Trockener Orgasmus

Trockener Orgasmus

Der Begriff trockener Orgasmus bezeichnet umgangssprachlich den Orgasmus ohne Erguss (Ejakulat) eines noch nicht geschlechtsreifen männlichen Kindes.

Dieser trockene Orgasmus ist nicht zu verwechseln mit der Injakulation, des gewollten männlichen Orgasmus ohne Ejakulat, oder mit der Retrograden Ejakulation oder dem Verschluss des Ductus ejaculatorius eines Erwachsenen bei Vorliegen einer urologischen Störung, bei denen allerdings oft auch die Bezeichnung trockener Orgasmus verwendet wird. Dieser Artikel beschäftigt sich mit dem Phänomen bei körperlich und seelisch gesunden Menschen.

Inhaltsverzeichnis

Physiologische Grundlagen

Männliche Geschlechtsorgane

Das Ejakulat bei einem geschlechtsreifen Mann, also das Sperma, besteht aus zellulären (Spermien, Epithelzellen der Hodenkanälchen) und flüssigen (Seminalplasma) Bestandteilen. Das Seminalplasma setzt sich zusammen aus Sekreten der sogenannten akzessorischen Geschlechtsdrüsen: Samenleiterampulle (Ampulla ductus deferentis), Samenblasendrüse (Glandula vesicularis) (10), Vorsteherdrüse (Prostata) (12), Bulbourethraldrüse (Glandula bulbourethralis) (13), zu geringen Teilen auch der Hoden (17) und Nebenhoden (16). Obwohl die männlichen Geschlechtsorgane zum Zeitpunkt der Geburt bereits vollständig angelegt sind, findet die weitere Ausdifferenzierung erst im Verlaufe der Pubertät unter dem Einfluss der Geschlechtshormone statt. Ihre volle Funktionalität inklusive der Fähigkeit zur Produktion von befruchtungsfähigen Spermien erreichen sie im Zuge dieser Entwicklung dann zum Zeitpunkt der Geschlechtsreife (Spermarche).

Vor der Pubertät

Die Orgasmusfähigkeit ist ab der Geburt (Gordon & Schroeder 1995), oder spätestens ab dem 3. Lebensjahr (Fox 1993) gegeben.[1] Bei Jungen vor der Pubertät ist die Fähigkeit zu multiplen Orgasmen selbst bei mehreren Stunden andauernder Selbstbefriedigung nicht selten (Margulis & Sagan 1991).[1]

Von den akzessorischen Geschlechtsdrüsen ist insbesondere die Prostata schon vor Beginn der Pubertät in der Lage, bei entsprechender Stimulation ein Sekret zu bilden. Deshalb ist es bei männlichen Kindern durchaus möglich, dass auch ein oder mehrere Jahre vor der Geschlechtsreife bei einem Orgasmus eine – wenn auch sehr geringe – Ausscheidung von überwiegend Prostatasekret („samenloser Erguss“) stattfindet.[2] In der überwiegenden Mehrzahl kommt es in dieser Altersgruppe aber zu trockenen Orgasmen.

Nach der Pubertät

Bei einem gesunden geschlechtsreifen Jugendlichen oder Mann ist ein trockener Orgasmus ohne eingreifende Manipulation so gut wie unmöglich. Selbst wenn nach mehrmaligem Orgasmus keine Spermien mehr ausgestoßen werden können, produziert besonders die Prostata zusammen mit den anderen akzessorischen Geschlechtsdrüsen immer noch eine mehr oder minder geringe Menge Sekret für ein Ejakulat. Solange ein Orgasmus noch erreicht werden kann, findet auch eine Stimulation der akzessorischen Geschlechtsdrüsen statt, welche automatisch zur Produktion von Sekret führt. Dieses Sekret kann wesentlich schneller hergestellt werden als neue Spermien. Ist also der Spermienvorrat nach mehreren kurz hintereinander erfolgten Orgasmen erschöpft, kann vor allem die stimulierte Prostata bei Erreichen eines weiteren Orgasmus immer noch eine kleine Menge Sekret für eine Ejakulation liefern.

Nach chirurgischen Eingriffen

Auch im Falle einer Sterilisation ist ein Orgasmus immer mit einer Ejakulation (im engeren Definitionssinn lediglich Ausscheidung) verbunden, allerdings sind in einer solchen Ausscheidung keine Spermien mehr enthalten.

Selbst nach einer Kastration (vollständige Entfernung beider Hoden einschließlich Nebenhoden) kommt es nicht zu einem trockenen Orgasmus. Solange durch eine sexuelle Stimulation weiterhin ein Orgasmus erreichbar ist, wird auch dabei eine Sekretausscheidung ohne Spermien ausgelöst. Diese Tatsache war schon gegen Ende des 16. Jahrhunderts in Europa bekannt, wie aus einem Brief des Nuntius von Spanien an den damaligen Papst Sixtus V. hervorgeht. In diesem bittet er um eine Stellungnahme zur Klärung der Ehefähigkeit von Kastraten speziell für solche, die zwar beider Hoden entbehrten und trotzdem zu Geschlechtsverkehr und Samenerguß fähig waren, hierbei aber, wie der Nuntius meinte, keinen "wahren Samen", sondern nur eine samenähnliche, "zur Fortpflanzung und zur Erfüllung des Zwecks der Ehe nicht geeignete" Flüssigkeit hervorbrachten.[3]

Erst wenn zusätzlich alle anderen akzessorischen Geschlechtsdrüsen ohne Verletzung wichtiger Nerven, Blutgefäße und Muskeln chirurgisch entfernt würden, wäre bei einem vielleicht noch erreichbaren sexuellen Höhepunkt mit einem trockenen Orgasmus zu rechnen.

Mögliche Begriffsverwendung beim weiblichen Geschlecht

Der Begriff Trockener Orgasmus kann im Grunde auch bei einem Orgasmus eines Mädchens vor oder während der Pubertät und einer geschlechtsreifen Frau verwendet werden, bei dem es unabhängig von dem Auftreten einer Scheidenfeuchte nicht zu einer stoßweisen Freisetzung eines Sekrets der Paraurethraldrüse (Weibliche Ejakulation) kommt.

Siehe auch

Literatur

Einführung
  • Betty N. Gordon, Carolyn S. Schroeder: Sexuality. A Developmental Approach to Problems. Plenum Press, New York 1995, ISBN 0-306-45040-2, S. 2-3.
  • Robin Fox: Male Masturbation and Female Orgasm. In: Society, Bd. 30 (1993), Heft 6 (206), S. 21–5.
Physiologische Grundlagen
Andere Bereiche
  • Lynn Margulis, Dorion Sagan: Geheimnis und Ritual. die Evolution der menschlichen Sexualität („Mystery Dance. On the Evolution of Human Sexuality“. Byblos Verlag, Berlin 1993, ISBN 3-929029-17-0.

Einzelnachweise

  1. a b http://www2.rz.hu-berlin.de/sexology/GESUND/ARCHIV/GUS/CHILDORG.HTM D. F. Janssen: Growing Up Sexually. Volume II: The Sexual Curriculum: The Manufacture and Performance of Pre-Adult Sexualities. Oct. 2002
  2. http://www2.rz.hu-berlin.de/sexology/GESUND/ARCHIV/GUS/CHILDORG.HTM#_Toc26332935
  3. Aidan McGrath: A controversy concerning male impotence. Editrice Pontificia Università Gregoriana, Rom 1988, S. 18, Text des Breves (Pars expositiva)

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