Uechi-ryū

Uechi-ryū

Der Begriff Uechi-ryū (jap. 上地流, dt. Schule des Uechi) bezeichnet eine Stilrichtung in der okinawanischen Kampfkunst Karatedō, die von Uechi Kanbun (1877–1948) und später in Zusammenarbeit mit seinem Sohn Uechi Kan’ei um das Jahr 1900 auf Okinawa, dem Ursprungsort des Karatedō, entwickelt wurde.

Inhaltsverzeichnis

Ursprung

Das Studium in China

Der Ursprung dieses Stils liegt im Süden Chinas in der Provinz Fujian (Fukien), welche Uechi Kanbun aufsuchte, da er nicht in die japanische Armee (Okinawa war ab 1879 eine Präfektur Japans) eintreten wollte. Folglich machte sich Kanbun Uechi im Frühjahr 1879 heimlich auf den Weg nach China, wo er dann von 1897 bis 1910 den Quanfa-Stil Pangai-noon (halb hart, halb weich) von einem Meister namens Chou-tsu Ho erlernte. Nach zehn Jahren harten Trainings gab ihm sein Meister die Erlaubnis, ein eigenes Dōjō (Trainingshalle) zu errichten, wovon ihn ein chinesischer Teehändler namens Gokenkein, der einen Quanfa-Stil mit Namen Kingai lernte, abriet, da es schon viele andere versuchte hatten und scheiterten. Dies beeindruckte Uechi Kanbun jedoch nicht, und so errichtete er sein Dōjō. Dieses wurde zu einem der erfolgreichsten in der Gegend, und er genoss hohes Ansehen bei den Bürgern der Provinz, bis einer seiner Schüler in einen Streit verwickelt wurde, bei dem ihn sein Gegenüber angriff und er instinktiv einen seiner gelernten Schläge ausführte und ihn tötete. Für diesen Vorfall wurde nun Kanbun Uechi verantwortlich gemacht, und so verwandelte sich der Respekt der Einwohner in Hass. Nach diesem Vorfall schwor Uechi Kanbun, nie wieder Karate zu unterrichten, und kehrte nach Okinawa zurück.

Zurück auf Okinawa

Nach zwei Jahren ruhigen Lebens bekam Uechi Kanbun Besuch von seinem ehemaligen Schüler, dem Teemeister Gokenkein, der ihn dazu drängte, wieder mit dem Unterrichten seines Stiles zu beginnen, was jedoch auf Ablehnung von Kanbun stieß. Nachdem der Teemeister jedoch in einem Kampf mit einem Karatemeister aus Naha geriet und gewann, wurde er von vielen jungen Leuten auf der Insel gebeten, ihnen sein Können beizubringen. Auf die Bitte antwortete Gokenkein, das es einen größeren Meister dieses Stils, nämlich Uechi Kanbun, gebe, der ihnen sein Karate beibringen könnte. Folglich gingen die Leuten zu diesem Meister, doch er antwortete auf die Fragen immer nur damit, dass es sich um eine Verwechslung handle und er nicht der besagte Mann sei. Als die Leute dann wenig später Kanbun mit Gokenkein konfrontierten, konnte dieser nicht mehr leugnen, dass er der große Meister sei, wollte jedoch seinen Schwur nicht brechen, und so lehnte er es ab, zu unterrichten. Bei den alljährigen Vorführungen aller Karateschulen Okinawas lud der Bürgermeister von Motobu auf Bitte der anderen Karatemeister auch Uechi Kabun ein, der einen Platz so weit vorne in der Tribüne bekam, dass er auf die Bitte des Bürgermeisters, eine Kata vorzuführen, nur mit ja antworten konnte, da er sonst sein Ansehen verloren hätte, und so führte er die Kata Seisan vor. Nach seiner großartigen Vorführung wurde die Veranstaltung beendet, da jeder wusste, dass er diese Leistung nicht übertreffen konnte. Nach diesem Tag bot Itosu Yasutsune Kanbun eine Stelle am Lehrer-College an, welche er annahm und seitdem wieder unterrichtete.

Die Zeit in Japan

Mittlerweile lebte Uechi Kanbun in Japan in der Präfektur Wakayama, wo er eines Tages in Kontakt mit seinem Nachbarn Ryuyu Tomoyose, einem jungen Mann aus Okinawa, kam. Dieser vermutete, warum auch immer, dass Kanbun ein Meister des Karate war, und so kam er eines Abends mit einer ausgedachten Geschichte zu dem vermutlichen Meister, in der es darum ging, dass er in einen Kampf gerate und nicht wusste, was er tun sollte. Uechi Kanbun fing an, ihm zu erzählen, welche Techniken er anwenden müsste, und so bestätige sich Ryuyus Verdacht. Aus diesem Grund wiederholte er seinen Trick noch einige Male, und nachdem Ryuyu Kanbun sagte, dass er wüsste, welche Techniken er beherrsche, bat er ihn, sein Karate öffentlich zu unterrichten, was Uechi Kanbun später nun auch tat.

Besonderheiten des Stiles

Geprägt wird das Uechi-ryū, im Gegensatz zu anderen Stilen im Karatedō, durch einen engen Stand, genannt Sanchin dachi, kreisförmige Blocktechniken, Techniken mit den Fingerspitzen, Fingergliedern, geknickten Daumen, der Handfläche und durch sehr wirkungsvolle Angriffe mit den Zehenspitzen. Diese Techniken sind seit der Entwicklung des Stiles nahezu unverändert geblieben und für ihre Effizienz berühmt.

Eine andere Besonderheit sind Abhärtungsübungen im Uechi-ryū, die in anderen Stile häufig nicht anzufinden sind. Diese spezielle Trainingsmethode ermögliche es dem Karateka im Laufe der Zeit, sehr harte Schläge einstecken zu können, ohne dabei Schaden zu nehmen.

Kata im Uechi-ryū

Ursprünglich gab es im Uechi-ryū nur die drei Kata Sanchin, Seisan und Sanseiryu, welche Uechi Kanbun aus seinem Studium in China mitbrachte. Die anderen fünf Kata dieses Stiles, Kanshiwa, Kanshu, Seichin, Seiryu und Kanchin, wurden von Uechi Kan’ei und zwei anderen Meistern namens Uehara Saburo und Itokazu Seik entwickelt. Sie dienen als Übergang zwischen den oben genannten Hauptkata und werden als Brückenkata bezeichnet.

Kata Typus
Sanchin (三戰) Grundkata
Kanshiwa (漢子知) Kampfkata
Kanshu (完周) Kampfkata
Seichin (十戦) Kampfkata
Seisan (十三) Kampfkata
Seiryu (十六) Kampfkata
Kanchin (完戦) Kampfkata
Sanseiryu (三十六) Kampfkata

Sanchin

Kalligraphie von Sanchin

Die Kata Sanchin ist die Grundlage des Uechi-ryū. Uechi Kanbun meinte stets: „Alles ist Sanchin“ und „Sanchin allein verdient zehn Jahre Training“. In der Tat wurde Kanbun in den ersten drei Jahren seines Studiums in China nur diese Kata beigebracht, bevor er eine andere Kata lernte.

Sanchin dient dazu, dass sich der Schüler grundlegende geistliche und physische Prinzipien aneignet. Des Weiteren wird geprüft, ob und wie gut der Schüler Tritte und Schläge einstecken kann. Diese Fähigkeit wird dann später mit dem Kote Kitae (Abhärtungsübungen) erlernt bzw. verbessert.

Kampfkata

Die sogenannten Kampfkata dienen dazu, dem Schüler Selbstverteidigungstechniken nahezulegen, und es wird damit begonnen, den Karateka auf den richtigen Kampf vorzubereiten.

Uechi-ryū heute

Nach dem Tod Uechi Kanbuns zersplitterte das Uechi-ryū, und so entstanden Organisationen wie die Okinawan Karatedo Kyokai (Okikukai) oder die Uechi-Ryu Kenyukai. Eine weitere Organisation, genannt Soke, wurde von Uechi Kanbuns Enkel Uechi Kamei gegründet. Die meisten Praktizierenden dieses Stiles sind auf die Länder Japan, Australien, Neuseeland, Frankreich, Großbritannien, Mexiko, Slowenien, Kroatien, Serbien, Saudi-Arabien, Brasilien, Argentinien, Peru, Israel, Kanada, den USA und in Deutschland verteilt.

In Deutschland

In Deutschland wird das Uechi-ryū nur in wenigen Städten wie Erlangen, Würzburg, Berlin, München, Regensburg, Bad Kissingen oder auch in Gemeinden wie Miehlen und Bendorf unterrichtet.

Literatur

  • Roland Habersetzer: Koshiki Kata – Die klassischen Kata des Karatedô. Palisander Verlag, 2005, ISBN 978-3-938305-01-0. In dem Buch wird u. a. auf die Geschichte des Uechi ryu eingegangen, und es werden die Uechi-ryu-Kata Sanchin und Seisan in Wort und Bild vorgestellt.

Weblinks


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