Barbareskenküste

Barbareskenküste

Als Barbareskenstaaten wurden vom 16. bis zum frühen 19. Jahrhundert die zwischen Marokko und Ägypten liegenden nordafrikanischen Territorien des Maghreb bezeichnet, insbesondere Algier, Constantine, Tunis, Tripolis und Barka. Das Wort „Barbaresken“ leitet sich von „Barbar“ oder „Berber“ ab, den „Ureinwohnern“ des westlichen Nordafrika. Haupteinnahmequelle der Barbareskenstaaten war die Piraterie und damit einhergehend Menschenraub, Sklavenhandel und Lösegelderpressung. Das Sultanat Marokko, fälschlich mitunter ebenfalls zu den Barbareskenstaaten gezählt, war im Unterschied zu diesen nie ein kleptokratischer, politisch instabiler „Piratenstaat“; zeitgenössische Atlanten unterschieden denn auch in der Darstellung der Staatsgrenzen zwischen dem Königreich und den Barbareskenstaaten.

Nachdem die Spanier 1492 mit Granada das letzte muslimische Königreich in Westeuropa erobert hatten, siedelten sich aus Spanien geflohene Morisken im Maghreb an. Zusammen mit einheimischen Arabern und Mauren rüsteten sie große Flotten aus und begannen von ihrer Basis Nordafrika aus als Korsaren einen permanenten Krieg gegen die christlichen Mittelmeermächte, insbesondere gegen deren Schifffahrt und Küsten. Damit erlebte die bereits seit Jahrhunderten im Mittelmeerraum verbreitete Piraterie einen gewaltigen Aufschwung. Die Barbaresken stießen bald in das Machtvakuum vor, das aus der anhaltenden Schwächephase der regionalen muslimischen Herrscherdynastien (Meriniden, Wattasiden in Marokko, Abdalwadiden [Zay(y)aniden] in Algerien, Hafsiden in Tunesien) resultierte. Diese waren, von internen Machtkämpfen und Konflikten mit unruhigen Beduinen- und Berberstämmen zerrissen, in einen Zustand der Anarchie und des staatlichen Zerfalls abgeglitten.

Die Raubzüge der moslemischen Korsaren führten während der nächsten Jahrhunderte bis an die Küsten Irlands[1] und sogar Islands[2], wo sie aus küstennahen Dörfern und Städten Einwohner verschleppten und später als Sklaven verkauften. Häufigstes Ziel der Sklavenrazzien waren jedoch die Küsten Italiens, Spaniens und Portugals.

Sämtliche Barbareskenstaaten (und deren schlagkräftige Flotten) gerieten bald unter die Kontrolle des Osmanischen Reiches. Die osmanische Ausdehnung erfolgte teils durch Eroberung, teils durch freiwillige Unterwerfung. So unterstellte sich 1518 der bekannteste Korsarenführer, Khair ad-Din Barbarossa, kaum dass er sich gewaltsam zum Herrscher Algiers aufgeschwungen hatte, dem Schutz des Sultans. Dieser wurde um die Mitte des 16. Jahrhunderts zum Oberherrn von Nordafrika (mit Ausnahme Marokkos). Algier, Tunis und Tripolis waren formal osmanische Provinzen, wurden jedoch Anfang des 18. Jahrhunderts faktisch wieder unabhängig.

Bereits zu dieser Zeit war der fortwährende Kriegszustand mit den christlich-abendländischen Staaten nur noch mit Mühe religiös begründbar (Dschihad). Vielmehr diente dieser Dauerzustand als formale Legitimation der im Krieg völkerrechtlich erlaubten Kaperei; bildete doch die Piraterie bis zum Untergang der Barbareskenstaaten im 19. Jahrhundert deren wichtigste Einnahmequelle. Darum kam es wiederholt zu europäischen und später auch zu US-amerikanischen Interventionen. Erst die zwischen 1830 und 1847 erfolgte französische Eroberung Algeriens bereitete der Seeräuberei dort, wie auch in Tunis und Tripolis, ein abruptes Ende. Tunis wechselte 1881 von osmanischer unter französische Herrschaft, Tripolis kam 1912 an Italien. Der frühere Pseudo-Barbareskenstaat Marokko wurde 1911 in je ein spanisches und ein französisches Protektorat aufgeteilt.

Inhaltsverzeichnis

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. http://www.baltimore-ireland.com/heritage/sack.html
  2. http://www.goiceland.org/history.html

Weblinks

Literatur

  • Stephen Clissold: The barbary slaves. Edition Elek, London 1977, ISBN 0-236-40084-3.
  • Robert C. Davis: Christian slaves, Muslim masters. White slavery in the Mediterranean, the Barbary Coast, and Italy, 1500 - 1800. Basingstoke [u.a.] 2003.
  • Ulrich Haarmann (Hrsg.): Geschichte der arabischen Welt. Beck, München 2004, ISBN 3-406-47486-1, S. 502-590.
  • Joerg M. Mössner: Die Völkerrechtspersönlichkeit und die Völkerrechtspraxis der Barbareskenstaaten (Algier, Tripolis, Tunis 1518-1830) (Neue Kölner rechtswissenschaftliche Abhandlungen; 58). De Gruyter, Berlin 1968.
  • Daniel Panzac: Barbary corsaires. The end of a legend 1800 - 1820. Leiden [u.a.] 2005.

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