Tiefenbohrung

Tiefenbohrung

Eine Tiefbohrung bezeichnet allgemein eine geologische Bohrungen, die in tiefere Bodenschichten führt.

Fachleute treffen hingegen für geologische Bohrungen eine genauere Einteilung hinsichtlich ihrer Endteufe (erreichte Tiefe nach Einstellung der Bohrarbeiten) oder ihrem Durchmesser. So gibt es außer Tiefbohrungen auch Flachbohrungen, übertiefe Bohrungen und Großbohrlochbohrungen. Diese Einteilung kann aber nicht als absolut gelten. Zu den Tiefbohrungen rechnet man im Allgemeinen die Bohrungen zur Erschließung von Erdöl- und Erdgaslagerstätten. Sie sind in der Regel 500 m und tiefer. Bei mehr als 5000 m spricht man von übertiefen Bohrungen oder (abgekürzt) Übertief. Als Großbohrlochbohrungen bezeichnet man Schachtbohrungen, deren Durchmesser größer als ein Meter ist.

Geschichte und Technik

Konfuzius berichtet von Bohrungen, die während der Zhou-Dynastie (1050-256 v. Chr.) in China zur Gewinnung von Salzsole niedergebracht wurden. Tiefen von mehreren hundert Metern sollen erreicht worden sein. Über die verwendete Bohrtechnik gibt es jedoch keine Anhaltspunkte.

In anderen Weltgegenden baute man unterirdisch lagernde Rohstoffe lange Zeit ausschließlich über händisch gegrabenen Schächten und Brunnen ab. So berichtet Herodot von der Gewinnung von Asphalt im heutigen nördlichen Irak (ca. 450 v. Chr.). Auch die frühe Erdölförderung in Europa, zum Beispiel in Pechelbronn im Elsass oder am Nordabhang der Waldkarpaten in der heutigen Nordwestukraine, erfolgte bis Ende des 18. Jahrhundert aus Schächten, die oft fälschlich als Bohrungen bezeichnet wurden.

Leonardo da Vinci skizzierte zwar schon um 1500 einen Erdbohrapparat unter Verwendung eines Spiralbohrers, doch die erste belegte Bohrung - nach Wasser - erfolgte erst 1795 nahe St. Nicholas d'Abremont in Frankreich, wobei eine Endteufe von 330 m erreicht wurde.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts entwickelte sich zunächst das Seilschlagbohrverfahren, bei dem ein an einem Seil hängender Meißel durch stetes Auf- und Abbewegen die Bohrlochsohle aufbrach. Die Auf- und Abbewegung erfolgte mittels einer Wippe, die zunächst manuell, ab etwa 1865 unter Verwendung einer Dampfmaschine betätigt wurde. In regelmäßigen Abständen musste der Meißel aus dem Bohrloch entnommen werden, um mit einem speziellen Schöpfapparat den Bohrschmant (das zertrümmerte Gestein) aus dem Bohrloch zu entfernen. Mit dieser Methode erfolgte auch jene legendäre, nur 21 m tiefe Bohrung in Titusville (Pennsylvania) von „Colonel“ Edwin L. Drake, die als der Beginn des Erdölzeitalters angesehen wird.

In einer Weiterentwicklung dieser Methode - dem Kanadischen Seilschlagverfahren - hing der Meißel an einer festen verschraubbaren Stange. Um den Verschleiß des Gestänges durch die ständigen Schläge zu verringern und einen Bruch zu verhindern, befand sich oberhalb der Schwerstange mit dem Meißel eine Rutschschere, die sich beim Aufprall des Meißels löste und ein Zusammenschieben des Gestänges ermöglichte. Die Konstruktion bewirkte zudem, dass sich der Meißel beim Hinaufziehen etwas drehte, wodurch eine gleichmäßige Ausformung des Bohrloches ergab. Entsprechende Tiefbohranlagen wurden in Europa von der Firma Bergheim & MacCarvey in Wien gebaut, womit auf den Ölfeldern in Galizien ab 1883 Bohrtiefen bis 2000 m erzielt werden konnten.

Die Bohrleistungen erfuhren eine weitere deutliche Steigerung durch das „Fauck'sche Rapidbohrverfahren“, bei dem die Wippe durch einen Windenmechanismus mit einer Exzenterscheibe ersetzt wurde. Der Meißel war an einem Gewicht angebracht, das an einem Seil bzw. einer Kette hing, und durch die schnell rotierende Exzenterscheibe in rasche kurze Auf- und Abbewegungen versetzt wurde. Bei einem Hub von nur 50 bis 100 mm und 100 bis 250 Schlägen pro Minute waren Tagesleistungen von bis zu 60 m möglich. Der wesentlichste Vorteil bestand aber darin, dass das gering brüchige über der ölführenden Schicht lagernde Gestein problemlos durchbohrt werden konnte, während dies mit den bisherigen Schlagbohrverfahren große Probleme bereitete. Das „Fauck'sche Rapidbohrverfahren“ gelangte erstmals 1895 in Galizien zum Einsatz. Bohrtiefen bis 1300 m konnten so erzielt werden.

Eine weitere wesentliche Verbesserung des Schlagbohrverfahrens bestand darin, das Seil bzw. die Stange durch ein Rohr zu ersetzen, durch das eine Spülflüssigkeit nach unten gepumpt werden konnte. Die am Meißel austretende Flüssigkeit riss das lose Gestein mit und transportierte es nach oben. Damit musste der Bohrvorgang nicht mehr so oft unterbrochen werden.

Mittelgroße Tiefbohranlage mit bei einer Erweiterungsbohrung in einem etwa 2000 m tief liegenden Ölvorkommen. Der Antrieb des Bohrers erfolgt über einen Top Drive am Flaschenzug des Bohrturms. Um den Bohrturm finden sich Anlagen hauptsächlich zur Einbringung und Aufbereitung der Spülflüssigkeit.

Bald erkannte man, dass das durch die Spülflüssigkeit kontinuierlich abgeführte zerkleinerte Gestein auch einen drehenden, schabenden Abtrag ermöglichte, was wesentlich höhere Bohrleistungen ermöglichte. Damit war die heute bestimmende Rotary-Tiefbohrtechnik erfunden. Der erste berühmt gewordene Einsatzfall des Rotary-Verfahrens war die Bohrung am Spindletop-Hügel bei Beaumont (Texas), die am 10. Januar 1901 in 347 m Tiefe auf unter hohem Druck stehendes Erdöl stieß. Es erfolgte ein gewaltiger Ausbruch, in dessen Folge täglich etwa 100.000 Barrel Rohöl unkontrolliert aus dem Bohrloch ausgestoßen und aus dem sich gebildeten Ölsee abgeschöpft wurden. Plötzlich hatte sich die Ölproduktion der USA verdreifacht.

Das wesentliche Merkmal des Rotary-Bohrverfahren ist der rotierende Bohrmeißel. Dieser ist oft als Rollenmeißel ausgeführt und hat mehrere gezähnte Kegelrollen, die das zu durchbohrende Gestein zermahlen. Heute sind jedoch auch mit Hartmetall oder künstlichen Diamanten besetzte Bohrkronen ohne bewegliche Teile häufig in Gebrauch. Das zerkleinerte Gestein wird über eine durch das Bohrgestänge (einem verschraubbaren Rohrstrang) zugeführte und am Meißel austretende Spülflüssigkeit - Wasser mit Ton oder Barytmehl - kontinuierlich entfernt und gelangt im Ringraum zwischen Bohrloch und Bohrgestänge an die Erdoberfläche. Sie wird hier mittels Rüttelsieben (Shale Shaker genannt) und Fliehkraftabscheider (Desander und Desilter genannt) vom mitgebrachten Gesteinsmaterial gereinigt und kann so - nach Ergänzung der Beimengungsverluste - immer wieder verwendet werden.

Beim konventionellen Rotaryverfahren wird der Bohrmeißel durch das Bohrgestänge in Drehung versetzt. Früher wurde dazu ein so genannter Drehtisch an der Bohranlage verwendet, der mittels einer eckigen Mitnehmerstange die Drehung auf das Bohrgestänge übertrug. Moderne Bohranlagen verfügen zumeist über einen Kraftdrehkopf (engl. Top Drive) am Flaschenzug des Bohrturmes, womit die Mitnehmerstange entfällt und so die stetig notwendige Verlängerung des Bohrstranges vereinfacht wird.

Bei sehr tiefen oder gerichteten Bohrungen kommt zumeist eine Bohrturbine zum Einsatz, die direkt über dem Bohrmeißel sitzt. Das Bohrgestänge dreht sich in diesem Fall nicht, sondern dient nur mehr dem Meißelvorschub und der Zuführung der Spülflüssigkeit.

Bohrmeißel moderner Bauart mit Diamant- oder Hartmetallbesatz halten bei üblichen Bodenverhältnissen 70 bis 100 Stunden. Zum Austausch eines verschlissenen Bohrmeißels muss der gesamte Rohrstrang aus dem Bohrloch gezogen und zerlegt werden, um anschließend mit dem neuen Bohrmeißel wieder in das Bohrloch abgesenkt zu werden.

In Kalifornien wird an neuen Bohrertechnologien gearbeitet (Fa. Potter), die ohne Meißel auskommen. In eine Flamme ähnlich eines Schweißbrenners wird mit hohem Druck Wasser eingespritzt und überhitzt das Gestein, wodurch es splittert und schneller abgetragen werden kann als auf mechanischem Weg. Ein mechanischer Verschleiß der "Bohrspitze" entsteht nicht. Das Verfahren wurde in den 1960er Jahren in den USA entwickelt. Gegenwärtig wird an der Praxistauglichkeit für 30-cm-Löcher gearbeitet.

Das Bohrloch muss zur Verhinderung des Einsturzes verrohrt werden. Dies erfolgt in Etappen, was sich am Beispiel einer 3000 m tiefen Erdölbohrung folgendermaßen darstellt: Ausgangspunkt der Bohrung ist ein Rohr mit 18-5/8 Zoll (473 mm) Außendurchmesser, das jedoch nur bis in etwa 5 m Tiefe reicht. Nach 150 m Bohrtiefe wird eine Verrohrung (Futterrohre oder Casing genannt) mit 13-3/8 Zoll (340 mm) eingeschoben. Nach dem Einschieben der Verrohrung bis zur Bohrlochsohle wird Zementbrühe in den Zwischenraum zwischen Bohrlochwand und den Futterrohren gepumpt. Nach Erreichen einer Tiefe von etwa 1500 m erfolgt eine weitere Verrohrung mit 9-5/8 Zoll (245 mm) und erneutem Zementieren des Hohlraumes außerhalb. Nach Erreichen der Endteufe wird mit 5-1/2 Zoll (140 mm) endverrohrt und zementiert.

Nach Beendigung der Verrohrung erfolgt im Abschnitt der Lagerstätte die sogenannte Perforation, bei der mit einer speziellen Vorrichtung eine Reihe von Löchern in die Bohrlochverrohrung geschossen werden, um so den Zufluss von zum Beispiel Erdöl oder Erdgas zu ermöglichen. Den Abschluss der Arbeiten bildet die sogenannte Komplettierung, bei der ein eigener Förderstrang in das Bohrloch eingeschoben wird, der über der Lagerstätte mit einem sogenannten Packer zu den Futterrohren abgedichtet ist, um so deren Korrosion zu unterbinden. An der Erdoberfläche wird das Bohrloch mit einem Eruptionskreuz abgeschlossen.

Bohrrekorde

  • Bertha Rogers wurde die bisher tiefste Bohrung nach Kohlenwasserstoffen genannt. Sie wurde 1974 in Oklahoma auf der Suche nach Erdgas niedergebracht und musste in 9583 m Tiefe eingestellt werden, nachdem man auf flüssigen Schwefel traf.
  • Das längste der Erdölförderung dienende Bohrloch ist derzeit (Feb. 2008) 11 680 m lang. Es wurde 2007 im Zuge der Erschließung des Chayuo-Ölfeldes vor der Nordostküste von Sachalin niedergebracht. Dieses Ölfeld liegt nur etwa 2500 m tief, aber mehrere Kilometer vor der Küste. Die hauptsächliche Erschließung erfolgt durch Richtbohrungen vom Festland aus.
  • Das längste der Erdölförderung dienende Bohrloch Europas erschließt das bislang ertragreichste Erdölvorkommen Deutschlands Mittelplate, das sich in etwa 2000 bis 3000 m unter dem Wattenmeer vor der Westküste Schleswig-Holsteins befindet. Die Förderung erfolgt sowohl von einer künstlichen Insel im Wattenmeer aus als auch vom Bohrplatz Dieksand am Festland unweit Friedrichskoog. Von Dieksand aus wurden bislang 7 stark abgelenkte Bohrungen niedergebracht, deren längste 9275 m misst.
  • Die tiefste produktive Kohlenwasserstoffbohrung Europas wurde 1980 bei Zistersdorf in Niederösterreich niedergebracht. Die Bohrung Zistersdorf Übertief 1a traf in 7544 m Tiefe auf eine ergiebige Erdgaslagerstätte. Das Bohrloch stürzte jedoch in seinem noch unbefestigten Teil ein, wodurch der Gaszufluss versiegte. Die daraufhin angesetzte Bohrung Zistersdorf Übertief 2a drang 1983 bis in 8553 m Tiefe vor, konnte aber das erhoffte Gasvorkommen nicht erreichen.

Während die meisten Tiefbohrungen die Exploration bzw. Förderung von Rohstoffen oder geothermische Nutzung zum Ziel haben, werden einige Übertief-Bohrungen für Forschungszwecke (Erkundung des Aufbaus der oberen Erdkruste durchgeführt. Im Regelfall ist damit eine geophysikalische Erkundung der durchbohrten geologischen Schichten verbunden, z. B. mittels Bohrloch-Geophysik oder der zeitweiligen Gewinnung von Bohrkernen.

  • Auch die bislang tiefste Bohrung ins Innere der Erde - 1970 bis 1994 auf der russischen Halbinsel Kola - fand zu Forschungszwecken statt. Diese sogenannte Kola-Bohrung erreichte eine Tiefe von 12 262 Metern.

Siehe auch: Kontinentales Tiefbohrprojekt, Felsbau, Rotary-Bohrverfahren

Literatur

  • Prikel, G. : Tiefbohrtechnik, Wien 1959
  • Bourgoye, A. T. et al: Applied Drilling Engineering, Richardson 1991
  • Springer, F. P.: Grundzüge eines Modells zur Minimierung der Kosten des Abteufens von Tiefbohrungen, Erdoel-Erdgas-Zeitschrift Heft 2, 1969

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