- Stadtkirche St. Michael (Jena)
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Die evangelische Stadtkirche St. Michael in Jena ist seit über 750 Jahren Mittelpunkt kirchlichen Lebens der Stadt (Parochialkirche).[1] Regelmäßig wird hier zu Gottesdiensten – in der Regel sonntags 10 Uhr und 18 Uhr beginnend -, zu Zeiten des Gebetes und der Stille wie auch zu kirchenmusikalischen Veranstaltungen eingeladen.[2]
Im Stadtzentrum gelegen prägt sie das Stadtbild.
Inhaltsverzeichnis
Stadt- und Kirchenpatron Michael
Der Patron der Stadtkirche, der Erzengel Michael ist seit dem 13. Jahrhundert auch Stadtpatron und als Drachentöter die zentrale Gestalt im Stadtwappen sowie vielfach auch künstlerisches Element in und an anderen sakralen und profanen Bauwerken der Stadt. Die Stadtkirche zierten nacheinander verschiedene Skulpturen des Erzengels. Die spätromanische Holzskulptur des Angelus jenensis („Michael I“) war einstmals außen in der Turmnische angebracht. Dort befindet sich heute eine moderne Bronzeplastik des Erzengels aus dem Jahre 2002, während „Michael I“ in den 50er Jahren – ikonografisch korrekt – über dem Gerichtsportal stand und heute im Innern der Stadtkirche angebracht ist (s. „Ausstattung im Innern“). Während der Bauarbeiten an der Kirche ist die Skulptur im Stadtmuseum „Göhre“ am Markt zu sehen. Eine spätgotische Skulptur des Erzengels („Michael II“) ist gegenwärtig im Erfurter Angermuseum zu sehen.
Baugeschichte
Der Stadtkirche hatte zwei romanische Vorgängerbauten. Von diesen gehörte einer zum Zisterzienserinnenkloster, das sich nördlich anschloss. Ausgrabungsfunde weisen auf einen Sakralbau im 12. Jahrhundert hin. Der Bau der heutigen Hallenkirche wurde seit 1380 – nach Fertigstellung des Jenaer Rathauses – in mehreren Bauphasen errichtet. In der ersten Bauphase bis 1450 entstanden der Chor, die Einwölbung des Altarraumes, die drei östlichen Joche des Langhauses und die Südfassade bis zum sechsten Langhausjoch. Nach einem etwa 30 Jahre währendem Baustillstand wurden in einer zweiten Bauphase von 1474 bis 1557 (d.h. bis ein Jahr vor Gründung der Friedrich-Schiller-Universität Jena) das Langhaus vollendet und der Kirchturm wurde errichtet (im Auftrag und auf Kosten des Rates der Stadt – erst seit 1933 gehört der Turm auch juristisch der Kirche).
Im 17. Jahrhundert erfolgten mehrere Instandsetzungsarbeiten am Kirchengebäude.
Die Sparkasse der Stadt, die von 1871 bis 1874 insgesamt 4000 Taler für Baumassnahmen zur Verfügung gestellt hatte, spendete 6000 Mark in den Jahren 1880/81 für die Beheizbarkeit und weitere 3000 Mark 1886/87 für die Beleuchtung des Gebäudes.[3]
Im Zweiten Weltkrieg wurde die Stadtkirche wie der gesamte Stadtkern stark zerstört. In den Nachkriegsjahren bis 1956 wurde der Innenraum mit Achteckpfeilern und Sterngewölbe rekonstruiert unter Leitung des Jenaer Architekten Hans Schlag. Turm und Langhaus erhielten schlichte Dächer.
Seit 1996 wurde und wird die Stadtkirche in Anlehnung an die Gestalt zur Mitte des 16. Jahrhunderts restauriert unter Leitung von Dombaumeister Prof. Wolfgang G. Deurer. Bauherr ist der Kirchbauverein Jena e. V.. Während der 1. Restaurierungsphase (1997–2001) wurde der Kirchturm instandgesetzt mit Rekonstruktion der Renaissance-Haube (Haubenfest am 26. Mai 2000). In der zweiten Phase (2002–2007) wurde das barocke Mansarddach rekonstruiert sowie die Fassaden einschließlich des Gerichtsportals restauriert. Die aufwändige Restaurierung des Brautportals in einer 3. Bauphase hat 2008 begonnen.[4]
Äußere Gestalt
Die Stadtkirche in Jena ist eine dreischiffige spätgotische Hallenkirche mit einem 40 Meter langen Mittelschiff und hohen Seitenschiffen. Weit im Saaletal sichtbar ist der 75 Meter hohe achteckige Turm mit Renaissance-Haube und Einzeigeruhr. An der Westwand des Turms zeigt ein Steinrelief die Kreuzigungsszene und die Stifterfamilie (1487).
In der Südfassade – der Schauseite – der Stadtkirche befinden sich das Gerichtsportal und weiter östlich gelegen das reich verzierte Brautportal. Vor der Brauttür wurden die Trauungen vorgenommen, die im Mittelalter als weltliche Handlungen galten. Nach der Hochzeitszeremonie im Freien zog der Priester mit dem Brautpaar in die Kirche ein, um die Brautmesse zu feiern.
Ein barriere-freier Zugang in die Kirche befindet sich an der westlichen Turmseite.
Eine Besonderheit ist die ehemalige Prozessionskavate, ein von der Straße her offener Durchgang unter dem Hochchor (Sanctuarium). Sie ist das erste der „Sieben Wunder“ Jenas (Ara – Altar). Sie diente den Nonnen des Zisterzienserinnen-Klosters als Weg für liturgische Umzüge.
Ausstattung im Innern
Das bedeutendste Kunstwerk ist die Holzplastik des Angelus jenensis aus spätromanischer Zeit (um 1240). Sie entstand in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts in einer Bamberger Werkstatt und befindet sich heute am zweiten Pfeiler der Nordarkaden. (Sie ist jedoch derzeit wegen Baumaßnahmen ausgelagert.)
Die Kanzel, von der der Reformator Martin Luther mehrfach predigte, stammt aus der Zeit vor 1507.
Die bronzene Grabplatte Martin Luthers, 1549 vom Erfurter Glockengießer Heinrich Ziegler nach einer Bildvorlage von Lucas Cranach d. Ä. gefertigt, war ursprünglich zur Aufstellung in der Wittenberg bestimmt. Im Ergebnis des Schmalkaldischen Krieges verblieb sie aber in Jena, während in Wittenberg eine Kopie aufgestellt wurde.
Eine Schnitzfigur des Hl. Wolfgang aus dem frühen 16. Jahrhundert wurde 1992 gestohlen.
Im Chor, den Hochaltar umstehend, sind die vier Evangelisten als Holzfiguren unter steinernen Baldachinen zu sehen (19. Jahrhundert). Darüber, in der Mitte des Chores, zeigen Glaskunstfenster den Hl. Michael (mit Lanze und Drachen) sowie links und rechts davon die Erzengel Raphael (mit Tobias) und Gabriel (mit Maria). Sie wurden 1954 vom Jenaer Künstler Fritz Körner gestaltet.
Unter dem Chor befindet sich eine so genannte Unterkirche, deren nördlicher Teil seit Ende des 17. Jahrhunderts als Gruft der Herzöge von Sachsen-Weimar dient (Prothesis).
Besondere Beachtung verdient das kunstvolle Gewölbe über dem Langhaus mit einem Wechsel von Stern- und Linienfiguren. Von den Säulen streben Rippen in jeweils 4, 6, 7 oder 8 Strahlen hinauf zu vielgestaltigen Schlusssteinen. Bemerkenswert sind auch (Baumeister- und eine Affen-) Konsolen an den Pfeilern.
Kirchengeschichte
Die Geschichte der Pfarrei St. Michael lässt sich aufgrund von Schriftquellen bis in die Mitte des 13. Jahrhunderts zurückverfolgen. 1282 wird erstmals ein Pfarrer urkundlich erwähnt. 30 Jahre älter ist ein indirekter Hinweis in einer Urkunde des Burggrafen Otto von Kirchberg (s. Hausberg).
Das 1301 gegründete Zisterzienserinnen-Kloster St. Michael grenzte nördlich an die Pfarrkirche St. Michael an. Das Langhaus der Pfarrkirche stand der städtischen Kirchgemeinde offen, blieb aber den an die klösterliche Klausur gebundenen Nonnen verschlossen. Der Funktion als Klosterkirche diente im späten Mittelalter die östliche Empore im nördlichen Seitenschiff. Das Kloster wurde 1525/1526 im Zuge der Reformation aufgelöst (wie auch zwei weitere Klöster, das 1286 gegründete Dominikaner-Kloster und das 1414 gegründete Karmeliter-Kloster).
Die Reformation hatte für Jena und Umgebung eine entscheidende Bedeutung. Martin Luther predigte mehrfach in der Stadtkirche. Er disputierte in Jena (Hotel Schwarzer Bär) und in der Umgebung mehrfach mit Studenten, Freunden und Kritikern.
Kirchenmusik
Die Kirchenmusik in der Stadtkirche hat eine lange Tradition. Beispielsweise waren Johann Nikolaus Bach und Max Reger hier Organisten. Es gab und gibt in der Stadtkirche vielfältige Kirchenmusik. Die dreimanualige Schuke-Orgel mit 53 Registern und 4500 Pfeifen wurde 1963 eingeweiht, nachdem die 1909 gebaute große Sauer-Orgel mit über 100 Registern im März 1945 bei Bombenangriffen auf Jena zerstört worden war. Heute ist Landeskirchenmusikdirektor Martin Meier Organist und Kantor an der Stadtkirche St. Michael. Seine Vorgänger waren Ernst-Otto Göring und Eike Reuter. Die Kantorei St. Michael [5] besteht seit über 50 Jahren. Besonders im Sommerhalbjahr wird zu Orgelkonzerten, die in der Regel mittwochs 20 Uhr beginnen, sowie mehrfach im Jahr zu Oratorien und anderen größeren kirchenmusikalischen Veranstaltungen eingeladen.
Literatur
- Friedrich Möbius: Die Stadtkirche St. Michael zu Jena. Symbolik und Baugeschichte einer spätmittelalterlichen Stadtpfarrkirche. Glaux Verlag, Jena 2001, ISBN 978-3-931743-05-5.
- Volker Leppin, Matthias Werner (Hrsg.): Inmitten der Stadt. St. Michael in Jena. Vergangenheit und Gegenwart einer Stadtkirche. Michael Imhof Verlag, Petersberg 2004, ISBN 978-3-937251-25-7.
Weblinks
Commons: Stadtkirche St. Michael (Jena) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien- Kirchenradweg Jena – Thalbürgel
Einzelnachweise
- ↑ Ev.-Luth. Kirchenkreis Jena
- ↑ Stadtkirche St. Michael
- ↑ Jens Peter, Astrid Bartsch: Drei Sparkassen - Drei Währungen. Von der DDR-Mark über die DM zum EURO. Verlag Dr. Busse & Stadeler, Jena 2008, ISBN 978-3-932906-87-9.
- ↑ Kirchbauverein Jena e. V.
- ↑ Kantorei St. Michael
50.92911388888911.588033333333Koordinaten: 50° 55′ 45″ N, 11° 35′ 17″ OKategorien:- Kirchengebäude in Jena
- Gotisches Kirchengebäude in Thüringen
- Michaeliskirche
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