- Judenhut
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Der Judenhut war ein halbkugeliger oder konisch zulaufender breitkrempiger Hut mit einem Knauf auf dem Scheitel („pileum cornutum“ = gehörnter Hut). Vom 11. bis zum 14. Jahrhundert war er üblicher Bestandteil der aschkenasischen Tracht jüdischer Männer.
Das Vierte Laterankonzil von 1215 forderte von den weltlichen Machthabern, Bevölkerungsgruppen wie Juden, Sarazenen und Muslime zum Tragen eines spezifischen Kennzeichens, das jeweils regional festzulegen war, zu verpflichten. Während diese Forderung in einigen europäischen Ländern umgesetzt wurde, wenn auch nicht durch Vorschreibung des Judenhutes, sondern durch andere Kennzeichen, geschah das in Deutschland nur langsam. Dort forderten vor allem im 14. Jahrhundert verschiedene Partikularkonzilien die Festschreibung des genannten Hutes als Kennzeichen für Juden, was dazu beitrug, dass der Judenhut als bis dahin freiwillig getragener Bestandteil der jüdischen Tracht mehr und mehr verschwand.
Seit dem 15. Jahrhundert wurde er durch andere Kennzeichen, meist ein gelber oder roter Ring oder Kreis, ersetzt. Auch in islamischen Ländern wurde von Andersgläubigen gefordert, eigene Kennzeichen an ihrer Kleidung anzubringen. Die praktische Wirkung solcher Forderungen blieb aber gering. Die Kenntlichmachung sollte den Juden Kontakt zu Christen erschweren. Sie erleichterte damit deren soziale Kontrolle und provozierte durch die stigmatisierende Wirkung auch Übergriffe.
Im späteren Mittelalter wurden gelegentlich auch Christen als Schandstrafe [1] zum Tragen eines Judenhutes verurteilt, zum Beispiel Frauen, die sich mit Juden eingelassen hatten, oder Wucherer. Ikonographisch wurde der Judenhut in Deutschland dazu verwendet, um männliche Personen als Juden zu kennzeichnen, auch wenn sie in der Realität gar keinen Judenhut getragen hatten, wie alttestamentliche Personen in biblischen Darstellungen oder unbekleidet dargestellte verurteilte Verbrecher.
Erst mit der Judenemanzipation in einigen Nationalstaaten Europas seit 1789 wurde die Kennzeichnung der Juden abgeschafft. Im frühen 19.Jahrhundert forderte der deutsche Philosoph Jakob Friedrich Fries in seiner Schrift Über die Gefaehrdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden (erschienen 1816), dass „ein Zeichen an ihrer Kleidung“ sie von der restlichen Bevölkerung unterscheide und bezeichnete Juden als „Gewürm“.[2]
Die Nationalsozialisten nahmen die historische Tradition diskriminierender und stigmatisierende Kleiderordnung seit 1941 wieder auf, indem sie Juden das Tragen eines Judensterns sowohl in den Ghettos als auch in der Öffentlichkeit und in sämtlichen Verkehrsmitteln verordneten. Viele ihrer antisemitischen Gesetze hatten kirchliche mittelalterliche Vorbilder, waren aber eine Vorbereitung auf die geplante Ausrottung des europäischen Judentums.
Siehe auch
Weblinks
Commons: Jüdische Tracht im Mittelalter – Sammlung von Bildern, Videos und AudiodateienAnmerkungen
- ↑ http://opac.khi.fi.it/cgi-bin/hkhi_de.pl?t_acsys=x&index=SYS&s1=Ik.09.02.05.04.02.%B7Schandstrafe
- ↑ Jakob Friedrich Fries: Ueber die Gefaehrdung des Wohlstandes und Charakters der Deutschen durch die Juden. (1816)
Kategorien:- Jüdische Geschichte
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