- Steinefletschen
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Das Steinehüpfen, umgangssprachlich auch Ditschen, Steinschnellen, Pfitscheln, Steinefletschen, Flippen, Klippen, Platteln oder Schiefern genannt, ist ein Zeitvertreib, der schon im alten Griechenland betrieben und von Homer beschrieben wurde. Ziel ist es, einen Kieselstein so zu schleudern, dass er möglichst oft über eine Wasseroberfläche springt, bevor er versinkt. Momentaner Weltrekordhalter mit 51 Sprüngen ist der US-Amerikaner Russell Byars, womit er seinen Vorgänger Kurt Steiner, ebenfalls US-Amerikaner und seinerseits mit 40 Sprüngen, ablöste. Experten analysierten die Kameraaufnahmen vom 19. Juli 2007, auf denen der Stein geschätzte 75 Meter weit flog und erklärten diese für gültig. Im selben Jahr wurde der Wurf vom Guinness-Buch der Rekorde offiziell als Weltrekord anerkannt.
Inhaltsverzeichnis
Physikalische Grundlagen
Jeder, der sich im Steinehüpfen schon einmal versucht hat, merkt, dass er zur perfekten Beherrschung einige physikalische Bedingungen zu erfüllen hat. Der Stein muss nicht nur die Form eines flachen Ellipsoiden oder einer Scheibe haben, sondern auch so geworfen werden, dass die abgeflachte Seite parallel zur Wasseroberfläche ist. Die Abwurfhöhe soll so tief wie möglich sein, am besten nicht sehr viel höher als die Wasseroberfläche selbst. Notwendig ist auch ein wellenarmes, ruhiges Gewässer sowie möglichst wenig Seitenwind. Außerdem muss der Stein in Rotation um seine lotrechte Achse versetzt werden. Von Kreiseln ist dieses Verhalten bekannt: Solange kein die Bewegung störendes Drehmoment auf den Körper wirkt, bleibt die Rotation unverändert erhalten und stabilisiert den Flugkörper. Wirft man Steine ohne diesen zusätzlichen Spin oder Drall, so behalten sie, bedingt durch kleine Störungen während des Fluges, ihre räumliche Lage nicht bei, sondern beginnen zu torkeln und überschlagen sich letztendlich. Eine Eigendrehbewegung des Steins ist zu erreichen, indem man den Stein zwischen Daumen und Zeigefinger festhält und im Augenblick des Abwurfs auf den Rand des Steins mit dem Zeigefinger Druck ausübt.
Sobald der Stein auf die Wasseroberfläche aufprallt, springt er allerdings nicht, wie man zunächst denken könnte, wie ein Ball zurück, denn die Wasseroberfläche wirkt nicht wie ein fester Körper. Gerade deshalb ist es erstaunlich, dass Steine überhaupt auf Wasser springen können. Filmaufnahmen zeigen, dass im spitzen Winkel zur Wasseroberfläche abgeworfene Steine mit ihrer hinteren Kante zuerst auf dem Wasser aufsetzen. Der Stein gleitet dann, durch seine Drehbewegung stabilisiert, zunächst ein kleines Stück auf der Wasseroberfläche und schiebt dabei einen kleinen Wasserwall wie eine Bugwelle vor sich her, die er, bei ausreichender Geschwindigkeit, einholt: Wie an einer Sprungschanze gleitet er an dieser Welle hoch und setzt zum nächsten Sprung an. Durch Reibungsverluste verliert er natürlich bei jedem Kontakt mit der Wasseroberfläche sowohl Bewegungs- als auch Drehenergie. Die Sprünge werden dadurch zunehmend kürzer und gehen dann in eine Art Schlittern über. Schließlich ist entweder die Geschwindigkeit des Steins so gering, dass er die Bugwelle nicht mehr einholen kann und im Wasser versinkt, oder sein Drall reicht – dies ist vor allem bei kleinen Steinen der Fall - zur Bahnstabilisierung nicht mehr aus. Der Stein trifft dann nicht mehr flach auf das Wasser und taucht ein.
Forscher von der Universität in Marseille und Lyon haben die Bedingungen für den optimalen Steinwurf experimentell untersucht. Sie konstruierten eine Wurfmaschine, die Aluminiumscheiben als flache Modellsteine auf eine Wasseroberfläche schleuderte. Bei den Würfen variierten die Wissenschaftler die Abwurfgeschwindigkeit des Steins, seinen Aufprallwinkel auf dem Wasser sowie die Eigenrotation der Scheibe. Der Bewegungsablauf wurde mit einer Hochgeschwindigkeitskamera dokumentiert. Bei der Auswertung der Daten kamen die Wissenschaftler zu dem Ergebnis, dass kurze Kontaktzeiten mit der Wasseroberfläche die Anzahl der möglichen Sprünge entscheidend beeinflussen: Je kürzer der Kontakt, desto weniger Energie geht durch Reibung verloren. Im Experiment betrug diese Zeit weniger als 1/100 Sekunde. Die Energieverluste sind auch der Grund, warum Steine mit kleinen Anfangsgeschwindigkeiten wenig erfolgreich sind. Unabhängig von der Eigenrotation oder der Geschwindigkeit des Steins wurde die optimale Berührungszeit dann erreicht, wenn der Stein in einem Winkel von 20 Grad auf die Wasseroberfläche prallte. Bei Aufprallwinkeln über 45 Grad konnte das Sprungphänomen überhaupt nicht mehr beobachtet werden.
Auch auf feuchtem Sand lassen sich Steinsprünge erzielen. Dabei kann man beobachten, dass kurze und lange Sprungweiten einander abwechseln. Filmaufnahmen zeigen, dass die kurzen Abstände entstehen, wenn hintere und vordere Kante des Steins auf den im Vergleich zum Wasser festeren Sand auftreffen. Der Stein wird also durch den Aufprall so abgebremst, dass er kippt, bevor er erneut zum Sprung ansetzt.
Wiedereintritt in die Atmosphäre
Dieser Hüpf-Effekt wird häufig auch als Erklärung für das „Abprallen“ eines Raumfahrzeugs beim zu flachen Wiedereintritt in die Erdatmosphäre genommen. Dies ist jedoch falsch, übliche Wiedereintrittskörper erzeugen dafür zu wenig Auftrieb. Das „Abprallen“ ist ein geometrischer Effekt: Durch zu geringes Abbremsen bleibt die Bahn näherungsweise eine Ellipse, auf der sich der Körper zuerst dem Planeten nähert und später wieder entfernt. Wenn diese Bahn als Höhe über der Planetenoberfläche interpretiert wird, ergibt sich anfangs ein Absinken und später wieder ein Ansteigen. Auch ein mehrfaches Eintauchen in die Atmosphäre bei einer Atmosphärenbremsung zeigt bei einer einfachen Auftragung der Bahnhöhe ein ähnliches Bild wie der hüpfende Stein, hat jedoch eine ganz andere Ursache. Raumgleiter mit einem wesentlich stärkeren Auftrieb wie der Silbervogel oder der Waverider (en:Waverider) würden ein Hüpfen ähnlich dem Stein in der Hochatmosphäre möglich machen, sind aber noch Zukunftsmusik.
Geschichte
Früher wurden auch Austernschalen zum „Ditschen“ benutzt, was ein Geschichtsschreiber schon 1583 dokumentierte. In Homers Erzählung schleudern Herkules und Jason ihre Schilde über das Wasser. Shakespeare erwähnt in der Urfassung von „Heinrich V.“ das Wort „stone-skipping“.
Inuit und die Beduinen kennen das Spiel auch und benutzen das Eis bzw. den Sand als Untergrund.
Literatur
- C. L. Stong: In: Scientific American. Band 219, 1968, S. 112
- J. Trefil: Physik im Strandkorb. Rowohlt Verlag Hamburg 1991
- L. Bocquet: In: American Journal of Physics. Band 71, 2001, S. 150
- Ch. Clanet et al.: In: Nature. Band 427, 2004, S. 29
Siehe auch
Weblinks
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