Transatlantikliner

Transatlantikliner
Die RMS Titanic, der wohl berühmteste Transatlantikliner

Unter einem Transatlantikliner (häufig auch verkürzt Atlantikliner) versteht man allgemein ein im Liniendienst eingesetztes Passagierschiff, das zwischen Europa und Amerika Passagiere und auch Fracht (z. B. Post) befördert. Im engeren Sinn bezeichnet der Begriff vor allem solche Schiffe, die auf der Nordatlantikroute zwischen europäischen Häfen und New York City verkehrten bzw. verkehren. Da die Verbindung zwischen den USA und Europa bereits seit dem 19. Jahrhundert eine besonders hohe Bedeutung besaß, handelte es sich bei den jeweils neuesten Linern häufig um die größten und technisch innovativsten Schiffe ihrer Zeit.

Mit der Entwicklung des Passagierflugzeuges ab etwa 1950 wurde der regelmäßige Schiffslinienverkehr zwischen Europa und Amerika zunehmend bedeutungslos. Moderne Kreuzfahrtschiffe befahren die Route allerdings weiter und nutzen dabei das hohe Prestige und die Bekanntheit vieler historischer Transatlantikliner (v. a. der RMS Titanic) zu touristischen Zwecken. Das einzige auch technisch als Transatlantikliner konzipierte Schiff ist heute aber die Queen Mary 2 der Cunard Line.

Inhaltsverzeichnis

Geschichte

Von den Anfängen bis zum Ersten Weltkrieg

Mit dem raschen industriellen Aufschwung der Vereinigten Staaten etwa ab der Mitte des 19. Jahrhunderts wuchs die Bedeutung des atlantischen Verkehrswegs zwischen Amerika und Europa sprunghaft an: Seine Bedeutung lag zum einen in der zunehmenden Zahl wohlhabender Handelsreisender und zum anderen in den großen Auswanderungswellen, in denen Hunderttausende ihre europäische Heimat verließen, um in Amerika eine neue Existenz aufzubauen. Getragen wurde diese Entwicklung von der Konstruktion der Dampfmaschine, die einen fahrplanmäßigen Schiffsverkehr erlaubte, der nicht mehr von den wechselhaften Windverhältnissen abhängig war und zudem höhere Reisegeschwindigkeiten erlaubte. Der kanadische Geschäftsmann Samuel Cunard bot mit zunächst noch kleinen und spartanisch ausgestatteten Raddampfern mit Hilfsbesegelung die ersten Liniendienste an.

Die als Museumsschiff erhaltene Great Britain von 1845

Zunächst konkurrenzlos, begannen sich einige Jahre später die USA mit der Collins Line am transatlantischen Wettbewerb zu beteiligen, was zu einem raschen Anstieg der Schiffsgrößen, der Pracht der Ausstattung und der Reisegeschwindigkeit führte. Mit der steigenden Zuverlässigkeit der Dampfmaschinen und dem gegenüber dem Schaufelrad effizienteren Schiffspropeller wurde die Hilfsbesegelung ab etwa 1880 zunehmend unnötig, was zu einem weiteren Schub bei der Entwicklung der Schiffsgröße führte. Dieser Fortgang sollte erst mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs ein vorläufiges Ende erfahren. Bis dahin gehörten neben Großbritannien und den USA auch Deutschland, Frankreich und Italien zu den Nationen, die transatlantische Schifffahrtslinien unterhielten und sich einen zunehmenden technischen Konkurrenzkampf lieferten. Zu den bekanntesten Schiffen des frühen 20. Jahrhunderts gehörten beispielsweise die RMS Lusitania und ihr Schwesterschiff RMS Mauretania, die RMS Olympic und die deutsche Imperator.

Die RMS Lusitania, die 1907 neue Maßstäbe im Passagierschiffbau setzte

Diese Schiffe waren mit Abmessungen von rund 250 Metern Länge, einer BRT-Zahl von etwa 35.000 bis 50.000 und einer Kapazität von mehreren tausend Passagieren gewaltige technische Projekte und Aushängeschild der industriellen Fertigkeiten ihrer Nationen. Mit ihnen war deshalb ein heute kaum mehr nachvollziehbares Prestige und große öffentliche Aufmerksamkeit verbunden. Da die jeweils größten und modernsten Liner den neuesten Stand der Technik repräsentierten, galten diese Schiffe häufig als unsinkbar – ein Mythos, der erst 1912 durch den Untergang der RMS Titanic erschüttert wurde. Die Tragödie der RMS Lusitania, die 1915 vor Irland von einem U-Boot torpediert wurde und 1.200 Menschen mit in den Tod riss, beendete dann endgültig das erste große Kapitel der transatlantischen Passagierschifffahrt.

Die Blüte der 1920er und 1930er-Jahre

Nach dem Krieg erholte sich die Passagierschifffahrt auf dem Atlantik nur zögernd. Erst mit dem Aufschwung der 1920er Jahre wurden wieder größere Neubauten in Angriff genommen. Die größte technische Neuerung lag in der Ölfeuerung, die die bis 1914 standardmäßig praktizierte Kohlefeuerung der Schiffe ersetzte. Dadurch steigerte sich die Effizienz der Schiffsmaschinen spürbar, was noch höhere Reisegeschwindigkeiten ermöglichte. An die Stelle der Auswandererklasse („Zwischendeck“) trat die Touristenklasse, die komfortable, aber dennoch preisgünstige Überfahrten für die stets wachsende Zahl an Urlaubsreisenden bot. Zu den innovativen Neubauten der Zeit gehörten insbesondere die französische Île de France von 1927 und die deutschen Schwesterschiffe Bremen und Europa von 1929. Neue Maßstäbe setzte dabei insbesondere ihre Innenausstattung: Während ältere Schiffe bemüht waren, historische Stilrichtungen nachzuahmen, entwickelten die neueren Liner eine eigene Innenarchitektur, die stark durch das Art Deco beeinflusst wurde.

Die Normandie (1935)

Höhepunkt dieser Entwicklung war die französische Normandie, die sowohl mit ihrer Größe (zum ersten Mal mehr als 300 m Länge; mehr als 80.000 BRT) als auch mit ihrer außergewöhnlich großzügigen Innenausstattung für Furore sorgte. Als Antwort darauf vollendete die britische Cunard Line Ende der 1930er Jahre die RMS Queen Mary und die RMS Queen Elizabeth, die zwar ähnliche Größen erreichten, aber ein deutlich konservativeres Design aufwiesen. Der Ausbruch des Zweiten Weltkriegs 1939 beendete dann diese Ära der Transatlantikliner, bevor noch größere Schiffe gebaut werden konnten.

Der Niedergang der 1950er und 1960er Jahre

Die France 1974 vor Hongkong. Mit 315 m Länge war sie von 1962 bis 2003 das längste je gebaute Passagierschiff.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erholte sich die Linienschifffahrt auf dem Nordatlantik ein letztes Mal: Zu den beiden Cunard-Schiffen, die kurz „die Queens“ genannt wurden, gesellten sich noch die spektakuläre US-amerikanische United States, das bis heute schnellste Passagierschiff aller Zeiten, und die französische France. Trotz aller technischer Leistungsfähigkeit konnten sich diese Schiffe letztlich nicht gegen den zunehmenden Linienflugverkehr durchsetzen, der statt der rund vier Tage, die eine Überfahrt dauerte, nur wenige Stunden von Europa nach Amerika benötigte. Ende der 1960er Jahre wurde dann der Linienverkehr der Atlantikliner eingestellt, lediglich die Queen Elizabeth 2 bot noch als Traditionsträger regelmäßige Überfahrten an.

Renaissance

Die schiffstechnische Entwicklung, die die Transatlantikliner durchlaufen hatte, war enorm: Erst 1996 wurde der Rauminhalt der Queen Elisabeth übertroffen, der Längenrekord der France sogar erst 2003. Das boomende Kreuzfahrtgeschäft profitiert ebenfalls von der großen Zeit der Transatlantikschifffahrt: Während manche Schiffe ihren Stil dem der alten Dampfer anpassen (wie die MS Deutschland), bieten andere regelmäßige Atlantiküberfahrten von Europa nach New York an (wie die Queen Mary 2). An die Stelle des echten Linienreiseverkehrs als Notwendigkeit ist dabei aber der rein touristische Anspruch einer Kreuzfahrt getreten.

Sonstiges

  • Das Blaue Band, die imaginäre Auszeichnung für das jeweils schnellste Schiff auf der Nordatlantikroute, war eine überaus prestigeträchtige Werbung für die Reedereien, die daher ständig nach hoher Reisegeschwindigkeit ihrer Schiffe strebten. Besonders bemerkenswert ist dabei die 1907 fertig gestellte RMS Mauretania, die ihren Rekord bis 1929 – der Jungfernfahrt der neuen Bremen – halten konnte. Die letzte Trägerin des Blauen Bandes ist die United States, die mit über 38 Knoten Maximalgeschwindigkeit und mehr als 240.000 PS Maschinenleistung das schnellste je gebaute Passagierschiff ist.
  • Insbesondere in der Ersten Klasse erreichten die großen Transatlantikliner spätestens ab etwa 1900 ein enormes Maß an Luxus, der sich mit den besten Grand Hotels an Land messen konnte. Annehmlichkeiten, die zur damaligen Zeit an Land noch etwas Außergewöhnliches waren (wie Fahrstühle), gehörten auf den großen Dampfern zu den Selbstverständlichkeiten. Suiten mit mehreren hundert Quadratmetern Wohnfläche und gewaltige Räume, die sich über mehrere Decks Höhe erstreckten, gehörten ebenso bald zum Standard. Diese Pracht der Ausstattung trug wesentlich zum Prestige und zum Bekanntheitsgrad der Transatlantikliner bei.
  • Der einzige zurzeit in Dienst befindliche Transatlantikliner ist die Queen Mary 2, sie gehört der traditionsreichen britischen Reederei Cunard. Die Queen Mary 2 wurde von ihrer Konstruktion her besonders für die rauen Bedingungen des Nordatlantiks ausgelegt und die von ihr regelmäßig betriebenen Atlantiküberfahrten werden von der Reederei explizit nicht als Kreuzfahrten, sondern als fahrplangemäße Linienfahrten bezeichnet. Ihre Vorgängerin, die Queen Elizabeth 2, liegt mittlerweile dauerhaft in Dubai und wird zu einem Hotel umgebaut. Alle anderen zurzeit fahrenden großen Passagierschiffe sind im eigentlichen Sinne Kreuzfahrtschiffe, die also keinem regelmäßigen Fahrplan folgen, auch wenn sie gelegentlich den Atlantik überqueren.
  • Die „klassische“ Farbgebung der Atlantikliner (schwarzer Rumpf und weiße Aufbauten) hatte einen durchaus pragmatischen Hintergrund: Bis zum Ersten Weltkrieg wurden nahezu alle Schiffe dieser Route mit Kohlen befeuert, die in Bunkern an den Seiten des Rumpfes gelagert waren. Die Öffnungen, durch die diese befüllt wurden, lagen knapp über der Wasserlinie. Beim Einschütten der Kohle lagerte sich dabei im ganzen Bereich dieser Öffnungen Kohlenstaub ab. Die schwarze Farbgebung sollte diese Staubspuren weniger deutlich hervortreten lassen und blieb auch nach der Zeit der kohlegetriebenen Schiffe erhalten.

Bekannte Transatlantikliner

Siehe auch

Weblinks


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