- Systemtheorie (Ingenieurwissenschaften)
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Der Begriff der Systemtheorie wird in verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen angewendet und hat in Bezug auf den Primärbegriff "System" keine einheitliche Bedeutung. Systeme können sich als physikalische, ökologische, ökonomische, soziale oder biologische Systeme klassieren. Diese lassen sich wiederum als mathematische oder materielle Modelle darstellen.
Die Systemtheorie der Ingenieurwissenschaft wird selten als eine eigenständige Disziplin aufgefasst, sondern sie ist notwendiger Bestandteil des Fachwissens in der Forschung, Lehre und technischer Bereiche wie Automatisierung, Mess- und Regelungstechnik, Verfahrenstechnik, Informatik, Elektrotechnik, Kybernetik und andere. Die stark methodisch orientierte Regelungstechnik, die weniger eine Gerätetechnik ist, schließt große Teilgebiete der Systemtheorie ein.
Grundsätzlich bezieht sich die Systemtheorie auf einen Prozess innerhalb eines abgegrenzten dynamischen Systems beliebiger Struktur von Einzelsystemen mit beliebiger Anzahl von Eingangs- und Ausgangsgrößen. Sie analysiert und synthetisiert dynamische Systeme als Übertragungssystem und die Signale der Systemschnittstelle.
Methoden der Systemtheorie:
- Definition dynamischer Systeme
- Verhalten linearer und nichtlinearer Systeme
- Zeitverhalten: Systeme mit Zeitinvarianz und Zeitvarianz
- Arten der mathematischen Beschreibung des Systemverhaltens:
- Gewöhnliche Differenzialgleichung im Zeitbereich f(t)
- Übertragungsfunktion im komplexen Frequenzbereich F(s)
- Systemdarstellung im Zustandsraum f(t)
- Zeitdiskrete Systembeschreibung und Systemberechnung f(k*Δt)
- Modellbildung eines Systems
- Definition geeigneter Testsignale
- Identifikation der Systemstruktur
- Identifikation des Systems aus der Systemantwort
- Definition von Mehrgrößensystemen
- Allgemeine Definition der Systemstabilität
Dynamische Systeme
Ein dynamisches System ist eine Funktionseinheit mit einem bestimmten Zeitverhalten und hat mindestens einen Signaleingang und einen Signalausgang. Es ist meist ein mathematisches Modell eines realen Übertragungssystems, welches mit Hilfe mathematische Werkzeuge für gegebene Eingangssignale den Verlauf der Ausgangssignale eines bestimmten Zeitpunktes t = 0 = t(0) für t > t(0) detailliert bestimmt.
Ausnahmsweise werden auch physikalische materielle Modelle verwendet. Beispiele: Strömungskanal im verkleinerten Maßstab, Regelkreisnachbildung mit einem Analogrechner.
Das zeitliche Verhalten des dynamischen Systems ist durch die inneren Systemgrößen bestimmt, die als Energiespeicher vorhanden sind und sich nicht sprunghaft ändern können. Sie bedeuten z.B. Spannung an einem Kondensator, Strom in einer Induktivität, bei einem Feder-Massesystem die potentiellen und kinetischen Energieanteile.
Diese Systeme können sich linear, nichtlinear, zeitinvariant und zeitvariant als Eingrößen- und Mehrgrößensystem verhalten.
In der Systemtheorie ist es üblich, den Beginn des Beobachtungszeitraumes eines dynamischen Vorganges formal bei t = 0 festzulegen, daher sind Testsignale am Eingang des Systems für den Zeitraum t < 0 gleich Null. Zu dem bestimmten Zeitpunkt t = 0, ab dem man das Verhalten des dynamischen Systems betrachten möchte, können die Energiespeicher des Systems Werte (Anfangswerte) enthalten.
Für ein gegebenes Eingangssignal an dem linearen dynamischen System mit Anfangswerten ergibt sich als Lösung der systembeschreibenden gewöhnlichen Differenzialgleichung eine Addition aus 2 Lösungsanteilen, der homogenen und partikulären Lösung, die einen Funktionsverlauf
f(t) der Ausgangsgröße des Systems darstellen.Ein statisches System im Sinne der Systemtheorie hat verschwindend kleine Energiespeicher und damit angenähert kein Zeitverhalten, sondern wird durch das Eingangs-Ausgangsverhalten des Systems definiert. Dieses Verhalten kann proportional, kontinuierlich linear, kontinuierlich nichtlinear oder diskontinuierlich (gebrochene Funktion) auftreten und wird - soweit möglich - durch eine mathematische Modellbeschreibung oder durch Wertetabellen angenähert beschrieben.
Die häufigste Darstellungsart des Eingangs-Ausgangs-Übertragungsverhaltens eines linearen dynamischen Systems mit verschwindenden Anfangsbedingungen ist die Übertragungsfunktion G(s) mit der komplexen Frequenz s.
Beschreibungen und Berechnungen des Verhaltens von linearen Systemen im s-Bereich setzen für die systembeschreibende Differenzialgleichung in f(t) wie auch für das Eingangssignal u(t) eine Transformation in f(s) voraus. Der Vorteil dieser Systembeschreibung liegt in der einfachen algebraischen Behandlung. Durch Rücktransformation der Übertragungsfunktion mit einem gewählten Eingangssignal u(s) erfolgt die Darstellung der Ausgangsgröße y(t) im Zeitbereich.
Von Interesse ist aber auch das Eigenverhalten eines Systems, dessen Energiespeicher Anfangsbedingungen zur Zeit t = 0 haben. Für diese Anwendungen wird zum Zeitpunkt t = 0 das Eingangssignal u(t) gleich Null gesetzt und nur das Ausgangssignal y(t) betrachtet.
Modelle (Siehe auch Modellbildung) eines realen dynamischen Übertragungssystems werden mathematisch beschrieben durch:
- Differenzialgleichungen
- Die Beschreibung von linearen, zeitinvarianten Systemen mit konzentrierten Energiespeichern (im Gegensatz zu Systemen mit verteilten Speichern → Partielle Differenzialgleichung) erfolgt mit gewöhnlichen Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten. Von Interesse ist die homogene und die partikuläre Lösung der inhomogenen Differenzialgleichung.
- Übertragungsfunktion
- Für lineare zeitinvariante Systeme ist die Übertragungsfunktion die häufigste Darstellungsform für das Ausgangs- Eingangsverhalten eines Übertragungssystems im komplexen Frequenzbereich mit der komplexen Variable s.
- Sie entsteht durch die Laplace-Transformation der Terme der systembeschreibenden gewöhnlichen Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten. Enthält die Differenzialgleichung auch Ableitungen der Systemeingangsgröße, dann entsteht durch die Transformation eine gebrochene rationale Funktion G(s) als Quotient mit Polynomen im Nenner und Zähler.
- Durch Nullstellenbestimmung der Polynome können diese als Produkte von Linearfaktoren 1. und 2. Ordnung in 3 verschiedenen Formen von Teilübertragungssystemen in beliebiger Kombination zerlegt werden.
- Diese nicht mehr aufspaltbare Produkte in Zeitkonstantendarstellung sind: (Ts), (Ts+1) und (T2s + 2DTs + 1)KK. Sie haben ein völlig unterschiedliches Übertragungsverhalten, ob sie im Nenner (integrierend, verzögernd) oder Zähler (differenzierend) einer Übertragungsfunktion stehen.
- Zustandsraumdarstellung
- Das Zustandsraummodell bezieht sich auf die systembeschreibende Differenzialgleichung n-ter Ordnung, die in n-gekoppelte Zustands-Differentialgleichungen erster Ordnung überführt wird. Dabei werden sämtliche Beziehungen der Zustandsgrößen, der Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen in Form von Matrizen und Vektoren dargestellt.
- Die Zustandsraumdarstellung gilt als ingenieurtechnisch geeignete Methode der Analyse und Synthese dynamischer Systeme im Zeitbereich und ist besonders effizient bei der regelungstechnischen Behandlung von Mehrgrößensystemen, nichtlinearen und zeitvariablen Übertragungssystemen.
- Numerische Beschreibung linearer und nichtlinearer Systeme
- Relativ einfache Übertragungssystem-Strukturen mit nichtlinearen Elementen, Begrenzungseffekten und Totzeitsystemen sind durch konventionelle Rechenmethoden im kontinuierlichen Zeitbereich nicht mehr geschlossen lösbar. Abhilfe bietet die numerische Berechnung im diskreten Zeitbereich Δt.
- Derartige Modellberechnungen insbesondere bei Systemen höherer Ordnung, linear oder nichtlinear, ohne und mit Anfangswerten sind besonders anschaulich verständlich, weil sie das Zeitverhalten einer Kette von Einzelsystemen für einen kleinen Zeitschritt beschreiben, so wie sich das Übertragungssystem auch in der Realität darstellt.
Beschreibung linearer Prozesse im Zeitbereich
Normung der Signalbezeichnungen
Die bis zum Jahr 2009 gültige Norm DIN 19226 Leittechnik; Regelungstechnik und Steuerungstechnik wurde zurückgezogen und durch DIN IEC 60050-351 ersetzt.
Das deutsche Institut für Normung hat in der DIN EN 60027-6 sämtliche Begriffe und Formelzeichen für die Signale in Regelkreisen festgelegt.
Leider wurden diese Normen in der deutschen Fachliteratur der Regelungstechnik kaum verwendet. Es darf vermutet werden, dass der Einfluss durch das aus den USA stammende mathematische Verfahren der "Zustandsraumdarstellung" von dynamischen Systemen den Zwang zu einer gemischten Vereinheitlichung von Signalbezeichnungen mit der Regelungstechnik geführt hat.
Zunehmend wird für die Eingangs- Ausgangsbezeichnung eines Systems anstelle von X und Y oder "Xe" für das Eingangssignal und "Xa" für das Ausgangssignal in der Fachliteratur der modernen Systemtheorie als Eingangsgröße "U" und als Ausgangsgröße "Y" verwendet.
Für die Systemtheorie werden nachfolgend, wie auch in der Regelungstechnik, die Signalgrößen des dargestellten Blockschaltbildes verwendet:
Systembeschreibung
Die nachfolgenden Systembeschreibungen setzen die Kenntnisse der mathematischen Werkzeuge wie Differenzialgleichung, Laplace-Transformation und Übertragungsfunktion voraus. Diese Kenntnisse werden erst in späteren Kapiteln dargestellt. Gewöhnliche systembeschreibende Differenzialgleichungen können jederzeit in die anschaulicheren Übertragungsfunktionen und wieder zurück gewandelt werden. Übertragungsfunktionen behandeln keine Anfangswerte der physikalischen Systemspeicher.
Ein reales dynamisches System kann durch das Aufstellen von Differenzialgleichungen modelliert werden. Dazu werden für die Energie-/Materie-Speicher zunächst Bilanzgleichungen benötigt.
Für jeden konzentrierten Speicher entsteht eine Differenzialgleichung erster Ordnung mit der Ableitung der Ausgangsgröße y(t). Das Verhalten eines linearen Systems wird vollständig durch die Lösung der Differenzialgleichung wiedergegeben.
Beispiele für Differenzialgleichungen erster Ordnung:
Die Lösung einer linearen, inhomogenen Differenzialgleichung mit konstanten Koeffizienten setzt sich immer aus den Anteilen der homogenen und der partikulären Lösung zusammen.
- Die homogene Lösung bezieht sich auf die Anfangswerte der Systemspeicher. Die Eingangsgröße der Differenzialgleichung ist dabei zu Null gesetzt. Sind die Anfangswerte Null, ist auch die Lösung der Differenzialgleichung die Ausgangsgröße yH(t) = 0.
- Die partikuläre Lösung yP(t) bezieht sich auf eine von Null verschiedene Eingangsgröße u(t) bei denen die Systemspeicher den Wert Null haben. Diese Lösung des Eingangs- Ausgangsverhaltens eines Systems interessiert in den meisten Anwendungsfällen.
- Durch die Laplace-Transformation der systembeschreibenden Differenzialgleichung linearer Übertragungssysteme werden Systeme bei verschwindenden Anfangsbedingungen vom Zeitbereich in den sogenannten Bildbereich (s-Bereich) mit der komplexen Frequenz s übertragen.
- Das Produkt der Übertragungsfunktion mit dem Laplace-transformierten Eingangssignal U(s) ergibt das Ausgangssignal
Y(s) des Systems. Mit der inversen Laplace-Transformation entsteht die gesuchte Lösung der Ausgangsgröße y(t) eines Übertragungssystems als Funktion der Eingangsgröße u(t) im Zeitbereich. Sie entspricht der partikulären Lösung der dem System zugehörigen Differenzialgleichung. Die partikuläre Lösung einer Differenzialgleichung über den Umweg der Laplace-Transformation ist einfacher als die direkte Lösung mit dem Faltungsintegral.
- Signale und Übertragungsfunktionen im s-Bereich können entsprechend ihrer Systemstruktur (Reihenschaltung, Parallelschaltung, Rückkopplungsschaltung) beliebig algebraisch behandelt werden.
- Durch die Analyse der Pole und Nullstellen der Übertragungsfunktion ergeben sich wichtige Aussagen über das Systemverhalten wie Eigendynamik, Stabilität und Zeitverhalten.
Linearitätseigenschaften
Die Linearität eines dynamischen Systems bedeutet, dass die systembeschreibende Differenzialgleichung linear ist. Eine lineare Differenzialgleichung enthält die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in der ersten Potenz. Es dürfen keine Produkte der gesuchten Funktion und ihren Ableitungen auftreten. Das heißt, die Koeffizienten müssen konstant sein.
Die symbolische Operatorenschreibweise lautet für ein lineares dynamisches System F mit dem Eingangssignal u(t) und Ausgangssignal y(t):
Der lineare Operator F ist die Operation, für die sich aus dem gegebenen Eingangssignal u(t) das Verhalten des Ausgangssignals y(t) ergibt.
Die Linearität eines Übertragungssystems bedeutet für alle Systembeschreibungen:
- Lineare Kennlinien,
- Lineare Gleichungen,
- Lineare Differenzialgleichungen.
Lineares statischen SystemsEin statisches System F mit dem Eingangssignal u und dem Ausgangssignal y hat einen linearen Zusammenhang mit y = F(u) wenn folgende Beziehung gilt:
- Superpositionsprinzip:
- Verstärkungsprinzip
Lineares dynamisches System:Ein dynamisches System verhält sich linear, wenn die Wirkungen zweier linear überlagerter Eingangssignale sich am Ausgang des Systems in gleicher Weise linear überlagern.
Wird für ein Eingangssignal
die dargestellte Signalkombination gesetzt, so fordert das Superpositionsprinzip, dass die Ausgangsgröße des linearen Systems sich wie folgt darstellen lässt:
Superpositionsprinzip:
VerstärkungsprinzipHierbei sind u1(t) und u2(t) beliebige Eingänge und K eine beliebige Konstante.
Nichtlineares Übertragungssystem
Die lineare Systemeigenschaft ist häufig nicht gegeben, da viele zusammenwirkende Systeme z. B. in der Regelungstechnik bei Ventil-Kennlinien, Stellgrößenbegrenzungen oder Schaltvorgängen keine Linearität aufweisen.
Ein nichtlineares System kann entweder in Form nichtlinearer statischer Kennlinien oder in Form nichtlinearer Operationen wie Multiplikation oder Division von Variablen in algebraischen Gleichungen und Differentialgleichungen auftreten.
Folgende Beziehungen ergeben sich bei nichtlinearen Systemen:
- Für nichtlineare Systeme gilt das Superpositionsprinzip im allgemeinen nicht.
- Für nichtlineare Systeme gilt das Verstärkungsprinzip im allgemeinen nicht.
- Nichtlineare Differenzialgleichungen lassen sich meist nur numerisch lösen. Wenn ein Übertragungssystem in Teilsysteme zerlegt werden kann und das nichtlineare Verhalten einzelner Systeme als analytische Gleichung oder Wertetabelle vorliegt, kann relativ einfach das Verhalten eines nichtlinearen dynamischen Systems berechnet werden.
- Wird ein nichtlineares Übertragungssystem in einem festen Arbeitspunkt betrieben, dann kann das nichtlineare Verhalten des Systems durch ein lineares Modell für die nähere Umgebung des Arbeitspunktes ersetzt werden.
- Jeder nichtlineare Zusammenhang kann im Kleinsignalverhalten näherungsweise linear beschrieben werden. Die Näherung wird umso besser, je kleiner der Differenzenquotient y(t) zu u(t) am Arbeitspunkt ist.
- Ist eine nichtlineare Funktion als grafische Kennlinie gegeben, dann kann durch Anlegen einer Tangente im gewünschten Arbeitspunkt die Steigung der Tangente für die linearisierte Beziehung bestimmt werden
- Ein nichtlineares dynamisches System mit kontinuierlich fallender oder steigender Kennlinie kann auch durch Einbindung in einen eigenen Regelkreis linearisiert und damit auch in seinem dynamischen Verhalten verbessert werden.
Groß- und Kleinsignalverhalten
- Großsignale sind wirklich gemessene Signale
- Beispiel: Maximaler Sollwertsprung an einer Regeleinrichtung. Gemessene Sprungantwort der Regler-Stellgröße und der Regelgröße. Analyse der Problematik häufig vorkommender Stellgrößenbegrenzung, die zu nichtlinearem Verhalten führen.
- Kleinsignalverhalten
- Kleine Signalabweichungen um den Arbeitspunkt eines linearen Übertragungssystems müssen sich nicht proportional und identisch mit großen Signalabweichungen verhalten.
- Beispiel: Für kleine Sollwert-Änderungen an einer Regeleinrichtung müssen nicht zwangsläufig Stellgrößenbegrenzungen auftreten.
Zeitverhalten elementarer Übertragungsglieder der Übertragungsfunktion
Systeme mit konzentrierten und verteilten Parametern
Dynamische Systeme ohne räumliche Ausdehnung der Systemspeicher haben konzentrierte Systemparameter. Die System-Ausgangssignale sind nur zeitabhängig.
Dynamische Systeme mit räumlicher Verteilung der Systemspeicher enthalten verteilte Systemparameter. Bei diesen Systemen sind die Variablen nicht nur Funktionen der Zeit sondern auch vom Ort. (Beschreibung durch partielle Differenzialgleichungen)
Die nachfolgenden Systembeschreibungen beziehen sich auf Systeme mit konzentrierten Parametern.
Ein dynamisches Übertragungssystem ist zeitinvariant, wenn es sich über die Zeit nicht ändert. D.h. die Systemantwort y(t+t0) auf ein identisches Eingangssignal u(t+t0) ist von t0 unabhängig. Die Koeffizienten der mathematischen Systembeschreibung sind konstant (zeitlich unveränderlich, invariant).
Zeitvarianz
Ein zeitvariantes System verhält sich zu verschiedenen Zeitpunkten unterschiedlich. Bei technischen Systemen liegt der Grund dafür meist in zeitabhängigen Parameterwerten, z. B. durch Änderung der Koeffizienten der Energiespeicher [zeitabhängige Koeffizienten der Ableitungen y(t)]. Bei vielen Prozessen sind die Auswirkungen der Zeitvarianz so klein oder langsam, dass diese Systeme näherungsweise als zeitinvariant behandelt werden können.
Beispiel für ein typisches zeitvariantes Verhalten ist eine startende Rakete, deren Masse sich durch den verbrauchten Treibstoff ändert. Häufig spielt bei kleineren Massen der mechanische Verschleiß eine Rolle.
Eine wichtige Eigenschaft dynamischer Systeme ist ihre Kausalität. Sie besagt, dass der Wert der Eingangsgröße zur Zeit t = t(0) das Verhalten des Systems nur für künftige Zeitpunkte t ≥ t(0) beeinflussen kann.
Eine Eingangsgröße zum Zeitpunkt t = t0 kann nur den gegenwärtigen und den zukünftigen Verlauf t ≥ t0 der Ausgangsgröße beeinflussen.
Blockschaltbilder erlauben eine übersichtliche Darstellung von dynamischen Prozessen und deren Signalflüsse.
Die häufigste Darstellungsform für das Eingangs- Ausgangsverhalten eines linearen Übertragungssystems ist die Übertragungsfunktion. Sie ist eine abstrakte nicht messbare mathematische Beschreibung für das Verhalten eines linearen zeitinvarianten Systems im Frequenzbereich mit der komplexen Variable s.
Der mathematische Begriff einer gebrochenen rationalen Funktion ist definiert als Quotient zweier Polynome, wobei die Ordnung des Systems im Nenner höher als im Zähler sein muss. Solche Systeme sind technisch realisierbar und entsprechen dem Eingangs- Ausgangsverhalten eines Übertragungssystems im sogenannten s-Bereich (Bildbereich).
Eine systembeschreibende gewöhnliche Differenzialgleichung kann mit der Laplacetransformation in eine Übertragungsfunktion zunächst in Polynom-Darstellung als gebrochene rationale Funktion geschrieben werden. Durch Bestimmung der Nullstellen im Zähler und Nenner dieser Funktion kann die Polynomdarstellung in eine Produkt-Darstellung mit Linearfaktoren überführt werden. Ein Linearfaktor ist ein Term, in dem die Variable s nur den Grad 1 hat, d. h. keinen höheren Exponenten als 1 besitzt. Quadratische Linearfaktoren mit konjugiert komplexen Nullstellen haben den Grad 2.
Die Übertragungsfunktion in Polynom-Darstellung wird mit Hilfe der Nullstellenbestimmung nach folgender Gleichung in die Produkt-Darstellung überführt:
Die gleiche Übertragungsfunktion in Zeitkonstanten-Darstellung mit Tvi = - 1 / s0i. Dabei ändert sich der Verstärkungsfaktor infolge der Division mit den Nullstellen.
In der Produkt-Darstellung der Übertragungsfunktion können folgende Terme 1. Ordnung und 2. Ordnung mit konjugiert komplexen Nullstellen mehrfach auftreten:
- Produktterme 1. Ordnung (Linearfaktoren): s-s1 oder in Zeitkonstanten-Darstellung umgerechnet: T*s+1
- Linearfaktoren ohne Absolutglied : s - 0 = s, in Zeitkonstanten-Darstellung: T*s
- Produktterme 2. Ordnung (mit konjugiert komplexen Nullstellen): s2 + p*s + q,
- In Zeitkonstanten-Darstellung: T2*s2+2*D*T*s+1
Diese 3 nicht mehr aufspaltbaren Teilsysteme (Linearfaktoren bzw. quadratischer Linearfaktor) haben ein völlig unterschiedliches Übertragungsverhalten im Zeit- und Bildbereich, ob sie im Nenner oder Zähler der Übertragungsfunktion stehen. Komplizierteste lineare Systeme höherer Ordnung setzen sich aus diesen Teilsystemen zusammen.
Linearfaktoren haben differenzierendes Verhalten, wenn sie im Zähler der Übertragungsfunktion stehen und integrierendes oder zeitverzögerndes Verhalten, wenn sie im Nenner stehen. Sie werden auch als phasenminimale oder reguläre Systeme bezeichnet.
Phasenminimumsysteme sind rationale Übertragungsfunktionen G(s) ohne Totzeit, die nur Pole und Nullstellen in der linken s-Halbebene haben:Lineare Systeme mit verzögerndem Verhalten
Die nachstehenden Teilsysteme können beliebig im Zähler und Nenner einer Übertragungsfunktion G(s) entsprechend der Gesamtsystemstruktur multiplikativ und / oder additiv kombiniert werden.
- Integrierglied, Kurzform: I-Glied:
- Verzögerungsglied, Kurzform: PT1-Glied:
- Schwingungsglied, Kurzform: PT2-GliedKK mit konjugiert komplexen Polen.
Lineare Systeme mit differenzierendem Verhalten
- Differenzierglied, Kurzform: D-Glied
- Proportional wirkendes D-Glied, Kurzform: PD-Glied
- Proportional wirkendes D-Glied 2. Ordnung mit konjugiert komplexen Polen, Kurzform: PD2-GliedKK
Beispiel eines realisierbaren Übertragungssystems 3. Ordnung (Anzahl Pole > Nullstellen)Beschreibung einer Übertragungsfunktion G(s) als gebrochene rationale Funktion in Produktdarstellung mit der Verstärkung K:
Die systembeschreibende Differenzialgleichung dieser Systeme zeigt Stabilität an, wenn alle Koeffizienten der einzelnen Terme positiv sind. (Mindestvoraussetzung der Stabilität). Die Übertragungsfunktionen dieser linearen Grundsysteme sind stabil, wenn die Vorzeichen der zugehörigen Nullstellen negativ sind. Siehe auch Kapitel Stabilität!
Gleiche stabile Pole und Nullstellen der 3 Grundformen lassen sich in der Produktform (= Reihenschaltung der Systeme) gegeneinander kürzen und vereinfachen damit die Berechnung des Gesamtsystems. In der Produktform der Zeitkonstanten-Darstellung im Zähler und Nenner können die Teilsysteme gegeneinander gekürzt werden, wenn die Zeitkonstanten TV = T sind.
Globales P-, I-, D-Systemverhalten
Wenn in einer systembeschreibenden Differenzialgleichung oder in der zugehörigen Übertragungsfunktion aus der geschlossenen Reihenfolge der Ableitungen bestimmte Koeffizienten fehlen, bzw. zu Null gesetzt sind, ergibt sich für das Gesamtverhalten im Zeitbereich folgendes typische Verhalten für den Linearfaktor ohne Absolutglied:
Globales P-Verhalten:
Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung für das Ausgangssignal mit der Verstärkung K ein P-Verhalten im Zeitbereich, weil alle Linearfaktoren vollständig sind:
Nach dem Einschwingvorgang nach genügend langer Zeit ist die Ausgangsgröße:
Globales I-Verhalten:
Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung u(t) für das Ausgangssignal ein stetig wachsendes Ausgangssignal im Zeitbereich. Der Linearfaktor ohne Absolutglied befindet sich im Nenner.
Nach dem Eingangssprung und genügend langer Zeit ist die Ausgangsgröße:
Globales D-Verhalten:
Im stationären Zustand ergibt diese Form der Übertragungsfunktion nach einem Eingangssprung u(t) für die Ausgangsgröße y(t) den Wert 0. Der Linearfaktor ohne Absolutglied befindet sich im Zähler.
Das Ausgangssignal y(t) lautet:
Lineare phasenminimale und nichtphasenminimale Übertragungssysteme
Phasenminimumsystem (reguläres System)
Bei stabilen dynamischen Übertragungssystemen sind die Koeffizienten der systembeschreibenden gewöhnlichen Differenzialgleichung positiv bzw. die Nullstellen und Pole der Übertragungsfunktion negativ.
Phasenminimumsysteme sind Übertragungssysteme ohne Totzeit, bei denen die Übertragungsfunktion G(s) nur Pole und Nullstellen in der linken s-Halbebene hat.
Für einen gegebenen Amplitudengang hat das Phasenminimumsystem eine minimale Phasenverschiebung. Die Kenntnis des Amplitudengangs genügt, um auf die Übertragungsfunktion des Systems schließen zu können.
Nichtphasenminimumsystem (nichtreguläres System)
Ein dynamisches Übertragungssystem hat ein nichtminimales Phasenverhalten, wenn die Pole und / oder Nullstellen der Übertragungsfunktion in der rechten Seite der s-Halbebene liegen. Der Phasenverlauf des Übertragungssystems ist betragsmäßig größer, als es bei einem phasenminimalen System mit gleichem Amplitudengang wäre. Das System ist instabil.
Nichtphasenminimum-Verhalten wird durch Totzeitglieder oder Allpassglieder in Serie mit Phasenminimumsystemen verursacht. Dieses Verhalten kann durch Differenzbildung von phasenminimalen Systemen oder durch positive Rückkopplung in einem Regelkreis entstehen. In der Natur können nichtphasenminimale Systeme entstehen, wenn z.B. auf die Lage einer Masse Beschleunigungskräfte einwirken, wie sie durch die Gravitation oder durch den Magnetismus hervorgerufen werden. Die Lage der Masse wird zunehmend beschleunigt und wächst progressiv bis zu einer natürlichen Begrenzung. Klassische Beispiele solcher Systeme sind: Invertiertes Pendel, Magnetschwebekörper, Laufkatze am Hebekran.
Ein nichtminimalphasiges System ist immer zerlegbar in eine Reihenschaltung bestehend aus Phasenminimumsystem und Allpass.
(Siehe auch nichtphasenminimales PT1-Glied)
Instabile nichtphasenminimale Systeme beziehen sich auf Verzögerungsglieder 1. und 2. Ordnung:
Allpassglieder
Allpassglieder sind multiplikative Kombinationen von instabilen PD1-Gliedern (positive Nullstelle im Zähler) und stabilen PT1-Gliedern (negativer Pole im Nenner) der Übertragungsfunktion.
Sie reagieren auf einen Eingangssprung u(t) zunächst mit einem Sprung entgegengesetzter Polarität, um sich dann asymptotisch auf das Niveau des Sprungs einzustellen.
Allpassglieder können durch Subtraktion eines PT1-Gliedes von einem DT1-Glied entstanden sein (= Parallelschaltung zweier Übertragungsfunktionen).
Allpassglieder sind Systeme, die für alle Frequenzen einen konstanten Amplitudengang haben. Lediglich die Phase eilt mit unterschiedlicher Abhängigkeit von ω nach.
Die Sprungantwort des Allpassgliedes im Zeitbereich nach der inversen Laplace-Transformation lautet:
Totzeitglied
Das Totzeitglied verschiebt ein Eingangssignal u(t) um den Betrag der Totzeit Tt, ohne das Signal zu verformen.
Beispiel von Totzeitsystemen: Fördermengen mit dem Transportband, Lange Gasdruckleitungen, Spiel in Getriebeübersetzungen, Umschaltvorgänge bei Ventilen und andere Schaltvorgänge und Signallaufzeiten.
Im Gegensatz zu den linearen dynamischen Übertragungssystemen kann ein Totzeitsystem nicht mit einer gewöhnlichen Differenzialgleichung sondern nur mit einer partiellen Differenzialgleichung beschrieben werden. Laufzeitglieder oder Totzeitglieder gehören zu der Klasse der Systeme mit verteilten Parametern. Sie haben keine konzentrierten Speicher und keine Pole und Nullstellen in der endlichen s-Ebene.
Einen wesentlich einfacheren Zusammenhang zwischen der Ein- und Ausgangsgröße eines Totzeitsystems gewinnt man durch die Darstellung der Totzeit mit der Übertragungsfunktion.
Zeitverhalten des Totzeitgliedes:
Sprungantwort:
Übertragungsfunktion des Totzeitgliedes:Die Beziehung des Eingangs- und Ausgangsverhaltens des Totzeitsystems wird durch den Verschiebesatz der Laplace-Transformation wiedergegeben:
Für Übertragungssysteme mit einem Totzeitglied wird dem linearen System G1(s) die transzendente Funktion des Totzeitgliedes multiplikativ beigefügt:
Diese Darstellungsform eines Totzeitgliedes bzw. Kombinationen linearer dynamischer Systeme mit einem Totzeitverhalten als Übertragungsfunktion eignet sich für Analysen der Stabilität nur im Frequenzbereich. Dabei kommen grafische Stabilitätsverfahren wie das Bode-Diagramm oder die Ortskurve des Frequenzgangs zur Anwendung.
Beispiel: System mit 4 Verzögerungsgliedern und Totzeitglied
Das grafische Beispiel eines Verzögerungssystems mit Totzeit zeigt den numerisch berechneten Verlauf der Ausgangsgröße y(t) für einen Eingangssprung
und Rücksprung u(t) = 0.Padé-Approximation
Ein Totzeitglied kann als ein Allpassglied unendlicher Ordnung zu einem System mit gebrochener rationaler Übertragungsfunktion angenähert werden. Dieses Verfahren ist unter der Padé-Approximation bekannt. Die Genauigkeit der Annäherung hängt von der Ordnung des Allpassgliedes ab.
Padé-Approximation 1. und 2. Ordnung:
Der Nachteil dieser Form der Polynomdarstellung 2. Ordnung ist die erforderliche zusätzliche Rechenarbeit zur faktoriellen Darstellung. Für jede Änderung des Wertes der Totzeit müssen für die faktorielle Darstellung die Nullstellen und Pole berechnet werden. Je nach Größe der Totzeit können auch konjugiert komplexe Pole und Nullstellen entstehen.
Folgende Gleichung der modifizierten Padé-Approximation erlaubt die Berechnung der Annäherung an die Totzeit durch gleiche Allpassglieder beliebiger Ordnung n:
Die Padé-Approximation der Totzeit bringt bereits bei 3 identischen Allpassgliedern (n = 3) gute Ergebnisse der Totzeit-Annäherung.
Der Allpass mit einem PD-Glied im Zähler mit einer positiven Nullstelle kann wie folgt in bekannte Teilsysteme 1. Ordnung als PT1-Glied und D-Glied zerlegt werden:
Beispiel von 3 identischen Allpassgliedern in Reihenschaltung mit dem Proportionalfaktor K:
Für die numerische Berechnung (Eulersches Streckenzug-Verfahren) ergeben sich pro Allpass folgende 3 Gleichungen, die hintereinander pro Berechnungsfolge zu berechnen sind:
(Jedes Ausgangssignal y(k) ist das Eingangssignal u(k) der nächsten Gleichung innerhalb einer Folge)Für die numerische Berechnung der Reihenschaltung von 3 Allpässen sind damit 9 Gleichungen pro Berechnungsfolge erforderlich.
Bei Anwendung der Tabellenkalkulation durch die INDEX-Anweisung: "INDEX (Bezug: Spalte; Bereich)" wird ein Index verwendet, um aus einem Bezug einen Wert zu wählen. Damit ist für die exakte Totzeit-Berechnung nur eine Gleichung pro Berechnungsfolge erforderlich.
Testsignale
Den nichtperiodischen (deterministischen) Testsignalen kommt in der Regelungstechnik eine zentrale Bedeutung zu. Mit ihrer Hilfe ist es möglich, ein Übertragungssystem zu testen, auf Stabilität zu prüfen oder Eigenschaften des Systems durch Ermittlung der Kennwerte zu analysieren.
Den Testsignalen ist gemeinsam, dass sie zum Zeitpunkt t = 0 beginnen und bei t < 0 eine Amplitude = 0 aufweisen. Es wird das Testsignal als Eingangsgröße u(t) an einem Übertragungssystem angelegt und die Systemantwort als Ausgangsgröße y(t) aufgezeichnet und analysiert. An Hand der Kenndaten können mathematische Modelle geschaffen werden. Die häufig verwendete Darstellungsform eines Modells ist die Übertragungsfunktion im s-Bereich mit der komplexen Frequenz s.
Zur Unterscheidung der Funktion der Testsignale werden sie mit den Zeichen δ (Impuls), Ϭ (Sprung), a (Anstieg) und s (Sinus) indiziert.
Der theoretische Deltaimpuls (δ-Impuls, Dirac-Impuls) für t = 0 mit unendlich großer Amplitude ist technisch nicht realisierbar. An seiner Stelle wird ein Rechteckimpuls mit der Impulsfläche
1 = Amplitude * Zeit definiert. In der Praxis genügt ein Wert für die Impulsbreite von Δt = 1% bis 10 % der dominanten Zeitkonstante des zu prüfenden Übertragungssystems.Die Differentiation der Sprungfunktion entspricht der Impulsfunktion. Die Integration einer Sprungfunktion entspricht der Anstiegsfunktion. Die Differentiation der Sprungantwort eines linearen Übertragungssystems entspricht der Impulsantwort.
Die Sinusfunktion gehört zur Gruppe der periodischen Signale. Die frequenz-variable Einspeisung eines linearen Übertragungssystems erlaubt die Aufnahme des Amplituden- und Phasengangs des Systems. Mit Hilfe des Bode-Diagramms kann die Übertragungsfunktion des Systems bestimmt werden.
Begriff Testsignal
Xe(t)Zeitverhalten des Testsignals Bildbereich Systemantwort
Xa(t)Impulsfunktion δ oder
Stoßfunktion, DeltaimpulsNormierter Impuls =
Impulsbreite =
Hauptanwendung: Erkennung des Systems, der Ordnung und der StabilitätImpulsantwort oder
GewichtsfunktionSprungfunktion σ Einheitssprung:
Hauptanwendung: Erkennung des SystemsSprungantwort oder
ÜbergangsfunktionAnstiegsfunktion oder
RampeAnstiegsfunktion: Gradient:
Hauptanwendung: Bestimmung der NachlaufeigenschaftenAnstiegsantwort oder
RampenantwortSinusfunktion s
Hauptanwendung: Aufnahme des Amplituden- und Phasengang eines SystemsFrequenzgang Mathematische Modelle eines technischen dynamischen Systems
Die Aufgabe eines mathematischen Modells eines realen dynamischen Prozesses dient dem Erkennen und der Vorhersage des Systemverhaltens bei messtechnisch erfassbaren System-Einflussgrößen. Dazu zählen z.B. durch rechnergesteuerte Simulation:
- Systemverhalten bei kritischen Umgebungsbedingungen, bestimmten Testsignalen, Störsignalen,
- Optimierung des Reglers bei geregelten Systemgrößen,
- Zerstörungsfreie Systemprüfung im Anlagenbau, in der verfahrenstechnischen Industrie, in der Chemieindustrie bei Großsignalverhalten.
Dynamische Systeme mit konzentrierten Parametern als Eingrößen- und Mehrgrößensysteme können sich linear, nichtlinear, zeitinvariant, zeitvariant und global-proportional, -integral und -differenzial verhalten. Systeme mit konzentrierten Parametern (Feder-Masse-System) haben im Gegensatz zu Systemen mit verteilten Parametern (z. B. Wärmefluss im homogenen Medium) keine räumliche Ausdehnung.
Häufig wird für die lineare Systembeschreibung als sogenannte Bewegungsgleichung die systembeschreibende gewöhnliche Differenzialgleichung mit konstanten Parametern verwendet. Viele ausgeführte technische dynamische Systeme enthalten nichtlineare, totzeitbehaftete und begrenzende Komponenten, so dass mit der Beschreibung der Differenzialgleichung nur eine Annäherung an das tatsächliche Verhalten eines realen Systems sein kann. Leider sind die meisten Prozesse mit dynamischen Systemen nichtlinear, so dass lineare Annäherungen getroffen werden müssen.
Gut angepasste Modelle aus vermischten linearen und nichtlinearen Systemen können nur numerisch definiert und mit Computern berechnet werden.
Begriffsklärungen der konträren Eigenschaften mathematischer Modelle dynamischer Übertragungssysteme:
Modell-Eigenschaften Eigenschaft 1 Eigenschaft 2 Kommentar Modell-Erstellung analytisch experimentell Analytisch durch Differenzialgleichungen und Übertragungsfunktionen
experimentell meistens durch die Systemsprungantwort.Modell-Darstellung parametrisch nicht-
parametrischParametrisch in Form einer Differenzialgleichung entweder analytisch
oder experimentelle Identifikation.
Die Sprungantwort ist ein nichtparametrisches dynamisches ModellModellverhalten linear nichtlinear Ein lineares System muss der Linearitätseigenschaft des "Superpositionsprinzips"
entsprechen. Siehe auch Lineares zeitinvariantes System!
Nichtlineare Systeme können im Arbeitspunkt linearisiert werden
oder durch Wertetabellen numerisch berechnet werden.Modellverhalten dynamisch statisch Ein dynamisches Modell enthält Energiespeicher, die das Zeitverhalten bestimmen.
Ein statisches Modell kat kein Zeitverhalten. Es kann in einem dynamischen Modell enthalten sein, wenn die zeitlichen Ableitungen der Ein- und Ausgangsgrößen des
Modells (Differenzialgleichung) zu Null gesetzt werden.Darstellung der Parameter konzentriert verteilt Dynamische Systeme ohne räumliche Ausdehnung der Systemspeicher haben konzentrierte Systemparameter. Beispiel: Masse, Kondensator! Die System-Ausgangssignale sind nur zeitabhängig.
Dynamische Systeme mit räumlicher Verteilung der Systemspeicher enthalten verteilte Systemparameter. Beispiel: Wärmefluss in einem homogenen Medium, Spannungsabfall in elektrischen Leitungen. Bei diesen Systemen sind die Variablen nicht nur Funktionen der Zeit sondern auch von Ortskoordinaten abhängig. (Beschreibung durch partielle DGL)Zeitabhängigkeit der
Parameterzeitinvariant zeitvariant Zeitinvariante Systeme werden durch gewöhnliche DGL mit konstanten
Koeffizienten beschrieben.
Bei zeitvarianten Systemen hat die gewöhnliche DGL keine konstanten Parameter.
Beispiel: Die Masse einer Rakete reduziert sich während des Antriebs.Beschreibungsform
des Modellverhaltenskontinuierlich diskret Die Differenzialgleichung f(t) oder die Übertragungsfunktion F(s) beschreiben
kontinuierliche Funktionen.
Differenzengleichungen beschreiben zeitdiskrete Darstellungen für ein kleines
Zeitintervall Δt. Durch rekursive Berechnung addiert sich für jede Berechnungs-
folge k ein neuer Wert Δy(k) zum alten Wert y(k-1). Damit entsteht ein gebrochener
Zeitverlauf für y(k*Δt). Alle Berechnungsgrößen treten im zeitlichen Abstand Δt auf.Modellordnung exakt reduziert Die Systemidentifikation kann theoretisch anhand physikalischer Grundlagen
getroffen werden. Damit ist die Ordnung der Systemspeicher exakt erfasst.
Durch das Verfahren der experimentellen Systemidentifikation ergibt sich häufig
ein Modell reduzierter Ordnung.Modellvarianten vollständig vereinfacht Je nach Bedeutung eines dynamischen Prozesses wird ein vollständiges oder
vereinfachtes Modell der Aufgabenstellung angepasst (Kosten-Nutzen-Bewertung).Modellierung eines unbekannten dynamischen Systems
Für die Ermittlung eines guten mathematischen Modells eines realen Systems müssen sowohl die Systemstruktur als auch die Parameter (Systemkonstanten) ermittelt werden. Die Aufgabe der Systemidentifikation kann theoretisch (anhand physikalischer Grundlagen) oder experimentell durch Messung des Ein- Ausgangsverhaltens mittels geeigneter Testsignale erfolgen:
Vorgehensweise zur Modellierung eines dynamischen Systems mit Differenzialgleichungen:
- Systemzerlegung in rückwirkungsfreie einfache Teilsysteme,
- Definition der physikalischen Gesetze der Teilsysteme:
- Mechanische Systeme: Newtonsches Gesetz, Kräfte- und Momenten-Gleichgewicht, Erhaltungssätze von Impuls, Drehimpuls und Energie.
- Elektrische Systeme: Kirchhoffsche Gesetze, Ohmsches Gesetz, Induktionsgesetz, Maxwellsche Gleichungen (bei Feldern, d.h. örtlich verteilten Systemen),
- Thermische Systeme: Wärmeleitungs- und Wärmeübertragungsgesetze, Erhaltungssätze der inneren Energie oder Enthalpie.
- Systeme mit Stofftransport: Gesetz der Gasdynamik, Diffusionsgesetz.
- Kopplungsbeziehungen bei Mehrgrößensystemen beschreiben,
- Zusammenfassung aller Gleichungen zu einer Differenzialgleichung, eines Differenzialgleichungssystems oder einer Übertragungsfunktion.
Systeme mit Energiespeichern wie Spannung an einem Kondensator, Strom in einer Induktivität, bei einem Feder-Massesystem die potentiellen und kinetischen Energieanteile führen trotz der unterschiedlichen physikalischen Systemgrößen zu identischen Strukturen der systembeschreibenden Differenzialgleichungen bzw. im komplexen Frequenzbereich zu identischen Übertragungsfunktionen.Für lineare bzw. angenäherte lineare dynamische Systeme sind verschiedene Methoden der Modellierung bekannt.
Die Analyse eines bestehenden technischen Übertragungssystems erfolgt bei globalen P- oder I-Verhalten meistens durch die Sprungantwort, Impulsantwort oder durch Einspeisen einer variablen sinusförmigen Frequenz konstanter Amplitude.
Für einfache Ansprüche der schnellen Bestimmung einer Ersatzbeschreibung eines realen Übertragungssystems existieren verschiedene heuristische Verfahren, die auch unter dem Begriff Faustformelverfahren (Automatisierungstechnik) in der Regelungstechnik bekannt sind. Sie beziehen sich meist auf die grafisch aufgezeichnete Sprungantwort einer Regelstrecke für nichtschwingende lineare Systeme höherer Ordnung. Häufig werden für diese Verfahren der einfachen Bestimmung der Streckenparameter die für einen Regelkreis erforderlichen Parameter der Standardregler (P-, I-, PI-, PD-, und PID-Regler) zugehörig mitgeliefert.
Modellierung eines linearen dynamischen Systems durch die Aufstellung der DifferenzialgleichungEin einfaches Beispiel der theoretischen Entwicklung der systembeschreibenden Differenzialgleichung wird in dem Kapitel "Entstehung einer Differenzialgleichung" mit einem RLC-Netzwerk gezeigt. Bei diesem Beispiel der Berechnung eines Systems aus Kombinationen von Bauelementen aus Widerständen, Kondensatoren und Induktivitäten unter Vernachlässigung von parasitären Eigenschaften der Bauelemente (Kapazität einer Induktivität, Induktivität eines gewickelten Widerstandes, Temperatureinfluss) handelt es sich um ein reales Modell eines linearen Systems mit konzentrierten Energiespeichern und nicht um eine Annäherung.
Modellierung nach der FrequenzganganalyseDie experimentelle Systemidentifikation eines realen Systems erfolgt durch Messung des Eingangs-Ausgangs-Verhaltens durch Anregung mit einer Wechselspannung variabler Frequenz. Anhand der Asymptoten-Schnittpunkte des Frequenzgangs im Bode-Diagramm kann auf die Übertragungsfunktion des Systems geschlossen werden. Die Prüfung des Phasengangs ist erforderlich, wenn das Gesamtsystem eine Totzeitkomponente enthält.
Modellierung eines linearen Systems mit Totzeit durch ein PT2-Verzögerungsglied und ErsatztotzeitSehr gute Modelle erhält man aus der Sprungantwort eines Systems durch Approximation mit einem PT2-Glied und einer Ersatztotzeit. Das PT2-Glied und das Ersatz-Totzeitglied wirken als Reihenschaltung. Details werden in den nachfolgenden Kapiteln behandelt!
Mathematische Werkzeuge
Die Analyse des Verhaltens eines dynamischen Systems zur Erstellung eines Modells und insbesondere für die experimentelle Systemidentifikation erfordert die Kenntnis der mathematischen Werkzeuge zur Beschreibung der synthetischen Zusammenstellung unterschiedlicher Teilsysteme wie z. B. entkoppelte Verzögerungssysteme, Integrationen, Totzeitsysteme, nichtlineare statische Systeme.
Wegen des hohen Bekanntheitsgrades und der übersichtlichen Gleichungsdarstellung werden lineare Modelle häufig im s-Bereich als Übertragungsfunktionen dargestellt. Lineare gewöhnliche Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten können durch die Laplace-Transformation beliebig in den s-Bereich und umgekehrt können Übertragungsfunktionen vom s-Bereich in den Zeitbereich transformiert werden. Für die Systemberechnung mit Anfangswerten ist die mathematische Form der Differenzialgleichungen vorteilhaft.
Die transzendente Darstellung der Totzeitsysteme ist nur für die grafische Darstellung im komplexen Frequenzbereich geeignet. Der Systementwurf im Frequenzbereich hat nur eine informative didaktische Bedeutung. Regelkreise mit Totzeitsystemen lassen sich nur numerisch einfach berechnen.
Mit der numerische Behandlung und der diskreten Zeit Δt lässt sich jede Modellanpassung eines Übertragungssystems oder eines Regelkreises berechnen. Es ist gleichgültig, ob die Systembeschreibungen als Übertragungsfunktion oder Differenzialgleichungen vorliegen.
Lösung von Differenzialgleichungen mit Anfangswerten:Lineare gewöhnliche Differenzialgleichungen mit konstanten Koeffizienten beliebiger Ordnung lassen sich im Gegensatz zur klassischen Lösung sehr einfach mit der numerischen Differenzengleichung der Integration lösen.
Beispiel systembeschreibende DGL 2. Ordnung:
- Es wird die die explizite Form nach der höchsten Ableitung verwendet, d.h. alle Terme der Gleichung werden durch den Koeffizienten a2 dividiert und dann nach freigestellt.
- Jede Ableitung von y(t) wird nach dem Signalflussplan der expliziten Darstellung numerisch durch die Differenzengleichung der Integration integriert. Die Differenzengleichung der numerischen Integration mit der Berechnungsfolge k(0, 1, 2 ...kMAX) und T = 1 (Euler-Streckenzugverfahren) lautet:
- Sämtliche Signaloperationen erfolgen algebraisch
- Anfangswerte können einfach für jeden Integrator (Energiespeicher) vorgegeben werden. Die Integrationen finden über Integrierglieder mit den gewünschten Anfangswerten statt. Die Integratoren starten zum Zeitpunkt t = k*Δt = 0 mit der Rekursionsfolge k = 0 und enden bei kMAX. Weil es sich damit um bestimmte Integrale handelt, müssen keine Integrationskonstanten wie bei der klassischen Lösung einer Differenzialgleichung ermittelt werden.
- Siehe Beispiel des Hauptkapitels "Numerische Berechnung dynamischer Systeme" unter Anwendung numerischer Berechnungen.
Kombinierte nichtlineare und lineare SystemeDie Zusammensetzung unterschiedlicher Teilsysteme mit einer Totzeit und differenzierendem, verzögerndem, begrenzendem und nichtlinearem Verhalten zu Steuerstrecken und Regelkreisen können nur numerisch berechnet werden.
- Lineare Systeme: Für die Beschreibung der linearen Systeme stehen Differenzengleichungen zur Verfügung.
- Nichtlineare Systeme können mit Werteangaben in tabellarischer Form benutzt werden.
- Begrenzungseffekte erfordern logische zeitunabhängige Gleichungen. (WENN-, DANN-, SONST-Anweisungen)
- Totzeitsysteme können durch programmierte Laufzeit-Schleifenbildung beliebiger Rechenprogramme nachgebildet werden bzw. bei Anwendung der Tabellenkalkulation durch die INDEX-Anweisung:
- Die Anweisung "INDEX ( Bezug: Spalte; Bereich)" verwendet einen Index, um aus einem Bezug einen Wert zu wählen.
- Tabellarische Darstellung der Zwischen- und Endergebnisse. Zum Verständnis des Systemverhaltens und insbesondere des inneren System-Bewegungsablaufs bei Mit- und Rückkopplungen sollten alle Teil- und Endergebnisse numerischer Berechnungen tabellarisch pro Berechnungsfolge k=(0, 1, 2, ...kMAX) pro Zeile abgelegt werden. Die Programmiersprache numerischer Berechnungen ist beliebig. Es empfiehlt sich die Anwendung der Tabellenkalkulation, weil keine Formatierungsaufgaben erforderlich sind und die grafische Darstellung beliebiger Ergebnisse bereits mitgeliefert wird.
Modell-Bestimmung durch Approximation an die Sprungantwort eines Systems höherer Ordnung
Das bekannteste Verfahren der Identifikation eines dynamischen Systems mit globalen P-Verhalten aus der Sprungantwort ist das Wendetangentenverfahren. Es ist kein Modell im Sinne der Systemtheorie, bei dem sich das Modell ähnlich wie das modellierte Originalsystem verhält, sondern es handelt sich um empirisch gefundene Werte, aus denen sich Parameter für die Anwendung von Standardreglern für Regelkreise geringer Ansprüche bilden lassen.
Wendetangentenverfahren:
Industrielle Regelstrecken höherer Ordnung mit globalen P-Verhalten mit oder ohne Totzeit lassen sich nach einer messtechnischen Aufzeichnung der System-Sprungantwort durch eine grafisch an den Gradienten des Signalanstiegs im Wendepunkt angelegte Tangente für eine Auslegung von Standardregelkreisen identifizieren. Die Abszisse mit dem Zeitmaßstab wird durch die Tangente in die Zeitabschnitte der Verzugszeit TU und Anstiegszeit Tg zerlegt.
Die genaue Lage des Wendepunktes der Sprungantwort kann - falls erforderlich - durch einfaches Differenzieren dy / dt oder manuell Δy / Δt ermittelt werden.
Die stationäre P-Verstärkung Kp des Systems ergibt sich nach genügend langer Zeit aus dem Ausgangs-Eingangssignalverhältnis y(t) / u(t).
Synthetische Modell-Bestimmung nach der System-SprungantwortFür ein bestehendes dynamisches Übertragungssystem höherer Ordnung handelt es sich in den meisten Fällen um ein System mit globalen P-Verhalten (Regelstrecke mit Ausgleich) oder globalen I-Verhalten mit und ohne Totzeit. Aus der Sprungantwort eines dynamischen Systems mit P-Verhalten kann nicht so einfach die Systemordnung und ein mögliches Totzeitverhalten erkannt werden. Deshalb bietet sich für ein derartiges System ein Modell an, dass aus der Reihenschaltung eines Totzeitgliedes und eines Verzögerungsgliedes zu wählender Ordnung besteht.
Je nach Ergebnis des Verhaltens der Sprungantwort eines linearen Systems höherer Ordnung mit und ohne Totzeit folgt die synthetische Zusammensetzung eines Modells aus einfachen Komponenten wie die Reihenschaltung von einem Totzeitglied und Verzögerungsgliedern und gegebenenfalls die eines I-Gliedes, deren mathematische Schreibweisen bekannt sind.
Das Ziel für die Auslegung des Modells ist das möglichst identische Zeitverhalten bei der Sprungantwort oder der Impulsantwort mit dem Original zu erreichen. Mit der numerischen Berechnung und grafischen Darstellung können die zu optimierenden Parameter des Modells in weiten Grenzen verändert werden, bis die Sprungantworten des Originals mit dem Modell übereinstimmen.
Vorgehensweise
- Die Sprungantwort des Originals mit globalen P-Verhalten (Regelstrecke mit Ausgleich) ist bekannt.
- Als Modell wird die Reihenschaltung eines Ersatz-Totzeitgliedes (Ersatztotzeit Tte) mit einem Verzögerungsglied n-ter Ordnung (Ersatz-Zeitkonstante Te) wie folgt gewählt:
- Durch die vorzugsweise numerische Berechnung wird der Verlauf des Verzögerungsgliedes mit dem Parameter Te dem Verlauf des Gradienten der Originalfunktion in Übereinstimmung gebracht. Die Ordnung n des Verzögerungsgliedes kann beliebig sein. Es empfiehlt sich die Ordnung 1 oder 2. Die Ordnung 2 erlaubt eine leichtere Anpassung des Modell-Verzögerungsgliedes an das Original.
- Durch zeitliche Verschiebung der Verzögerungsfunktion bis zur Deckung mit der Originalfunktion wird die Ersatztotzeit Tte bestimmt.
Die Übergangsfunktion (Sprungantwort) eines Modells niedriger Ordnung für ein lineares System höherer Ordnung kann natürlich nicht mit dem Original identisch sein. Es stellt sich die Frage, wie exakt muss die Sprungantwort des Modells mit dem Original übereinstimmen, damit der Modellfehler gering bleibt?Das Modell wird genauer, wenn der Anstiegsgradient des Verzögerungsgliedes grafisch zeitlich über die Lage des Wendepunktes des Anstiegsgradienten des Originals zu größeren Werten verschoben wird und damit 3 kleine Flächen mit dem Original einschließt.
PT1-Tte-Modell eines Systems höherer Ordnung aus der SprungantwortIn dem dargestellten grafischem Beispiel der Sprungantwort eines dynamischen Systems 5. Ordnung gleicher Zeitkonstanten mit dem PT1-Tte-Modell wurde numerisch berechnet und mit dem im nächsten Kapitel angegebenen Verfahren auf gute Annäherung geprüft. Es handelt sich um ein relativ genaues und geprüftes PT1-Tte-Modell, das sich auch in einem Regelkreis - in bestimmten Grenzen - wie das Original verhält.
Andere PT1-Tte-ModellierungsverfahrenIn der Fachliteratur werden auch Methoden für die Bestimmung der Größe der Ersatzzeitkonstante Te beschrieben, in dem durch die 2 Schnittpunkte des Modells mit dem Original Y1(t1), Y2(t2) geometrisch die Ersatz-Verzögerungszeitkonstante Te berechnet wird. [1]
Die Berechnung setzt voraus, dass eine Annahme getroffen wird, wie der Verlauf des PT1-Gliedes um die Ersatztotzeit Tte versetzt erfolgen muss, damit die Schnittpunkte zwischen Original und Modell entstehen können.
Ersatz-Zeitkonstante Te:
Ersatztotzeit Tte
Andere empirische Verfahren der Bestimmung eines PT1Tte--Modells beziehen sich direkt auf das Zeitverhalten der Sprungantwort eines PT1-Gliedes:PT1-Modell:
PT1-Tte-Modell:Für die angegebenen Gleichungen werden für die Parameter Te und Tte so oft verschiedene Werte eingesetzt, bis die Sprungantworten des Modells mit der des Originals ungefähr übereinstimmen.
Fazit: Es gibt keine vernünftige Alternative zur genauen Modellbestimmung als die numerische Berechnung.
PT2-Tte-Modell eines Systems höherer Ordnung aus der SprungantwortVerzögerungen 1. Ordnung haben keinen Wendepunkt, weil das zeitliche Verhalten der Sprungantwort sich kontinuierlich mit abnehmender Geschwindigkeit der Asymptote nähert. Die Sprungantwort einer PT2-Verzögerung hat im Bereich des Wendepunktes einen annähernd linearen Bereich konstanter Signal-Geschwindigkeit, bei der sich das grafische Anlegen einer Tangente vereinfacht.
Der Verlauf des PT2-Gliedes mit 2 gleichen Zeitkonstanten Te wird dem Verlauf des Originals im Bereich beider Wendepunkte durch die Ersatzzeitkonstante Te und durch die Ersatztotzeit Tte so angeglichen, dass im Bereich der Wendepunkte das PT2-Tte-Modell zeitlich mit dem Original 2 Schnittpunkte und damit 3 kleine Flächen bildet, also Tte >> Tu ist.
Das grafische Bild zeigt das optimierte PT2-Tte-Modells zur Sprungantwort eines dynamischen Systems 5. Ordnung mit gleichen Zeitkonstanten und globalen P-Verhalten. Das Modell und das Original zeigen in je einem Regelkreis mit gleichem PI-Regler weitgehend identische Eigenschaften. Selbst bei Einsatz in je einem Regelkreis mit einem PID-Regler bei einer gewählten Dämpfung mit einer Überschwingweite von ca. 5 % verhält sich das Modell sehr ähnlich gegenüber dem Original. Das ist insofern erstaunlich, weil die zwei in der Reihenstruktur zerlegbaren PD-Anteile des PID-Reglers bei Pole-Nullstellen-Kompensation der Regler-Auslegung mit der Original-Regelstrecke bei dem Modell den Einfluss der Pole reduzieren und damit eine Modell-Regelstrecke mit dominanter Totzeit hervorrufen.
PT2-Tte-Tt-Modell eines Systems höherer Ordnung mit TotzeitModell für Systeme mit Totzeit Tt:
An dem Modell hat sich gegenüber dem mit echter Totzeit Tt behafteten Original nur die Totzeitsumme Tt+Tte geändert. Alle übrigen Beziehungen gelten wie für das PT2-Tte-Modell.
Weil in einer Sprungantwort eines realen Übertragungssystems höherer Ordnung der Anteil der echten Totzeit Tt nicht erkennbar ist, gilt das bewährte Modell mit einer Verzögerung 2. Ordnung und Ersatztotzeit Tte sowohl für Übertragungssysteme mit und ohne Totzeit Tt:
Prüfung des Modellverfahrens in einem Regelkreis mit einem I-ReglerDas Verfahren der Erstellung eines Modells kann überprüft werden, indem man durch Abschätzung der Sprungantwort des unbekannten Übertragungssystems ein nicht genaues, aufwendiges, bekanntes, virtuelles Original mit Totzeit und Verzögerung höherer Ordnung bestimmt. Werden das virtuelle Original und das Modell des virtuellen Originals in je einen Regelkreis mit einem I-Regler gleicher Regelparameter eingebunden, dann muss bei einem guten Modell eine weitgehende Übereinstimmung in den Sprungantworten der Regelgrößen erzielt werden.
Die Verstärkung Kp des I-Reglers sollte so groß gewählt werden, dass die Kreisdämpfung mit der Regelstrecke des Originals sehr gering ist und die Regelgröße sehr stark überschwingt. Damit machen sich Modellfehler stärker bemerkbar.
Beispiel der Prüfung der Modell-Güte
- Virtuelles Original 5. Ordnung mit bekannten Parametern ohne Totzeit:
- Gewähltes Modell des virtuellen Originals mit einer Verzögerung 2. Ordnung und Ersatztotzeit Tte:
- Anmerkung: Die Approximation eines Modells an das Original höherer Ordnung mit gleichen Zeitkonstanten ist schwieriger, als die Anpassung an ein Original mit unterschiedlichen Zeitkonstanten der gleichen Ordnung!
- Vorzugsweise werden die Sprungantworten des virtuellen Originals und des Modells mittels numerischer Berechnungen an einem PC durchgeführt.
- Die Sprungantwort des virtuellen Originals wird für die gewählte Zeitkonstante T grafisch am Bildschirm abgebildet.
- Der Gradient der Sprungantwort des Modells wird durch empirische Wahl der Zeitkonstante Te dem Gradienten des virtuellen Originals in Übereinstimmung gebracht.
- Die Ersatztotzeit Tte des Modells wird im Diagramm wird durch zeitliche Verschiebung der Verzögerungsfunktion zur Deckung mit der Sprungantwort des virtuellen Originals bestimmt. Der Feinabgleich für Te und Tte zur korrekten Deckung der beiden Sprungantworten ist noch jederzeit möglich.
Die bevorzugte vereinfachte Modellstruktur des Modells und das virtuelle Original können durch Einbindung in je einem Regelkreis mit einem I-Regler und einer eingestellten Kreisdämpfung D < 0,1 (d.h. große Überschwingung der Regelgröße) mit gleichen Reglerparametern geprüft werden. Sind für beide Modell-Regelkreise die An- und Ausregelzeiten und die Überschwingweiten der Regelgrößen näherungsweise identisch, handelt es sich um ein gutes Modell.
Modelle für Systeme mit verteilten Energiespeichern
Systemspeicher im dynamischen System
Physikalisch betrachtet ist der Zustand eines dynamischen Systems durch den Energiegehalt der im System vorhandenen Energiespeicher zu einem beliebigen Zeitpunkt bestimmt. Das zeitliche Verhalten der Systemausgangsgröße y(t) eines Übertragungssystems zu einem beliebigen Zeitpunkt t = t0 ist abhängig vom Energiegehalt der Systemspeicher (Anfangswerte), von den Systemparametern und der Systemeingangsgröße
u(t). Die Vorgeschichte des Systems für y(t) zur Zeit t < 0 hat keine Bedeutung für die betrachtete Zeit t > 0.Lineare zeitinvariante dynamische Systeme mit konzentrierten Speichern (ohne räumliche Ausdehnung!) werden durch gewöhnliche Differenzialgleichungen y =f(t) mit konstanten Koeffizienten beschrieben. Konstante Koeffizienten bedeuten, dass sich das Zeitverhalten des Systems nicht ändert. Diese Systeme können auch in einer speziellen Darstellung der Differenzialgleichung im Zustandsraum y = f(t) oder durch Transformation der Differenzialgleichung zu Übertragungsfunktionen G = f(s) beschrieben werden. Übertragungsfunktionen behandeln keine Anfangswerte, das System mit f(s) ist für den Ruhezustand definiert.
Systeme mit verteilten Energiespeichern
Dynamische Systeme mit räumlicher Verteilung der Systemspeicher enthalten verteilte Systemparameter. Beispiel: Wärmefluss in einem homogenen Medium, Spannungsabfall in elektrischen Übertragungsleitungen. Bei diesen Systemen sind die Variablen nicht nur Funktionen der Zeit sondern auch von Ortskoordinaten abhängig. Als Beschreibung eines derartigen Systems gilt allgemein die partielle Differenzialgleichung, bei der die gesuchte Funktion von 2 Variablen abhängig, vom Ort und von der Zeit.
Problematisch ist beispielsweise die zeitabhängige Beschreibung des Wärmeflusses in verschiedenen Medien wie bei Gasen, Flüssigkeiten, Feststoffen und Metallen. Bei einer gewöhnlichen Heizungsregelung handelt es sich bei der Regelstrecke um ein System mit verteilten Energiespeichern in Flüssigkeiten oder Feststoffen.
Kompliziert oder beinahe unmöglich ist die geforderte Systemabgrenzung der in der Praxis bei ausgeführten Übertragungssystemen verschiedenster geometrischer Formen von der Umgebung. Trifft eine bekannte Strahlungsenergie auf ein System, bei dem die Masse, Oberfläche, Homogenität, Wärmewiderstand, Wärmeableitungen unbekannt sind, so kann nur ein messtechnischer Versuch das zeitliche Verhalten der Temperatur an einem bestimmten Ort des Systems zu bestimmten Umgebungsbedingungen klären.
Vereinfachtes Ersatzmodell für Systeme mit verteilten Energiespeichern
Betrachtet man den Temperaturverlauf in einem homogenen Medium an verschiedenen weit entfernten Messorten von der Wärmequelle nach einem positiven Wärme-Energiesprung, so erreicht der am weitesten entfernte Messort am spätesten das Temperatur-Maximum. Nach genügend langer Zeit ist der stationäre Zustand am Messort erreicht, wenn der Wärmezufluss gleich dem Wärmeabfluss ist. Im stationären Zustand beliebiger Messorte sind die Temperaturwerte nach einem Temperatursprung mit steigender Entfernung vom Systemeingang immer kleiner. Die Ursache liegt darin, dass das Medium ein mehr oder weniger guter Wärmeleiter ist, von dem je nach äußeren Abmessungen die Wärmeenergie durch Konvektion, Strahlung oder Ableitung mit anderen Materialien abfließt.
Ein elektrisches Modell zum Verständnis dieses Verhaltens ist eine Kombination von gleichen RC-Gliedern (Widerstand-Kondensator-Schaltung T = R * C) mit gleichen Zeitkonstanten T. Die Übergangsfunktion (Sprungantwort) eines derartigen Systems mit einer Kette von z. B. 4 RC-Gliedern ohne Abschlussglied in Reihenschaltung lautet:
Durch die Nullstellen-Bestimmung und Umrechnung der Pole in Zeitkonstanten wird ersichtlich, dass die Sprungantwort mit zunehmender Ordnung durch eine kleine Totzeit und eine dominante Zeitkonstante (Verzögerungsglied 1. Ordnung) bestimmt wird. Erst wenn dieses RC-Glieder-Modell einen Widerstands-Abschluss erhält, wird mit der zunehmenden Entfernung von der Einspeisung verständlich, dass im stationären Zustand die Spannungsabfälle ortsabhängig sind und die Spannungen an den Kondensatoren kleiner werden.
Das dargestellte grafische Bild zeigt das Temperaturverhalten einer auf einer Sandsteinplatte aufgestrahlte Wärmeenergie an 2 Messorten. Das Zeitverhalten des Wärmeflusses an beiden Messpunkten entspricht annähernd dem Verhalten eines PT1-Gliedes mit einer dominanten Zeitkonstante und der Reihenschaltung eines sehr kleinen Ersatz-Totzeitgliedes.
Das System weist unterschiedliche Ersatz-Zeitkonstanten TE für den Anstieg und Abfall des Wärmeflusses auf und verhält sich damit auch zeitvariant. Dies erklärt sich durch die Wärmeflussdifferenz der beiden Oberflächen der Platte links und rechts. Beim Ansprung ist das System im Ruhezustand. Beim Rücksprung (Strahlungsquelle = 0 W) hat das System am Messpunkt 1 höhere Anfangswerte. Ein bestimmter Teil der gespeicherten Wärmeenergie um den Messpunkt 1 fließt nach Messpunkt 2, was sich als vergrößerte Zeitkonstante bemerkbar macht
In der praktischen Anwendung wird ein aufzuheizendes Medium eine festzulegende Wärme-Isolation aufweisen. In diesem Falle wird für das genannte Experiment eine gewählte Endtemperatur als Ausschnitt einer e-Funktion früher erreicht. Beim Energierücksprung ist die Temperatur-Differenz der beiden Messpunkte wegen verminderter Verluste geringer und die Unterschiede der beiden Zeitkonstanten für Temperatur-Aufbau und -Abbau werden wegen der Isolation größer.
Das mathematische Modell für den Wärmefluss in einem homogenen Medium lässt sich nach der Aufzeichnung der Sprungantwort durch ein einfaches Modell mit einem PT1-Glied und einem Totzeitglied annähern. Die Parameter der Ersatztotzeit TtE und der Ersatzzeitkonstanten TE sind anhand des Messprotokolls zu bestimmen.
Heuristische Methoden der Modellbeschreibungen
- Ziegler-Nichols (Veröffentlichung: 1942):
- Ziegler und Nichols haben 2 heuristische Verfahren entwickelt:
- Verfahren 1 bezieht sich auf eine unbekannte Regelstrecke und einen unbekannten Regler mit P-, I-, D-Verhalten. Ohne Kenntnis der Strecken- und Reglerparameter werden manuell zunächst in dieser Reihenfolge die P-Verstärkung und danach auch die I- und D-Anteile bis jeweils an die Stabilitätsgrenze des Regelkreises eingestellt. Alle auf diese Weise ermittelten Parameter der Stabilitätsgrenze werden dann halbiert.
- Verfahren 2: Für die aus dem Wendetangentenverfahren ermittelten Streckenparameter werden tabellarisch Reglerparameter für P-, PI, PD- und PID-Regler angegeben.
- Chien, Hrones und Reswick (1952) haben später überarbeitete empfohlene Parameter-Einstellungen für die Standard-Regler in verschiedenen Varianten festgelegt.
- T-Summen-Regel mit einer Ersatz-Summen-Zeitkonstante (nach Udo Kuhn 1995)
- Wenn die Übertragungsfunktion der Strecke vorliegt:
- Summe über alle n Verzögerungszeitkonstanten minus Summe aller m Nullstellenzeitkonstanten plus Totzeit.
- Damit lautet die Übertragungsfunktion des Modells mit Kp als statische Verstärkung:
- Wenn die Sprungantwort vorliegt:
- Bei der T-Summen-Regel zur Identifikation einer PTn-Regelstrecke (ohne Totzeit) eignet sich für lineare Systeme höherer Ordnung ähnlicher Zeitkonstanten. Das Verfahren teilt mit einer senkrechten Linie die Anstiegsfunktion der Sprungantwort in 2 gleiche Flächen. Der Wert der so getroffenen Zeitachse entspricht der Summenzeitkonstante .
- Zeit-Prozent-Verfahren (Wolfgang Latzel 1953)
- Aus der positiven normierten Sprungantwort (Sprungeingang u(t) = 1) werden aus dem Verlauf der Ausgangsgröße y(t) die Werte y(t) = 10%, 50% und 90% des Maximalwertes yMAX(t) die zugehörigen Zeitwerte T10, T50 und T90 erfasst und daraus eine Modell-Übertragungsfunktion aus n gleichen Verzögerungsgliedern gebildet. Es wird eine Tabelle benötigt, die in jedem guten Fachbuch der Regelungstechnik zu entnehmen ist. Die Tabelle gibt die Systemordnung und benötigten Faktoren nach folgender Gleichung für die Ersatzzeitkonstante TM an:
- Bestimmung der Ersatzzeitkonstante TM:
- Bestimmung des Modells mit Kp als statische Verstärkung:
- Anmerkung: Dieses Verfahren ergibt eine erstaunlich gute Anpassung des Modells an ein lineares Übertragungssystem ohne Totzeit. Siehe Artikel "Regelstrecke": Experimentelle Systemidentifikation von Regelstrecken nach der Sprungantwort
Gewöhnliche Differenzialgleichungen
Eine Differenzialgleichung (kurz DGL) ist eine Gleichung, die eine oder mehrere Ableitungen einer unbekannten Funktion enthält. [2]
Kommen Ableitungen nur bezüglich einer Variablen vor, spricht man von gewöhnlichen Differentialgleichungen, wobei der Begriff "gewöhnlich" sich darauf bezieht, dass die betrachtete Funktionen nur von einer Veränderlichen abhängt.
Mit den gewöhnlichen DGL-en lassen sich viele dynamische Systeme aus der Technik, Natur und Gesellschaft beschreiben. Viele auf den ersten Blick sehr verschiedene physikalische Probleme lassen sich mit der DGL jedoch formal identisch darstellen.
Gleichungen, deren Lösungen Funktionen mehrerer Variablen sind und die partielle Ableitungen dieser Funktionen enthalten, sind partielle Differentialgleichungen.
Eine lineare DGL enthält die gesuchte Funktion und deren Ableitungen nur in der ersten Potenz. Es dürfen keine Produkte der gesuchten Funktion und ihren Ableitungen auftreten. Die gesuchte Funktion darf auch nicht in Argumenten von Winkelfunktionen, Logarithmen usw. erscheinen.
Nichtlineare Differenzialgleichungen sind nur in sehr seltenen Ausnahmefällen analytisch lösbar. Sie können mittels der numerischen zeitdiskreten Methoden gelöst werden
Ein dynamisches System kann durch das Aufstellen von Differenzialgleichungen modelliert werden. Dazu werden für sämtliche Energiespeicher des Systems die zugehörigen Bilanzgleichungen benötigt, die durch eine Differenzialgleichung 1. Ordnung beschrieben werden. Für jeden konzentrierten Energiespeicher entsteht eine Differenzialgleichung erster Ordnung. Das Ergebnis ist eine lineare zeitinvariante gewöhnliche DGL mit konstanten Koeffizienten.
Nach der Systemtheorie wird ein lineares dynamisches System g(t) durch einen oder mehrere Eingänge u(t) und einen oder mehrere Ausgänge y(t) beschrieben. Lineare Systeme mit mehreren Ein- und Ausgängen werden durch ein System von Differenzialgleichungen beschrieben.
Grundlagen der Differenzialgleichung
Notation zur Darstellung der Ableitungen[3]
In der Differentialrechnung gibt es keine einheitliche Notation für Differentiale!
- Die formal korrekte Darstellung einer Ableitung einer Funktion f(x) lautet:
- oder
- (Leibniz'sche Notation)
- Die gleiche Funktion in Kurzform: . (Lagrangesche Notation)
- Die 2. Ableitung dieser Funktion lautet:
- Bei höheren Ableitungen ist diese Kurzform nicht geeignet, stattdessen wird n = Zahl der Ableitungen in Klammern angegeben:
- Bei physikalischen Prozessen wird häufig nach der Zeit abgeleitet und dies bei der Kurzform durch Punkte gekennzeichnet.
- Beispiel: Geschwindigkeit v = Weg Δs / Zeit Δt.
- Bestimmung der Geschwindigkeit:
- Bestimmung der Geschwindigkeit in Kurzform: . (Newton'sche Notation)
- Bestimmung der Beschleunigung a als 2. Ableitung des Weges s:
Allgemeine Definition:
Eine Differenzialgleichung ist eine Gleichung, in der eine Funktion y(x) und deren Ableitungen auftreten. Gesucht ist die Funktion.
Beispiele für Formen gewöhnlicher DGL:
Eine gewöhnliche Differentialgleichung erster Ordnung ist eine DGL, die nur die Ableitung erster Ordnung der gesuchten Funktion enthält, nicht jedoch höhere Ableitungen. Außerdem kann die DGL erster Ordnung noch die Funktion selbst, einen konstanten Term oder die unabhängige Variable enthalten.
Eine DGL erster Ordnung ist linear, wenn sie in folgender Form darstellbar ist.
Die Funktion g(t) wird als Störfunktion oder Störglied bezeichnet. Fehlt das Störglied, so handelt es sich um eine homogene lineare Differentialgleichung erster Ordnung. Ist g(t) von Null verschieden, so wird die DGL als inhomogen bezeichnet. Der Zusatzterm g(t) ist die Inhomogenität.
Mathematische Definition der Differenzialgleichung mit der Systemausgangsgröße y(t) als Variable:
Eine gewöhnliche Differenzialgleichung (DGL) ist eine Bestimmungsgleichung für eine Funktion einer Variablen. Die Ordnung der DGL ist bestimmt durch die höchste auftretende Ableitung:
Eine Gleichung, in der gewöhnliche Ableitungen einer unbekannten Funktion y(t) bis zur n-ten Ordnung auftreten, wird als gewöhnliche DGL n-ter Ordnung bezeichnet. Ordnung. Eine gewöhnliche DGL n-ter Ordnung enthält als höchste Ableitung die n-te Ableitung
y(n)(t) der unbekannten Funktion y(t). Sie kann auch Ableitungen niedrigerer Ordnung sowie die Funktion y(t) und deren unabhängige Variable t enthalten.Eine DGL erster Ordnung heißt linear, wenn sie in der Form je nach Art der Variable wie folgt darstellbar ist:
Die DGL können in impliziter oder expliziter Form dargestellt werden.
In der impliziten Form lässt sich eine DGL n-ter Ordnung wie folgt beschreiben:
Ist die implizit dargestellte DGL nach der höchsten Ableitung y(n) auflösbar, so ergibt sich die explizite Form:
Lösung einer Differenzialgleichung durch Separation der Variablen:Eines der bekanntesten Verfahren zum expliziten Lösen der DGL ist das Lösen durch Trennung der Variablen. Für die homogene DGL erster Ordnung ist das Standardlösungsverfahren die Trennung bzw. Separation der Variablen. Dabei wird die DGL auf eine Form gebracht, bei der die Variablen x und y nur noch in voneinander getrennten Termen auftreten. Die entstehende Gleichung kann dann sofort integriert werden.
Dazu werden alle Terme mit y auf die eine Seite der Gleichung gebracht, alle Terme mit x auf die andere.
Beispiel der Lösung einer linearen DGL 1. Ordnung:
-
Differenzialgleichung Rechenschritte Aufgabenstellung: Lösung der DGL nach dem Separationsverfahren. Die Gleichung wurde durch y2 dividiert und mit dx multipliziert. Beide Seiten der DGL wurden integriert. Lösung des Integrals. C1 auf beiden Seiten subtrahiert und C = C2 - C1 eingesetzt. Gleichung wurde nach y aufgelöst mit .
(C ist ein Element reeller Zahlen)
Entstehung einer Differenzialgleichung
Eine DGL ist eine Bestimmungsgleichung für eine unbekannte Funktion. Die Lösung einer DGL ist keine Zahl sondern eine Funktion!
Beispiel elektrischer Schwingkreis:
Spannungsbilanz: Nach dem 2. Kirchhoffschen Satz ist Summe aller Spannungen einer Masche gleich Null.
Der Spannungsabfall am Widerstand R ergibt sich zu UR = i * R. Nach dem Induktionsgesetz ist die Spannung an der Induktivität UL = L * di / dt. Der Ladestrom am Kondensator ist proportional der Spannungsänderung am Kondensator i(t) = C * dy / dt.
Die Anwendung des Maschensatzes führt zunächst zu einer Differenzialgleichung 1. Ordnung:
Setzt man in die DGL für i(t):
ein, dann ergibt sich die Schwingungsgleichung:
Es können Zeitkonstanten wie T1 = R * C und T2² = L * C eingeführt werden. Ersetzt man auch die in der Systembeschreibung übliche Darstellung der Eingangsgröße u(t) und Ausgangsgröße y(t), dann lautet die bekannte DGL für einen Reihenschwingkreis:
oder in allgemeiner Darstellung:
Aus der Mechanik existiert das bekannte Beispiel einer linearen gewöhnlichen DGL eines schwingfähigen Systems mit der Federkraft c, Masse m und Dämpfung d. Eingangsgröße: Kraft F, Ausgangsgröße: Weg x
Es handelt sich hier in beiden Fällen um eine lineare gewöhnliche DGL 2. Ordnung mit konstanten Koeffizienten. Befinden sich beide Systeme in Ruhe, d. h. die Anfangswerte der Energiespeicher sind Null, dann ist der Verlauf einer Sprungantwort abhängig von der Größe der Koeffizienten a1 und a0, ob der Systemausgang y(t) aperiodisch oder gedämpft schwingend das Niveau des Eingangssprungs u(t) erreicht.
Derartige DGL-en können in eine allgemeine Form beliebiger Ordnung dargestellt werden für die in der Systembeschreibung üblichen Signalbezeichnungen der Ausgangsgröße y(t) und der Eingangsgröße u(t).
Allgemeine Form einer DGL mit konstanten Koeffizienten ai der System-Ausgangsgröße und mit bi der System-Eingangsgröße:
Anmerkungen zur Form einer DGL aus der Sicht der Systemtheorie:- Die Koeffizienten der Terme der DGL enthalten die Parameter, aus denen die DGL entstanden ist. Es kann für die verschiedenen Lösungswege der DGL sinnvoll sein, den Koeffizienten der höchsten Ableitung an auf 1 zu beziehen, in dem sämtliche Terme durch an dividiert werden.
- Die Koeffizienten ai beziehen sich auf die Ableitungen der Ausgangsgröße y(t), deren Terme üblicherweise links des Gleichheitszeichens steht.
- Die Koeffizienten bi beziehen sich auf die Ableitungen der Eingangsgröße u(t), deren Terme rechts des Gleichheitszeichens steht
- Die Ein- und Ausgangsgrößen y(t) und u(t) sind die Variablen der DGL.
- Der höchste Grad der Ableitung von gibt die Anzahl der Speicherelemente des Übertragungssystems wieder. Das Verhältnis der maximalen Ableitungen der Ausgangsgröße zur Eingangsgröße eines Übertragungssystems bezieht sich auf n ≥ m. In der Praxis sind nur Systeme n > m realisierbar.
Lösung gewöhnlicher linearer Differentialgleichungen
- Gesamtlösung einer inhomogenen DGL
- Ein lineares dynamisches Übertragungssystem mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal y(t) wird durch eine gewöhnliche inhomogene DGL mit konstanten Koeffizienten beschrieben.
- Die Lösung einer inhomogenen DGL besteht aus der allgemeinen Lösung der homogenen DGL und einer speziellen Lösung (partikuläre Lösung) der inhomogenen DGL. Deshalb erfolgt das Lösungsverfahren der inhomogenen DGL unabhängig von der Ordnung in zwei Stufen. Die Gesamtlösung ist die Summe der beiden Lösungen:
- Die homogene Lösung der DGL beschreibt das Systemverhalten mit Anfangswerten der Systemspeicher zum Zeitpunkt t = 0 und dem Eingangssignal u(t) = 0. Die homogene Lösung der DGL ist 0, wenn alle Anfangsbedingungen von y(0) = 0 sind.
- Die partikuläre Lösung der DGL beschreibt das Übertragungsverhalten von y(t) für u(t) ≠ 0 als erzwungene Bewegung. Je nach Systemordnung müssen alle Anfangsbedingungen y(0) = 0 sein.
Ist die Übertragungsfunktion G(s) als Laplace-transformierte DGL gegeben, so ist die Berechnung des System-Ausgangssignals y(t) für ein gegebenes Eingangssignal Y(s) bei Anwendung der inversen Laplace-Transformation immer eine partikuläre Lösung.
Die partikuläre Lösung der DGL ist in der Regelungstechnik meist von hauptsächlichem Interesse.
- Die Gesamtlösung der inhomogenen DGL ist y(t) = yH(t) + yP(t)
- Integrationskonstante
- Die Lösung einer DGL erfolgt durch Integration. Die Integration ist keine eindeutige Rechenoperation, denn man erhält zu jeder Funktion f(x) verschiedene Stammfunktionen F(x) mit dem Begriff des unbestimmten Integrals.
- Bei der Integration wird zwischen dem bestimmten und dem unbestimmten Integral unterschieden. Die Stammfunktion F(x) ist Lösung des unbestimmten Integrals:
- Diese Lösung ist unbestimmt wegen der unbestimmten Integrationskonstante C.
- Jede Integration ergibt Integrationskonstanten, deren Anzahl durch die Ordnung der DGL bestimmt ist. Die Lösung einer DGL n-ter Ordnung enthält n voneinander unabhängige Integrationskonstanten. Diese sind für eine spezielle Lösung der DGL in Abhängigkeit der Eigenwerte und gegebenen Anfangsbedingungen des Übertragungssystems zu bestimmen.
- Anfangsbedingungen
- Als Übertragungsverhalten eines dynamischen Systems ist die Bewegung des Ausgangssignals y(t) dieses Systems in Abhängigkeit des Eingangssignals u(t) bei verschwindenden Anfangsbedingungen definiert. Dieses Verhalten kennzeichnet die partikuläre Lösung der systembeschreibenden DGL.
- Die Anfangsbedingungen beschreiben einen speziellen Zustand des Übertragungssystems.
- Liegen Anfangswerte y(0), y'(0) .... y(n)(0) der Energiespeicher des Übertragungssystems vor, so wird der homogene Teil der DGL für das Eingangssignal u(t) = 0 gelöst.
- Die Lösung der homogenen DGL entspricht der freien Bewegung des Systems und ist abhängig von den Anfangswerten y(t = 0) = y(0) zum Zeitpunkt t = 0. Sind keine Anfangswerte gegeben, ist die homogene Lösung der DGL yH = 0.
- Lösungsschema der gewöhnlichen linearen DGL
- Die homogene (charakteristische) DGL beschreibt das Verhalten ohne Eingangsgröße (also für u(t) = 0), das sog. Eigenverhalten, d. h. das System bleibt ausgehend von den Anfangswerten sich selbst überlassen:
- Für diese DGL ist die homogene Lösung für yH(t) zu bestimmen.
- Mit Hilfe des Exponentialansatzes lassen sich auch DGL höherer Ordnung lösen. Er gilt als universelles Lösungsverfahren für homogene DGL beliebiger Ordnungen mit konstanten Koeffizienten.
- Folgender Exponentialansatz für y(t) liefert Ableitungen der Form:
- Die Ableitungen des Lösungsansatzes ergeben sich zu:
- Werden diese Ableitungen in die oben stehende homogene DGL eingesetzt, entsteht die charakteristische Gleichung als Polynom n-ter Ordnung:
- Die homogene Lösung einer inhomogenen Differenzialgleichung lautet damit allgemein für den Fall reeller ungleicher Nullstellen λi:
- Anmerkung: Das Verfahren der Separation der Variablen auf lineare homogene DGL-gen ist auf DGL-gen 1. Ordnung beschränkt.
- Eigenwerte (Nullstellen)
- Unter der Nullstelle einer Funktion versteht man den Wert, der die Funktion zu Null macht. Zu unterscheiden sind reelle und konjugiert komplexe Nullstellen.
- Die Lösungen der Ableitungen des Exponentialansatzes für ein Beispiel 2. Ordnung lauten:
- Die Lösungen werden in die folgende homogene DGL 2. Ordnung eingesetzt:
- Damit entsteht die allgemeine Bestimmungsgleichung beliebiger Ordnung für die Eigenwerte von λi.
- Polynome mit λ zweiter Ordnung werden mit der Formel der gemischt-quadratische Gleichung gelöst. Für die Berechnung der Nullstellen von Polynomen höherer Ordnung sind gegebenenfalls aufwendige Rechenverfahren anzuwenden. Beispiele mit DGL-gen 2. Ordnung siehe nachfolgende Kapitel!
- Bestimmung der Integrationskonstanten
- Aus der charakteristischen DGL lassen sich bei gegebenen Koeffizienten mittels verschiedener Methoden die Nullstellen λi des Polynoms bestimmen.
- Die Berechnung der Integrationskonstanten Ci erfolgt durch Einsetzen der Anfangswerte von anstelle y(t) durch y(0)(t) und y'(0)(t) in die Gleichung der allgemeinen homogene Lösung mit dem Lösungsansatz
- Für ein Beispiel 2. Ordnung ergeben sich folgende 2 Gleichungen:
- Für yH(t) wird der Anfangswert von y(0)(t) eingesetzt und die Gleichung für t = 0 gerechnet. Damit verschwinden die exponentiellen Funktionen:
- In der 2. Gleichung wird anstelle von yH(t) der Anfangswert der Ableitung y'(0)(t) eingesetzt. Danach folgen 2 mathematische Operationen:
- Die 2 Terme der Exponentialfunktionen werden einmal differenziert.
- Für die so behandelten 2 Terme wird t = 0 eingegeben, damit die Exponentialfunktionen verschwinden.
- Aus diesen 2 Gleichungen lassen sich die beiden Integrationskonstanten C1 und C2 algebraisch berechnen.
Homogene Lösung einer DGL 1. Ordnung
Die DGL der Beschreibung einer elektrischen Beschaltung mit einem Widerstands R im Eingang und einem Kondensator C mit dem Eingangssignal u(t) und dem Ausgangssignal y(t) am Kondensator lautet: [4]
Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der Ableitung R * C = 1 ist, in dem sämtliche Terme der Gleichung durch R*C dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet der Koeffizient der Ableitung und wird zu 1.
Die Normalform der inhomogenen DGL 1. Ordnung lautet:
Lösung der DGL 1. OrdnungDie Gesamtlösung der gewöhnlichen DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten für die Anfangsbedingung und dem Eingangssignal:
Für die homogene Lösung der DGL wird das Eingangssignal u(t) gleich 0 gesetzt. Die Ausgangsgröße y(t) beschreibt das Verhalten des Systems g(t) für einen Anfangswert y(0) des Systemspeichers zum Zeitpunkt t ≥ 0:
Die homogene Lösung der DGL mit einem Anfangswert y(0) z.B. = 1 = 100 % lautet:
Die partikuläre Lösung der DGL geschieht mit Hilfe des Faltungsintegrals. Das Faltungsintegral beschreibt die Beziehung des Eingangssignals zum Ausgangssignal des Übertragungssystems g(t) im Zeitbereich.
- = Faltungsoperator
Das Faltungsintegral der DGL 1. Ordnung lautet:Die partikuläre Lösung der DGL für einen Einheitssprung 1 für t ≥ 0 als Eingangssignal u(t) lautet:
Es ergeben sich für den normierten Eingangssignal-Sprung 1(t) mit dem Koeffizienten a0 je 3 Fälle des Verhaltens des Ausgangssignal y(t) der homogenen und partikulären Lösung der DGL:
-
Einfluss Koeffizient a0 Signalverlauf des Ausgangssignals Koeffizient a0 > 0 yH(t) klingt exponentiell von der Anfangsbedingung y(0) auf 0 ab
yP(t) nähert sich von 0 exponentiell dem Endwert b0 / a0Koeffizient a0 = 0 yH(t) verbleibt an dem Niveau der Anfangsbedingung y(0)
yP(t) steigt von 0 rampenförmig stetig anKoeffizient a0 < 0 yH(t) wächst exponentiell über die Anfangsbedingung y(0) hinaus über alle Grenzen
yP(t) wächst von 0 exponentiell über alle Grenzen
Homogene Lösung einer DGL 2. Ordnung
Eine Differentialgleichung zweiter Ordnung ist eine Erweiterung der DGL erster Ordnung, bei der eine zusätzliche 2. Ableitung der gesuchten Funktion auftritt. Die technische Realisierung entspricht in Abhängigkeit der Koeffizienten ai untereinander einem Übertragungssystem mit 2 in Reihe geschalteten Verzögerungsgliedern 1. Ordnung (2 PT1-Glieder) mit reellen Polen oder einem Schwingungsglied mit konjugiert komplexen Polen und einer Dämpfung 1 > D > 0.
Eine DGL einer elektrischen Schaltung folgender Art ist gegeben:
Diese Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der höchsten Ableitung a2 = 1 ist, indem sämtliche Terme der Gleichung durch a2 dividiert werden und die Koeffizienten neu geordnet werden. Damit verschwindet a2.
Die homogene Lösung der DGL 2. Ordnung lautet:
Die Ableitungen des Exponentialansatz werden in die homogene DGL eingesetzt
Diese charakteristische Gleichung ist für beliebige y erfüllt, wenn das charakteristische Polynom verschwindet.
Die Ermittlung der Eigenwerte (Nullstellen) erfolgt mit der bekannten Lösung der gemischt quadratischen Gleichung:
Anfangswertproblem der Integrationskonstanten CnEine homogene DGL n-ter Ordnung hat mindestens einen Anfangswert bis n Anfangswerte. Für die homogene DGL zweiter Ordnung mit 2 vorzugebenden Anfangswerten y0 > 0 und y'0 > 0 können die Integrationskonstanten C1 und C2 errechnet werden, wenn die Wurzeln der homogen DGL bekannt sind.
Die Integrationskonstanten C1 und C2 errechnen sich durch Vorgabe von Anfangswerten y0 und y'0, die anstelle von yH(t) der Lösungsgleichung der homogenen DGL 2. Ordnung eingesetzt werden. Damit ergeben sich 2 Gleichungen für die 2 Anfangswerte. Für yH = y0 wird die 1. Gleichung für t = 0 bestimmt. Für die 2. Gleichung mit yH = y'0 wird erst die Ableitung der Gleichung und dann die Gleichung für t = 0 errechnet.
Beispiel für eine homogene DGL mit 2 reellen Wurzeln λ1 = -0,5 und λ2 = -1 und Anfangswerten der Energiespeicher y'0(t) = 1; y0(t) = 1:
Lösung der homogenen DGL 2. Ordnung:
Berechnung der Integrationskonstanten:
Aus den beiden Gleichungen von y0(t=0) und y'0(t=0) lassen sich die Integrationskonstanten C1 und C2 bestimmen.
Anmerkung: Die Ableitung d / dt von
Tabelle: Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Wurzel bedingt durch die Größe des Radikanden ergeben sich 3 unterschiedliche Fälle der Eigenwerte λ der DGL wie:-
Lösung der homogenen linearen Differenzialgleichung
2. Ordnung mit konstanten KoeffizientenWurzeln (Nullstellen) Anfangswertproblem
Bestimmung C1, C2Der Radikand > 0 hat 2 reelle Wurzeln
Der Radikand = 0 hat 2 gleiche Wurzeln
Der Radikand < 0 führt zu konjugiert komplexen Wurzeln
Berechnungsbeispiel der Lösung einer homogenen DGL 2. Ordnung mit reellen NullstellenÜbertragungsfunktion:
Zugehörige systembeschreibende DGL:
- Vorgegeben: Anfangswerte der Energiespeicher (Integratoren): y'0(t) = 1; y0(t) = 1;
- Vorgegeben: Eingangsgröße u(t) ist eine normierte Sprungfunktion 1 für t > 0.
- Für die homogene Lösung wird u(t) = 0 gesetzt.
- Errechnet: Es ergeben sich 2 reelle Wurzeln:
- Errechnet: Die Integrationskonstanten errechnen sich laut Tabelle mit C1 = -1; C2 = 2
- Analytische homogene Lösung laut Tabelle für 2 reelle Wurzeln:
- Mit den eingesetzten Zahlenwerten lautet die analytische Lösung der homogenen DGL wie folgt:
Berechnungsbeispiel der partikulären Lösung einer DGL 2. Ordnung mit der Laplace-Transformationstabelle
- Siehe Details in Hauptkapitel #Übertragungsfunktion!
- Vorgegeben: partikuläre Lösung für die gegebene Übertragungsfunktion G(s) und Sprungfunktion 1 / s lautet in der Laplace-Transformationstabelle:
- Errechnet: Die gefundene analytische Gleichung f(t) der partikulären Lösung laut Transformationstabelle lautet:
Partikuläre Lösung der DGL 2. Ordnung[5]
Die partikuläre Lösung beschreibt das Übertragungsverhalten des Systems als Funktion des Eingangssignals u(t) und ist meist von hauptsächlichem Interesse. Die Anfangsbedingungen y(0) und y'(0) haben dabei den Wert 0.
Die bereits durchgeführte partikuläre Lösung der DGL 1. Ordnung erfolgte über das Faltungsintegral. Die Berechnung des Faltungsintegrals ist jedoch aufwendig für Systeme höherer Ordnung. Die Zeitfunktionen g(t) und u(t) können sehr kompliziert werden und damit ist das Faltungsintegral schwierig zu lösen.
Deshalb gestaltet sich der partikuläre Lösungsweg der DGL über die Laplace-Transformation mit anschließender Rücktransformation einfacher.
Lösung der gegebenen DGL 2. Ordnung:
Die Gleichung wird so umgeformt, dass der Koeffizient der höchsten Ableitung a2 = 1 wird, indem die restlichen Terme der Gleichung durch a2 dividiert wird und die Bezeichnung der übrigen Koeffizienten beibehalten wird.
Die Übertragungsfunktion eines Systems entsteht z.B. durch Austausch der zeitabhängigen Terme einer DGL mit den Laplace-Transformierten. Voraussetzung ist, dass die Anfangsbedingung des Systems Null ist. Je nach Grad der Ableitungen einer Funktion y(t) entstehen nach der Transformation folgende Laplace-Transformierte y(s):
Mit den transformierten Termen kann die Übertragungsfunktion des dynamischen Systems G(s) aufgestellt werden:
Polynome einer Übertragungsfunktion werden durch Nullstellenbestimmungen in Linearfaktoren (Grundpolynome: Monom, Binom und Trinom) zerlegt. Liegen Zahlenwerte der Koeffizienten einer Übertragungsfunktion 2. Ordnung vor, können die Pole (= Nullstellen im Nenner der Übertragungsfunktion) durch die bekannte Formel zur Lösung einer gemischt-quadratischen Gleichung ermittelt werden.
Durch die verschiedenen Arten der Lösungen der Pole bedingt durch die Größe des Radikanden der Wurzel ergeben sich 3 unterschiedliche Fälle der Eigenwerte si der Übertragungsfunktion. Nachfolgend ist eine Korrespondenztabelle des s-Bereichs mit y(s) = u(s) * G(s) und des Zeitbereichs für y(t) für einen transformierten Eingangssprung u(t) = 1 → u(s) = 1 / s
Folgende Grundpolynome (Binome und Trinome bei konjugiert komplexen Polen) entstehen in Abhängigkeit der Nullstellen. Die Lösungen der Übertragungsfunktionen als Sprungantwort im Zeitbereich sind einer Laplace-Transformationstabelle entnommen worden:
Die Laplace-Transformationstabellen können in 2 Formen der Produkt-Darstellung aufgeführt sein, wobei unterschiedliche Faktoren a0 und K berücksichtig werden müssen. Die Umrechnung der Pole- Nullstellen in Zeitkonstanten ist einfach:
- Pole- Nullstellen-Darstellung (Stabiles System):
- Zeitkonstanten-Darstellung (Stabiles System):
-
f(s)
Übertragungsfunktion 2. Ordnung
Eingangssprung u(t) = 1 = Multiplikation mit 1/sf(t)
Partikuläre Lösung
Sprungantwort im ZeitbereichBestimmung der Pole s1 und s2
aus der Polynom-DarstellungDer Radikand > 0 hat 2 reelle Wurzeln
Der Radikand = 0 hat 2 gleiche Wurzeln
Der Radikand < 0 hat konjugiert komplexe Wurzeln
ω0 = Kreisfrequenz (ungedämpft) = 1 / T
Dämpfung D
Wird für den Fall der 2 reellen Wurzeln in die Gleichung für f(t) T1 = T2 eingesetzt, entsteht eine Division durch 0 (1 / (T1-T1), was nicht zulässig ist. Als "verschiedene" Nullstellen gelten bereits Nullstellen, wenn sie sich in einer theoretisch unendlichen Dezimalstelle eines Wertes unterscheiden.
Die Gesamtlösung einer DGL ergibt sich aus der Überlagerung der Systemantworten auf die Anfangsbedingungen und auf das Eingangssignal:
Homogene Lösung einer DGL höherer Ordnung
Bei DGL-en höherer Ordnung wird muss ebenfalls unterschieden werden, ob es sich um gleiche oder verschiedene Nullstellen handelt.
-
Für die homogene Lösung der DGL höherer Ordnung mit n verschiedenen Nullstellen: Für die homogene Lösung der DGL höherer Ordnung mit n gleichen Nullstellen:
Übertragungsfunktion
Die Übertragungsfunktion ist eine mathematische Beschreibung für das Verhalten eines linearen, zeitinvarianten Systems im Frequenzbereich (s-Bereich) mit der komplexen Variable s. Sie ist in der Regelungstechnik die häufigste Darstellungsform für die Beschreibung des Eingangs- und Ausgangsverhaltens von Übertragungssystemen.
Die Übertragungsfunktion G(s) stellt eine abstrakte, nicht messbare Beschreibungsform zur mathematischen Behandlung linearer Systeme dar. Setzt man in s = σ + jω den Realteil σ zu Null, so geht die komplexe Übertragungsfunktion G(s) in den komplexen Frequenzgang
G(jω) = Re(ω) + j Im(ω) über, der physikalisch interpretiert und gemessen werden kann.Sämtliche Systemeigenschaften wie die Kriterien der Stabilität, Pole, Nullstellen, Verstärkung und Zeitkonstanten können aus der Übertragungsfunktion abgeleitet werden. Durch die Rücktransformation mittels der Laplace-Transformation kann das zeitliche Verhalten eines Übertragungssystems als Funktion des Eingangssignals berechnet werden.
Der Frequenzgang ist ein Spezialfall der Übertragungsfunktion. Er beschreibt das Ausgangs- Eingangs- Signalverhalten eines Übertragungssystems für ausschließlich periodische sinusförmige Eingangssignale.
Grundlagen der Übertragungsfunktion
Wenn die physikalischen Größen des Übertragungssystems bekannt sind, kann für das System die Differentialgleichung aufgestellt werden. Man erhält die Übertragungsfunktion durch die Laplace-Transformation der Differenzialgleichung, die das System beschreibt. Die Übertragungsfunktion ist definiert als das Verhältnis der Laplace-transformierten Ausgangsgröße zur Laplace-transformierten Eingangsgröße.
Durch die Eigenschaft des Laplace-Operators s, der als Faktor mit einem Exponenten stellvertretend für den Grad der Ableitung einer Zeitfunktion steht, bzw. als Quotient mit einem Exponenten für den Grad der Integration einer Zeitfunktion steht, lassen sich Übertragungssysteme im s-Bereich algebraisch berechnen.
Vernetzte Übertragungsglieder z.B. in Serien-, Parallel- und Kreisschaltung lassen sich einfach algebraisch zusammenfassen zu einer übergeordneten Übertragungsfunktion.
In der Mess-, Steuer- und Regelungstechnik bedeutet die Anwendung der Übertragungsfunktion wegen der algebraischen Behandlung eine große Vereinfachung des mathematischen Aufwandes, Übertragungssysteme zu berechnen.
Es gibt drei Darstellungsformen der Übertragungsfunktion, die wegen unterschiedlicher Verstärkungsfaktoren beachtet werden müssen:
- Übertragungsfunktion in der Polynom-Darstellung
- Sie entsteht durch die Laplace-Transformation der systembeschreibenden Differenzialgleichung oder durch die Produktbildung einer Reihenschaltung von Einzel-Übertragungssystemen
- Übertragungsfunktion in der Pole-Nullstellen-Darstellung
- Die Polynome im Nenner und Zähler werden durch die Nullstellenberechnung in Produkte zerlegt.
- Übertragungsfunktion in der Zeitkonstanten-Darstellung, wobei sich die Zeitkonstanten aus den Polen und Nullstellen berechnen.
- Diese Darstellungsart wir häufig bei Systemen ohne konjugiert komplexe Pole vorgenommen. Der Vorteil der Zeitkonstanten-Darstellung liegt darin, dass die proportionale Systemverstärkung K unabhängig von den anderen Systemparametern ist.
Ist die Differenzialgleichung nicht bekannt, kann die Übertragungsfunktion eines Systems durch empirische Identifizierungsmethoden (Systemidentifikation) meist mit aperiodischen Testsignalen wie z.B. mit der Sprungantwort ermittelt werden.
Eine andere Methode ist die Ermittlung des Frequenzgangs durch Anregung des Systems mit einer variablen Frequenz und Aufzeichnung der Amplitude und Phase am Ausgang des Systems. Der Frequenzgang F(jω) kann einfach in die Übertragungsfunktion G(s) überführt werden.
Bezeichnet man im Zeitbereich die Signaleingangsgröße u(t) und die Ausgangsgröße y(t) dann lautet das Verhalten eines Übertragungssystems G im s-Bereich:
Laplace-Transformation einer linearen gewöhnlichen DGL
Die Übertragungsfunktion entsteht durch die Laplace-Transformation (Integraltransformation) aller zeitabhängigen Terme der System-Differenzialgleichung und beschreibt das Übertragungsverhalten im sogenannten Bild- oder Frequenzbereich (s-Bereich) mit der der komplexen Variablen s für den Realteil und Imaginärteil: .
Die Übertragungsfunktion eines Systems entsteht z.B. durch Austausch der zeitabhängigen Terme einer Differentialgleichung mit den Laplace-Transformierten. Voraussetzung ist, dass die Anfangsbedingung des Systems Null ist. Je nach Grad der Ableitungen einer Funktion x(t) entstehen nach der Transformation folgende Laplace-Transformierte:
Der Grad der Ableitung im Zeitbereich und die zugehörige Transformierte im Bildbereich kann in dieser Weise beliebig fortgesetzt werden. Der Laplace-Operator s entspricht also der 1. Ableitung einer Funktion f(t), s² entspricht der 2. Ableitung einer Funktion f(t) und so weiter.
Für das Integral gilt die Laplace-Transformierte:
Das dynamische Verhalten von linearen Übertragungssystemen (LZI-Systeme) wird durch gewöhnliche Differenzialgleichungen beschrieben. Der Wert der Ordnung n gibt die höchste Ableitung der Ausgangsgröße y(t) und damit allgemein die Anzahl der Energiespeicher des Übertragungssystems wieder.
Die Differenzialgleichung n-ter Ordnung lautet für ein System mit y(t) als Ausgangssignal und u(t) als Eingangssignal wie folgt:
Falls die Koeffizienten ai und bk alle konstant sind, ist die Laplace-Transformation ausführbar. Allgemein gilt für die Signale u(t) und y(t) mit den zu Null gesetzten Anfangsbedingungen:
- für alle
lautet die Laplace-Transformierte:
Die Übertragungsfunktion als eine rational gebrochene Funktion in Polynom-Darstellung lautet:- .
Für die regelungstechnische Anwendung wird der Zustand der Energiespeicher zum Zeitpunkt t = 0 als energiefrei angesehen. Damit werden die Anfangswerte des Systems zu Null.
Produkt-Darstellung der Übertragungsfunktion durch Pole- Nullstellen-Bestimmung
Ob die Polynome einer Übertragungsfunktion durch die Laplace-Transformation der Differentialgleichung entstanden ist, oder durch die algebraische Behandlung von Übertragungsfunktionen, erst durch die Bestimmung von Polen und Nullstellen lassen sich die Polynome einer Übertragungsfunktion in nicht mehr aufspaltbare Grundpolynome 1. Ordnung (Linearfaktor) und 2. Ordnung (mit konjugiert komplexen Nullstellen als quadratischer Linearfaktor) überführen.
Unter der Nullstelle einer Funktion versteht man den Wert, der die Funktion zu Null macht. Die Nullstellen des Nennerpolynoms bezeichnet man mit Polen. Man unterscheidet reale Nullstellen und konjugiert komplexe Nullstellen.
Liegen Zahlenwerte der Zähler- und Nennerpolynome der Übertragungsfunktion vor, müssen erst die Nullstellen bzw. die Pole je nach Grad der Polynome gegebenenfalls mit aufwendigen Rechenverfahren ermittelt werden, um die Polynome in faktorielle Grundglieder zu zerlegen.
Vorgehensweise:
- Das Zählerpolynom wird umgeformt, indem es durch den Koeffizienten bm der höchsten Potenz von s dividiert wird, d.h. die höchste Potenz von s erhält damit den Faktor 1. In gleicher Weise wird das Nennerpolynom durch den Koeffizienten an dividiert, indem die höchste Potenz von s ebenfalls den Faktor 1 bekommt. Die Werte der Nullstellen eines Polynoms sind unabhängig davon, mit welchem Faktor das Polynom behandelt wurde.
- Polynome 2. Ordnung lassen sich mit der bekannten gemischt-quadratischen Gleichung lösen. Für Polynome höherer Ordnung werden die Nullstellen über Rechenprogramme bestimmt. Derartige Rechenprogramme findet man auch im Internet unter dem Suchbegriff „Nullstellen (Lösungen) von Polynomen“ für Polynome 2. bis. 4. Ordnung.
Übertragungsfunktion in Pole-Nullstellen-Darstellung
Diese Darstellung enthält keine konjugiert komplexen Nullstellen bzw. Pole! Differenzierende Teilsysteme ohne verzögernde Teilsysteme sind technisch nicht realisierbar!
Produkt-Darstellung der Übertragungsfunktion mit Zeitkonstanten
Die häufigere Darstellungsform der Übertragungsfunktion bezieht sich auf die Benennung der Zeitkonstanten, die sich aus den Polen und Nullstellen berechnen, indem jedes Produkt (Teilsystem, Linearfaktor) durch die Pole beziehungsweise durch die Nullstellen dividiert wird.
Beispiel: Die Nullstellen z1 und Pole p1 werden durch die Zeitkonstanten ersetzt.
Diese Darstellung der Übertragungsfunktion mit den Begriffen der Zeitkonstanten und deren Indizierungen (T, Tn, Tv) ist eine übliche Darstellungsform. Das Produkt der Koeffizienten des Zähler- und Nenner-Polynoms wird jeweils zu 1.
Ergeben sich bei einem Polynom 2. Ordnung für die Nullstellenbestimmung neben einem Realteil zusätzlich ein positiver und negativer Imaginärteil, so kann dieses Polynom nicht weiter zerlegt werden.
Der eigentliche Vorteil der Produkt-Darstellung von Übertragungsfunktionen mittels Nullstellenbestimmung liegt darin, dass praktisch alle vorkommenden regulären (stabilen) und nichtregulären (instabilen) Übertragungsfunktionen bzw. Frequenzgänge von Übertragungsgliedern G auf folgende drei Grundformen 1. und 2. Ordnung geschrieben bzw. zurückgeführt werden können. Stehen die Grundglieder im Zähler, haben sie eine differenzierende Wirkung, stehen sie im Nenner, haben sie eine verzögernde (speichernde) Wirkung:
-
Typ Übertragungsfunktion Bedeutung im Zähler Bedeutung im Nenner Differenzierer, D-Glied Integrator, I-Glied PD-Glied Verzögerung, PT1-Glied PD2-Glied: für 0 < D < 1
mit konjugiert komplexen NullstellenSchwingungsglied PT2-Glied:
für 0 < D < 1
mit konjugiert komplexen PolenNichtphasenminimales (nichtreguläres) System
PD-Glied mit positiver Nullstelle
(hat keine technische Bedeutung)Instabile Verzögerung PT1-Glied
mit einer positiven PolstelleNichtphasenminimales (nichtreguläres) System
PD-Glied 2. Ordnung
mit einer negativen und positiven Nullstelle
(hat keine technische Bedeutung)Instabiles Schwingungsglied PT2-Glied
mit einer negativen und positiven Polstelle
Dabei ist T die Zeitkonstante, s die komplexe Frequenz bzw. der Laplace-Operator, D der Dämpfungsgrad. Die Zeitkonstanten im Frequenzbereich entsprechen einer dimensionslosen Zahl.
Prinzipielle Anwendung der Übertragungsfunktion für den Reglerentwurf :
Die Übertragungsfunktion des geschlossenen Regelkreises ergibt sich durch algebraische Berechnung der Regelkreiskomponenten für die Kreis-Schließbedingung. Die sich so ergebenden Polynome der Übertragungsfunktion werden durch Bestimmung der Pole und Nullstellen in die Produktdarstellung überführt. Die Lage der Pole im s-Diagramm bestimmt die Stabilität des Regelkreises.
Rücktransformation in den Zeitbereich
Die Korrespondenztabellen der Laplace-Transformation stellen umfangreiche Kombinationen von Übertragungsfunktionen des s-Bereichs mit den zugehörigen Gleichungen des Zeitbereichs f(t) dar. Diese Korrespondenztabellen können im Fachbuchhandel erworben werden, stehen aber im eingeschränkten Umfang in fast jedem Fachbuch der Mathematik oder der Regelungstechnik zur Verfügung.
Die direkte Übernahme einer Gleichung im Zeitbereich ergibt die Impulsantwort des beschriebenen linearen Übertragungssystems wieder, weil es sich um das Produkt der Eingangsgröße U(s) mit der Übertragungsfunktion G(s) handelt. Die transformierte Impulsfunktion beträgt . Andere definierte typische Eingangssignale u(t) wie die Sprungfunktion, Anstiegsfunktion und Sinusfunktion müssen einer Transformation in den s-Bereich unterzogen werden, bevor das Produkt U(s) * G(s) gebildet werden kann.
- Verwendung der Laplace-Transformationstabelle
- Die Polynomdarstellung der Übertragungsfunktion G(s) wird durch die Nullstellenbestimmung in Grundglieder d.h. in die Produktdarstellung überführt. Für viele Standardfälle in Verbindung mit dem Laplace-transformierten Eingangssignal U(s) ergibt sich die Lösung für das Ausgangssignal des Produktes U(s) * G(s) als Gleichung im Zeitbereich.
- Vereinfachung des Polynoms der Übertragungsfunktion mittels Partialbruchzerlegung
- Dabei ergeben sich additive Komponenten der Übertragungsfunktion, deren Signalanteile einer Parallelschaltung von Einzelsystemen entsprechen. Die inverse Transformation der additiven Komponenten f(s) in f(t) sind einfach und haben einen hohen Bekanntheitsgrad.
Bei der Partialbruchzerlegung sind 3 Fälle zu unterscheiden:
- Die Pole sind reell und verschieden
- Die Pole sind reell und gleich
- Die Pole sind konjugiert komplex
Durchführung der Partialbruchzerlegung : [6]Beispiel Übertragungsfunktion ohne differenzielle Anteile (Nullstellen).
Partialbruchzerlegung von Übertragungsfunktionen mit reellen verschiedenen Polen:
Lösung im Zeitbereich:
Anwendungsbeispiel der Partialbruchzerlegung einer Übertragungsfunktion G(s) mit 2 PT1-Gliedern
Das Eingangssignal U(s) (= 1/s) ist ein normierter Eingangssprung f(t) = 1:-
Fall: Die Pole sind reell und verschieden!
Das Produkt U(s) * G(s) wird mittels der Partialbruchzerlegung von der Reihendarstellung
der Einzelkomponenten in eine Paralleldarstellung zerlegt:
Die Gleichung der Lösung der Residuen lautet allgemein:
Damit erhält man durch die inverse Transformation einfacher Komponenten des s-Bereichs
die Gleichung der Ausgangsgröße y(t) für den Zeitbereich:
Anmerkung: Die unbekannten Parameter A1 bis An lassen sich auch durch Koeffizientenvergleich ermitteln!
Direkte Anwendung der Laplace-Korrespondenztabelle ohne Partialbruchzerlegung: [7]-
Es ist darauf zu achten, dass manche Korrespondenztabellen im s-Bereich in der Pol-Nullstellen-
Darstellung oder Zeitkonstanten-Darstellung definiert sind. Verstärkungsfaktoren werden nicht
transformiert und sind im s-Bereich und Zeitbereich zu berücksichtigen.Die nachfolgende Gleichung für y(t) ergibt sich aus der Korrespondenztabelle:
Anmerkung: Für a ≠ b gelten auch für Zahlenwerte der Pole und Nullstellen, die sich z. B. nur in der 10. Dezimalstelle nach dem Komma unterscheiden, vorausgesetzt es wird genau gerechnet! Diese Anwendung der Korrespondenztabelle ist erheblich einfacher, als die Ermittlung der Residuen über die Partialbruchzerlegung!
Frequenzgang und Übertragungsfunktion
Die Übertragungsfunktion bestimmt das Eingangs-Ausgangssignal-Verhalten eines Übertragungssystems für beliebige Eingangssignale. Typische aperiodische Eingangssignale als Testsignale sind Sprungfunktion, Anstiegsfunktion und Impulsfunktion. Für diese und andere periodischen zeitabhängigen Signale existieren die zugehörigen Laplace-transformierten Funktionen im s-Bereich in Laplace-Transformations-Tabellen.
Der Frequenzgang eines Übertragungssystems beschreibt das Signalverhalten für eine Erregung des Systemeingangs mit einer sinusförmigen Frequenz.
Die Systemantwort eines zeitabhängigen linearen Systems ist frequenzabhängig phasenverschoben und die Ausgangsamplitude steht frequenzabhängig in einem bestimmten Verhältnis zur Eingangsamplitude.
Der Frequenzgang
ist eine frequenzabhängige komplexe Größe und beschreibt ein Übertragungssystem im eingeschwungenen Zustand. Er definiert das Verhältnis der Ausgangs- zur Eingangsamplitude und berücksichtigt den Phasenwinkel.
Der Frequenzgang ist ein Spezialfall der Übertragungsfunktion. Er kennzeichnet das Verhalten eines Systems mit erzwungener Dauerschwingung und der imaginären Frequenz p = s = j ω. Der Realteil der komplexen Frequenz Ϭ ist gleich Null gesetzt.
Beide mathematischen Begriffe der Übertragungsfunktion und des Frequenzgangs unterscheiden sich nur durch die Entstehungsweise. Sie können je nach Aufgabenstellung als Übertragungsfunktion im s-Bereich s = Ϭ + jω oder als Frequenzgang mit p = jω geschrieben werden.
Der Frequenzgang kann aus der systembeschreibenden Differenzialgleichung, aus der Übertragungsfunktion oder über empirische Messungen eines Hardware-Systems bestimmt werden.
Die Ableitung des Frequenzgangs F(jω) aus der Übertragungsfunktion ist besonders einfach. Der Frequenzgang geht durch den Grenzübergang mit s --> jω aus der Übertragungsfunktion hervor. Es muss nur jω gegen s ausgetauscht werden.
Frequenzgang eines Übertragungssystems in Zeitkonstanten-Darstellung:
Grafische Darstellung des Frequenzgangs (Kurzdarstellung)
Ortskurve Der Wert des Frequenzgangs für (jω) ist eine komplexe Größe mit einem Real- und Imaginärteil.
Für die Ermittlung der Ortskurve wird der Frequenzgang in Realteil und Imaginärteil zerlegt und für verschiedene Frequenzen in der Gaußschen Zahlenebene eingetragen.
Bodediagramm Eine häufige Anwendung ist die grafische Beurteilung des Frequenzgangs durch Zerlegung in Betrag und Phase. Dabei werden die Frequenzganggleichungen in Produktform mit "Kompensationsgliedern" z.B. mit dem konjugiert komplexen Wert eines Produktes im Zähler und Nenner so erweitert, dass der Realteil und Imaginärteil getrennt dargestellt werden können.Es wird eine Wertetabelle aufgestellt, bei der für den Realteil und für den Imaginärteil der Frequenzganggleichung F(jω) mehrere Werte als Funktion der Kreisfrequenz ω berechnet werden.
Der mit Amplitudengang bezeichnete Betrag F(jω) lautet:
Der Phasengang ϕ(jω) lautet:Prinzipielle Anwendung des Frequenzgangs für den Reglerentwurf:
- Bodediagramm
- Betrag und Phasenwinkel des Frequenzgangs des offenen Kreises werden in 2 getrennten Diagrammen aufgetragen, als Amplitudengang und Phasengang. Ein geschlossener Regelkreis ist stabil, wenn die nacheilende Phasenverschiebung φ vom Ausgangs- zum Eingangssignal des offenen Kreises bei der Kreisverstärkung K = 1 und φ > −180° beträgt.
- Ortskurve
- Die Frequenzganggleichung des offenen Kreises wird nach Realteil und Imaginärteil aufgelöst und in ein Koordinatensystem eingetragen. In Richtung steigender Werte von ω darf der kritische Punkt (-1; j0) auf der linken (negativen) Seite der Achse der Realteile nicht umschlungen bzw. berührt werden, dann ist der geschlossene Regelkreis stabil.
Regelkreis (Kurzfassung)
Durch die Subtraktion der negativen Rückführung der Regelgröße y(t) von der Führungsgröße w(t) entsteht die Regeldifferenz e(t), die auf den Regler wirkt. Es ist Aufgabe des Reglers, das Zeitverhalten der Regelgröße bezüglich des statischen und dynamischen Verhaltens gemäß den vorgegebenen Anforderungen festzulegen. Zur Erfüllung widersprechender Anforderungen wie gutes Führungs- und Störverhalten sind gegebenenfalls aufwändigere Regelkreisstrukturen erforderlich.
In Bezug auf die gewünschte Stabilität des Regelkreises und weiteren Anforderungen der Dynamik der Regelgröße sind folgende Auslegungsstrategien des Reglers zu betrachten:
- Analyse eines gegebenen Regelkreises:
- Erfüllt die Regelgröße die Anforderungen nach Stabilität, Einschwingverhalten (Regelgüte), Störverhalten?
- Regelstrecke ist gegeben:
- Synthese der Reglereigenschaften, welche der Regler gemäß der Anforderungen erfüllen muss.
- Regelstrecke ist gegeben, erhöhte Dynamikforderungen der Regelgröße:
- Ist der höhere Aufwand eines Zustandsreglers mit Nutzung der inneren Systemgrößen (Zustandsvariablen) mit der Zustandsrückführung gegenüber einem konventionellen Regler mit Ausgangsrückführung vertretbar?
Spezialregler für gegebene bekannte und unbekannte Regelstrecken- Kombinierter Regler mit Vorsteuerung oder Vorfilter,
- Regler mit Störgrößenaufschaltung,
- Einzelne Systeme der Regelstrecke sind messbar:
- Kaskadenregler sind Hilfsgrößen-Regler für einen Folgeregelkreis. Sie erfüllen eine bessere Dynamik der Regelgröße und tragen zur Verbesserung des Störverhaltens bei.
- Regelstrecke mit Totzeit:
- Mathematisches Modell der totzeitbehafteten Regelstrecke durch Smith-Prädiktor mit "Totzeit Vorhersage".
- Regelstrecke unbekannt oder ändert sich:
- Adaptiver Regler erforderlich, der die Regelstrecke identifizieren und in bestimmten Grenzen optimal regeln kann.
Siehe Details im Artikel Regelkreis!
Stabilität (Kurzfassung)
Interne Stabilität Wenn die Übertragungsfunktion eines Übertragungssystems oder eines Regelkreises vorliegt:
Die Pole einer Übertragungsfunktion bestimmen die Stabilität und die Geschwindigkeit der Systembewegung. Die Nullstellen einer Übertragungsfunktion haben nur Einfluss auf die Amplituden des Systems.
Ein Übertragungssystem ist intern stabil, wenn alle (Teil-)Übertragungsfunktionen nur Pole in der linken s-Halbebene haben. Für die asymptotische Stabilität eines linearen Systems n-ter Ordnung ist es notwendig, dass sämtliche Koeffizienten der charakteristischen Gleichung von Null verschieden sind (d. h. alle Terme der Ableitungen müssen vorhanden sein) und ein positives Vorzeichen haben.
Stabilität eines linearen Übertragungssystems
- Lage aller Pole des Übertragungssystems in der linken s-Halbebene: System ist asymptotisch stabil,
- Lage eines Poles des Übertragungssystems in der rechten s-Halbebene: System ist instabil,
- Lage eines Poles des Übertragungssystems auf der imaginären Achse der s-Ebene: System ist grenzstabil,
- Lage mehrfacher Pole auf der imaginären Achse der s-Ebene: System ist instabil.
Externe Stabilität (BIBO-Stabilität) Wenn die Hardware eines Übertragungssystems bzw. eines Regelkreises oder eines genauen Modells mit dem Eingangs- und Ausgangssignal vorliegt:
Ein Übertragungssystem gilt als extern stabil, wenn jedes beliebige beschränkte Eingangssignal an dem System auch ein beschränktes Ausgangssignal hervorruft.
(Siehe BIBO-Stabilität)Siehe detaillierte Darstellung im Artikel Regelkreis unter Stabilität des Regelkreises!
Numerische Berechnung dynamischer Systeme
Relativ einfache Übertragungssystem-Strukturen mit nichtlinearen Elementen sind durch konventionelle Rechenmethoden im kontinuierlichen Zeitbereich nicht mehr geschlossen lösbar. Mit handelsüblichen Personal-Computern kann das Verhalten beliebig vermaschter Systemstrukturen mittels numerischer Berechnung relativ einfach ausgeführt werden.
Vorteile der Simulation von Systemen mit Differenzengleichungen
- Einfache mathematische Anforderungen durch algebraische Operationen,
- Behandlung kombinierter LZI-Systeme mit nichtlinearen Systemen,
- Darstellung eines Regelkreises als Blockschaltbild mit Eintrag der Differenzengleichung und logischen Operatoren,
- Behandlung von mehrschleifigen Systemen (MIMO-Systeme),
- Einfache Lösung einer gewöhnlichen Differenzialgleichung höherer Ordnung mit Anfangswerten. Da es sich um bestimmte Integrale handelt, müssen keine Integrationskonstanten wie bei der klassischen Lösung einer homogenen Differenzialgleichung ermittelt werden.
- Bei tabellarischer Darstellung der Berechnung der einzelnen Teilsysteme völlige Durchsicht des inneren System-Bewegungsablaufs z. B. eines Regelkreises. Bei Anwendung der Tabellenkalkulation unmittelbare grafische Darstellung der Systemausgangsgröße y(k) = f(k*∆t) mittels verfügbarer grafischer Werkzeuge.
Methoden der numerischen Berechnung
Das Verhalten linearer zeitinvarianter Übertragungssysteme wird in verschiedenen Darstellungsformen beschrieben. Die zur Unterscheidung notwendigen Indizierungen der Systeme G mit dem Eingangssignal U und dem Ausgangssignal Y lauten für ein Beispiel eines Verzögerungsgliedes 1. Ordnung (PT1-Glied):
- Im Zeitbereich:
- Im s-Bereich:
- Zeitdiskretisierte prinzipielle Darstellung der Integration:
- PT1-Glied mit vereinfachter Indizierung:
DifferenzenquotientMit der Zeitdiskretisierung wird der Übergang einer Differenzialgleichung in eine Differenzengleichung von einem zeitkontinuierlichen Systembeschreibung in eine Systembeschreibung mit kleinen Zeitintervallen Δt der diskreten Zeit geschaffen. Der Differentialquotient wird durch einen Differenzenquotient ersetzt.
Explizites EulerverfahrenDas einfachste numerische Verfahren der Berechnung des Ausgangssignals y(t) eines linearen Übertragungssystems als Funktion des Eingangssignals u(t) ist das sogenannte explizite Eulerverfahren (auch Euler-Vorwärtsverfahren, Streckenzugverfahren, Rechteckverfahren, Tangentenverfahren genannt), bei dem durch wiederholte Berechnungen für eine kleines Zeitintervall Δt eine Annäherung an die analytische Funktion des Systems durchgeführt wird.
Diese Annäherung bezieht sich auf die linke Seite des Streckenzuges der (Rechteckapproximation) und liegt unterhalb einer ansteigenden Originalfunktion. Deshalb wird diese Annäherung auch mit Untersumme bezeichnet.
Implizites EulerverfahrenAlternativ kann das Eulerverfahren (Euler-Rückwärts) auch an der rechten Seite des Streckenzuges am Ende des Integrationsintervalls definiert werden.
Diese Anwendung führt zu dem implizierten Euler-Verfahren, weil der nicht bekannte Wert y(k+1) auch in der rechten Seite der Gleichung steht. Nur in sehr einfachen Fällen kann diese Gleichung in eine explizite Gleichung überführt werden. Die Anwendung des Verfahrens führt zu einer Annäherung oberhalb der Originalfunktion und wird deshalb mit Obersumme bezeichnet.
Das implizite Euler-Verfahren gilt als das genauere, rechenintensivere aber auch als numerisch stabilere Verfahren.
Modifiziertes expliziertes Euler-RückwärtsverfahrenEin modifiziertes explizites Euler-Rückwärts-Verfahren als Integrationsalgorithmus bezieht sich auf die Zurücksetzung der Integrationsgrenzen des Streckenzuges k und k+1 um (-1). Die Annäherung an die Originalfunktion wirkt als Obersumme.
Damit lautet der Integrationsalgorithmus:
Die nachfolgenden Definitionen der Differenzengleichungen beziehen sich auf diese Form. Der Vorteil:
- leichteres Verständnis der numerischen Integration.
- Sie bezieht sich auf eine Folge der Addition einer zurückliegenden Berechnung und einem Anteil als Funktion von (Übertragungsglied; uk; Δt).
- Teilsysteme mit gleichen Polen und Nullstellen kompensieren sich.
- Zum Zeitpunkt t = 0 = k0 * Δt hat eine Funktion 1. Ordnung beispielsweise ein Verzögerungsglied einen Anfangswert, der differenzierbar ist. Damit kann in einer Reihenschaltung von Teilsystemen 1. Ordnung mit verzögerndem und differenzierendem Verhalten bei gleichen Polen und Nullstellen innerhalb der Berechnung jeder Folge k eine vollständige Systemkompensation stattfinden.
Differenzengleichungen beschreiben Linearfaktoren (Teilsysteme), die aus der Zerlegung von Polynomen einer gewöhnlichen Differenzialgleichung entstanden sind.
Die Übertragungsfunktion in Pol-Nullstellen-Darstellung lautet unter Berücksichtigung der Koeffizienten bm und an der höchsten Potenzen:
Handelt es sich bei den Nullstellen und Polen um stabile Systeme (negative Nullstellen), dann kann die Übertragungsfunktion in die Zeitkonstanten-Darstellung geschrieben werden:
Linearfaktoren von Polynomen einer Übertragungsfunktion mit einem typischen charakteristischen Übertragungsverhalten werden in der Systemtheorie und Regelungstechnik häufig mit "Glied" bezeichnet.
Linearfaktoren 1. Ordnung haben bei fehlendem Grundglied (Koeffizient a0 oder b0 = 0) 2 Formen (s-s0) und s. Umgerechnet in die Zeitkonstanten-Darstellung (T*s+1)-Glied und (T*s)-Glied können diese Teilsysteme im Zähler und Nenner der Übertragungsfunktion differenzierendes und integrierendes bzw. verzögerndes Verhalten zeigen.
Damit ergeben sich 4 elementare Übertragungsglieder, mit denen sich sämtliche phasenminimale lineare Übertragungssysteme oder verschachtelte Übertragungsfunktionen oder Regelsysteme mit Rückführungen nachbilden lassen.
-
I-Glied D-Glied PT1-Glied, PD1-Glied
Aus den zugehörigen Differenzialgleichungen dieser 4 Grundsysteme der Übertragungsglieder werden Differenzengleichungen gebildet, indem an Stelle des Differenzialquotienten mit dy / dt der Differenzenquotient ∆y / ∆t = (y(k) - y(k-1)) / ∆t näherungsweise eingeführt wird.
Differenzengleichungen der einfachsten Art beziehen sich auf das zu beschreibende dynamische System g(k) durch einen zu wählenden Approximationsalgorithmus (Annäherungsverfahren) für ein kleines Zeitintervall ∆t. Das Ergebnis der Ausgangsgröße eines Systems für eine gegebene Eingangsgröße wird rekursiv für die Folgen k = (0, 1, 2, 3, ... kMAX) im zeitlichen Abstand ∆t berechnet.
Das Modell eines beliebigen Übertragungssystems wird üblicherweise zum besseren Verständnis in Funktionsblöcken dargestellt. In Reihe geschaltete Teilsysteme in Blockstruktur wirken multiplikativ, parallelgeschaltete Teilsysteme additiv. Wird das Ausgangssignal eines Teilsystems in den Eingang des von links nach rechts angeordneten nächsten Teilsystems gegeben, handelt es sich um eine Kreisschaltung mit positiver (nichtphasenminimale) oder negativer (phasenminimale) Rückkopplung.
Quadratische konjugiert komplexe Linearfaktoren (im Nenner der Übertragungsfunktion = PT2KK-Glied, Schwingungsglied) können durch einen einfachen Regelkreis mit der Reihenschaltung eines I-Gliedes und eines PT1-Gliedes und der negativen Rückführung nachgebildet werden. Dazu sind 3 einfache Differenzengleichungen erforderlich.
Instabile nicht phasenminimale elementare Übertragungsfunktionen enthalten ein negatives Zeichen in der Übertragungsfunktion und in der zugehörigen Differenzengleichung.
Die Genauigkeit der numerischen Berechnung eines dynamischen Systems mit dem Euler-Verfahren steigt linear mit dem kleiner werdenden Zeitintervall ∆t. Der für die Lösung des Übertragungssystems betrachtete Zeitraum beträgt maximal kMAX * ∆t.
Der numerische Berechnungsalgorithmus nach dem Euler-Rückwärts-Verfahren ist in der nachfolgen Tabelle "Tabellarische Darstellung der Differenzengleichungen" dargestellt.
Die Ableitungen der 4 Differenzengleichungen von den zugehörigen Differenzialgleichungen können dem Artikel "Regelkreis" Angewandte numerische Berechnung dynamischer Übertragungssysteme entnommen werden.
Zusammenfassung der Berechnung mit Differenzengleichungen- Durch unterschiedliche Verfahren der Approximation (Annäherung) an eine zeitabhängige Funktion wie zum Beispiel für ein Verzögerungsglied 1. Ordnung existieren unterschiedliche Differenzengleichungen.
- Das einfachste Verfahren ist das Euler-Rechteck-Verfahren. Für die genannten 4 linearen Teilsysteme wurden aus den zugehörigen DGL Differenzengleichungen abgeleitet.
Siehe Artikel Regelkreis Differenzengleichungen!
- Berechnungsfolge
- Eine Berechnungsfolge bezieht sich auf das gesamte Übertragungssystem für das Zeitintervall ∆t.
- In einer Folge k = (0, 1, 2, 3, … kMAX) werden beliebig viele Einzelsysteme eines Gesamtsystems hintereinander für ein konstantes Zeitintervall ∆t mittels Differenzengleichungen berechnet.
- Reihendarstellung
- Jeder Signalausgang eines Teilsystems ist in der Reihendarstellung der Signaleingang des nächsten Teilsystems (multiplikative Funktion).
- Maximale Folge kMAX
- Der Endwert der Folge kMAX ergibt sich für den gewünschten Betrachtungszeitraum tMAX:
- kMAX = tMAX / ∆t.
- Testsignale
- Das Eingangstestsignal eines Übertragungssystems ist eine Funktion von ∆t und bezieht sich meistens auf die Testsignale: Impulsfunktion, Sprungfunktion und Anstiegsfunktion.
- Nichtlineare Systeme
- Nichtlineare statische Systeme in Verbindung mit linearen dynamischen Systemen benötigen analytische Gleichungen oder Wertetabellen.
- Tabellarische Anordnung der Differenzengleichungen
- Für die Anwendung der Differenzengleichungen empfiehlt sich eine tabellarische Anordnung der Gleichungen, indem entsprechend einem Blockdiagramm der Signalflüsse beginnend von einer Spalte k * ∆t von links nach rechts die multiplikativen Zusammenhänge der Teilsysteme in den Zellen einer Zeile stehen.
- Damit steht in der ersten Spalte der absolute Zeitmaßstab k * ∆t, in der 2. Spalte die Eingangsgröße (das zeitdiskrete Testsignal) und für alle weiteren Zellen der Spalten der gleichen Zeile die Differenzengleichungen, für die jeweils jede Berechnungsfolge mit k * ∆t durchgeführt wird.
- Es können auch unstetige sprungartige Eingangssignale als Wertetabelle in die 2. Spalte eingetragen werden.
- PT2-Glieder mit konjugiert komplexen Polen können durch einen unterlagerten Regelkreis mit einem PT1-Glied und einem I-Glied nachgebildet werden.
- PD2-Glieder mit konjugiert komplexen Nullstellen
- Sie entstehen durch Produktbildung zweier PD1-Glieder und Subtraktion mit einem D-Glied.
- Anwendung: Als Vorfilter an einem Regelkreis zur Reduzierung von Schwinganteilen der Ausgangsgröße y(k).
- Die Differenzengleichung eines nichtregulären (instabilen) PT1-Gliedes GPT1(s) = 1 / (T*s-1) entsteht durch Vorzeichenumkehr der betreffenden Differenzengleichung.
- Nichtlineares Verhalten einer Signalbegrenzung
- Die Signalbegrenzung kann mit einem logischen Operator als WENN-DANN-SONST-Anweisung realisiert werden. Z.B. mit Zelleneintrag einer Spalte: Wenn u(k) > Bezugswert, dann u(k) = Bezugswert (positive Begrenzung)
- Nichtlineares Verhalten einer Geräte-Kennlinie erfordert eine Wertetabelle als Tabellenspalte, die der Folge k zugeordnet werden muss. Dies gilt für den Fall, dass eine analytische Gleichung das nichtlinearem Systemverhalten nicht beschreiben kann.
- Totzeitsysteme
- Totzeitsysteme lassen sich mit einer Programmschleife beschreiben.
- Bei Anwendung der Tabellenkalkulation gilt die Rechenanweisung:
- INDEX(F20; F200; 180 - Tt / Δt) und bedeutet: Diese Gleichung steht in der obersten Spalte G200 für k = 0 und k * Δt = 0 und bezieht sich auf die Spalte F20 bis F200. Es dürfen keine Zeichen innerhalb der Zellen 20 bis 200 dieses Spaltenbereichs stehen.
- Numerische Stabilität
- Zur Vermeidung der numerischen Instabilität gelten 2 Bedingungen:
- 1. Δt muss kleiner sein, als die kleinste System-Zeitkonstante innerhalb einer Berechnungsfolge.
- 2. Bei sehr großer Kreisverstärkung K einer Regelkreisnachbildung:
Δt < Dominante Zeitkonstante T / K. Die Kreisverstärkung K ist das Produkt aller Einzelverstärkungen.
- Eingangssignale / Testsignale:
- Die Eingangssignale u(k) einer Systemblockstruktur müssen einen Bezug zu Δt haben.
- Normierte Sprungfunktion: u(k) = 1
- Normierter δ-Impuls: u(k=0) = 1 / Δt ; u(k > 0) = 0
- Anstiegsfunktion: u(k) = u(k-1) + c * Δt ; c = Δu / Δt
Andere numerische VerfahrenAndere numerische Methoden bedienen sich zur besseren Approximation an Stelle der Einschritt-Rechteck-Verfahren dem Trapezflächenverfahren (Heun-Verfahren), Mehrschrittverfahren (Runge-Kutta-Verfahren) und anderer Verfahren.
Grund der aufwändigeren Approximationsverfahren ist die erzielbare höhere Genauigkeit und damit Reduzierung der Rekursionsfolgen, was bei langsamen Rechnern bei Echtzeitberechnungen erforderlich sein kann.
Kommerzielle Programme:
Kommerzielle Programme zur numerischen Berechnungen wie MatLab unterscheiden sich von selbst entwickelten numerischen Berechnungen in drei wesentlichen Punkten:
- Es kann eine gewünschte Berechnungsgenauigkeit durch ausgewählte Verfahren bestimmt werden,
- Die gewählten Verfahren sind adaptiv, d.h. es muss keine diskrete Zeit und maximale Folge vorgegeben werden. Die Größe des Zeitintervalls ist auch nicht über alle Folgen konstant,
- Die gewählten Verfahren kontrollieren die Stabilität der Lösung.
Tabellarische Darstellung der Differenzengleichungen
In der folgenden Tabelle sind die Differenzengleichungen der 4 elementaren Übertragungssysteme und einige nichtlineare Funktionen und Signale als f(∆t) dargestellt.
Die numerischen Berechnungen mit den Differenzengleichungen können mit jeder Programmiersprache durchgeführt werden. Es empfiehlt sich aber der Einfachheit halber die Anwendung der Tabellenkalkulation, mit der auch die grafische Darstellung des Systemverhaltens für ein beliebiges Testsignal hergestellt werden kann. Programmierfehler anderer Programmiersprachen werden vermieden.
Tabelle der Differenzengleichungen und logischen Operationen für die Simulation von Übertragungssystemen:-
Typ Übertragungsfunktionen
Definition der Testsignale und OperatorenDifferenzengleichungen,
Operatoren als Funktion von k*ΔtHinweise 1 P-Glied:
Die Einzelfaktoren K1, K2 ... der Übertragungsglieder werden sinnvollerweise zu einem Faktor K multipliziert. 2 I-Glied:
k = Nummer der Folge
Δt = konstante diskretisierte Zeit
k * Δt = t = aktuelle Zeity(k) = aktueller Ausgangswert
u(k) = aktueller Eingangswert
y(k-1) = Ausgangswert einer zurückliegenden Folge
k = 0: Rechenfolge aller Anfangswerte
Normale Anfangswerte sind meist Null3 PT1-Glied:
4 Instabiles PT1-Glied:
Pole-Nullstellenkompensation bei instabilen PT1-Gliedern ist nicht erlaubt! 5 D-Glied:
6 PD-Glied (Regler):
7 Totzeitglied:
(Totzeit (Regelungstechnik)
Schleife im Rechenprogramm oder:
Anwendung Tabellenkalkulation:
INDEX(F20; F200; 180 - Tt / Δt)
Maximale Totzeit:
T_{t max} = (200 - 20) * Δt [Dimension: s oder min]
Für K_{Tt} ist eine eigene Spalte erforderlichTabellenkalkulation:
F20;F200 bedeutet Bezug der Spalte F für Zellen F20 bis F200.Sämtliche Gleichungen für INDEX stehen z. B. in der Spalte G ab G200 bis z. B. G1200. In F200 bis F1200 stehen die Eingangswerte bzw. Gleichungen.
Spalte F20 bis F200 darf keine Zeichen enthalten, sonst fehlerhafte Zuweisung.8 Regelabweichung:
Sollwert - Istwert 9 Symmetrische Signalbegrenzung: Anwendung Tabellenkalkulation:
WENN(X > A; A; WENN(X < -A; -A; X))X = Zahlenwert einer Zelle
A = Parameter der Begrenzung10 Nichtlineare Kennlinie:
als Funktion der Eingangsgröße, Kontinuierliche Funktion:
Nichtkontinuierliche Funktion:
z. B. Sprung und Rücksprung als Funktion der Zeit (k*Δt)Anwendung der Tabellenkalkulation:
Zelleneintrag einer Gleichung y(k) = f(k; u(k))
Zelleneintrag einer Tabelle:
Allen Zellen einer Spalte muss ein Wert zugewiesen werden: y(k) = f(k*Δt)Für alle Gleichungen gilt:
Gleichungen werden pro Zelle z. B. in Zeile 201 einmal geschrieben und beliebig oft entsprechend der gewünschten Signalauflösung z. B. 1000 mal in der Spalte kopiert.11 Testsignale: Impulsfunktion
U(s) = 1Amplitude:
Amplitude:Normierter Impuls! 12 Testsignal Sprungfunktion:
U(s) = 1 / sSprungfunktion: Normierter Sprung! 13 Testsignal Anstiegsfunktion:
U(s) = 1 / s²Anstieg: Anstiegskonstante c = Δ u / Δ t
Nachbildung des PT2KK-Schwingungsgliedes im s-Bereich:Die einfachste Form der Nachbildung geschieht durch einen Hilfsregelkreis, der durch die offene Regelstrecke G0(s) als Reihenschaltung mit einem I-Gliedes mit einem PT1-Glied realisiert wird. Damit lassen sich die Differenzengleichungen für Linearfaktoren 1. Ordnung verwenden.
Wird der Ausgang Y(s) von G0(s) in Blocksymbol-Darstellung negativ auf den Systemeingang W(s) zurückgeführt, entsteht der Hilfsregelkreis G(s).
Die Übertragungsfunktion des Hilfsregelkreises G(s) = G0 / (1+G0) lautet in der allgemeinen Form für ein PT2KK-Schwingungsglied:
Für eine gegebene Übertragungsfunktion eines Schwingungsgliedes mit den Zahlenwerten a und b müssen die Parameter der Verstärkung K und der Zeitkonstante T1 des offenen Regelkreises G0(s) aus dem geschlossenen Hilfsregelkreis GPT1KK(s) errechnet werden.
Durch Koeffizientenvergleich aus a = T1 / K und b = 1 / K lassen sich die gewünschten Parameter K und T1 bestimmen:
Mit diesen Parametern kann die numerische Berechnung mit den nachstehend aufgeführten Differenzengleichungen durchgeführt werden.
Die Dämpfung D des Schwingungsgliedes berechnet sich aus der Übertragungsfunktion mit und :
Numerische Nachbildung des Hilfsregelkreises für ein Schwingungsglied im zeitdiskreten Bereich f(k*Δt):
Der offene Hilfsregelkreis G0(s) besteht aus der Reihenschaltung eines I-Gliedes und einem PT1-Glied. Wird die Regelabweichung w(k)-y(k-1) in die Reihenschaltung G0(Δt) geleitet, ist der Hilfsregelkreis geschlossen. Es müssen folgende 3 Differenzengleichungen berechnet werden. w(k) ist ein Testsignal oder das Ausgangssignal y(k) eines in der Reihenfolge links liegenden Übertragungsgliedes vor dem Hilfsregelkreis.
-
Systembezeichnung Differenzengleichung Schwingungsglied
Regelabweichung e(k):
I-Glied u(k) PT1-Glied y(k)
Anwendung numerischer Berechnungen
Die numerische Berechnung eines aus beliebigen Reihen- oder parallelgeschalteten Teilsystemen bestehenden Gesamtsystems unterscheidet sich erheblich von der numerischen Berechnung einer linearen gewöhnlichen DGL.
Folgende zwei numerische Anwendungsbereiche mit Differenzengleichungen werden dargestellt:
Gesamtsystem als gewöhnliche DGL:
- Das Modell eines linearen Systems mit n Systemspeichern, dass durch eine gewöhnliche DGL mit konstanten Koeffizienten beschrieben ist, kann durch n-fache numerische Integration berechnet werden.
- Von der höchsten Ableitung der Ausgangsgröße y(t) werden über Integratoren erzeugte n Zustandsvariablen x(t) subtrahiert. Die numerische Berechnung bezieht sich fortlaufend auf ein kleines Zeitintervall.
- Dieses numerische Verfahren ist erheblich einfacher als die Lösung einer DGL mit konventionellen Methoden, weil es sich um die Lösung einfacher algebraischer Gleichungen handelt.
- Die numerische Berechnung der DGL erlaubt die homogene Lösung mit Vorgabe der Anfangswerte mit u(k) = 0 , die partikuläre Lösung ohne Anfangswerte mit u(k) ≠ 0 und die Gesamtlösung mit Anfangswerten und u(k) ≠ 0.
- Es sind keine Integrationskonstanten zu berechnen.
Gesamtsystem durch Berechnung der Teilsysteme:
- Das Modell eines dynamischen Übertragungssystems kann aus gemischten linearen und nichtlinearen Teilsystemen bestehen.
- Die numerische Berechnung des Ausgangssignals erfolgt für ein festes Zeitintervall hintereinander nach örtlicher Anordnung der Teilsysteme durch Differenzengleichungen, statische Gleichungen und / oder Eingabe von Wertetabellen.
- Die numerische Berechnung von hintereinander geschalteten Teilsystemen eines Gesamtsystems mit Differenzengleichungen erlaubt keine Berechnung der homogenen Lösung mit Anfangswerten. Ausnahme ist ein einzelnes Teilsystem, z.B. ein PT1-Glied.
Numerische Lösung einer systembeschreibenden Differenzialgleichung
Die partikuläre Lösung (Eingangs- Ausgangsverhalten) einer gewöhnlichen DGL mit konstanten Koeffizienten ist abhängig von der Zahl n der Ableitungen der Ausgangsgröße y(t), der Ableitungen der Eingangsgröße u(t), der Größe der Koeffizienten und der Funktion des Eingangssignals u(t).
Die DGL eines Übertragungssystems in der allgemeinen Form ohne Ableitungen der Eingangsgröße lautet:
Beispiel DGL 2. Ordnung:Systembeschreibende DGL:
Für die numerische Lösung einer gewöhnlichen DGL wird die explizite Form nach der höchsten Ableitung verwendet, d.h. in dem alle Terme der Gleichung durch den Koeffizienten a2 dividiert werden und dann freigestellt wird. [8]
Der in dem Strukturbild dargestellte Signalflussplan zeigt anschaulich die Umsetzung der DGL in ein Modell mit Zustandsvariablen xi zur Lösung der DGL.
Dieses Modell entspricht auch der Lösung einer DGL mit Hilfe der Analogrechentechnik und ist seit langem bekannt. Das Interesse galt weniger den dargestellten Zustandsvariablen sondern nur dem Verhalten der Ausgangsgröße y(t).
Hat die Übertragungsfunktion oder die zugehörige DGL auch differentielle Anteile, d. h. Ableitungen der Eingangsgröße u(t), eignet sich als Signalflussdiagramm der DGL besser die Regelungsnormalform der Zustandsraumdarstellung. Siehe Normalformen im Zustandsraum
Die numerische Lösung dieser DGL mit n-fachen Ableitungen erfolgt durch n-fache numerische Integrationen, die sich auf ein diskretes Zeitintervall Δt und rekursive Berechnung der Folgen k = (0, 1, 2, 3, ...kMAX) bezieht.
Die Differenzengleichung zur numerischen Lösung einer Integration lautet (hier T = 1):
- Partikuläre Lösung yP(k):
- Für ein gegebenes Eingangssignal u(Δt) zur Zeit k * Δt = 0 und den Anfangswerten der Integratoren y'0 = 0 und y0 = 0 ergibt sich eine geschlossene Lösung für y(k) für k = 0 bis kMAX.
- Homogene Lösung yH(k):
- Für ein gegebenes Eingangssignal u(Δt) = 0 zur Zeit k * Δt = 0 werden Anfangswerte der Integratoren für y'0 und y0 eingesetzt. Es müssen dabei keine Integrationskonstanten Ci ermittelt werden, weil die Integratoren als bestimmte Integrale mit den Integralgrenzen der Anfangswerte bis zum Ende des Betrachtungszeitraumes k * Δt wirken.
- Gesamtlösung y(k):
- Sie ergibt sich automatisch, wenn ein Eingangssignal u(k) ≠ 0 und gleichzeitig Anfangswerte der Integratoren y'0 ≠ 0 und y0 ≠ 0 vorliegen.
Berechnungsbeispiel gewöhnliche DGL 2. OrdnungÜbertragungsfunktion:
Zugehörige systembeschreibende DGL in expliziter Darstellung:
- Anfangswerte der Energiespeicher (Integratoren): y'0(t) = 1; y0(t) = 1;
- Eingangsgröße u(k) ist eine normierte Sprungfunktion 1 für t > 0. Die zu berechnenden Gleichungen ergeben sich aus dem dargestellten Signalflussplan.
- In der Tabellendarstellung erfolgt die Berechnung der Zellen einer Zeile von links nach rechts und danach von einer oberen Zeile zu den unteren Zeilen. Benötigte Werte, die an einer bestimmten Stelle einer Zeile noch nicht bekannt sind, werden aus einer vorhergehenden Zeile der gleichen Spalte entnommen.
- Gleichung 1 bildet die Differenzen der noch zu berechnenden Ableitungen von y(k) in Spalte E der Tabelle laut Signalflussplan:
- Gleichung 2 ist eine Differenzengleichung der Integration in Spalte F (mit T = 1):
- Gleichung 3 ist eine Differenzengleichung der Integration in Spalte H (mit T = 1):
- Die Spalte B der diskreten Zeit (k * Δt) berechnet sich ab Zeile B3: B3 = B2 + Δt und kann beliebig oft kopiert werden!
- Die Lösung der DGL liefert die Spalte H mit der Ausgangsgröße y(k*Δt)!
- Tabellarische Darstellung der numerischen Gesamtlösung y(k*Δt) ≈ y(t) einer Differenzialgleichung 2. Ordnung.
-
Spalte A Spalte B Spalte C Spalte D Spalte E Spalte F Spalte G Spalte H Spalte I Spalte J Folge k Zeit
ΔtEingangs
SignalKoeffiz.
b0Differenz
Gl. 1I-Glied
Gl. 2Koeffiz.
a1I-Glied
Gl. 3Koeffiz.
a0Bemerkungen Zeile 1 - - - - - 1 - 1 - Anfangswerte Zeile 2 0 0*Δt 1 0,5 Gl. 1 Gl. 2 1,5 Gl. 3 0,5 Gleichungen Zeile 3 1 1*Δt 1 0,5 Gl. 1 Gl. 2 1,5 Gl. 3 0,5 Kopie Zeile 2 Zeile 4 2 2*Δt 1 0,5 Gl. 1 Gl. 2 1,5 Gl. 3 0,5 Kopie Zeile 2 Endzeile kMAX kMAX*Δt 1 0,5 Gl. 1 Gl.2 1,5 Gl. 3 0,5 Kopie Zeile 2
Anmerkung:
- Bei der homogenen Lösung sind in Spalte C sämtliche Werte auf 0 gesetzt mit Anfangswerten in Zeile 1.
- Bei der partikulären Lösung sind in Spalte C sämtliche Werte auf 1 gesetzt ohne Anfangswerte in Zeile 1.
- Der Approximationsfehler der Annäherung an die analytische Lösung beträgt ungefähr Δt / T = 0,003 / 2 = 0,0015 = 0,15 %.
Numerische Berechnung von Übertragungssystemen mit linearen und nichtlinearen Teilsystemen
Lineare zeitinvariante Übertragungssysteme werden durch DGL-en und Übertragungsfunktionen beschrieben. Durch Zerlegung der Polynome der Übertragungsfunktion in Linearfaktoren 1. Ordnung mit und ohne Grundglied ergeben sich 4 elementare Übertragungsfunktionen mit den Funktionseigenschaften I-Glied, PT1-Glied, D-Glied und PD1-Glied, mit denen in beliebiger Reihen-, Parallel- und Kreisstruktur sich alle phasenminimale Übertragungsfunktionen nachbilden lassen. Für diese elementaren Teilsysteme lassen sich aus den zugehörigen DGL-en je eine Differenzengleichung bilden. Der Approximationsalgorithmus dieser 4 Differenzengleichungen ist aus den zugehörigen DGL abgeleitet. Von den verschiedenen Verfahren ist die Euler-Rechteckannäherung die einfachste.
Numerische Stabilität ist gegeben, wenn:
- die diskrete Zeit Δt kleiner als die kleinste System-Zeitkonstante ist,
- bei sehr großen P-Verstärkungen K: Δt ≤ Dominante System-Zeitkonstante T / K.
Für nichtlineare speicherlose Übertragungssysteme wie Signalbegrenzer, nichtlineare oder gebrochene Kennlinien, Totzeitsysteme und diskontinuierliche Eingangssignale lassen sich analytische Gleichungen oder Wertetabellen finden.
Die numerische Berechnung eines Übertragungssystems von linearen und nichtlinearen Einzelsystemen erfolgt sinnvoller Weise in Form einer Tabelle mit den Zeilen der Rekursion der Folge k = 0 bis k = kMAX untereinander für je einen kleinen Berechnungszeitschritt Δt mit den Spaltenzellen der numerischen Gleichungen.
Da statische Gleichungen wie auch Differenzengleichungen nur einmal in die Zelle einer Spalte eingetragen und dann z. B. für k = 10000 1000-mal kopiert werden, muss eine Wertetabelle je nach gewünschter Auflösung von Hand in die Spalte einer Tabelle eingetragen werden.
Sämtliche Systemgleichungen können mit jeder Programmiersprache berechnet werden. Es wird die Anwendung der Tabellenkalkulation wegen der Einfachheit der Anwendung und der einfachen Möglichkeit der grafischen Darstellung der Berechnungsergebnisse empfohlen.
Berechnungsbeispiel eines Modells aus verschiedenen Teilsystemen bestehenden Übertragungssystems- Tabellarische Darstellung der numerischen Gesamtlösung y(k*Δt) ≈ y(t) eines Regelkreises mit PI-Regler mit Stellgrößenbegrenzung und PT2-Regelstrecke:
-
Spalte A Spalte B Spalte C Spalte D Spalte E Spalte F Spalte G Spalte H Spalte I Spalte J Folge k Diskr.Zeit
ΔtEing.-Signal
u(k)Soll-Istw.
Gl. 1I-Glied
Gl. 2PD-Glied
Gl. 3Begrenz.
Gl. 4PT1-Glied
Gl. 5PT1-Glied
Gl. 6Bemerkungen Zeile 1 - - - - - - - - - Kein Eintrag Zeile 2 0 0*Δt 1 Gl. 1 Gl. 2 Gl. 3 Gl. 4 Gl. 5 Gl. 6 Gleichungen Zeile 3 1 1*Δt 1 Gl. 1 Gl. 2 Gl. 3 Gl. 4 Gl. 5 Gl. 6 Kopie Zeile 2 Zeile 4 2 2*Δt 1 Gl. 1 Gl. 2 Gl. 3 Gl. 4 Gl. 5 Gl. 6 Kopie Zeile 2 Endzeile kMAX kMAX*Δt 1 Gl. 1 Gl. 2 Gl. 3 Gl. 4 Gl. 5 Gl. 6 Kopie Zeile 2
- Die Lösung des Systemverhaltens liefert die Spalte I mit der Ausgangsgröße y(k*Δt).
Zustandsraumdarstellung (Kurzfassung)
Die Zustandsgrößen eines linearen dynamischen Systems beschreiben den inneren Bewegungsablauf des Systems.
Die Zustandsraumdarstellung bezieht sich auf ein Zustandsraummodell, welches meist ein Schema der Regelungsnormalform oder der Beobachtungsnormalform beschreibt. Es symbolisiert die überführte Differenzialgleichung n-ter Ordnung in n-gekoppelte Zustands-Differentialgleichungen erster Ordnung. Dabei werden sämtliche Beziehungen der Zustandsgrößen, der Eingangsgrößen und Ausgangsgrößen in Form von Matrizen und Vektoren dargestellt. Das Zustandsraummodell wird vereinfacht durch die zwei Zustandsgleichungen - der Zustandsdifferenzialgleichung und der Ausgangsgleichung - beschrieben.
Das Zustandsraummodell kann für nicht sprungfähige Systeme direkt aus den Koeffizienten der systembeschreibenden Differenzialgleichung oder der zugehörigen Übertragungsfunktion erstellt werden. Es gilt als ingenieurtechnisch geeignete Methode der Analyse und Synthese dynamischer Systeme im Zeitbereich und ist besonders effizient bei der regelungstechnischen Behandlung von Mehrgrößensystemen, nichtlinearen und zeitvariablen Übertragungssystemen.
Zustandsdifferenzialgleichung und Ausgangsgleichung
Das Zustandsraummodell wird anhand der dargestellten Signalflüsse durch 2 Gleichungen beschrieben, die Zustandsdifferenzialgleichung und die Ausgangsgleichung (auch Ausgabegleichung).
Die Zustandsdifferenzialgleichung ist eine Vektordifferenzialgleichung 1. Ordnung, die die Systemdynamik beschreibt. Sie gibt an, wie das Eingangssignal u(t) die einzelnen Speicher beeinflusst und wie diese Speicher miteinander verkoppelt sind.
Die algebraische Ausgangsgleichung beschreibt, wie das Ausgangssignal y(t) mit den Systemzuständen verbunden ist.
- Gleichungen des Zustandsraummodells:
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Gleichung Bei Eingrößensystemen Bei Mehrgrößensystemen Zustandsdifferenzialgleichung
(auch Zustandsgleichung)Ausgangsgleichung
d = 0 für n > m
= 0 für n > m
Detaillierte Beschreibung siehe Artikel Zustandsraumdarstellung
Einzelnachweise
- ↑ Jan Lunze: Regelungstechnik 1: Systemtheoretische Grundlagen. 7 Auflage. Springer, 2008, ISBN 3540689079. Kapitel: Kennwertermittlung für PT1Tt-Glieder.
- ↑ Prof. Dr. May-Britt Kallenrode, Universität Osnabrück, Fachbereich Physik: Vorlesungsmanuskript "Mathematik für Physiker", Kapitel: "Differentialgleichungen", 611 Seiten, ausgestellt 2007.
- ↑ Prof. Dr. May-Britt Kallenrode, Universität Osnabrück, Fachbereich Physik: Vorlesungsmanuskript "Mathematik für Physiker", Kapitel: "Differentialrechnung", 611 Seiten, ausgestellt 2007.
- ↑ Prof. Dr.-Ing. Oliver Nelles, Universität Siegen: Vorlesungskonzept Mess- und Regelungstechnik I, Kapitel: „Lösung der DGL 1. Ordnung“, 446 Seiten vom 8. Oktober 2009.
- ↑ Prof. Dr.-Ing. Oliver Nelles, Universität Siegen: Vorlesungskonzept Mess- und Regelungstechnik I, Kapitel: „Laplace-Transformation“, 446 Seiten vom 8. Oktober 2009.
- ↑ Prof. Dr.-Ing. H. Peter Jörgel, TU Wien: Vorlesungsmanuskript Mess- und Regelungstechnik VT, Kapitel: „Laplace-Transformation“, 164 Seiten, ausgestellt 2006.
- ↑ Lutz / Wendt: Taschenbuch der Regelungstechnik, Kapitel: Laplace-Transformation.
- ↑ Zustandsgleichungen von Eingrößensystemen. In: Gerd Schulz: Regelungstechnik 2.
Siehe auch Artikel
- Portal:Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Mess-, Steuerungs- und Regelungstechnik
- Regelkreis
- Regler
- Regelstrecke
- Zustandsraumdarstellung
- Systemidentifikation
Literatur
- Bernd Girod, Rudolf Rabenstein, Alexander Stenger: Einführung in die Systemtheorie, Signale und Systeme in der Elektrotechnik und Informationstechnik. 4. Auflage. Teubner-Verlag, 2007, ISBN 978-3-8351-0176-0.
- Jan Lunze: Regelungstechnik 1: Systemtheoretische Grundlagen, Analyse und Entwurf einschleifiger Regelungen. 7. Auflage. Springer, 2008, ISBN 3540689079.
- Holger Lutz, Wolfgang Wendt: Taschenbuch der Regelungstechnik: Mit MATLAB und Simulink. 8. Auflage. Harri Deutsch, 2010, ISBN 978-3-8171-1859-5.
- Rolf Unbehauen, Systemtheorie Bd. 1, 8. korr. Auflage, Oldenbourg 2002, ISBN 3486259997
- Günter Ropohl, Eine Systemtheorie der Technik - Zur Grundlegung der allgemeinen Technologie, Carl Hanser Verlag 1979, ISBN 3-446-12801-8
- Gerhard Wunsch, Geschichte der Systemtheorie, Akademie-Verlag Berlin 1985
Kategorien:- Systemtheorie (Kybernetik)
- Theoretische Elektrotechnik
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