Säure-Basen-Haushalt

Säure-Basen-Haushalt

Säure-Basen-Haushalt ist die allgemeine Bezeichnung für diverse physiologische Regelmechanismen nach dem Prinzip der Homöostase. Sie halten den Ablauf der notwendigen Stoffwechselvorgänge bei einem pH-Wert von 7,4 (±0,05) im Blut aufrecht. Zur Regulierung des Säurebasengleichgewichts tragen die Puffereigenschaften des Blutes und der Gewebe sowie der Gasaustausch in der Lunge und der Ausscheidungsmechanismen der Niere bei. Störungen im Säure-Basen-Haushalt des Körpers führen zu Azidose (Übersäuerung) oder Alkalose (Untersäuerung) und können sich lebensbedrohlich auswirken.

Inhaltsverzeichnis

Stoffwechselvorgänge

CO2 als Endprodukt der Zellatmung fällt insbesondere bei körperlicher Arbeit in großen Mengen an. Im Blut reagiert es mit Wasser unter Bildung von Kohlensäure, welche im Organismus sofort zu Hydrogencarbonat und Oxonium-Ionen dissoziiert:

\mathrm{ CO_2 + 2 \ H_2O \ \rightleftharpoons \ H_2CO_3 +  H_2O \ \rightleftharpoons \ H_3O^+ + HCO_3^- \ } (Carboanhydrase-Reaktion)

Puffersysteme

Die Aufgabe der Teil-Puffersysteme im Blut ist die Konstanthaltung des pH-Werts. Sie werden unter dem Namen Blutpuffer zusammengefasst. Die Pufferkapazität eines Systems beschreibt die Menge an Säure oder Base, die hinzugegeben werden kann ohne den pH-Wert in größerem Maße zu verändern. Je größer die Pufferkapazität, desto stabiler ist das System gegenüber Änderungen des pH-Werts. Im Allgemeinen hat ein System seine größte Pufferkapazität im Bereich seines pK-Wertes. Für das Blut bedeutet das, dass der pK-Wert eines Puffersystems möglichst nah beim gewünschten pH = 7,4 liegen sollte. Weiterhin wichtig ist die Konzentration des Puffersystems.

  • Das bedeutendste Teil-Puffersystem im Körper ist der Protein-Anionen-Puffer (Eiweißpuffer), der auf Grund der hohen Konzentration von Proteinen seine Bedeutung hat. Er macht etwa 93 % der Pufferwirkung des Blutes aus.

Dabei spielen vor allem Histidinreste der Proteine eine Rolle, da Histidin die einzige Aminosäure ist, deren Isoelektrischer Punkt bei neutralem pH-Wert liegt. Somit können Histidinreiche Proteine als Protonendonatoren oder Protonenakzeptoren wirken, um den ph-Wert zu stabilisieren. Physiologisch wichtiger ist allerdings das Bikarbonat-Puffersystem, das zwar nur etwa 3 % der Gesamtpufferkapazität des Blutes aufweist, aber ein offenes System darstellt, da Kohlendioxid frei abgeatmet werden kann. Dadurch ist der Körper in der Lage den pH-Wert aktiv über die Atemfrequenz, die Atemtiefe, sowie die Rückresorbtion von Hydrogenkarbonat in der Niere zu beeinflussen. Was auch seine Bedeutung, trotz des ungünstigen pK-Wertes von 6,1 erklärt. Denn pH-Wert wird nur über das Verhältnis von Hydrogencarbonat/Kohlensäure bestimmt. (Henderson-Hasselbalch-Gleichung)

Die anderen Teil-Puffersysteme werden wegen ihrer geringeren Bedeutung oft als Nicht-Bicarbonat-Puffer, NBP, zusammengefasst. Es sind geschlossene Systeme, die Gesamtkonzentration der Puffersubstanzen kann sich nicht schnell ändern:

  • Dihydrogenphosphat/Phosphatpuffer
  • Ammoniak/Ammoniumpuffer

Beide Puffersystem spielen vor allem im Bereich der Niere eine Rolle, um den pH-Wert des Harns zu erzeugen. Dort vor allem um bei metabolischen Entgleisungen, oder je nach Ernährungssituation Protonen ausscheiden zu können, ohne das der Urin zu sauer wird. Zum Beispiel bei einer Azidose. Im Blut wären die pK-Werte zu weit vom physiologischen pH-Wert (7,35-7,45) entfernt; nur der Phosphatpuffer besitzt dort geringe Bedeutung.

Störungen

  • Eine Alkalose liegt bei einem Blut-pH-Wert > 7,45 vor.
  • Eine Azidose liegt bei einem Blut-pH-Wert < 7,35 vor.

An der oben angegebenen Formel kann man erkennen, dass ein Anstieg der Konzentration von CO2 auf der linken Seite zum Anstieg der Konzentrationen von Bikarbonat (HCO3) und H+ führt (Azidose).

Verstärktes „Abatmen“ von CO2 (Hecheln nach dem Joggen) verringert in der Folge die Konzentrationen von Bikarbonat (HCO3) und H+ (Alkalose).

Eine Azidose ohne Krankheitswert tritt etwa bei schwerer körperlicher Arbeit auf, da die Muskulatur zum einen direkt H+ aus der Glykolyse freisetzt, zum anderen, weil die CO2-Produktion stark zunimmt. Ebenfalls ohne Krankheitswert ist die respiratorische Höhenalkalose. Besteigt man einen Berg, sinkt der Luftdruck: Die Luft wird „dünner“ (siehe Barometerformel). Um trotzdem genug Sauerstoff einzuatmen, müssen Atemfrequenz und Atemtiefe gesteigert werden. Dabei wird automatisch mehr CO2 abgeatmet und nach obiger Formel der Blut-pH-Wert ansteigen.

Je nachdem, ob die Ursache einer Azidose oder Alkalose bei der Atmung (=Respiration) zu suchen ist, spricht man von

  • respiratorischen und
  • nicht-respiratorischen (synonym: metabolischen) Störungen .

Parameter zur Beurteilung

Folgende Parameter werden in der Klinik herangezogen, um eine Azidose oder Alkalose auf ihren Ursprung hin zu klassifizieren und herauszufinden, inwiefern der Körper diese (teilweise) kompensiert.

Bicarbonat

Klinische Bedeutung Die HCO3 Konzentration ist signifikant bei der Bestimmung der "nicht-respiratorischen Komponenten" im Falle einer Störung im Säure-Basen Haushalt. Änderungen dieser Konzentration helfen dem Kliniker bei der Erkennung des Ursprungs einer Azidose oder Alkalose. Im Klinik-Alltag kommen zwei Versionen zur Anwendung.

Aktuelles Bicarbonat Über die Henderson-Hasselbalch-Gleichung stehen der pH-Wert, der CO2-Partialdruck und die aktuelle Bicarbonatkonzentration im Blut im Zusammenhang. Werden pH und pCO2 gemessen, kann das aktuelle Bicarbonat daraus errechnet werden.

  • Das aktuelle Bicarbonat zeigt also die HCO3- Konzentration, wie sie bei bekannten pH und pCO2 Werten tatsächlich vorhanden ist.
  • verändert sich bei metabolischen und respiratorischen Störungen

Standard-Bicarbonat Um das HCO3std zu bestimmen, musste ursprünglich das Probenblut bei 37 °C, 100 % Sauerstoffsättigung und einem CO2-Partialdruck von 40 mm Hg untersucht werden. Alle modernen Analysatoren sind aber inzwischen in der Lage, diesen Parameter aus dem aktuellen Probenblut zu berechnen. (Van Slyke und Cullen)

  • Das HCO3std stellt den Bicarbonat-Gehalt des Plasmas dar, der bei einem pCO2 von 40 mm Hg vorhanden wäre
  • verändert sich bei nicht-respiratorischen Störungen
  • bleibt bei respiratorischen Störungen unverändert

Basenabweichung und Gesamtpufferbasen

Basenabweichung (Base Excess):

  • kennzeichnet die Abweichung vom Referenzwert der Gesamtpufferbasen. „+1“ bedeutet also einen Wert der Gesamtpufferbasen in Höhe von 49 mmol/l.
  • positive Werte: metabolische Alkalose (oder metabolisch kompensierte respiratorische Azidose)
  • negative Werte: metabolische Azidose (oder metabolisch kompensierte respiratorische Alkalose)

Gesamtpufferbasen:

  • Summe aus Standard-Bikarbonat und allen weiteren basischen Puffern im Blut. Referenzwert für 100% mit Sauerstoff gesättigtes Blut: 48 mmol/l
  • verändert sich nicht bei respiratorischen, dafür aber bei nicht-respiratorischen Störungen.

Anionenlücke

Die Anionenlücke ist ein rechnerischer Parameter, der zur Differenzialdiagnose der metabolischen Azidose benutzt werden kann. Siehe Hauptartikel Anionenlücke.

Normalwerte

pH 7,35 – 7,45
pCO2 35 – 45 mm Hg
aktuelles HCO3 20 – 27 mmol/l
Standard HCO3 21 – 26 mmol/l
Base Excess BE (−3) – (+3) mmol/l
Gesamt Pufferbasen BB 42 – 54 mmol/l
Anionenlücke 3 – 11 mmol/l

Literatur

  • Deetjen, Speckmann: Physiologie, 3. Auflage, Urban & Fischer bei Elsevier, 2004. ISBN 3-437-41317-1
  • Sander, Friedrich F.: Der Säure-Basenhaushalt des menschlichen Organismus, Hippokrates Verlag, Stuttgart 1999
  • Silbernagl, S., Despopoulos, A.: Taschenatlas der Physiologie, 7. Aufl., Thieme 2007. ISBN 978-3-13-567707-1

Weblinks

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