- Erinyen
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Die Erinyen oder Erinnyen (griechisch Ἐρīνύς , Pl.: Ἐρινύες) – bei den Griechen auch als Maniai, „die Rasenden“, später als Eumeniden (Εὐμενίδες), bei den Römern als Furien bezeichnet – sind in der griechischen Mythologie drei Rachegöttinnen:
- Alekto (Ἀληκτώ), „die (bei ihrer Jagd) Unaufhörliche“
- Megaira (Μέγαιρα, deutsch auch „Megäre“), „der neidische Zorn“. Im übertragenen Sinne wird ihr Name auch für eine böse, wütende Frau verwendet, eben für eine Furie (römisches Pendant einer Erinye).
- Tisiphone (Τισιφόνη, auch: Teisiphone), „die Vergeltung“ oder „die den Mord Rächende“. Sie wird auf griechischen Amphoren häufig mit Hundekopf und Fledermausschwingen dargestellt.
Sie stellen die personifizierten Gewissensbisse dar. Der Beiname Eumeniden, die Wohlmeinenden, wurde ihnen nach Aischylos Die Eumeniden im Ergebnis des Verfahrens gegen Orestes verliehen, nachdem sie ihr Amt und ihre Macht verloren hatten. Wahrscheinlich ist darin auch ein Rest der ursprünglichen Bedeutung zu sehen: Sie standen in altem matriarchalem Kontext in Zusammenhang mit Totenkult und auch mit Fruchtbarkeitsthematik.
Inhaltsverzeichnis
Mythologischer Ursprung
Nach Hesiod wurden die Erinyen von Gaia geboren, nachdem der Titan Kronos seinen Vater Uranos mit einer Sichel entmannte. Aus dem Zeugungsglied, das ins Meer fiel, erwuchs Aphrodite; aus dem Blut aber, das auf die Erde tropfte, entstanden außer Giganten und melischen Eschennymphen auch die Erinnyen.[2]
Nach anderen Erzählungen waren sie Töchter der Nacht (Nyx)[3] oder aber auch Töchter der Gaia und des Skotos[4], der „Dunkelheit“. Den Orphikern galten Hades und Persephone als Eltern der Erinyen.
- Bei Homer und in der späteren griechischen Mythologie stellten die Erinyen Rachegöttinnen bzw. Schutzgöttinnen der sittlichen Ordnung dar. Zu furchtbaren Werkzeugen der Rache wurden sie insbesondere, wenn es zu Mord (v. a. an Blutsverwandten), zu Verbrechen an Eltern oder älteren Menschen[5] zu Meineid, aber auch, wenn es zu Verletzungen der geheiligten Bräuche gekommen war: als Personifizierungen der Verfluchungskraft (besonders der Verfluchung durch Vater und Mutter) und des Racheanspruchs Ermordeter. So verfolgten sie Orestes nach seinem Muttermord und trieben ihn in die Raserei. Die Ansprüche der Mütter wurden unter allen Umständen und zuerst von ihnen verteidigt, aber auch die der Väter und der älteren Brüder, so dass es Orestes nicht half, Klytaimnestra auf Befehl des Gottes Apollon umgebracht zu haben – hätte er es nicht getan, hätte Apollon trotz allem die Erinyen auf Orestes gehetzt. Apollon unterstützt all die Charaktere, die durch ihre Mutter leiden mussten (nicht nur Orestes, ein weiteres Beispiel ist König Ödipus). Erst durch Pallas Athene und die Unterstützung Apollons wurde Orestes auf dem Athener Gericht freigesprochen, ohne dass das der allgemeinen Verehrung der Erinyen Abbruch getan hätte. Seither verehrte man die Erinnyen in Athen – jedoch nicht unter ihrem alten Namen, sondern als die Eumeniden („Wohlgesinnten“).
- Die in der Unterwelt hausenden Erinyen werden als alte, aber jungfräuliche Vetteln beschrieben, deren Hautfarbe schwarz war; sie kleideten sich in graue Gewänder, die Haare waren Schlangen, ihr Geruch war unerträglich und aus ihren Augen floss giftiger Geifer oder Blut.
- Die Erinyen konnten auch als eine einzige – Erinys, „Rache“ – angerufen werden. Diese war damit zusammen mit Dike, „Gerechtigkeit“, und Poine/Poina, „Strafe“, eine der drei Helferinnen der Nemesis.
- In der Orestie des Aischylos spielen die Erinyen als Rachegöttinnen der Unterwelt eine wichtige Rolle. (Dritte Tragödie der Trilogie: Die Eumeniden)
Die Erinyen in der nachantiken Kulturgeschichte
- Die Erinyen (« le feroci Erine » v. 45) treten in Dantes Die Göttliche Komödie (IX. Gesang, vv. 37-42) (Jahr 1307) auf, als Dante sich im Inferno der unteren Hölle nähert:
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- Bluttriefend beeinander, hoch erhoben,
- An Wuchs und Haltung Weibern gleich, so standen
- Die höllischen drei Furien stracks dort oben.
- Giftgrüne Hydern ihre Gürtel banden,
- Als Haupthaar Nattern sich den Unholdinnen
- Und Vipern um die Schläfen dräuend wanden.
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- Auch in John Miltons Epos Paradise Lost (1667) begegnen uns die Erinyen als „harpyienfüßige Furien“ wieder.
- In Goethes Iphigenie auf Tauris (1786) verfolgen die Erinyen/Furien/Rachegöttinnen Orest in seinen Wahnvorstellungen.
- In Goethes Faust II (1832) treten die Erinnyen in Akt 1 auf.
- In der Ballade Die Kraniche des Ibykus (1797) von Friedrich Schiller werden kraft ihres Chorgesangs die Mörder des Sängers Ibykus überführt.
- In Schillers Ballade Der Ring des Polykrates (1798) wirft der König Polykrates, um sich vor der Rache des Schicksals zu bewahren, seinen kostbaren Ring ins Meer, mit den Worten:
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- Ihn will ich den Erinnyen weih’n,
- Ob sie mein Glück mir dann verzeih’n
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- Im Roman Berlin Alexanderplatz (1929) von Alfred Döblin fühlt sich die Hauptperson Franz Biberkopf von Erynnien verfolgt, weil er seine Freundin erschlagen hat.
- Im Drama Die Fliegen (1943) von Jean-Paul Sartre treten drei Erynnien als Fliegen auf.
- Im Roman Der Tod in Rom (1954) von Wolfgang Koeppen, ein junger Priester besucht das Museo Nazionale in Rom, wo er auch die schlafende Eumenide (Erinye) sieht.
- Im Roman Homo faber. Ein Bericht (1957) von Max Frisch erscheint die „Schlafende Erinnye“ (die sogenannte Medusa Ludovisi). Faber begeht unwissentlich Inzest mit seiner Tochter Elizabeth und ruft damit die Rachegöttinnen herauf.
- Sie sind Figuren in der Comic-Geschichte The Sandman (1988–1996) von Neil Gaiman.
- Der Titel des Romans Les Bienveillantes (Die Wohlgesinnten, 2008) von Jonathan Littell bezieht sich auf die Erinyen.
- Im Science Fiction Roman Der Zorn der Gerechten (2009) von David Weber wird die Furie Tisiphone zum Verbündeten im Rachefeldzug der Protagonistin.
- Im Kriminalroman Tiefer Schmerz von Arne Dahl rächt eine Gruppe von Frauen, die als „die Erinyen“ bezeichnet wird ihre ermordeten Angehörigen an den dafür verantwortlichen KZ-Verbrechern.
Literatur
- Karl Kerényi: Die Mythologie der Griechen – Die Götter- und Menschheitsgeschichten, dtv, ISBN 3-423-30030-2
- Dante: Die Göttliche Komödie. Deutsch von Friedrich von Falkenhausen. Frankfurt am Main 1974, S. 46.
Einzelnachweise
- ↑ Ovid, Metamorphosen iv.508-509
- ↑ Hesiod, Theogonie 183 ff
- ↑ Aischylos, Die Eumeniden 321
- ↑ Sophokles, König Ödipus
- ↑ Homer, Ilias xxi.412 und ix.571; Homer, Odyssee xi.279
Weblinks
Commons: Erinyen – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienKategorien:- Griechische Gottheit
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