Udo Tworuschka

Udo Tworuschka

Udo Tworuschka (* 12. Februar 1949 in Seesen am Harz) war von 1993 - 2011 Professor für Religionswissenschaft an der Friedrich-Schiller-Universität Jena.

Inhaltsverzeichnis

Leben und Arbeit

1952 zogen seine Eltern mit ihm nach Düren. 1967 bis 1973 studierte er Vergleichende Religionswissenschaft, evangelische Theologie (u.a. bei Heinrich Karpp), Anglistik (bei Arno Esch), Pädagogik und Philosophie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn bei Gustav Mensching, dessen Werk er kritisch verbunden geblieben ist und dessen zentrale Anliegen er für die Gegenwart fruchtbar zu machen versucht. 1973 promovierte er zum Dr. phil. über das Thema „Die Einsamkeit. Eine religionsphänomenologische Untersuchung“. Er erhielt dafür den Promotionspreis der Philosophischen Fakultät der Universität Bonn. Seit 1975 ist er verheiratet mit Dr. Monika Tworuschka und hat mit ihr vier Kinder. 1979 habilitierte er und wurde zum Privatdozenten und Hochschuldozenten ernannt. Tworuschka gehört zu den Pionieren einer praxisorientierten Religionswissenschaft. Mit der mehrfach ausgezeichneten ersten deutschsprachigen CD-ROM „Religiopolis. Weltreligionen erleben" (2004) betraten seine Frau und er religionsvermittelndes Neuland.

Von 1982 - 1993 arbeitete er zusammen mit zahlreichen deutschen Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen an einem Projekt für den Abbau gegenseitiger Vorurteile. In einem umfassenden Forschungsprojekt, das er zusammen mit dem Islamwissenschaftler Abdoldjavad Falaturi leitete, wurden durch eine ausführliche Analyse der Schulbücher (Geschichte, Geographie, Evangelischer und Katholischer Religionsunterricht usw.) die häufigsten Vor- und Fehlurteile herausgearbeitet. Die Ergebnisse wurden im Rahmen der Studien zur internationalen Schulbuchforschung des „Georg-Eckert-Instituts für Internationale Schulbuchforschung“ veröffentlicht. 1988 wurde das Forschungsprojekt auf weitere europäische Länder ausgedehnt unter dem Namen „International Research Projekt: Islam in Textbooks“. Von 1987-95 war Tworuschka Präsident der liberal-protestantischen Vereinigung Bund für Freies Christentum.

Am 1. November 1993 wurde er an die Theologische Fakultät der Friedrich-Schiller-Universität auf den Lehrstuhl für Religionswissenschaft berufen. Von April 1995 bis Februar 1997 war er Prodekan, von Oktober 2000 bis September 2002 Dekan der Theologischen Fakultät. Seit 2001 richtet Tworuschka die „Gustav Mensching-Vorlesungen für religiöse Toleranz“ aus. Ab dem Wintersemester 2002/03 konnte an der Friedrich-Schiller-Universität Jena Religionswissenschaft als Magisternebenfach in der Philosophischen Fakultät studiert werden, zum Wintersemester 2007/08 wurde das Studienangebot auf ein Bachelor-Ergänzungsfach in der Theologischen Fakultät umgestellt.

Gemeinsam mit seiner Frau Dr. Monika Tworuschka wurde ihm der italienische Friedenspreis „Premio Satyagraha“ verliehen.[1] Während seiner Kölner Forschungs- und Lehrtätigkeit (1973–1993) im Kontext evangelischer Religionspädagogik hat Tworuschka ein praktisches Verständnis von Religionswissenschaft entwickelt, für die er im Unterschied zu einer bloß „angewandten“ („applied“) Wissenschaft den Begriff „Praktische Religionswissenschaft“ geprägt hat. Tworuschka versteht Religionswissenschaft nicht - wie es heute im deutschen Sprachraum die Regel ist - als Kulturwissenschaft, sondern als „Wahrnehmungswissenschaft“ (Religionsphänomenologie ).Tworuschkas "anthropologisch gewendete, am Menschen orientierte, kontextuelle Religionsphänomenologie interessiert sich dafür, inwieweit Religionen den von Routine und Mechanismus geprägten Alltag beeinflussen. Diese neue Form von Religionsphänomenologie untersucht, wie religiöse Traditionen die elementaren Vollzüge und Bereiche des menschlichen Lebens prägen: Sexualität, Gesundheit, Lehren und Lernen, Lebensphasen, Leben in der Familie, Essen und Trinken, Kleidung, Arbeit und Freizeit, Wohnverhältnisse, Gestik, Bewegungsweisen, die Einstellung zu Zeit und Raum, zu den Gefühlen, Bedürfnissen und Wahrnehmungen." (Religionswissenschaft, 2011, S.19)

Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Hrsg.:Religionen heute. Themen und Texte für Unterricht und Studium. Frankfurt/Main 1977
  • Himmel ist überall. Geschichten aus den Weltreligionen. Gütersloh 1985
  • Der Islam in den Schulbüchern der BRD, Analyse der evangelischen Religionsbücher zum Thema Islam. Georg-Eckert-Institut Braunschweig, 1986, ISBN 3-88304-247-1
  • Ethik der Religionen - Lehre und Leben, 5 Bde., Frankfurt/Main-München (hrsg. zusammen mit Michael Klöcker) 1984-86
  • Hrsg.: Monika und Udo Tworuschka: Handbuch Religionen der Welt. München 1992
  • Abdoljavad Falaturi, Udo Tworuschka: Der Islam im Unterricht, Beiträge zur interkulturellen Erziehung in Europa. Georg-Eckert-Institut Braunschweig, 1992, ISBN 3-88304-026-6 (englische, türkische, niederländische Übersetzungen)
  • Fundamentalismus in den Religionen. Vorträge der Jahrestagung 1991 des Bundes für Freies Christentum. In: Forum Freies Christentum. Nr. 24, 1993
  • Monika und Udo Tworuschka: Denkerinnen und Denker der Weltreligionen im 20. Jahrhundert, Gütersloh 1994
  • Michael Klöcker und Udo Tworuschka (Hrsg.): Handbuch der Religionen. Loseblattwerk, Olzog Verlag München 1997ff., ISBN 978-3-7892-9900-1
  • Monika und Udo Tworuschka: Der Islam – Kindern erklärt, Wie andere leben – was andere glauben. Gütersloher Verlagshaus, 1999, ISBN 3-579-02234-2
  • Udo Tworuschka (Hrsg.): Heilige Schriften. Eine Einführung. Wissenschaftliche Buchgesellschaft, Darmstadt 2000, ISBN 3-534-13594-6
  • Monika und Udo Tworuschka: Der Koran und seine umstrittenen Aussagen. Patmos 2002, ISBN 3-491-70352-2
  • Religiopolis. Weltreligionen erleben. Klett, Leipzig 2004, ISBN 3-12-238120-6
  • Monika und Udo Tworuschka: Heilige Stätten. Die bedeutendsten Pilgerziele der Weltreligionen Primus, Darmstadt 2004, ISBN 3-89678-258-4
  • Michael Klöcker und Udo Tworuschka (Hg.): Ethik der Weltreligionen. Ein Handbuch. Darmstadt 2005
  • Monika und Udo Tworuschka: Als die Welt entstand... Schöpfungsmythen der Völker und Kulturen in Wort und Bild, Herder, Freiburg i.Br. 2005, ISBN 3-451-28597-5
  • Reinhard Kirste, Herbert Schultze, Udo Tworuschka: Die Feste der Religionen. Ein interreligiöser Kalender mit einer synoptischen Übersicht. Gütersloh
  • Religionswissenschaft. Calwer Verlag, Stuttgart 2006, ISBN 3-7668-3991-8 (Kapitel über Praktische Religionswissenschaft, S. 116ff.)
  • Monika und Udo Tworuschka: Die Welt der Religionen. Wissen Media Verlag, Gütersloh 2006, ISBN 3-577-14521-8
  • Monika und Udo Tworuschka: Die Welt der Religionen. Bertelsmann BuchClub, 6 Bde. Gütersloh/München 2007/8
  • Udo Tworuschka: Die Weltreligionen und wie sie sich gegenseitig sehen, Primus Verlag, Darmstadt 2008
  • Michael Klöcker/Udo Tworuschka (Hg.): Praktische Religionswissenschaft (UTB), Böhlau Verlag, Köln u.a. 2008
  • Udo Tworuschka: Religionswissenschaft. Wegbereiter und Klassiker (UTB), Böhlau Verlag, Köln u.a. 2011

Literatur

  • Verstehen zu variieren. Die Religionswissenschaftler Monika und Udo Tworuschka. In: Börsenblatt für den Deutschen Buchhandel. 165, 1998, S. 114-117
  • Esko S. Kähkönen: Dialogisuuden ongelma islamin esittämisessä. Falaturin ja Tworuschkan teologis-pedagogisen ohjelman tausta ja toteutuminen. Diss., Helsinki 2000 (mit englischer Zusammenfassung: The Problem of Dialogue in the Presentation of Islam. The background and realisation of the theologico-pedagogical programme of Falaturi and Tworuschka).
  • Jürgen Court/Michael Klöcker (Hg.): Wege und Welten der Religionen. Forschungen und Vermittlungen. Festschrift für Udo Tworuschka, Frankfurt/Main 2009, 762 S. (mit Bibliographie)

Weblinks

Quellen

  1. Italienischer Friedenspreis für „Die Weltreligionen – Kindern erklärt“ online

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