Spanische Transition

Spanische Transition

Unter Transición versteht man in Spanien die Übergangsphase von der Franco-Diktatur zu einer parlamentarischen Demokratie westlichen Musters. Gewöhnlich versteht man darunter die Zeit zwischen Francos Tod im November 1975 und der politischen Wende von 1982, als die während der Diktatur verbotene sozialistische Partei PSOE als neuer Wahlsieger die Regierung stellte.

Inhaltsverzeichnis

Vorgeschichte

Mitte Oktober 1975 erkrankte Franco, der immer deutlichere Zeichen von Senilität gezeigt hatte[1], an Grippe und erlitt hierauf drei Herzinfarkte. Wochenlang lag der Diktator in Agonie, das Elektroenzephalogramm zeigte längst kein Leben mehr an. Erst am 20. November 1975 (in Spanien als „20-N“ bekannt) – dem 39. Todestag José Antonio Primo de Rivera – wurde Francos Tod bekannt gegeben.[2] In seinem Testament ermahnte er die Spanier, dass die Feinde Spaniens und der christlichen Zivilisation nicht ruhen würden und dass sie, die Spanier, sich um den zukünftigen König Spaniens scharen und die Einheit Spaniens bewahren sollten.[3]

Nachwirkungen des Franquismus

Mit Francos Tod war der Franquismus noch nicht am Ende. Die maßgeblichen Stellen des franquistischen Staats, der Nationalrat, der Königliche Rat und die Cortes, waren durch seine Anhänger besetzt. Entsprechend gering war der Spielraum des Königs Juan Carlos I., der noch im selben Jahr 1975 inthronisiert wurde und eine mutige Thronrede hielt, in welcher er ausführte, dass „eine freie und moderne Gesellschaft die Beteiligung aller in den Entscheidungszentren, den Medien, den unterschiedlichen Ebenen des Erziehungswesens und der Kontrolle des nationalen Wohlstands“ erfordere[4]. Er sah sich, wie er weiter ausführte, als „König aller Spanier, Wächter der Verfassung und Kämpfer für die Gerechtigkeit“[5].

Transición

Es war keine leichte Aufgabe für Juan Carlos, die Transicion Spaniens ins Werk zu setzen. Zunächst blieben der Premier Carlos Arias Navarro – der ausdrücklich kundtat, den Franquismus weiterführen zu wollen – und seine Regierung im Amt. Juan Carlos sah sich gleichsam zwischen Hammer und Amboss: der Linken und der Mitte, welche ihn zu einem radikalen Bruch mit dem alten Regime aufforderten, und Guardia Civil, Militär und Movimiento Nacional, welche den König wissen ließen, nur kleine Reformen, keineswegs aber einen vollständigen Umbau des Staates mittragen zu wollen.

Unter dem Eindruck von Massendemonstrationen und auf nachdrückliches Verlangen des Königs reichte Arias schließlich seinen Rücktritt ein. Neuer Premier wurde Adolfo Suárez, der Generalsekretär des Movimiento Nacional. Zwar war er ein Mann des alten Regimes, und die Enttäuschung der Reformkräfte war zunächst groß. Doch gerade in dieser Eigenschaft, als ein Mann, dem die Stützen des Systems vertrauten, konnte Suárez den entscheidenden Schritt wagen. Sein Programm umschrieb er wie folgt: „Die Krone hat ihrem Wunsch Ausdruck verliehen, aus Spanien eine moderne Demokratie zu formen. Es ist mein fester Entschluss, dem zu dienen.“[6]

1976 wurde im Zuge einer Strafrechtsreform die Bildung von Parteien wieder legalisiert. Im Zentrum der von Suárez angestoßenen Reform aber stand eine neue Verfassung, die aus den Cortes, welche zuvor ein Ständeparlament gewesen waren, ein allgemein, frei, gleich und geheim gewähltes Zweikammerparlament machte. Juan Carlos' Anteil an diesen Reformen bestand nicht zuletzt darin, dass er sich hinter seinen Premier stellte, seine eigene Reputation für ihn in die Waagschale warf und bei den alten Stützen des Systems für die Neubegründung des spanischen Staats warb. 1978 nahm die spanische Bevölkerung mit 88%iger Mehrheit die Verfassung an, die Spanien zu einer parlamentarischen Monarchie machte. Erster Ministerpräsident des demokratischen Spanien wurde Adolfo Suárez.

Letztes Aufbäumen der Diktatur

Am 23. Februar 1981 versuchen Angehörige der Armee, die der Franco-Diktatur nachtrauerten, unter General Milans del Bosch und der paramilitärischen Polizeitruppe Guardia Civil unter Oberst Antonio Tejero einen Militärputsch. Tejero stürmte dabei das Parlament, wo Leopoldo Calvo-Sotelo gerade zum Regierungschef gewählt werden sollte. Die Mitglieder des Parlaments wurden als Geiseln gehalten. Mit dem entschlossenen Auftreten des Königs als Oberbefehlshaber der Armee, der sich im Rahmen einer landesweit ausgestrahlten Fernsehansprache eindeutig für die Demokratie aussprach und das Militär auf seine Seite zog, konnte der Staatsstreich noch in der Nacht vereitelt werden. Dieses Datum wird von den Spaniern als der „23-F“ bezeichnet.

Die wichtigste Nachfolgeorganisation der historischen Falange, die von Blas Piñar geleitete „Fuerza Nueva“ (später „Frente Nacional“) spielte seit den Achtzigern keine Rolle mehr, nicht zuletzt, weil der Partido Popular das Spektrum rechts der PSOE erfolgreich abdeckte und die Nachfolgeorganisationen „mit dem untüchtigen und verhassten Franco-Regime identifiziert wurden. […] Selbst jene, die Francos Regime unterstützt hatten, mussten zugeben, dass sich in den letzten Jahrzehnten eine politische, soziale und wirtschaftliche Revolution in Spanien vollzogen hatte und dass das Franco-Regime nicht wiederzuerwecken war.“[7] [8]

Vergangenheitsbewältigung

Insbesondere der Spanische Bürgerkrieg und die politischen Säuberungen der Nachkriegsjahre werden in der spanischen Gesellschaft bis heute ungern thematisiert, und erst in den letzten Jahren ist ein gesteigertes Interesse an den damaligen Vorkommnissen festzustellen. [9] Einen breitenwirksamen Impuls zur Aufarbeitung des Bürgerkriegs von 1936 setzte in den neunziger Jahren der Film Land and Freedom[10]. Aber erst seit etwa der Jahrtausendwende werden die Massengräber aus der Zeit während und nach dem Bürgerkrieg geöffnet[11]. Erst seitdem wird darüber debattiert, dass an zahlreichen Stellen das falangistische Pfeilbündel und auf Straßentafeln der Name des Diktators zu sehen ist. In der ersten Jahreshälfte 2005 kam es auf Betreiben der PSOE-Regierung zur Entfernung zweier verbliebener Franco-Statuen aus Madrid und Guadalajara[12], was nicht ohne Zwischenfälle vor sich ging.

Siehe auch

Literatur

  • Julia Macher: Verdrängung um der Versöhnung willen? Die geschichtspolitische Auseinandersetzung mit Bürgerkrieg und Franco-Diktatur in den ersten Jahren des friedlichen Übergangs von der Diktatur zur Demokratie in Spanien (1975-1978) (Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung)
  • Javier Tusell Transición a la Democracia (Espana 1975-1982) ISBN 978-84-670-2558-3 (es)

Quellen

  1. Bernd Rill, Geschichte 2/2001, S. 38
  2. Zur dreißigsten Wiederkehr dieses Datums 2005 vgl. http://www.zeit.de/2005/47/A-Franco
  3. Francos Testament in Wikisource (span.): [1]
  4. zit. nach: Karin Schneider-Ferber, M. A., in: Geschichte 2/2001, S. 40
  5. zit. nach: Karin Schneider-Ferber, a. a. O.
  6. Karin Schneider-Ferber, a. a. O., S. 41
  7. Laqueur, Faschismus Gestern-Heute-Morgen, S. 177 f.
  8. Umfrage zum Image der Franco-Diktatur in Spanien 30 Jahre nach Francos Tod (span.)
  9. Zum Themenkreis der spanischen Vergangenheitsbewältigung während und nach der Transición vgl. Julia Machter, Verdrängung um der Versöhnung willen? (dt., pdf) sowie dieses Interview mit Walther L. Bernecker und mit Paul Preston. Siehe auch hier
  10. Eine Zusammenfassung des Films kann hier nachgelesen werden.
  11. vgl. etwa hier
  12. Zu den Vorfällen in Madrid 2005.


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