Süßkind von Trimberg

Süßkind von Trimberg
Süßkind, der Jude von Trimberg (Codex Manesse, 14. Jh.)
Dargestellt ist ein vornehm gekleideter Jude (erkennbar am spitzen Judenhut) vor einem thronenden Amtsträger mit Bischofsstab und Bundhut, unter einem Wappen, das unterschiedlich gedeutet wird: als das der Stadt Konstanz (deren Bischof, Heinrich von Klingenberg, von Hadlaub in der Liederhandschrift erwähnt wird und möglicherweise zu deren Stiftern gehörte)[1], des Erzstifts Köln[2], oder der Stadt Fulda[3].

Süßkind von Trimberg war ein deutscher Spruchdichter aus der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts. Biographische Spuren sind von ihm kaum erhalten, ein Aufenthalt am Hofe des Bischofs von Würzburg wird vermutet.

Unter Süßkinds Namen sind in der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Codex Manesse) zwölf Sangsprüche in sechs Tönen überliefert. Ob deren Verfasser tatsächlich Jude war, als der er in der Liederhandschrift dreimal bezeichnet wird, oder ob die zwischen 1250 und 1300 entstandenen Strophen um 1330 nachträglich wegen des Judenmotivs in V,2 unter einen jüdischen Namen gestellt wurden, wird kontrovers diskutiert. Versuche, Süßkind urkundlich nachzuweisen, sind ergebnislos geblieben, doch den Namen Süßkind konnte im 13. Jahrhundert nur ein Jude tragen und die Herkunftsbezeichnung von Trimberg (westlich von Bad Kissingen) passt zur mitteldeutschen Schreibsprache der Strophen.

Man kann in Süßkinds Versen Parallelen zu alttestamentlichen Metaphern und Sinnsprüchen finden, und sein Lob der eigenen Ehefrau (III,2) verweist wie die Strophe über seine hungrigen Kinder (V,1) auf eine Existenz, die sich außerhalb der für einen fahrenden Sänger üblichen Bahnen bewegt haben könnte. In Strophe V,2 wird das Judentum direkt angesprochen, als der Sänger droht, er werde nicht mehr an den Höfen singen, sondern in alter juden leben mit Bart und langem Mantel, den Hut tief in der Stirn, demütig weiterziehen. Ob dies als gattungstypische Heischemotivik verstanden werden soll oder als poetische Einsicht ins eigene Scheitern, ist Gegenstand einer lebhaften Fachdiskussion – denn dadurch, dass Süßkinds Dichtung als biografische Selbstdarstellung eines frühen Annäherungsversuchs eines Juden an die Mehrheitskultur gelesen werden kann, kommt ihr eine Bedeutung zu, die über sprachliche Kunstfertigkeit hinausgeht.

Das charakteristischste seiner Gedichte ist wohl die Fabel vom Wolf:

Ein Wolf viel jaemerlichen sprach:
Wâ sol ich nû belîben,
Sît ich dur mînes lîbes nâr
Muoz wesen in der âhte?
Darzuo sô bin ich geborn, diu schult, diun ist nicht mîn;
Vil manic man hât guot gemach,
den man siht valscheit trîben
unt guot gewinnen offenbâr
mit sündeclîher trâhte;
der tuot wirser vil, dan ob ich naem ein genslein.
Jân hab ich nicht, des goldes rôt
Zegebene umb mîne spîse,
des muoz ich rouben ûf den lip durch hungers nôt,
der valsch in sîner wîse ist schedelîcher, dan ich,
unt wil unschuldic sîn.

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Die Miniaturen der Großen Heidelberger Liederhandschrift, hg. v. I. F. Walther u. G. Siebert, Ff/M 1988, S. 238; „edele frouwen, schoene man“, Die Manessische Liederhandschrift in Zürich, Ausstellungskatalog von C. Brinkler und D. Flühler-Kreis, Zürich 1991, S. 25
  2. Peter Wapnewski, ZEIT-Magazin 35/1985; Peter Wapnewski über die Miniatur des Süezkint im Codex Manesse
  3. Gustav Roethe über Süßkind von Trimberg in: Allgemeine Deutsche Biographie, 1894

Literatur

  • Burghart Wachinger: Artikel Süßkind von Trimberg in: Verfasserlexikon, Bd. 9 (1995), Sp. 548–552.
  • Dietrich Gerhardt: Süsskind von Trimberg. Berichtigungen zu einer Erinnerung. Lang, Bern u.a. 1997, ISBN 3-906757-01-3
  • Rudolf Kilian Weigand: Süßkind von Trimberg. Ein Jude als Spruchdichter im deutschen Mittelalter? In: „Jenseits der Grenzen“. Die Auseinandersetzung mit der Fremde in der deutschsprachigen Kultur. Hg. von Margaret Stone u. Gundula Sharman. Bern, Frankfurt/Main, New York 2000, S. 13–30.
  • Josef Kastein: Süsskind von Trimberg oder Die Tragödie der Heimatlosigkeit, Jerusalem: Palestine Publishing Company, 1934.
  • Friedrich Torberg: Süsskind von Trimberg. Roman. Fischer, Frankfurt am Main 1972, ISBN 3-10-079002-2 (fiktive Biografie)
  • Gustav Roethe: Süßkind von Trimberg. In: Allgemeine Deutsche Biographie (ADB). Band 37, Duncker & Humblot, Leipzig 1894, S. 334–336.

Weblinks


Wikimedia Foundation.

Игры ⚽ Нужен реферат?

Schlagen Sie auch in anderen Wörterbüchern nach:

  • Süßkind von Trimberg — or Susskind of Trimberg (c. 1230 ndash; c. 1300) was a German minnesinger, and, in all probability, the first documented Jewish poet of the German language. He is called a Jew three times in the manuscript (which was completed around 1330) and is …   Wikipedia

  • Süßkind von Trimberg — Süßkind von Trịmberg,   Spruchdichter fränkischer Herkunft aus der 2. Hälfte des 13. Jahrhunderts Süßkind von Trimberg wird in der Überschrift der Großen Heidelberger Liederhandschrift (Manessische Handschrift), die von ihm zwölf Strophen in… …   Universal-Lexikon

  • Poppo III. von Trimberg — († vor dem 3. Mai 1271) war Bischof von Würzburg von 1267 bis 1271. Poppo III. von Trimberg stammte aus dem hochfreien Geschlecht von Trimberg, Stammsitz war die Trimburg bei Elfershausen, heute gelegen im unterfränkischen Landkreis Bad Kissingen …   Deutsch Wikipedia

  • Süßkind — Süßkind/Süskind ist der Name von Friedrich Gottlieb Süskind (1767–1829), evangelischer Theologe Heinrich Süßkind (1895–1937), kommunistischer Politiker und Journalist Johann Gottlieb Freiherr von Süßkind (1767–1849), Bankier in Augsburg und… …   Deutsch Wikipedia

  • Trimberg — bezeichnet einen Ortsteil von Elfershausen eine Adelsfamilie, siehe Trimberg (Adelsgeschlecht) Personen Konrad II. von Trimberg, Bischof von Würzburg und Herzog in Franken (1266 1267) Hugo von Trimberg Poppo III. von Trimberg Süßkind von Trimberg …   Deutsch Wikipedia

  • Trimberg — (von) Trimberg is a surname, and may refer to:* Hugo von Trimberg * Süßkind von Trimberg …   Wikipedia

  • Trimberg — Trịmberg,   1) Hugo von, mittelalterlicher Dichter, Hugo, H. von Trimberg.    2) Süßkind von, mittelhochdeutscher Spruchdichter, Süßkind von Trimberg.   …   Universal-Lexikon

  • Süskind — Süßkind/Süskind ist der Name von Süßkind von Trimberg, deutscher Spruchdichter des 13. Jahrhunderts Joseph Süßkind Oppenheimer (1698–1738), Finanzberater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg Friedrich Gottlieb Süskind (1767–1829),… …   Deutsch Wikipedia

  • Süsskind — Süßkind/Süskind ist der Name von Süßkind von Trimberg, deutscher Spruchdichter des 13. Jahrhunderts Joseph Süßkind Oppenheimer (1698–1738), Finanzberater des Herzogs Karl Alexander von Württemberg Friedrich Gottlieb Süskind (1767–1829),… …   Deutsch Wikipedia

  • Israelische Musik — Jüdische Musik ist die Musik des jüdischen Volkes und erstreckt sich über einen Zeitraum von rund 3000 Jahren, von der biblischen Periode über die Diaspora und die Gründung des Staates Israel bis in die Gegenwart. Sie umfasst sowohl religiöse als …   Deutsch Wikipedia

Share the article and excerpts

Direct link
Do a right-click on the link above
and select “Copy Link”