Ultra Low Floor

Ultra Low Floor
Kurzer ULF (Type A) in Wien
Langer ULF (Type B) in Wien
Antriebseinheit ULF
Dachausrüstung zweier ULF (Typ B)

Der ULF (Abkürzung für Ultra Low Floor, englisch für „Niedrigstflur“) ist ein Niederflur-Straßenbahnfahrzeug, das von Siemens Mobility für die Wiener Linien entwickelt wurde. Der ULF zeichnet sich durch seine achsfreien Fahrwerke und die weltweit niedrigste Einstiegshöhe bei Straßenbahnen aus. Weitere achsfrei konstruierte Straßenbahnfahrzeuge (mit anderer Rad-Anordnung) sind Variobahn, Combino, Cobra-Tram und TMK 2200.

Inhaltsverzeichnis

Fahrzeugtechnik

Beim ULF ist der Boden des Fahrzeuginnenraums so niedrig, dass er in etwa in einer Ebene mit dem Gehweg liegt, sofern dieser eine hohe Bordsteinkante aufweist. Der Einstieg liegt auf 197 mm über der Schienenoberkante, der durchgehende Wagenboden 220 mm über der Schienenoberkante, also jeweils etwa 100 mm niedriger als bei herkömmlichen Niederflurfahrzeugen, was besonders Fahrgästen mit Rollstühlen und Kinderwagen zugute kommt. Bei der vordersten Tür gibt es auch eine Rampe, die je nach Bauform entweder motorisch ausgefahren wird oder händisch ausgeklappt werden muss, zur Erleichterung des Einstiegs für Rollstuhlfahrer bei zu breitem Spalt zwischen Fahrzeug und der Bordsteinkante.

Die niedrige Einstiegshöhe und der über die gesamte Fahrzeuglänge durchgehend niedrige Wagenboden machen den Einsatz von Achsen, die die Räder an beiden Wagenseiten verbinden, unmöglich. Stattdessen wurde ein völlig neu konzipiertes Fahrwerk entwickelt, bei dem die Achsen durch eine elektronische Steuerung der Fahrmotoren ersetzt werden mussten. Die Hilfsaggregate des Triebwagens sind großteils auf dem Wagendach untergebracht. Das gesamte Fahrzeug besteht aus einer Abfolge von sogenannten Modulen (Wagenkastensegmenten) und Portalen, wobei die einzelnen Module gelenkig miteinander verbunden sind.

Die Fahrzeugtype wird für die Wiener Linien auf deren Wunsch hin in zwei Baulängen, dem sogenannten Kurzzug (24,21 Meter lang, Typ A) und dem Langzug (35,47 Meter lang, Typ B) ausgeliefert. Die Antriebsmotoren sind nicht wie bei anderen Schienenfahrzeugen unter dem Wagenkasten in Drehgestellen eingebaut, sondern sind senkrecht stehend an beiden Außenseiten der Portalrahmen (=Gelenkverbindungen zwischen den Wagenkastenelementen) angeordnet. Über Winkelgetriebe werden die einzelnen Räder angetrieben. Der Kurzzug wird von sechs Antriebsmotoren und der Langzug von acht Antriebsmotoren angetrieben.

Die ULF-Technologie ist seit den frühen 1990er Jahren in Erprobung. Beginnend mit dem Jahr 1995 wurden zwei ULF-Prototypen im Liniennetz eingesetzt. Seit 1998 fahren auf dem Wiener Straßenbahnnetz ULF der ersten Serie im Linienbetrieb, die von einem Konsortium der Unternehmen Simmering-Graz-Pauker (heute Siemens) und ELIN EBG Traction (Tochterunternehmen von VA Tech, welche wiederum ebenfalls von Siemens übernommen wurde), gebaut wurden. Für das Design der Fahrzeuge zeichnete die Firma Porsche Design verantwortlich.

Die erste Lieferung, insgesamt 150 Serienfahrzeuge plus die beiden auf Serienstandard gebrachten Prototypen, ist nun abgeschlossen. Eine Bestellung über weitere 150 ULF (und eine Option von 150 Stück) wurde Mitte 2004 erteilt. Die Hersteller hoffen auf Bestellungen auch aus anderen Städten.

Mit der Auslieferung der zweiten Serie an die Wiener Linien ist am 18. Jänner 2007 begonnen worden. Die Wagen sind äußerlich und innerlich optisch überarbeitet und bieten u. A. eine sehbehindertengerechte Farbwahl für den Innenraum. Außerdem sind die in der ersten Lieferung verbauten Sitze mit Stoffbezug vandalismussicheren Hartschalensitzen gewichen. Damit wird auch eine Annäherung an die Innenausstattung der Wiener U-Bahn-Garnituren der Wagentype V erreicht. Wie diese sind die neuen Garnituren klimatisiert. Bis 2014 sollen 300 Fahrzeuge an die Wiener Linien ausgeliefert worden sein.

Im Anschluss an die Innotrans 2004 fuhr der dort ausgestellte Wagen einige Tage zu Demonstrationszwecken im Berliner Straßenbahnnetz. Außerdem waren 2005 zwei ULF einige Tage in Graz zu Testzwecken unterwegs, sowie 2001 ein Zug in München.

Als erste Stadt neben Wien entschied sich im Jänner 2008 die rumänische Verkehrsgesellschaft Oradea Transport Local für den Erwerb von zunächst zehn ULF-Fahrzeugen. Die dem Wiener Typ A1 entsprechenden Wagen wurden in den Jahren 2008 und 2009 ausgeliefert. Der Auftrag hatte einen Wert von circa 27,5 Millionen Euro.[1][2]

Kritik und Probleme

Am 27. Juli 2009 brannte das Heck eines ULFs in Wien auf der Linie 67 aus, wobei niemand verletzt wurde. Die Wiener Zeitung zitierte einen namentlich nicht genannten Techniker, der den Vorfall auf einen „grundsätzlichen Konstruktionsfehler“ zurückführt: „Das passiert bei den Ulf permanent. Mal läuft nur Hydrauliköl aus, mal kommt es zu Verrauchungen – und manchmal auch zu richtigen Bränden“ [3]. In der Folge wurde bei allen Fahrzeugen dieser Mangel behoben. In diesem Zusammenhang bemängelte das Verkehrsministerium schon früher die fehlende Fluchtmöglichkeit durch die Fenster.

Als sich die Stadt Wien 1992 für eine Neuentwicklung der Niederflur-Technologie durch Siemens Österreich und damit gegen vorhandene Modelle entschied, wurde der Stadtregierung politisches Kalkül vorgeworfen. Auch aufgrund der langen Entwicklungsdauer kam es bei der ersten Serie zu einer Verspätung bei der Lieferung.

Pfeifende Motoren und quietschende Gelenke sorgen bei manchen Betriebssituationen für deutlich wahrnehmbaren Lärm. Im Hochsommer klagen Fahrgäste über die Hitze in den Fahrzeugen der ersten Serie, die späteren Fahrzeuge verfügen über eine Temperaturabsenkanlage. Das aerodynamische Design außen hat den Nachteil, dass die Fahrzielanzeige im Sonnenlicht eventuell spiegelt und dadurch unlesbar wird.

Die ULF-Technologie wurde nicht zum erhofften Wiener Export-Schlager. Viele Verkehrsbetriebe (etwa Berlin) entschieden sich gegen den ULF, weil er nicht als Zweirichtungs-Fahrzeug konzipiert wurde. Für den internationalen Markt setzt Siemens mittlerweile auf andere Modelle wie den Combino-Nachfolger Avenio.

Einzelnachweise

  1. Helmut Dité: Wiener Ulf auch in Oradea, Wiener Zeitung, 15. Jänner 2008
  2. E. Lassbacher: ULF in Rumänien, stadtverkehr, Ausgabe Juni 2008, Seite 51
  3. Tramway in Vollbrand. (Nicht mehr online verfügbar.) Wiener Zeitung, ehemals im Original, abgerufen am 30. Juli 2009.

Weblinks

 Commons: Vienna tram types – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
  • Die Höhe überwunden Ein mehrseitiger Artikel (Ulf-Story) und viele Bilder zum Wiener ULF.
  • ULF Ausführliche Erklärung der Entwicklung der Prototypen bis zur Serienreife mit vielen Bildern.

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