahre im Amt zu bleiben. Sowohl gegen den Terrorismus der Roten Brigaden wie bei der Bekämpfung der Inflation war er durchaus erfolgreich. Die Hoffnung auf eine grundlegende Erneuerung des Staates erfüllte sich jedoch nicht. Zunehmend suchte die Regierung Erfolge bei Randthemen und der Außenpolitik. Seit 1987 verlor die PSI die Regierungsführung wieder an die DC. In den folgenden Jahren wuchs die grundlegende Opposition gegen die DC und die PSI als größte Stützen des Systems. Im Jahr 1992 verdichteten sich die Beweise für eine breite Verstrickung der Partei in ein System der Korruption. Am schwersten und klarsten waren die Vorwürfe gegen Craxi im Schmiergeldskandal Mani pulite (Saubere Hände). Die Partei versuchte vergeblich durch einen Wechsel vom Vorsitzenden Craxi zu Giorgio Benevenuto Vertrauen zurückzugewinnen. Bei den vorgezogenen Neuwahlen 1994 fiel sie mit 2,2% auf den Status eine Splitterpartei zurück. Craxi floh ins Exil und starb im Jahr 2000 in Tunesien.

Der Partito Socialista Italiano (PSI) ist die letzte der schon im Kalten Krieg unter dem jetzigen Namen existierenden italienischen Parteien, jetzt aber unter dem Namen Nuovo Partito Socialista Italiano (Nuovo PSI) bekannt, spielte aber in den folgenden Jahren kaum noch eine Rolle. Heute gehört sie zum Wahlbündnis Casa delle Libertà (Haus der Freiheiten).

Literatur

  • Wolfgang Altgeld / Rudolf Lill (Hrsg.): Kleine Italienische Geschichte. Bonn, 2005. ISBN 3-89331-655-8 S.338, S.347, S.365, S.375f., S.384-389, S.414, S.439f., S.445, S.450f., S.453-468, S.468, S.471f., S.475-477

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