Spanische Furie

Spanische Furie
Frans Hogenberg: Der Große Markt und das Rathaus während der Spanischen Furie in Antwerpen

Als Spanische Furie wird das Plündern und Brandschatzen Antwerpens, verbunden mit dem Niedermetzeln vieler seiner Bewohner, während des Achtzigjährigen Krieges (1568–1648) bezeichnet. Das Wort 'Furie' ist mutmaßlich nach der Tat von den mythologischen Rachegöttinnen Furien abgeleitet worden.

Am 4. November 1576 begannen in spanischen Diensten stehende Söldnertruppen mit der Plünderung, was zu drei Tage währenden Gräueltaten in der Stadt ausartete, die zu jener Zeit als das kulturelle, ökonomische und finanzielle Zentrum in den spanischen Niederlanden galt. Ursache des unrühmlichen Geschehens waren monatelang ausstehende Soldzahlungen an ihre Truppen seitens der spanischen Krone.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

König Philipp II. hat am 1. September 1575 für Spanien den zweiten Staatsbankrott (der erste war 1557) erklärt. Fehlendes Geld machte Zahlungen an die in der Grafschaft Flandern eingesetzten Truppen unmöglich. Das Königshaus bekämpfte mit dem Heer die aufständischen protestantischen Nordprovinzen. Einige Einheiten warteten dort schon zwei Jahre auf ihre Entlohnung. Dies war der Grund, warum sie in den Niederlanden neben Kriegszügen Raubzüge bei der Bevölkerung zu ihrer Verpflegung und für ihren sonstigen Bedarf machen mussten.

Bei der Einnahme der Stadt Zierikzee war, abweichend von den sonst üblichen Gepflogenheiten, den spanischen Soldaten verwehrt worden, die Stadt zu plündern oder sich anderen Siegerlaunen wie etwa Vergewaltigungen oder dem Töten männlicher Einwohner hinzugeben. Philipp von Spanien hatte dies untersagt, um weitere Unruhen in den niederländischen Gebieten zu vermeiden.

Die spanischen Soldaten, ermüdet von Kämpfen in numerischer Unterlegenheit gegen Truppen der rebellierenden Protestanten, ohne größere Ruhepause, ohne ihren Sold und zudem führungslos nach dem Tode des spanischen Statthalters Luis de Zúñiga y Requesens, meuterten. Als erstes sperrten sie ihre Offiziere im Quartier in Zierikzee ein. Dann beschlossen die Meuternden, sich an den Städten schadlos zu halten und entschieden sich für den Weg ins reiche Antwerpen, um „sich selbst zu bezahlen“. Sie zogen marodierend durch Brabant und Flandern, von den nördlichen Niederlanden in den vermögenderen Südteil.

Im Juli 1576 eroberte eine Truppeneinheit die friedliche Stadt Aalst. Die Meuterer massakrierten alle Einwohner und ergriffen Besitz von der zuvor wohlhabenden Stadt. Ihre Truppenstärke war auf 3.000 Mann angewachsen. Daraufhin beschlossen die Generalstaaten am 26. Juli 1576, dass sich die Bevölkerung bewaffnen solle, um jeden Spanier, Soldat oder nicht, zu vertreiben und verpflichtete wallonische und deutsche Söldner, die nunmehr neben den holländischen Rebellen aus den Nordprovinzen die fremden Truppen bekämpfen sollten. Anfang September schlossen sich die spanischen Offiziere ihren meuternden Mannschaften an.

Außer den Provinzen Holland und Zeeland war nur Brüssel fest in den Händen der aufständischen Niederländer. Die Schlossbefestigungen in Valenciennes, Gent, Utrecht, Maastricht und anderen Städten wurden von spanischen Veteraneneinheiten gesichert. Maastricht gelang es im Oktober mit Hilfe einer deutschen Garnison, die Spanier kurzzeitig aus der Stadt zu vertreiben. Nach der Rückeroberung und Plünderung der Stadt am 20. Oktober 1576 wandten sich die spanischen Truppen Antwerpen zu, wo sie genug Gold und Waren vermuteten. Die Zitadelle von Antwerpen wurde bereits von einer spanischen Einheit unter Sancho d’Avila gehalten.

Am 3. November 1576 traf zwar der neue spanische Statthalter, Don Juan de Austria, in den Niederlanden ein, doch zu spät, um den aufgestauten Unmut im Heer zu beruhigen. Er war gegen das Geschehen in Antwerpen machtlos.

Ereignisse in Antwerpen

Stadtkommandant Champagny konnte sich ausmalen, dass die Stadt gegenüber den anrückenden Spaniern mit nur einer kleinen Gruppe deutscher Söldner des Grafen Oberstein unterlegen war und bat um Unterstützung. Er erhielt von den Generalstaaten daraufhin ein wallonisches Regiment zur Verstärkung. D’Avila war es unterdessen gelungen, vom leicht angetrunkenen Oberstein die schriftliche Zusage zu erhalten, dass die Bürger entwaffnet und ihre Waffen in der Zitadelle abgegeben werden sollten.

Tags darauf, am 3. November, entschloss sich der nüchtern gewordene Oberstein, das Papier und die Aufforderung d’Avilas, die Vereinbarung umzusetzen, zu ignorieren. Als in den folgenden Stunden nichts geschah, ließ d’Avila die Stadt aus der Zitadelle mit Kanonen beschießen. Die Bürger begannen daraufhin, einen Schutzwall zu errichten, um ihrerseits Kanonen in Richtung auf die Zitadelle in Stellung zu bringen.

Am Morgen des 4. November herrschte bis 10 Uhr starker Nebel. Die spanischen Söldner trafen vor Antwerpen ein und sie schafften es, in die Festung zu gelangen und sich mit den dort stationierten Soldaten sowie von anderen Orten gekommenen Söldnern zu vereinen. Champagny wurde der Situation gewahr und konzentrierte seine Streitmacht in der Stadt, während das wallonische Regiment und die deutschen Söldner gegenüber der Zitadelle postiert wurden. Die Mauern der Stadt waren schwach, wurden aber auch mit etwa 6.000 Bürgern verstärkt.

Es war Mittag, als etwa 5000 spanische Fußsoldaten und 600 Kavalleristen die Festung verließen. Die postierten Wallonen nahmen nach Feindkontakt angeschlagen Reißaus und über die menschliche Barriere auf den Wällen fluteten die schlachterprobten spanischen Krieger hinweg. Ohne Kampf gelangten die Spanier in die Straßen Antwerpens. Champagny sammelte eilig eine deutsche Einheit und begann Widerstand zu organisieren. Die Deutschen waren tapfer und fochten bis zum Tod, konnten aber das Fehlen wallonischer Kräfte, die auf dem Rückzug waren, nicht wettmachen. Champagny forderte, hin und her galoppierend, schließlich die Bürger auf, ihre Häuser zu verteidigen. Doch der Feind war kräftig, diszipliniert, widerstandsfest, bohrte die schlecht ausgerüsteten Bürger förmlich nieder und trampelte sie zu Boden.

Die Meuterer samt Festungsbesatzung konnten in den Straßen der Stadt die Oberhand gewinnen. Das Blutbad war enorm. Als Champagny sah, dass in dem Hin-und-Her-Gewoge von Flüchtenden und Eroberern an einen erfolgreichen Widerstand nicht zu denken war, ergriffen er und einige Holländer die Flucht. Oberstein verlor beim Versuch, in ein Boot zu gelangen, den Halt und ertrank im Fluss.

Der kurze Novembertag neigte sich seinem Ende zu als die letzten Widerstand leistenden Bürger sich auf dem Platz vor dem Rathaus versammelt hatten. Um sie herum brannten bereits Häuser, die die Spanier mit Fackeln in Brand gesteckt hatten. Während in seiner Nähe der Bürgermeister, die Senatoren, Soldaten und Bürger im Kampf fielen, legte sich mit dem Mut der Verzweiflung der Markgraf der Stadt heroisch mit den Feinden an. Mit seinem Tod endete der Widerstand. Einige Aufständische flüchteten ins Rathaus, das die spanische Soldateska anzündete. Sie legte auch weitere Brände in der Stadt. Unmittelbar darauf begannen die Spanier mit der Plünderung.

Die Schlachtrufe ließen Schlimmes ahnen: Santiago! España! A sangre, a carne, a fuego, a sacco! (Heiliger Jakobus! Spanien! Blut, Fleisch, Feuer, Plünderung!) Um Verstecke von Vermögenswerten zu erfahren, wurden Opfer vor den engsten Verwandten gefoltert, Säuglinge in den Armen der Mutter erschlagen, Frauen vor den Augen des Gatten geschändet oder Stadtbewohner zu Tode gepeitscht.

Männern wurde der Kopf eingeschlagen. Es gab Hinrichtungen. Hunde labten sich am Blut der Toten. Zwischen 8.000 und 10.000 Menschen starben und große Eigentumswerte gingen durch das Niederbrennen der etwa 600 bis 800 Häuser durch sich fortpflanzendes Feuer verloren. Überlebende des Kampfes wurden entweder dahingeschlachtet oder in der Schelde ertränkt. Grausamkeit und Zerstörungen dieser drei Tage voller Raserei wurden als die „Spanische Furie“ bekannt. Das Wüten hielt noch eine Zeitlang an, weil die Meuterer reiche Bürger als Geiseln nahmen, um von ihnen Geld zu erpressen.

Antwerpen hatte vor dem Massaker etwa 80.000 bis 125.000 Einwohner. Nach den drei schrecklichen Tagen lag mehr als ein Drittel ihrer Behausungen in Schutt und Asche.

Folgen

Der schockierende Vorgang entfremdete viele in den Niederlanden, sogar Katholiken, von der Monarchie der spanischen Habsburger und trübte das ohnehin bereits beschädigte Ansehen Philipps II. Die ganzen Vorfälle beförderten das Zustandekommen der Genter Pazifikation am 8. November 1576, in der sich nunmehr fast alle niederländischen Provinzen, auch die bisher im Achtzigjährigen Krieg eher loyal zum spanischen Hof stehenden Südprovinzen, dem Freiheitskampf anschlossen.

Die „Spanische Furie“ beendete zehnjährige spanische Bemühungen, die Macht über die rebellierenden Provinzen in den Niederlanden wiederzugewinnen.

Am 1. August 1577 gelang es den Antwerpenern, durch Zahlung des rückständigen Solds und großer Summen an die Befehlshaber die spanische Besatzung zur Räumung der Zitadelle zu bewegen und alle fremden Truppen aus der Stadt zu entfernen. Nachdem die Meuterer die Stadt verlassen hatten, zerstörten die Städter die von den Spaniern erbaute Zitadelle. [1]

Literatur

  • John Lothrop Motley: Der Abfall der Niederlande und die Entstehung des Holländischen Freistaats, 3 Bände; Dresden 1858
  • M. P. Gennard: La furie espagnole, documents pour sevir à l'histoire du sac d'Anvers en 1576 - annales de l'académie d' archéologie de Belgique, XXXII, 3e série tome II ; Antwerpen 1876
  • John Lothrop Motley: The Rise of the Dutch Republic, A history, London 1858
  • Christian Albrecht: Die Niederlande im Krieg gegen Spanien: Krieg im Westen des alten Reiches bis zum Waffenstillstand von 1609. GRIN Verlag, 2008, ISBN 3638945901, Seite 5
  • Dirk Maczkiewitz: Der niederländische Aufstand gegen Spanien (1568-1609) : eine kommunikationswissenschaftliche Analyse. Waxmann Verlag, 2007, ISBN 3830918828, Seite 258 & 264.
  • Cornelia Jöchner: Politische Räume: Stadt und Land in der Frühneuzeit. Akademie Verlag, 2003, ISBN 3050037741, Seite 27 – 29.

Weblinks

Quellen

Will und Ariel Durant: Kulturgeschichte der Menschheit, Band 11 Europa im Dreissigjährigen Krieg; S. 248; ISBN 3-548-36111-0

  1. Meyers Konversationslexikon von 1889

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